Das mittelalterliche Zunftwesen


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Produktionsweise und Produktionsgegebenheiten

3. Der Aufstieg der Zunft

4. Die Zunft in ihrer Erscheinung

5. Die Zunft – ein Kartell?

6. Schlussbemerkungen

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das mittelalterliche Zunftwesen nimmt im Kontext des Seminartitels „Die europäische Stadt im Mittelalter“ eine wichtige und weitreichende Rolle ein. Sie war die vorherrschende Organisationsform des mittelalterlichen Stadtgewerbes. Das städtische Zunftwesen ist unter dem Aspekt „wirtschaftliches Leben im Mittelalter“, neben der Form der Hanse als Handelsorganisation, sicherlich einer der bedeutendsten Themenpunkte dieser Zeit, denn durch die Zunft erhielt die handwerkliche Arbeit ihre hervorragende Stellung im gesamten Wirtschaftsleben des Volkes.

In dieser Hausarbeit sollen zum einen die Gegebenheiten und Vorraussetzungen für den Aufstieg der mittelalterlichen Zunft sowie deren Struktur-, Aufbau- und Wirkungserscheinung im Hinblick auf das städtische Leben beleuchten werden. Es soll damit deutlich gemacht werden, welche Stellung die Zünfte in der Stadt und vor allem in der städtische Wirtschaft eingenommen haben. Als Bezugspunkt werden dabei hauptsächlich die Handwerkszünfte dienen, da sie den eigentlichen Inbegriff der mittelalterlichen Zunft bilden. Um letztendlich ein rundes Gesamtbild zu erreichen, wird die Hausarbeit inhaltlich chronologisch verlaufen, dass heißt sie rangiert vom Aufstieg bis zum Ende des Höhepunkts der Zünfte im Mittelalter.

2. Allgemeine Produktionsweise und Produktionsgegebenheiten

Die gewerbliche Produktion der Handwerker bewegte sich zu Beginn des Mittelalters in einem verhältnismäßig kleinen Rahmen. Sie konzentrierte sich hauptsächlich auf die Stadt und ihr näheres Umland, was wiederum begrenzte Absatzverhältnisse und somit eine beschränkte Konsumkraft mit sich brachte. Die begrenzte Konzentration auf die eigene Stadt hatte folgende Gründe: Auf der einen Seite verhinderten die schlechten Verkehrsverbindungen ( unzureichende Fernverbindungsstraßen und Wege) eine rentable Ausdehnung des Marktes. Auch Aufzeichnungen (Straßen- und Landkarten) mit Verbindungsstrecken und Entfernungsangaben zu anderen günstigen Märkten waren Mangelware. Auf der anderen Seite waren es die unbefriedigenden Transportmittel, die keinen Massengütertransport in die Ferne erlaubten und diesen nur wesentlich verteuert hätten.[1] Fast ausschließlich Luxusgüter der Königshäuser, Klöster oder anderer gehobener Klassen wurden im frühen Mittelalter in die Ferne gehandelt. Das änderte sich später durch die entstehenden deutschen Hansen, welche durch die Ausweitung der Handelsbeziehungen und der Verflechtung weit entfernter Märkte, erste günstige Massengütertransporte ermöglichten. Die Städtekonzentration führte dazu, dass sich im Stadtgewerbe Unmengen meistergeführter Kleinbetriebe entwickelten. Um das 12. Jahrhundert machten sie ca. 50% aller städtischen Betriebsformen aus.[2] Dabei war das Beieinanderwohnen der Handwerker in sogenannten Gewerbegassen üblich. Dies hatte oft nicht nur rein praktische Gründe, sondern ermöglichte auch eine bessere und effizientere Zusammenarbeit von Handwerkern desselben Gewerbes.[3] Handwerker arbeiteten generell hauswirtschaftlich und lebten mit Familie, den Handwerkslehrlingen und den Handwerksgesellen zusammen unter einem Dach. Nicht selten kam es vor, dass es in Städten mehr Meister als Lehrlinge und Gesellen gab, da sich die Meister oft auf eine bis maximal zwei Lehrlings- und Gesellenausbildungsstellen beschränkten.

Die frühmittelalterliche kleinbetriebliche Produktionsweise wurde durch große Krisen wie Seuchen, Kriege und daraus resultierende Hungersnöte gefährdet. Mit der Verteuerung der Nahrungsmittel während solcher Hungersperioden entstand Geldmangel in den Städten. Dieser Geldmangel machte sich im städtischen Gewerbe durch Absatzstockungen deutlich bemerkbar und behinderte oft über längere Zeit die gewerblich Produktion.[4] Derartige Krisen waren wiederum mit der Struktur der vielen Kleinbetriebe, die ohne große verzinslichte Kapitalinvestitionen fungierten, noch am unbeschadetsten zu überwinden. Das ist so gesehen ein weiterer Grund für die ausgeprägte Verbreitung jener Kleinbetriebsstrukturen. Nebenbei hatten viele Handwerksmeister oft einen gewissen ländlichen Rückhalt in Form von Gartengrundstücken oder Acker (teilweise mit Viehhaltung) zur Überwindung solcher Erwerbskrisen.

Im städtischen Kleingewerbe des Frühmittelalters lassen sich vereinfacht drei verschiedene Produktionsformen feststellen: Die Arbeit nach dem Hauswerk, dem Lohnwerk und dem Preiswerk.[5] Die Arbeit nach dem Hauswerk wird auch die geschlossene Hauswirtschaft genannt oder als Heimfleiß bezeichnet. Die Produktion verlässt dabei den Haushalt nicht, denn sie dient lediglich dem Eigenbedarf. Bei der Arbeit nach dem Lohnwerk tritt der Produzent (Handwerker) in den direkten Dienst des Kunden. Der Handwerker arbeitet dabei ohne Eigenbesitz (ohne eigene Rohstoffe, Verarbeitungsmaterialien), dass heißt er arbeitet ohne eigenes Betriebskapital. Er bekommt die zu verarbeitenden Mittel und Rohstoffe direkt vom Kunden gestellt, bearbeitet diese zum gewünschten Gegenstand und erhält am Ende einen sogenannten Stücklohn vom Kunde. Anders ist es bei der Arbeit nach dem Preiswerk. Der Handwerker besitzt hierbei selbst die nötigen Rohstoffe und Mittel (Betriebskapital) und seine Arbeit richtet sich auf den Markt, wo er seine Ware gegen einem bestimmten Preis verkauft. Der Produzent ist dabei frei und arbeitet auf eigene Kosten und unterliegt somit auch einem gewissen Risiko. Das Preiswerk wird später die übliche Betriebsform für die Zünfte werden.[6] Diese versuchten aber durch gewisse Zunftregelungen das Risiko der Meister bei dieser Produktionsform durch mehr Chancengleichheit zu mindern und gleichwertiger zu verteilen.

Es gibt unterschiedliche Ansichten über die Einordnung dieser mittelalterlichen Produktionsformen. K. Bücher[7] sieht diese Betriebsformen in einer historischen Aufeinanderfolge und ergänzt diese später noch durch den Verlag und den Fabrikbetrieb. Er ist der Auffassung, dass das städtische Gewerbe aus der Arbeit nach dem Hauswerk (für Eigenbedarf) hervorgegangen ist und sich über das Lohnwerk (direkte Arbeit für Kunden) hin zum Preiswerk der Zünfte (Arbeit für den wirtschaftlichen Markt) entwickelt hat. Dagegen steht aber Eberhard Isenmanns[8] Behauptung, die Produktionsformen würden zum Teil parallel auftreten und seien somit entwicklungsgeschichtlich nicht aufeinanderfolgend, sondern zeitgleich entstanden. Zum Beispiel konnte es vorkommen, dass Handwerker neben dem Preiswerk für die entstehenden Zünfte nebenbei noch Lohnwerk für spezielle Kunden betrieben, obwohl dies eigentlich durch die Zunftordnung ausdrücklich verboten war. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen diesen beiden Auffassungen. Aus rein logischer wirtschaftlicher Sicht wird es sicherlich so gewesen sein, dass erst mit der Arbeit nach dem Hauswerk (Heimfleiß) das handwerkliche Gewerbe ins Rollen kam und sich später (daraus) die Arbeit für den Markt entwickelte. Dabei wird es vorgekommen sein, dass sich die verschieden Produktionsformen zeitlich so überschnitten, dass sie über längere Zeit parallel existierten.

Die angeführten Produktionsweisen und Produktionsgegebenheiten des Frühmittelalters bildeten schließlich die Voraussetzung für die Entstehung und Herausbildung des mittelalterlichen Zunftwesens. Die vorherrschenden Kleinbetriebsstrukturen, die Markt- und Produktionskrisen oder auch die allgemeinen Produktionsformen des städtischen Gewerbe waren nicht nur bestimmten Regionen oder Städtetypen des Mittelalters zuzurechnen. Sie waren einer großen Mehrzahl von mitteleuropäischen Städten als gemeinsame oder ähnliche Vorrausetzungen gegeben, was somit die weiträumige und überregionale Verbreitung sich entwickelnder zünftiger Strukturen erklärt.

3. Der Aufstieg der Zunft

Das Wort „Zunft“ stammt ursprünglich aus dem Germanischen von „zeman“ oder „gezemen“ ab, was heute übersetzt »zähmen« oder »geziemen«- meint. Sinnentsprechend soll das eine Art »Übereinkunft« oder »Übereinkommen« bedeuten, was wiederum mit „Zusammenkunft“ verwandt ist. Das Wort Zunft ist deswegen eine gekürzte Abrede des Wortes „Zusammenkunft“ und beschreibt letztendlich eine geregelte Gemeinschaft oder Vereinigung, ohne dabei schon Näheres über deren Inhalt zu verraten.[9] Der Begriff Zunft ist ein allgemein hochdeutscher Begriff und findet im Mittelalter vor allem in Süddeutschland Verwendung. Ähnlich entstandene Bezeichnungen sind zum Beispiel fraternitas und Bruderschaften für Köln; Amt oder Ambacht für Flandern und den Niederrhein und Innung oder Gilde für den norddeutschen Raum.[10] Diese unterschiedlichen Bezeichnungen hatten anfangs ihre Ursache in den verschiedenen regionalen Sprachgebräuchen und deren Eigenheiten. Erst mit der Zeit begannen sich die verschiedenen Bezeichnungen für Zusammenkünfte oder Gemeinschaften auch in ihren Strukturen und Charakteren zu differenzieren.[11]

Die ersten Handwerkskooperationen werden seit 1099 mit der Mainzer Weberzunft datiert. Später folgten zum Beispiel die Quedlingburger Gewandschneider (1134), Bettziechenweber von Köln (1149), die Schuhmacher von Rouen (1147) oder die Baseler Kürschner (1226).[12] Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts sind die Zunftorganisationen in germanisch- romanischen Städten allgemein verbreitet.[13]

Die Organisierung in Zünften erfolgte meist unter freien Handwerksmeistern, die ein und das selbe Gewerbe ausübten. Diese entstanden Vereinigungen zielten vorläufig auf die Verwirklichung der eigenen Interessen[14] ab und weniger auf die der Konsumenten. Das allgemeine ökonomische Ziel, welches eine Zunft anstrebte, kann wie folgt beschrieben werden: „man wollte versuchen, diese Ungleichheiten zwischen Armen und Reichen durch die Beschränkung des Einzelnen zugunsten der Gesamtheit zu mildern und verhindern, dass der wirtschaftlich Schwache in die Abhängigkeit des wirtschaftlich Stärkeren gerät.“ (Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S. 345 letzter Absatz). Diese Erklärung zur «brüderlichen» Aufteilung des Marktes unter den Handwerksmeistern beschreibt aber mehr einen Idealfall als die praktische Realität, verdeutlicht jedoch sehr präzise das eigentliche Grundstreben einer zünftigen Vereinigung.

[...]


[1] Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S. 341, 1. Absatz

[2] Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S. 341

„..diese Form machte häufig etwadie Hälfte der Betriebe in der Stadt aus“

[3] Ennen, Edith: Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1987, S. 151

[4] vgl. Isenmann E. ( 1988), S.341, 1. Absatz

[5] vgl Isenmann, E. (1988), S. 341-342

[6] Ennen, Edith: Die europäische Stadt des Mittelalters. 4. Auflage, Göttingen 1987, S.150

„..er trieb Preiswerk...“

[7] Bücher, K.: Die gewerblichen Betriebssysteme in ihrer geschichtlichen Entwicklung, in: DERS., Die

Entstehung der Volkswirtschaft , S.177- 214

[8] Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S.342

„Vielfach wird sogar innerhalb eines Gewerbeberufs in einer Hand zugleich im Lohn- und Preiswerk

gearbeitet; in anderen Fällen war eine der beiden Formen untersagt.“

[9] Maurer, Ernst: Zunft und Handwerker der alten Zeit, Nürnberg 1940, S.70

[10] Ennen, Edith: Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1987, S.150, 3. Absatz

[11] vgl. Maurer E. (1940), S.70-71

[12] Nadolski, Dieter: Zunftzinn, 1986 Leipzig, S.14-17

[13] vgl. Ennen E. (1987), S.150, 3. Absatz

[14] F.A. Brockhaus: Das Brockhaus von A-Z in 3 Bänden, Augsburg 2000, S.582

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das mittelalterliche Zunftwesen
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Die europäische Stadt im Mittelalter
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V54999
ISBN (eBook)
9783638500593
ISBN (Buch)
9783638750691
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschreibt allgemeine Produktionsweisen und Prdouktionsgegebenheiten in der mittelalterlichen Stadt. Damit einhergehend werden Aufstieg und allgemeines Erscheinungsbild des sogenannten "Zunftwesen" behandelt. Anschließend wird die Erscheinung "Zunft" mit dem heutigen Kartellmodell verglichen. Jener Vergleich ist Beispiel für den gegenwärtigen Diskussionsstand.
Schlagworte
Zunftwesen, Stadt, Mittelalter
Arbeit zitieren
Michel Achenbach (Autor:in), 2004, Das mittelalterliche Zunftwesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54999

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