Nickelmann erlebt Berlin - Ein Großstadtroman für Kinder und deren Freunde - Eine Romananalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufbau und Sprache

3. Erwachsenenbild

4. Kindheitsbild
4.1. Nickelmann
4.2. Das Geschwisterpaar Marianne und Stefan

5. Die Großstadt
5.1. Lebensumfeld/-umstände
5.2. Elemente der Moderne
5.3. Ausländer und Multikulturalität

6. Vergleich von „Nickelmann erlebt Berlin“ mit anderen Großstadtromanen der Weimarer Republik

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit soll Tami Oelfkens erstes Werk „Nickelmann erlebt Berlin. Ein Großstadtroman für Kinder und deren Freunde“ vorgestellt und untersucht werden. Dazu soll zunächst auf den Aufbau des Romans und dessen Sprache eingegangen werden. In einem weiteren Schritt wird zunächst das Kindheitsbild unter besonderer Berücksichtigung der Protagonistin Nickelmann und ihrer beiden Freunde Marianne und Stefan herausgearbeitet und anschließend das Erwachsenenbild des Romans dargestellt. Dabei soll auch auf das Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen eingegangen werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Romananalyse ist das Thema Großstadt. Bereits im Titel wird dem Leser „ein Großstadtroman für Kinder und deren Freunde“ versprochen. Untersucht werden soll in dieser Arbeit, inwieweit Elemente der Moderne und insbesondere die Großstadt Erwähnung im Roman finden. Dazu sollen zunächst das Lebensumfeld von Nickelmann und deren Lebensumstände betrachtet werden und in einem zweiten Schritt auf Elemente der Moderne überprüft werden. Zudem soll geprüft werden, welche Rolle Ausländer und die Multikulturalität einnehmen. In einem letzten Schritt soll der Roman mit anderen Großstadtromanen der Weimarer Republik verglichen werden.

2. Aufbau und Sprache

Der Roman beginnt mit einer direkten Ansprache des Lesers: „Heute kann ich es euch ja ruhig verraten, ihr werdet gewiß keine Geschenke mehr hintragen.“ (S. 9). Im weiteren Verlauf des Romans finden sich weitere Stellen, an denen sich der Erzähler direkt an den Leser wendet. Der Roman schildert sehr anschaulich und mit vielen Details die Abenteuer des zehnjährigen Mädchens Nickelmann und ihrer beiden Freunde Marianne und Stefan, die das damalige Berlin aus der Großstadtperspektive zeigen. Der Roman ist reich an Beobachtungen, was die Beschreibung eines Mannes, den Marianne und Nickelmann im Kaufhaus sehen, beispielhaft zeigt:

„[…] am anderen Ende der Bank saß eine sehr schöne Figur, ein junger Herr, mehr ein großer Junge. Er war wundervoll angezogen. Aus seiner Tasche guckten ganz neue Handschuhe. Als Nickelmann ihn richtig angucken wollte, merkte sie, er war lebendig. Er saß nur so still, weil er müde war. Vielleicht war es ihm auch nur langweilig. Er hatte sehr langes blondes Haar und deshalb glaubte man zuerst er wäre eine Puppe, eine schöne Puppe mit großen dunkelblauen Augen. …“ (S. 96f)

Viele Ausrufe, schnelle Verben wie auf S. 26 „platzte, schnappte, sauste, …“ und eine Art Wörtliche Rede „Oh wie gut! Oh wie gut!“ (ebenfalls S. 26) bringen stellenweise Tempo in die Geschichte, das durch onomatopoetische Einwürfe („rutsch, ratsch, ritsch“ beim Herunterstürzen der Stufen, S. 15) erhöht wird.

Erzählt wird in der Vergangenheit aus der Sicht eines Er-Erzählers. Eingefügt werden stellenweise direkte und indirekte Rede und auch bewertende Kommentare (z.B. auf S. 28: „Man sah, es war Pfannkuchen gewesen. Aber kein Mensch hätte ihn mehr essen können.“). Geschrieben ist der Roman in Hochdeutsch. An einigen Stellen des Romans findet man jedoch einen berlinerischen Dialekt in der Sprache wieder. Dieser wird vor allem dort genutzt, wo Mitglieder der unteren Schichten zu Wort kommen. So antwortet Kalli Murks an einer Stelle: „Ich hatte eine Braut, mit der bin ich ins Kino gegangen, als ich im Herbst ausgekniffen bin.“ (S. 125)

Aufgeteilt ist der Roman in zwölf Episoden, die nur teilweise im Zusammenhang miteinander stehen, aber chronologisch geschildert werden. Veranschaulicht werden die geschilderten Situationen durch zahlreiche Illustrationen, die immer zu Beginn einer neuen Episode, aber auch zwischendurch im Roman zu finden sind. Alle Illustrationen sind mit kurzen Texten versehen, die die dargestellte Situation in wenigen Worten beschreiben. Anhand von vielen Orts- und Zeitangaben hat der Leser die Möglichkeit, das Umfeld, in dem der Roman spielt, an einer Stadtkarte nachzuvollziehen. An einigen Stellen des Romans wird moralisierend gearbeitet: „Nickelmann hatte sich fest vorgenommen, immer dabei zu sein, wenn irgendwo um die Ecke was los war, ihr Standquartier blieb aber der kleine Absatz vor ihrer Haustür und dahin kehrte sie auch immer wieder zurück.“ (S. 14f). Für den jungen Leser ist darin die Moral verborgen, dass er sich zwar ruhig etwas trauen dürfe, jedoch immer zu wissen habe, wo sein zu Hause ist. Dem kindlichen Leser werden an vielen Stellen Begriffe der Erwachsenenwelt erklärt. So wird im Roman beispielsweise der Begriff der „Steuern“ eingeführt. Im Roman wird in diesem Kontext auf das Lebensumfeld von Nickelmann eingegangen:

„Solange sich Nickelmann erinnern konnte, fing es jeden Frühling mit Krokus und Tulpen an und hörte im Herbst mit rosa verblichenen kleinen Astern auf. Dafür sorgte ein Gärtner, und Wilmersdorf bezahlte alles. Wilmersdorf wieder kriegte das Geld von allen Menschen, die hier wohnten. Das nannten sie Steuern.“ (S. 19)

Eingeführt werden auch machtpolitische Themen. Wilmersdorf steht dabei an der Spitze. Im Roman wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Menschen für Wilmersdorf arbeiten. Auch der Besitzbegriff spielt in diesem Rahmen eine große Rolle: „Der Haufen [Laubhaufen im Park] gehörte nicht den Kindern, auch nicht Herrn Babs, der Haufen gehörte Wilmersdorf.“ (S. 22)

Trotz vieler Erklärungen von Begriffen, werden an einigen Stellen des Romans Be­griffe genutzt, die gewöhnlich nicht im (Alltags-) Sprachgebrauch der Kinder wieder zu finden sind (beispielsweise „Ordinaria“ (S. 43), „Dissidenten“ (S. 49), „Lorgnon“ (S. 104), „Volants“ (S. 137), …).

Auffallend ist die hohe Anzahl von Figuren, die in dem Roman eine Rolle spielen. Viele der Charaktere werden im Roman ausführlich vorgestellt.

3. Erwachsenenbild

Das im Roman „Nickelmann erlebt Berlin“ entworfene Erwachsenenbild gestaltet sich sehr unterschiedlich. Fast alle im Roman dargestellten Erwachsenen leben gemeinsam in einer Straße, aber dennoch in sehr unterschiedlichen finanziellen wie räumlichen Verhältnissen.

Während Nickelmann alleine mit ihrer Mutter und Tante Susa in einer kleinen Wohnung leben, lebt beispielsweise die Familie Buschmann mit einem Dienstmädchen und einer Köchin. Dadurch, dass Nickelmanns Mutter aufgrund des frühen Todes ihres Mannes allein für sich und ihre Tochter sorgen muss, verfügen sie nicht über genügend Geld. Sie sind verpflichtet sparsam zu leben und können sich demzufolge kein Luxusleben leisten. So werden bei Nickelmann an Weihnachten nach kurzer Zeit die Kerzen ausgepustet, da sie an Silvester auch noch einmal brennen sollen (S. 82). Die relative Armut von Nickelmanns Familie wird auch an anderen Stellen deutlich. So trägt Nickelmann bei den Dreharbeiten des Films einen Wintermantel mit viel zu kurzen Ärmeln (S. 31) (Vgl. auch 5.2 „Elemente der Moderne“).

Während Nickelmanns Mutter in dem Roman als sehr verständnisvoll und einfühlsam dargestellt wird, wirkt Tante Susa übervorsichtig. Tante Susa verfügt über eine ausgeprägte Angst vor „Räubern, Dieben und Gesindel“ (S. 9). Um sich und Nickelmann zu schützen, schließt sie die Wohnungstür mit einem Sicherheitsschloss und Ketten ab. Am liebsten würde sie Nickelmann gar nicht erlauben, auf der Straße herumzustrolchen, „[…] weil sie vom Balkon nicht um die Ecke gucken konnte. Aber die Mutter wusste, dass jedes Jahr die Welt ein Stück größer wird.“ (S. 14)

Ähnlich kinderlieb und verständnisvoll wie Nickelmanns Mutter ist auch Herr Mietke. Im Roman wird er als Freund der Kinder dargestellt (S. 55). Anders als die anderen Erwachsenen im Roman verhält er sich kindisch und hört teilweise nicht auf seine Frau (S. 15). Er erinnert sich oft an den ersten Weltkrieg und sieht sich selbst als Mörder. Als die Kinder ihn auf die Schuld der Juden an dem Tod Jesu (Vgl. 5.3 „Ausländer und Multikulturalität“) ansprechen, kann er die Juden nicht verurteilen (S. 60). Seine Frau mag ebenfalls Kinder, allerdings nicht so gerne wie ihr Mann. Sie ist sehr ordentlich, sehr auf ihr Ansehen bedacht und möchte daher, dass sich ihr Mann angemessen verhält (S. 15). Mit dem Einzug und der Adoption von Kalli Murks erhält sie eine Art Mutterwürde und verteidigt Kalli so gegen den Verlagsherrn.

Erwachsene sind in dem Roman oft außerstande, die Fragen der Kinder zu beantworten (Vgl. 5.3 „Ausländer und Multikulturalität“). Weder die Lehrerin noch Herr Mietke sind an dieser Stelle in der Lage, den Wissensdurst von Nickelmann, Marianne und Stefan zu stillen.

4. Kindheitsbild

In dem Roman „Nickelmann erlebt Berlin“ werden genau wie bei den Erwachsenenbildern sehr unterschiedliche Kindheitsbilder entworfen. Während Nickelmann, Marianne und Stefan aus behüteten Familien stammen, wird gegen Ende des Romans auch ein Junge, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt (Kalli Murks), eingeführt. Insgesamt lässt sich das Kindheitsbild im Roman als positiv beschreiben. Die Kinder sind den Erwachsenen im Roman in vielen Dingen voraus, auch wenn sie von ihnen an einigen Stellen stark eingeschränkt werden (vgl. 4.2 „Das Geschwisterpaar Marianne und Stefan“). Da der Roman aus Sicht der Kinder geschildert ist, erfährt der Leser viel über die Ungerechtigkeiten, denen die Kinder begegnen: Marianne und Nickelmann können beispielsweise bei einem Besuch des Kaufhauses zwar ihre geringe Größe nutzen, um ganz nach vorne zu gelangen (S. 104), werden jedoch beim Beobachten eines Diebstahls (vgl. auch 5.2 „Elemente der Moderne“) wie Kinder behandelt. „Jetzt verschwand die Aufsichtsdame mit der Diebin hinter einer Tür, an der stand: Eintritt verboten! Wie oft hatten sie das schon erlebt! Gerade, wenn es interessant wurde, wurde ihnen die Tür vor der Nase zugeklappt und da standen sie!“ (S. 106)

Die Kindheit verläuft für die Kinder spielerisch. Sie haben viele Freiräume und haben kaum Pflichten zu erfüllen.

Die Protagonistin Nickelmann und ihre beiden besten Freunde Marianne und Stefan sollen im Folgenden näher vorgestellt und ihre gegensätzlichen Charaktere untersucht werden. Kalli Murks soll in Abschnitt 5.1 „Lebensumfeld/ -umstände“ genauer präsentiert werden.

4.1. Nickelmann

Die zehnjährige Protagonistin Gertrude Linde, genannt Nickelmann, verkörpert im Roman „Nickelmann erlebt Berlin“ die Abenteuerlust. Entgegen ihres süßen Aussehens mit den blonden Locken und ihrem vorbildlichen Verhalten in der Schule, hat sie den Drang, etwas erleben zu wollen.

Nach einem Erlebnis mit einigen Filmleuten, die es ihr ermöglichen, in einem Film mitzuspielen (vgl. 5.2 „Elemente der Moderne“), glaubt sie jedoch, dass die interessanten Dinge nicht in der Schule vorkommen (S. 39) und entwickelt eigene Zukunftsträume (S. 58). Dargestellt wird sie als intelligent und sehr wissbegierig, doch sie merkt schnell, dass ihr viele Fragen nicht beantwortet werden.

Ihren Vater hat Nickelmann nie kennen gelernt. Er ist noch vor ihrer Geburt gestorben. Deshalb muss Nickelmanns Mutter allein für sie sorgen und arbeitet demzufolge viel. Zu ihrer Mutter hat Nickelmann ein inniges Verhältnis. „[…] [Nickelmann] hatte […] eine so herrliche Mutter, dass mit ihr kein Mensch konkurrieren konnte.“ (S. 44) Sie ist die wichtigste Person in Nickelmanns Leben, mit der sie gerne Zeit verbringt, was jedoch nur eingeschränkt möglich ist. Da Tante Susa gemeinsam mit Nickelmann und ihrer Mutter lebt, ist Nickelmann nicht so oft allein, verfügt aber trotzdem über viele Freiräume. Trotz ihrer Abenteuerlust kehrt sie immer wieder zu ihrer Familie zurück, die im Roman ihre Abenteuerlust etwas zurückhält. Nickelmann ist begeistert, wenn etwas passiert und immer bereit Streiche durchzuführen. Trotzdem handelt sie bedacht, was man in der Episode mit den Filmleuten erkennen kann: Nickelmann darf sich für ihre Hilfe beim Filmdreh etwas wünschen und äußert an dieser Stelle die Absicht, genau über den Wunsch nachdenken zu wollen (S. 36). Sie möchte gerne die Welt verstehen, scheitert jedoch beim Analysieren des Verhaltens der Erwachsenen. Nicht immer versteht sie deren Witze und fühlt sich daher ausgeschlossen (S. 36). Viele ihrer Gedanken kreisen bereits um Themen der Erwachsenenwelt. So hat sie bereits bestimmte, teilweise etwas kindliche Vorstellungen, wie sie später ihr Geld verdienen möchte. Eine Vorbildfunktion hat dabei die Arbeit ihrer Mutter im Arbeitsamt. Doch während ihre Mutter ihr Geld immer zu Beginn eines neuen Monats bekommt, stellt Nickelmann die Überlegung an, dass sie ihr Geld später lieber auch in der Mitte des Monats bekommen möchte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Nickelmann erlebt Berlin - Ein Großstadtroman für Kinder und deren Freunde - Eine Romananalyse
Hochschule
Universität Siegen  (Germanistik)
Veranstaltung
Kinder- und Jugendliteratur der Weimarer Republik
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V55059
ISBN (eBook)
9783638501064
ISBN (Buch)
9783656792277
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nickelmann, Berlin, Großstadtroman, Kinder, Freunde, Eine, Romananalyse, Kinder-, Jugendliteratur, Weimarer, Republik
Arbeit zitieren
Anika Barton (Autor:in), 2005, Nickelmann erlebt Berlin - Ein Großstadtroman für Kinder und deren Freunde - Eine Romananalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55059

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