Der Topos vom Dritten Reich in seiner geschichtlichen Entwicklung


Seminararbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Joachims „Drittes Reich“

3. Die Entwicklung des Begriffs „Drittes Reich“ nach Joachim
3.1. Die Entwicklung im 13. Jahrhundert
3.2 Die Wiederaufnahme der Lehre Joachims
3.3. Moeller van den Bruck

4. Das „Dritte Reich“ und der Nationalsozialismus
4.1. Dietrich Eckart
4.2. Joseph Goebbels

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im 12. Jahrhundert konzipierte der italienische Abt Joachim von Fiore (ca. 1130-1202) eine Gesellschaftstheorie, die nicht nur mit dem damaligen Geschichtsverständnis von Augustinus[1] und Paulus brach, sondern auch noch bis in jüngste Vergangenheit von großer Bedeutung war. So schreibt Karl Löwith dem Abt indirekt die Entstehung der französischen, amerikanischen und russischen Revolution zu, denn ohne „den Gedanken von Fortschritt“, den Joachim hervorgebracht habe, wären diese Revolutionen nicht zustande gekommen[2]. Auch Joachims Idee von einem zukünftigen „Dritten Reich“ faszinierte Denker und Dichter bis in unsere Zeit hinein. Die für uns in Deutschland bekannteste und uns immer noch beeinflussende Ideologie des Nationalsozialismus okkupierte Joachims Idee und wandelte diese um:

„Und so kam es, dass das für das Himmelreich auf Erden geschaffene Wort nunmehr die Hölle auf Erden bezeichnet.“[3]

Mit diesem geschichtlichen Wandel des Begriffs „Drittes Reich“ von Joachim von Fiore bis Joseph Goebbels befasse ich mich in meiner Seminararbeit mit der Fragestellung: Inwiefern baute die nationalsozialistische Idee eines „Dritten Reichs“ auf der Theorie von Joachim auf?

Diese Perspektive ist auch 60 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes weiterhin von Bedeutung, da die NS-Ideologie für viele Menschen leider immer noch nicht an Faszination verloren hat und man sich deshalb weiterhin die Frage stellen sollte: Was faszinierte – damals und tut es noch heute – Menschen an dieser für uns unmenschlichen Ideologie?

In zahlreicher Literatur wird die von mir bearbeitete Fragestellung nur am Rand behandelt. Meiner Meinung nach besonders aufschlussreich, nicht nur für mein spezifisches Thema, ist das Buch von Claus-Ekkehard Bärsch „Die politische Religion des Nationalsozialismus“. Der Autor erläutert darin die Hintergründe der NS-Ideologie, die weitestgehend auf schon vorhandenen christlichen Lehren und eschatologischen Traditionen anknüpfte.

Um sich meiner Fragestellung zu nähern, bedarf es erst einmal einer kurzen Erläuterung der Vorstellungen Joachims von seinem „Dritten Reich“; dies werde ich im ersten Teil meiner Seminararbeit tun. Danach werde ich verschiedene Theoretiker, die auf Joachims Lehre - bewusst oder unbewusst – aufgebaut haben, skizzieren und schließlich zu den für die NS-Ideologie wichtigen Denkern kommen, zu Arthur Moeller van den Bruck und dessen Werk „Drittes Reich“ sowie zu den Nationalsozialisten Dietrich Eckart und Joseph Goebbels, den grundlegenden Vordenkern des nationalsozialistischen Begriffes vom „Dritten Reich“. Am Ende werde ich meine Ergebnisse in einem Resümee zusammenfassen.

2. Joachims „Drittes Reich“

Joachim von Fiore stellte die Heils- und Kirchengeschichte als das Vorbild der Weltgeschichte dar[4] und brach sowohl mit der klerikal-augustinischen Vorstellung einer christlichen Gesellschaft[5] als auch mit der Gesellschaftsordnung von Paulus. Die Geschichte wurde von Augustinus in drei Zeitalter eingeteilt: zu Beginn das Zeitalter der Natur, von Adam bis Moses, danach das Zeitalter des Gesetzes, von Moses bis Christus, und schließlich das Zeitalter der Gnade, ab Christi Geburt[6]. Auch Paulus teilte die Zeit in drei Perioden ein: in die der heidnischen oder vorchristlichen lex naturalis, dann dem alttestamentarischen lex mosaica und schließlich der christlichen Periode mit dem Neuen Testament[7].

Der Abt Joachim teilt die Zeit ebenfalls in drei sich überschneidende Perioden (status) ein, allerdings verknüpft er die „Apokalypsis des Johannes mit der von ihm durchgeführten Historisierung der Trinität“[8]. Zuallererst kam das Reich des Vaters, welches den Zeitraum bis Christi Geburt abdeckt, dann das zweite Reich ab Christi Geburt, das Reich des Sohnes, und schließlich das zukünftige dritte Reich, das des Heiligen Geistes. Sowohl nach Augustinus als auch nach Paulus lebt der Mensch in der jeweiligen letzten Periode der Geschichte, anders bei Joachim. Nach seiner Vorstellung lebt der Mensch in dem zweiten Stadium und sieht sich einer Wende und damit dem Erreichen des dritten und erlösenden Zeitalters unmittelbar bevor. Somit hat Joachim „erstmals eine Gesellschaft konzipiert, die als das Ergebnis eines in die Zukunft hineinreichenden Fortschrittsprozesses dargestellt wird“[9]. Der Mensch ist nun mehr auf das Kommende fixiert, für ihn endet die Geschichte nicht in mit seiner Zeit, es gibt eine Zukunft.

So stellt jedes Stadium eine spirituelle Steigerung dar: zunächst das Leben des Laien, dann das Leben des Priesters und im letzten Reich schließlich das vollkommene Leben des Mönchs[10]. In dem letzten Reich wird „vollkommene Glückseligkeit“ und „ewiger Frieden herrschen“[11]. Bevor es allerdings zu dem dritten status kommt, wird ein Antichrist erscheinen und es wird ein heftiger Kampf entbrennen, den nur die „Auserwählten“ überstehen werden[12].

Jeder Phase wird von einem geistigen Führer bestimmt, dieser war zuerst Moses, danach folgte Jesus Christus und schließlich erwartet Joachim im dritten Reich einen messianischen Führer[13]. Die Erwartung eines erlösenden Führers wurde bereits einige Jahrzehnte später von den Franziskanern aufgenommen. Sie glaubten, dass der Heilige Franziskus ihr novus dux war[14], und auch Hitler und Mussolini benutzten den Glauben an einen messianischen Führer noch Jahrhunderte später.

Joachim errechnete für das Eintreten des tertius status und das Erscheinen des Antichristen das Jahr 1200, joachitische Franziskanerspiritualen errechneten das Jahr 1260. Der Antichrist wurde sogar namentlich benannt, es sollte der in Nürnberg zum König und in Bamberg zum Kaiser gekrönte Friedrich II. sein. Als dieser aber zehn Jahre vor dem errechneten Eintrittsdatum in das dritte Reich verstarb, widerlegte dies die „geschichtlich-eschatologische Interpretation der Joachiten“[15] und bildete fortan in Erwartung eines zukünftigen Führers den Mythos des „verborgenen“[16] oder „heimlichen“[17] Kaisers Barbarossa.

3. Die Entwicklung des Begriffs „Drittes Reich“ nach Joachim

Eric Voeglin und Ruth Kestenberg-Gladstein haben versucht, die Nachhaltigkeit von Joachims Konzeption zu ergründen. Voeglin schreibt, dass Joachim in seiner „trinitarischen Eschatologie“ einen Kanon von Symbolen schuf, die bis zum heutigen Tag „der Selbstinterpretation der modernen politischen Gesellschaft“ dienen[18]. Diese Symbole sind:

1. Die Auffassung, dass die Geschichte eine Abfolge von drei Zeitaltern ist, z.B. Antike, Mittelalter und Neuzeit
2. Das Symbol des Führers, wie oben bereits beschrieben
3. Das Symbol des Propheten des neuen Zeitalters, zwischen diesem und dem zweiten Symbol gibt es allerdings nur eine unscharfe Trennungslinie
4. Schließlich das Symbol der „Bruderschaft autonomer Personen“, im dritten Reich wird es dennoch keine Kirche und auch keine Politik im herkömmlichen Sinn geben. Die Gesellschaftsordnung wird eine mönchische Ordnung sein[19].

Für Kestenberg-Gladstein liegt der Grund für Joachims Erfolg in der Schlüssigkeit seiner Beweise und in deren klassischer Formulierung[20]. Sie stellt drei Grundanschauungen für Joachims tertius status heraus:

1. Die Möglichkeit einer besseren neuen Zeit (Zukunft) entwertet die jetzige Zeit (Gegenwart)
2. Die Anhänger dieses Glaubens bekommen das Gefühl, dass eine Zeitwende unmittelbar bevorsteht und dass es für diese Wende auch höchste Zeit ist anzubrechen
3. Allerdings führen diese Denkrichtungen zu Spannungen und Konflikten, da man noch in seiner Zeit gefangen ist, aber die zukünftige anstrebt und erwartet, ja sogar selbst hervorzubringen versucht[21].

[...]


[1] Vgl. Voeglin 1991, S. 163

[2] Löwith 1967, S. 194

[3] Kestenberg-Gladstein 1962, S. 285

[4] Löwith 1967, S. 140

[5] Voeglin 1991, S. 163

[6] Sieferle 1992, S. 185

[7] Voeglin 1993, S. 39

[8] Bärsch 1998, S. 46

[9] Riedl 2004, S. 337

[10] Voeglin 1991, S. 163

[11] Kestenberg-Gladstein 1962, S. 268

[12] ebd., S. 269

[13] Löwith 1967, S. 141

[14] ebd., S. 142

[15] Löwith 1967, S. 146

[16] Sieferle 1992, S. 186

[17] Kestenberg-Gladstein 1962, S. 271

[18] Voeglin 1991, S. 164

[19] ebd., S. 164 ff.

[20] Kestenberg-Gladstein 1962, S. 269

[21] Kestenberg-Gladstein 1962, S. 270

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Topos vom Dritten Reich in seiner geschichtlichen Entwicklung
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Politik und Religion
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V54888
ISBN (eBook)
9783638499910
ISBN (Buch)
9783656771944
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Topos, Dritten, Reich, Entwicklung, Proseminar, Politik, Religion
Arbeit zitieren
Daniel Rother (Autor:in), 2006, Der Topos vom Dritten Reich in seiner geschichtlichen Entwicklung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54888

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