Die Medizin des Propheten und ihre Bedeutung in der Gegenwart. Traditionelle islamische Heilvorstellungen in modernen Fatwas


Hausarbeit, 2004

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

1. Zum Begriff der Heilung aus islamischer Sicht
1.1. Das Heilverständnis im Islam
1.2. Medizinische Aspekte im Koran

2. Die Medizin des Propheten (tibb an-nabawi)
2.1. Die medizinische Situation vor dem Auftreten und zu Zeiten Mohammeds
2.2. Hadithe und die Medizin des Propheten
2.3. Prophetenmedizin in Beispielen
2.3.1. Die heilende Wirkung des Honigs
2.3.2. Therapie bei Schwarzen Pocken
2.3.3. Das Problem der Ansteckung
2.3.4. Mohammed und Mundhygiene
2.4. Die Prophetenmedizin nach Mohammeds Tod

3. Die Bedeutung der Prophetenmedizin in der Gegenwart
3.1. Situation der islamischen Medizin heute
3.2. Prophetenmedizin in modernen Fatwas
3.2.1. Was sind Fatwas?
3.2.2. Ausgewählte Fatwas
3.2.3. Zusammenfassung

4. Schlussfolgerung

Quellenverzeichnis

Vorwort

Heilung[1] ist ein zentraler Aspekt von Religionen, der stark mit dem Glauben verbunden ist. Bereits in der Bibel wird von Heilungen durch den Propheten Jesu berichtet. So heilt er nicht nur die an Fieber leidende Schwiegermutter des Paulus (vgl. Mat 1, 29-30) sondern auch einen Aussätzigen (vgl. Mat 1, 40-45) und einen Gelähmten (vgl. Mat 2, 1-12), die sich hilfesuchend und im festen Glauben an eine Linderung ihrer Not an ihn wenden.

Doch nicht nur im Christentum finden sich solche religiös motivierten Heilprozesse, auch der Islam ist voll von Beispielen, die weniger mit Medizin als vielmehr mit volkstümlicher Heilkunde und Gottesglauben zu tun haben. Während das Christentum diesen Glauben heute zum größten Teil verloren hat und religiöse Heilungen kein zentrales Thema mehr sind, haben sich diese Tendenzen im islamischen Glauben bis in die Gegenwart erhalten.

So basiert die Medizin im Islam[2] heute auf drei größeren Traditionen: Einerseits der traditionellen Volksmedizin welche seit dem Altertum sowohl mit Methoden wie Schröpfen und Aderlass als auch Zaubersprüchen und Amuletten gegen Krankheiten arbeitete. Zweitens auf den aus dem antiken Griechenland übernommenen medizinischen Erkenntnissen wie der Lehre von den vier Temperamenten und deren Gleichgewicht. Diese Vorstellung und die damit verbundenen Heilmethoden konnten sich erst etwa ab dem 8. Jahrhundert im arabischen Raum durchsetzen, kamen aber mit bedeutenden Ärzten wie Ibn Sina zur Blüte. Die dritte Tradition letztlich ist die medizinische Erkenntnis wie sie vom Propheten Mohammed vermittelt wurde und sich aus den beiden zuvor genannten Traditionen sowie den Erkenntnissen des Propheten zusammensetzt.

Im Folgenden soll es nun um die zuletzt genannte Medizin des Propheten (arab. tibb an-nabawi) gehen. Dazu muss zunächst der Begriff der Heilung aus islamischer Sicht erklärt und auf gesundheitsspezifische Aspekte im Koran eingegangen werden. Das zweite Kapitel will im Anschluss daran die Medizin, wie sie von Mohammed gesehen wurde und uns heute noch in Hadithen erhalten geblieben ist, näher erläutern und an einigen Beispielen verdeutlichen. Letztlich muss sich mit der Frage auseinandergesetzt werden, welche Bedeutung die Prophetenmedizin heute noch inne hat. Dazu sollen ausgesuchte Fatwas vorgestellt und versucht werden, daraus eine Schlussfolgerung zu ziehen.

1. Zum Begriff der Heilung aus islamischer Sicht

Das Heilverständnis im Islam

Im Koran, dem zentralen Text des Islams, wird meist metaphorisch mit den Begriffen Krankheit und Heilung umgegangen, seltener im medizinischen Sinne. Wie Ilkilic erläutert, wird dabei oft der Begriff „Krankheit in ihren Herzen“ (vgl. Sure[3] 2/9, 33/60 u.a.) verwendet, d.h. „[...] dass es sich um die Abwendung vom Seelengleichgewicht, d.h. das Sich-Abwenden vom Glauben an die Einheit Gottes, der Zweifel an Gottes Existenz und die Heuchelei“ (ILKILIC 2002, S.23) handelt. Und Khoury erklärt, dass „[...] die Krankheit für den Koran ein schlechter Zustand des Menschen [ist], egal ob die Krankheit moralischer Art ist [wie es bereits Ilkilic thematisiert, A.d.V.] [...] oder ob sie als Schwäche, als gefährdeter Gesundheitszustand oder als Mangel an Gesundheit verstanden wird.“ (KHOURY 1993, S.93)

Egal von welcher Mangelerscheinung der Mensch aber betroffen ist, als Statthalter Gottes, der für die Erhaltung der Schöpfung zuständig ist (vgl. Sure 1/28), obliegt ihm die Aufgabe, den Gesundheitszustand wieder herzustellen. Denn nur ein gesunder Muslim ist in der Lage, alle Pflichten eines Gläubigen auszuüben. Für Kranke und Schwache gelten im Koran festgelegte Erleichterungen wie z.B. die Aufhebung der Pilger- und Fastenpflicht oder die Erleichterung beim Gebet (vgl. Sure 2/192, 5/9, 9/92, 24/60 u.a.) Der Mensch „[...] hat also die Aufgabe, die Gesundheit zu pflegen, zu schützen, die Krankheit zu behandeln und möglichst zu beseitigen. Und das kann nur erfolgend durch die Anwendung der Mittel der Heilkunde.“ (KHOURY 1993, S.95) Medizin soll folglich zur Erhaltung der göttlichen Schöpfung beitragen, sich auf der anderen Seite auch nie gegen sie wenden.

Wodurch wird eine Krankheit aber überhaupt ausgelöst? Nach islamischem Glauben (vgl. KHOURY 1993, S. 94) gibt es unterschiedliche Ursachen dafür:

Der Mensch ist von Natur aus zum Sterben und dem Verfall bestimmt (vgl. Sure 16/63 u.a.)

Ein Mensch lebt sündhaft und Gott schickt ihm eine Krankheit als Strafe dafür

Gott schickt eine Krankheit als Prüfung des Glaubens eines Menschen

In jedem dieser Fälle hat der betroffene Mensch die Pflicht, sich aktiv um die Besserung seines körperlichen als auch seelischen Gesundheitszustandes zu kümmern, denn „[...] Krankheit und Heilung von Krankheit gehören beide zur allgemeinen, zur gesamten Ordnung Gottes in seiner Schöpfung, nicht nur die Krankheit, sondern auch deren Überwindung.“ (KHOURY 1993, S.96)

Diese Vorstellung wurde bereits von Mohammed vertreten und ist heute weit verbreitet. Einige Mystiker leben jedoch in dem Glauben, dass alles Gott gegebene (auch Krankheit) wieder von Gott genommen werden wird, sofern es in seinem Ermessen liegt. Sie wenden keine medizinischen Mittel an, sondern vertrauen auf Gottes Gnade.

Medizinische Aspekte im Koran

Der Koran als bedeutendstes Schriftstück des Islam enthält keine konkreten Textstellen über medizinische Sachverhalte. Betrachtet man ihn jedoch genauer, finden sich Aspekte, die durchaus heilkundlichen Wert besitzen. Zum einen wären das hygienische Vorschriften wie die rituellen Waschungen vor dem Gebet (vgl. Sure 5/8 u.a.) und nach dem Kontakt mit „unreinen“ Dingen (vgl. Sure 5/9 u.a.) sowie das Verbot von Schweinefleisch, Blut (vgl. Sure 2/168 u.a.) und Alkohol (vgl. Sure 5/92 u.a.). Des Weiteren können auch die Fastenvorschriften (vgl. Sure 2/179ff.) als medizinische Maßnahme betrachtet werden, denn „[i]n den islamischen Traditionssammlungen finden wir Hinweise, daß Mohammed selbst seinen Anhängern das Fasten [..] als Mittel der Gesunderhaltung, der Vorbeugung von Krankheiten empfohlen hatte.“ (BRANDENBURG 1992, S.22)

Der einzige konkrete Hinweis auf eine Heilwirkung findet sich in Sure 16/71, in der es von den Bienen heißt: „Aus ihren Leibern kommt ein Saft von mannigfacher Farbe, in dem Heilung ist für den Menschen.“ Eine dementsprechend große Bedeutung wurde und wird dem Honig deshalb heute noch beigemessen.

2. Die Medizin des Propheten (tibb an-nabawi) und ihre Vorläufer

2.1. Die medizinische Situation vor dem Auftreten und zu Zeiten Mohammeds

Wie alle frühen Gesellschaften litten auch die Bewohner des arabischen Raumes zu Beginn der islamischen Zeitrechnung im 6. Jahrhundert an zahlreichen Krankheiten, die durch mangelnde Körperhygiene, schlechte Ernährung und widrige Lebensbedingungen hervorgerufen wurden. Die begrenzten Behandlungsmöglichkeiten die einem Kranken blieben, beliefen sich lediglich auf Kräuterkunde sowie unterschiedlich stark ausgeprägten Zauber- und Wunderglauben. „Ausgebildete Ärzte gab es nicht. Wer immer die Heilkunst ausübte wurde tabib genannt. [...] Im übrigen lag die Pflege der Kranken und Verwundeten in den Händen der Frauen.“ (ULLMANN 1970, S. 16)

Den Auslöser für Krankheiten sahen die Araber in den Aktivitäten der Dschinn, jene Wesen zwischen Mensch und Engel, die entweder unsichtbar oder in Gestalt von Tieren und Winden, einen Menschen berührten, ihn dadurch beeinflussten oder auch Besitz von ihm ergriffen.

Die Maßnahmen die in diesen Fällen angewendet wurden, umfassten die Verabreichung von bestimmten Kräutern und Drogen sowie Schröpfen, Aderlaß und Kauterisation (= Behandlung mit einem Brenneisen). Zudem führt Ullmann an, dass die Magie und der Glauben daran schließlich eine zentrale Stelle in der Heilbehandlung einnehmen. (vgl. ULLMANN 1979, S. 17) In diesem wichtigen Feld entwickelten sich zumeist regional unterschiedliche Bräuche für die verschiedensten Leiden, welche aus dem Tragen von Amuletten und Hautzeichnungen aus Henna und vor allem Beschwörungsformeln und/oder bestimmten Ritualhandlungen bestanden[4].

Die Einführung des islamischen Glaubens durch Mohammed brachte zunächst keine Veränderung der medizinischen Situation mit sich, da „auch die Heilkunde jener frühen Zeit des Islam [...] ein Bewies für die Kontinuität vieler Gebräuche und Ansichten aus der Zeit des arabischen Heidentums bis weit über die Anfänge des Islams hinaus [ist].“ (KLEIN-FRANKE 1982, S.6)

2.2. Hadithe und die Medizin des Propheten

Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, finden sich im Koran nur wenige, die Heilung betreffenden Aussagen. Grundlage für die Prophetenmedizin kann er deshalb nicht sein. In den Überlieferungen des Propheten, den Hadithen, finden sich allerdings eine ganze Reihe von medizinischen, heilkundlichen als auch sozialen Anweisungen, die dieses Gebiet des menschlichen Lebens betreffen[5] und somit Grundlage der sogenannten Prophetenmedizin sind. Es ist davon auszugehen, dass Mohammed selbst keine medizinische Grundbildung genossen hatte, sondern Anweisungen gab, die seinen eigenen Erfahrungen entsprachen. Ilkilic erklärt dazu: „Die Mehrheit der Hadithe [..] stimmen mit den Rezepten der damaligen Volksmedizin überein. Deswegen sollen diese Hadithe als Weitergabe der damals vorhandenen und durch Erfahrung bewährten Heilmittel oder medizinischen Praktiken verstanden werden.“ (ILKILIC 2002, S.35)

Da die damalige Medizin jedoch stark mit Magie und Wunderglauben durchsetzt war, der neue Glaube aber jegliche Art von übernatürlichen Kräften außer denen Allahs ablehnte, musste diese Medizin von magischen Praktiken gereinigt werden. Klein-Franke argumentiert dazu, dass „Muhammad kein Theologe oder Rechtsgelehrter [war], sondern [...] nach seinem Gutdünken [entschied], ob dieser oder jener Brauch akzeptabel war. Bei der Scheidung zwischen schwarzer (sihr) und weißer Magie (ruqa) ist daher sehr willkürlich verfahren worden, so daß die später als Prophetenmedizin vorgestellte Heilkunde der Orthodoxie im Islam alles andere als eine von magischen Vorstellungen gereinigte Medizin war.“ (KLEIN-FRANKE 1982, S.14)

[...]


[1] Unter Heilung wird hier ein Prozess verstanden, welcher sich auf die Verbesserung eines bestimmten körperlichen oder seelischen Krankheitszustandes bezieht.

[2] Die heutige islamische Medizin besteht natürlich zum größten Teil aus westlicher „Gerätemedizin“, ist jedoch noch zu einem großen Teil von den traditionellen Anschauungen und vor allem von religiösen Vorschriften durchzogen.

[3] Die Surenangabe bezieht sich auf die im Quellenverzeichnis genannte Ausgabe des Korans.

[4] Ullmann gibt hierfür u.a. folgendes Beispiel: „In der Annahme, daß das Fieber nur die Menschen ergreife, pflegten die Beduinen, die nach Haibar kamen, vor den Toren der Stadt zehnmal wie ein Esel zu schreien (tasir), um das Fieber glauben zu machen, sie seien keine Menschen, sondern Esel.“ (ULLMANN 1970, S. 17)

[5] Die erste Hadithsammlung mit dem Schwerpunkt der Prophetenmedizin wurde von Ali ar-Rida (gestorben 818) in einem Werk zusammengefasst. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einige verstreute Kapitel in verschiedenen Sammlungen.

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Details

Titel
Die Medizin des Propheten und ihre Bedeutung in der Gegenwart. Traditionelle islamische Heilvorstellungen in modernen Fatwas
Hochschule
Universität Leipzig  (Religionswissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Frauen in Fatwas
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V55119
ISBN (eBook)
9783638501583
ISBN (Buch)
9783638810265
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die in der Arbeit zitierten Fatwas sind in englischer Sprache.
Schlagworte
Medizin, Propheten, Bedeutung, Gegenwart, Traditionelle, Heilvorstellungen, Fatwas, Frauen, Islam, Prophetenmedizin, Mohammed, Muslime, Muslim, islamisch, tibb an-nabawi, Hadith, Koran, Gesundheit
Arbeit zitieren
Claudia Brand (Autor:in), 2004, Die Medizin des Propheten und ihre Bedeutung in der Gegenwart. Traditionelle islamische Heilvorstellungen in modernen Fatwas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55119

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