Pax Britannica in Indien: Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration


Magisterarbeit, 2004

83 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

I.) Allgemeines zum Verständnis von Pax Britannica, Begriffsklärungen, Grundlagen
A) BEGRIFFSKRITIK, GENERELL
-1- Programm, Realität oder Rechtfertigung britischer Außenpolitik?
-2- Pax Britannica für Indien?
-3- Pax Britannica als ideologisches Konstrukt
B) HISTORIOGRAFIEKRITIK AM BEISPIEL
-1- Orientaldespotie als Ausgangspunkt
-2- Indisch-Indien im 18.Jahrhundert: Forschungsstand
-3- Warrior States und andere blutige Reste
-4- Offene Fragen, blinde Flecken

II.) Koloniale Penetration und legitimatorische Begleitmusik
A) JOHN COMPANY UND DIE UNSCHULD DES KAUFMANNS
-1- Britisch-Indien im Anfang
-2- Orientalischer Bilderbogen von Bernier bis Orme
-3- Die 1750er Jahre: unbefleckte Expansion
B) EAST INDIAN CHAOS: FINANZKRISEN, LÖSUNGSVERSUCHE, FRIEDENSRHETORIK
-1- System Clive: Pax Britannica als experimentelle Kolonialpolitik
-2- Ära Hastings: mehr Systematik und doch ungenügend
-3- Impeachment als imperialer Take-Over
-4- Zwischenergebnis mit Cornwallis: Consolidated
C) 1780 - 1820: LAYING OUT ORDERING PRINCIPLES
-1- Geschichte wird gemacht: Orientalismus und Herrschaftswissen
-2- Wissen als Macht: die geistige Aufrüstung der EIC
-3- Protector Wellesley: Indirect Rule und Expansionismus, zukunftsfähig
-4- Pax Britannica zwischen parasitärer Symbiose und Freihandelsimperialismus
-5- Ungebrochen legitim durch’s 19.Jahrhundert: ein Ausblick

III.) Legende und Wirklichkeit
-1- Zusammengefaßt: der eigentliche Inhalt von Pax Britannica
-2- Indiens subalterne Wirklichkeit unter der Pax Britannica
-3- Britische Dominanz und mentale Dekolonisation
-4- Weiße Hegemonie: Pax Britannica, Pax Americana, Pax Democratica
-5- Weltherrschaftslegitimation im 20. und 21.Jahrhundert
Schluß
Anmerkungen / Kurzes Glossar / Literaturverzeichnis

Jürgen Krämer

Pax Britannica in Indien

Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration

Einleitung

I.

Auf der Suche nach Legende und Wirklichkeit der Pax Britannica in Indien taucht zuallererst das Problem auf, daß es eine systematische Untersuchung zum Begriff der Pax Britannica unter globalhistorischen Gesichtspunkten nicht gibt. Allenfalls wird seine Manifestation im außenpolitischen Betrieb Großbritanniens seit 1815 –unter verschiedensten Blickwinkeln und mit einer Fülle von Publikationen– mehr oder minder gründlich erfaßt. Der Begriff selbst wird dabei meist mit einer Selbstverständlichkeit verwendet, als ob er gleichermaßen geklärt wäre wie jener der Pax Romana. Durch kurz entschlossene Analogisierung wird des letzteren epistemologisches Fundament –und oft durchaus mißverständliches Konnotat– mitgeschleift, so daß auch der Begriff der Pax Britannica als längst erforscht und definiert erschient – ein Nimbus, den er mit Chimären wie der Pax Tatarica, Pax Americana oder neuerdings der Pax Democratica teilt.1 In dieser unkritischen, theoretisch nicht reflektierten Form ist Pax Britannica gängige Münze auch in der historischen Zunft geworden und so wird der Begriff auch in Deutschland von Koryphäen der modernen Englandhistoriografie verwendet. Selbstverständlich kann hier eine theoretische Aufarbeitung des begriffskritischen Defizits nicht geleistet werden, ebensowenig wäre es das Thema der vorliegenden Arbeit. Allerdings muß dieses Problem zunächst schon auch ausführlicher erörtert werden, genauso wie ein zweites:

In der Anwendung eines der britischen Außenpolitik des 19.Jahrhunderts entstammenden Phänomens, nämlich einer ganz bestimmten britischen Form von „Friedensordnung“ im Konzert der selbstredend weißen Konkurrenzstaaten, auf Indien müssen sich die Probleme gleichsam strukturlogisch verdoppeln – und so haben wir die unterschiedlichsten Bestimmungen des Beginns einer Pax Britannica in Indien, die ihrem Gehalt nach paradoxerweise aus heutiger Sicht dort teilweise schon vor ihrer Verkündigung etwa durch Castlereaghs Zirkulardepesche an alle britischen Auslandsvertretungen 1816 gegeben schien2.

Solchen Ungereimtheiten ist nur zu entgehen, wenn Pax Britannica von vornherein nicht als Umschreibung eines konkreten historischen Zustands begriffen wird, sondern als ideologisches Konstrukt zum Zweck der Rechtfertigung britischer Vorherrschaft in der Welt. Demnach endet der einleitende begriffsklärende Abschnitt mit der Begründung eines ideologiekritischen Ansatzes inclusive der entschiedenen Absicht, dennoch nicht in eine bloße Ideengeschichte abzurutschen. Die Wirklichkeit kolonialer Penetration (oder sonst eines historischen Vorgangs) spielte sich selbstverständlich auf der materiellen Ebene ab. Das Bild davon aber wurde politisch-philosophisch, ideologisch, imaginativ als Fiktion verhandelt. So wie „empire was a matter of attitudes, legends, theories and institutions”3, so ist auch Pax Britannica zunächst als Idee, als Legende anzusprechen. Sie hat gleichwohl, als legitimatorischer Ausdruck eines realen Herrschaftsverhältnisses, eine klare materielle Verknüpfung – und genau in diesem Zwischenbereich ist das Thema angesiedelt.

Die Rückkopplung des Pax-Britannica-Ideologems an eine seiner britisch-außenpolitischen Genese externen Materialbasis –nämlich der historischen Realität kolonialer Penetration in Indien– bringt zuerst die Notwendigkeit mit sich, die Grundlage, von der aus das Ideologem zum Zweck der Herrschaftslegitimation abstrahiert wird, zu untersuchen. Daher muß sich der nächste Schritt der vorgefundenen Tatsache des Mogulreichs im 17. und frühen 18.Jahrhundert stellen: als dem materialen Ausgangspunkt vor Ort, von dem aus die ideologische Konstruktion der Pax Britannica in und für Indien inhaltlich startet. Im Spiegel der historiografischen Entwicklung und ihrer konkreten Resultate wird dabei die Wahrnehmung der präkolonialen Realität Indiens –ein oft blutiges Chaos aus degenerierten Orientaldespoten, korrupten Beamten, brutalen Grundherren und barbarischen Warlords– kenntlich als herrschaftslegitimierende Bilderproduktion. Die kritische Frage schließt sich an, ob ein Erkennen dieses Zusammenhangs heute bereits die Unmöglichkeit weiterer Verwendung der Kategorie „Orientalische Despotie“ bedeutet oder bei der Korrektur nur mancher Punkte innerhalb dieses Rahmens stehenbleibt. Am Beispiel der nachfolgenden sog. „Kriegerstaaten“ wird gezeigt, daß Totgesagte oftmals länger leben und manchmal auch in neuen, gestärkten Kleidern wiederkehren.

Darüberhinaus liegen im Thema selbst bereits erste Einschränkungen: Da wir es primär mit Herrschaftsgeschichte zu tun haben, bleibt der subalterne Anteil4 zunächst ebenso außen vor wie im weiteren „Indisch-Indien“5. Ein gewisser Schwerpunkt auf dem nördlichen Indien und im zweiten Teil auf Bengalen ist v.a. dem Verlauf der kolonialen Penetration (und dessen Erforschtheit) selbst geschuldet. „One can assert with a fair degree of certainty”, heißt es bei A.T.Embree, „that between the middle of the eighteenth century and up to the 1850s, the image of India was largely drawn from Bengal society.”6 Die Untersuchung fokussiert im weiteren Fortgang zunehmend den Zeitraum 1757/65 bis 1805/20. Im Groben läßt sich vorweg sagen, daß in der `Ära des Orientalismus´ die vorentscheidenden Weichenstellungen der indischen Transformationen vorgenommen wurden – und nicht erst mit den Anglizisten im Oberwasser, etwa Bentinck und Macaulay seit den 1830er Jahren.7 Die Vorverlegung der `crucial period´ ins späte 18. und frühe 19.Jahrhundert ist bei ansonsten unterschiedlichsten AutorInnen und unter sehr verschiedenen Aspekten `state of the art´ in der Forschung.

II.

Nachdem auf begriffskritischem und historiografischem Weg grundlegenden Voraussetzungen der „Errichtung einer Pax Britannica in Indien“ die beanspruchte objektive Gültigkeit schon bestritten wurde, soll ein Blick aus der britisch-indischen Perspektive die weitere Entwicklung des kolonialen Penetrationsprozesses durch die East India Company (EIC) bis zu deren Subordination unter die imperiale Staatsräson Londons gegen Ende des 18.Jahrhunderts verfolgen. Das Gewicht der Betrachtungen verlagert sich also vom Theoretischen ins Praktische, bleibt aber schwerpunktmäßig zunächst am indischen Schauplatz der Geschichte. Entlang der realhistorischen Sequenz „Finanzbedarf – territoriale Expansion – politisch-militärische Konsolidation – Einnahmensicherung und neuerliche Expansion“ wird hier die allmähliche Herausbildung einer immer komplexeren Legitimationsproduktion in ihrer ideologischen Konstruiertheit, ihrer tagespolitischen Abhängigkeit, ihrer verwickelten Dynamik und ihrer politischen Öffentlichkeit demonstriert. Am Beispiel des Hastings-Impeachments 1788-95 unter dem Gesichtspunkt seiner Inszenierung als Schauspiel der politischen Moral und öffentlicher Legitimation der EIC-Reformen läßt sich der imperiale Take-Over Londons in der Indienpolitik dann auch auf ideologischem Gebiet nachvollziehen.

Die nationale Rezeption des Krieges gegen Tipu Sultan ist praktischer Ausdruck einer Umorientierungsphase imperialer Systematisierung, in deren Verlauf auch die ideologische Legitimation –aus allerdings schon vorhandenen Elementen– neu geordnet wurde. Wenngleich noch nicht dem Begriff und der endgültigen Ausgestaltung nach, so erweist sich die Legende von der Pax Britannica doch inhaltlich und funktionell als bereits in der 2.Hälfte des 18.Jahrhunderts gereiftes Muster, in der privatnabobistisches „Asiatick Government“8 mit Burkes „Good Government“ und Cornwallis´ Reformen in einer imperialen Staatsräson aufgehoben wurde. Als Herrschaftslegitimation grundsätzlich verknüpft mit realhistorischen Prozessen, wird somit auch Michael Manns Vorverlagerungs-These gestützt, wonach „die imperiale Expansion Englands auf die Mitte des 18.Jahrhunderts gelegt werden“9 kann.

In der Arbeit weiter voranschreitend ins 19.Jahrhundert, werden ökonomische und v.a. intellektuelle Aspekte stärker berücksichtigt; die Froschperspektive der alten EIC (sowohl vor Ort als auch in England) wird zunehmend imperialstrategisch ausgeweitet. Die geistige Aufrüstung in ihrer widerstreitenden Vielfalt von etwa Haileybury bis Ft.William-College, ideologische Offensiven in Parlament, Presse, Öffentlichkeit, Parteien und freilich die territoriale Expansion der Wellesley-Ära werden zusammengedacht – nicht mit dem Begriff des Freihandels-Imperialismus von Gallagher/Robinson, sondern dem der Parasitären Symbiose von Rothermund10. Insgesamt erscheint Pax Britannica in Indien so offensichtlich als koloniale Ausbeutungs- und Herrschaftslegitimation, daß gefragt werden muß, wieso und wodurch das Ideologem im Kontext binneneuropäischer Außenpolitik überhaupt derart breit –und im Rückblick begriffsbildend– zur Anwendung kommen konnte. Es wird sich zeigen, daß aus der indischen Pax-Britannica-Vorlage 2 Varianten hervorgehen: eine für die politische Öffentlichkeit der weißen Imperialkonkurrenz (und natürlich Großbritanniens selbst), die andere für den kolonialen Beherrschungs-Komplex.

Letzterer bleibt auch weiterhin der konzeptionelle Fluchtpunkt, wenn anhand des Systems der „Indirect Rule“, der sog. `Mutiny´ und des Delhi-Durbar* von 1877 in einem Ausblick neuere herrschaftstechnische, legitimationsideologische und repräsentationstheoretische Aspekte der tatsächlichen Wirkungsweise von Pax Britannica im Indien des 19.Jahrhunderts erhellt werden.

III.

Die nunmehr bereits 3 Enden des Themas –mogul-indische Ausgangsbasis, EIC in Indien und London, britische Regierungspolitik– werden noch durch ein viertes ergänzt, nämlich die Pax Britannica in Indien aus der Perspektive der Untertanen. Gleichzeitig lassen sich dann von einer höheren historiografie- und repräsentationskritischen Warte aus die vielleicht verwirrenden und auch in sich gespaltenen Fäden zu einer Gesamtbewertung verknüpfen.

Ausgehend von Pax Britannica als konkretem Herrschaftsinstrument in ideologischer Form erscheint das Ideologem jedenfalls als zu schwach beschrieben, wenn man nur etwa eine flache Verbrämung der globalen Hegemonie Großbritanniens benennen wollte. Vielmehr haben wir es mit einem wirkmächtigen imperialistischen Kampfbegriff zu tun, der sich im Ausblick noch bis in die Gegenwart des Jahres 2002 (gleichzeitig das zeitliche Limit der Literaturauswertung dieser Arbeit) aktualisieren läßt. Es war nicht verschämte Verbrämung, sondern unverschämt wesentliches Argument britischer Hegemonie, die offenkundige Gewalt auf einer zustimmungsfähigen Basis begründen zu können – und in der politischen Öffentlichkeit des Mutterlands selbst wurde sehr hart um diesen legitimatorischen Kredit gerungen.

Einige sowohl grundsätzliche als auch verfahrenstechnische Vorbemerkungen sind unerläßlich: In der Beschaffenheit des Themas liegt begründet, daß englischsprachige Zitate, Wendungen und Fachwörter auch den laufenden Text belasten oder bereichern können. Ich finde zudem nichts dabei, ungekennzeichnete Anglizismen zu verwenden, wenn kein besonderer Hervorhebungs- oder Erläuterungsbedarf besteht (im Fall feststehender Termini etwa); für indische Begriffe gilt prinzipiell dasselbe, wobei auf das Umschrift-Problem (z.B. kennt die Literatur je bis zu vier Schreibweisen für Mir Kasim, den renegaten Nawab von Bengalen, der 1764 bei Baxar geschlagen wurde) nur kurz hingewiesen sei; wo nötig, werden klärende Anmerkungen direkt in Fußnoten oder angehängt im kurzen Glossar* angeboten. In der Natur der Fragestellung liegt desweiteren begründet, daß –öfter als bei nicht ideologiekritischen Arbeiten– Begriffe zu konkretisieren und Einwände zu kommentieren sind. Um den Fluß der Argumentation nicht zu sehr zu strapazieren, werden diese Dinge tendenziell eher in den Fußnoten abgehandelt; außerdem gerät jede Forschungsliteratur, die zur Erzählung11 von der Pax Britannica beitrug und aktuell beiträgt, auch selbst als Historiografie und als Quelle ins Visier, wodurch sich 2 Kategorien von Quellen ergäben: zeitgenössische Überreste wie etwa J.Z.Holwells Bericht über das Black Hole 1757 zum einen und historiografische wie etwa R.Muirs Making of British India 1915 oder noch J.Furbers John Company at Work 1948 zum andern.12 In dem Maße wie klassische Sekundärliteratur somit zum Untersuchungsgegenstand mutieren kann, muß der übrige Forschungsstand sozusagen als Tertiärliteratur aufgefaßt werden. Die Erstnennung eines Titels ist im Fußnotenbereich jeweils fett hervorgehoben.

Eine ganz grundlegende Schwierigkeit besteht schließlich darin, daß –allen guten oder vorgeblichen Vorsätzen zum Trotze, eurozentrischen13 Betrachtungsweisen nicht länger anhängen zu wollen– Pax Britannica in der allgemeinen und der akademischen Wahrnehmung überwiegend nicht als Bild, sondern als Fakt aufgefaßt wird – und als solcher noch dazu ein eurozentrisches Essential bildet. Ein Ansatz, der Pax Britannica dagegen zuvörderst als herrschaftslegitimierendes Ideologem anpackt, muß auf tiefverankerte Verständnisbarrieren treffen, benötigt daher erhöhte darstellerische Sorgfalt und bleibt trotzdem ein schweres Stück Lektüre. Andererseits erfordert gerade die angestrebte Auflösung des eurozentrischen Horizonts in eine globale historische Perspektive konstitutiv dessen kritische Revision als wenn auch `nur geistigen´, so doch organischen Bestandteil europäischer Expansion und Dominanz in der Welt. Zwar kann der Anspruch, die hergebrachte Geschichtsschreibung in eben diesem Sinne repräsentationskritisch aufzubrechen und als Element eines Herrschaftsdiskurses anzugehen, heute kaum ernsthaft abgewiesen werden14; ob er allerdings in der konkreten geschichtswissenschaflichen Praxis tatsächlich auch umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls wird Pax Britannica in dieser Arbeit entsprechend vom Kopf auf die Füße zu stellen versucht, obgleich mehr neue Fragen als Antworten zu resultieren drohen.

Ein ideologiekritischer Ansatz am Problem der Pax Britannica bedeutet freilich nicht gleich, sich vorwiegend politisch-ideengeschichtlich oder gar literarisch-philosophisch zu verausgaben. Diese und die politisch-diplomatische Ebene müssen mit der begriffs- und historiografiekritischen ebenso wie die sozioökonomische, administrative und militärische Ebene kolonialer Penetration Britisch-Indiens stets verknüpft gedacht und dargestellt werden. Die jeweiligen Betrachtungs-Schwerpunkte mögen dabei wechseln, das zentrale Problem bleibt jedoch immer ein ideologisches, nämlich die Pax Britannica als herrschaftslegitimierendes Ideologem.

Unabhängig von der stofflichen Unterteilung des Themas sind auch jene funktional verschiedenen Layer gedanklich auseinanderzuhalten, die das Bild von der Pax Britannica komponieren: erstens ein Layer mit Assoziationen und Konnotaten vom Alltags- bis hin zum Expertenverständnis; zweitens die professionellen Versuche, britisch-indische Realgeschichte zwischen Chaos und Pax im Detail zu beschreiben; drittens eine historiografie- und ideologiekritische Interpretation dieser Interpretationen historischen Materials; viertens natürlich ein Layer mit veranschaulichenden Beispielen wie etwa dem Black Hole von Calcutta, dem Hastings-Impeachment oder dem Delhi-Durbar; schließlich eine gesamtkontextuelle Perspektive, die das Bild in seinen Bedeutungen und Relationen hinsichtlich der größeren Zusammenhänge konturiert; und zuletzt der kontrastierende Hintergrund Indisch-Indiens im gleichsam eigenen Recht.

I. Allgemeines zum Verständnis von Pax Britannica, Begriffsklärungen, Grundlagen

A) BEGRIFFSKRITIK, GENERELL

1. Programm, Realität oder Rechtfertigung britischer Außenpolitik?

Wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet Pax Britannica „britischer Friede“. In Anlehnung an die historisch gut dokumentierte und breit erforschte Pax Romana1 meint Pax Britannica eine politische Friedensordnung auf imperialer Basis. Die Vagheit der Formulierung trägt dabei der Tatsache Rechnung, daß mehr als eine Anlehnung (etwa: signifikante Parallelen, inhaltliche Analogie) auch nicht vorliegt. Die Pax in der von Kaiser Augustus im Jahr 10 v.u.Z. eingeführten kultischen Form symbolisierte weniger etwaige Friedensordnungsprozesse außenpolitischer Art als vielmehr die glückliche Überwindung der römischen Bürgerkriege. Erst später `expandierte´ der vereinheitlichende inner-römische Kulturbegriff (kurz umrissen mit v.a. leges, iura, fides, iustitia, aequitas und securitas) zum sozusagen imperialen Kampfbegriff in die Peripherie, etwa mit der Eroberung Britanniens 43-54 oder dem Sieg über die Juden 75. Nun wurde die vollzogene Unterwerfung des barbarischen Gegners zum Symbolgehalt jener Göttin, deren Fackel einen Haufen abgelegter Waffen anzündet. Nicht mehr Concordia, sondern Ianus inspirierte die nachfolgende Friedensordnung – und zwar im Sinne einer imperialen Politik bspw. der omnipotenten Gültigkeit römischen Rechts durch administrative und militärische Präsenz zum Schutz jedes Römers auch im entlegensten Winkel des Reichs oder der ausgefeilten Herrschaftstechnik des divida et impera in einverleibten Gebieten.

Es liegt auf der Hand, daß diese Konfiguration für die britische Variante so nicht zutrifft, es sei denn, die amerikanische und v.a. französische Herausforderung des späten 18. und frühen 19.Jahrhunderts würde als Bürgerkrieg unter Weißen interpretiert, was recht eigentlich zumindest keine langweilige Hypothese wäre. Das Konzept des Concert of Europe stünde aber auch dann deutlich quer zu den Leitlinien römischer Omnipotenz und Teile-Herrsche-Strategie. Eine kritisch-systematische Gesamtuntersuchung zum Begriff der Pax Britannica und seiner Problematik existiert jedenfalls nicht. Wenn in der Literatur stellenweise über den römischen Konnex räsoniert wird, dann etwa in einem Satz wie diesem Albert H.Imlahs:

If British contributions to this era of peace and politics were sufficiently significant to warrant the term Pax Britannica, it was not because Britain was in any sense able to impose peace in a Roman manner by police power but because, mature in her nationalism and relatively free from constricting fears for her own security, and with parliamentary institutions, including freedom of speech and press, she was able gradually to find her way towards –and to set an example of- more intelligent politics suited to her complex but peaceful interests. In doing this she demonstrated the practical possibilities for orderly progress in organized human affairs.2

Im Folgenden werden dann zwar sehr schön 3 Hauptelemente der Pax Britannica – Balance of Power als Sicherheitsmodus, Rechtlichkeitsprinzip als Zivilisierungsvehikel, Concert of Europe als (Ko-)Operationsbasis– dargestellt; wodurch aber das Recht auf die römischen Lorbeeren erworben wurde, bleibt weiter unbeantwortet. Stattdessen finden wir uns unversehens im Dickicht impliziter und verdrehter -römischer– sowie expliziter britischer Selbststilisierungen und deren unkritisch aufgefangenem Nachhall. Dieses allgemein historiografische Defizit im Hinblick auf das traditionell mit Pax Britannica umschriebene Segment kann hier natürlich nicht aufgearbeitet werden. Die damit angedeuteten offenen Fragen und blinden Flecken in der Forschungslandschaft mögen aber einleitend so stehenbleiben. Es genügt vorerst, wenn sie für das Problem sensibilisieren, daß der Begriff auf einer zwar ungeklärten, widersprüchlichen, ja dubiosen Grundlage allerdings wie eine Selbstverständlichkeit gebraucht wird.

So beansprucht Klaus Hildebrand, der deutschsprachige Standardautor zur Pax Britannica, jene „als Ziel“ britischer Außenpolitik und stellt sie dann doch (im selben Satz) als „Methode des friedlichen Wandels“3 vor. Tatsächlich kennzeichnet er die Pax Britannica jedoch als bestimmenden Faktor politisch-diplomatischer Weltgeschichte und wesentliche Beiträgerin dazu, „daß Europa und die Welt zwischen 1815 und 1914 hundert Jahre lang von der Katastrophe des großen Krieges verschont blieben.“4 Er referiert damit die übliche Periodisierung und die übliche Funktionszuschreibung. Offenkundig ist, daß hier kleine Kriege keineswegs ausgeschlossen waren, in Europa sowenig wie auf der Welt. Zur Aufrechterhaltung der britischen „Friedensordnung“ wurden sie wo nötig -und so begrenzt wie möglich- wohlkalkuliert durchgeführt: etwa die unerklärten Sklavenhandelskriege gegen Portugal bzw. Brasilien5, der klassisch freihandelsimperialistische Opiumkrieg 1839-426, der fast zeitgleiche erste Afghanistankrieg7 oder in Europa der Krimkrieg 1854-568. Hildebrands Zusatz „und die Welt“ darf darüberhinaus nicht die eurozentrische Optik des Ideologems vernebeln, die er fraglos teilt, wenn von der „Katastrophe des großen Krieges“ die Rede ist. Katastrophal war der große Krieg nicht so sehr für die Welt als vielmehr für Europa und dessen Vormachtstellung in der Welt. Es finden sich deutliche Formulierungen:

Ungeachtet der schreienden Ungerechtigkeiten, die das Verhältnis zwischen Zentrale und Peripherien tatsächlich kennzeichneten, ist allerdings nicht zu verkennen, daß selbst die unterentwickelten Länder der Erde, weil sie nicht unterentwickelt bleiben wollten und sollten, dem Handel mit Großbritannien, dem sie sich ursprünglich einmal, wenigstens teilweise, gewaltsam zu öffnen hatten, mit voranschreitender Zeit wachsendes Interesse entgegenbrachten.9

Inhaltlich wird die Pax Britannica charakterisiert als „weltanschaulich und wirtschaftlich, politisch und militärisch dimensionierter Ordnungsentwurf, [der] darauf zielte, den eigenen `way of life´ zu exportieren.“ Diese pragmatische Außenpolitik konnte „british interests“ mit allgemeiner Moral wirksam zu einer „schöpferischen Status-Quo-Bewahrung“ legieren, „in der Sicherheit verleihenden Überzeugung, eine Form politischer Verfaßtheit zu repräsentieren, die den übrigen Nationen ein Vorbild an zivilisatorischem Fortschritt bot.“10

Kritischer faßt Gottfried Niedhart die Pax Britannica, nämlich als außenpolitischen Ausdruck veränderter ökonomisch-militärischer Rahmenbedingungen in der auf Napoleons Scheitern folgenden Phase unangefochtener Weltvormachtstellung:

Im Unterschied zur Mitte des 18.Jahrhunderts, als gewaltsam-kriegerischer Konfliktaustrag die internationale Konkurrenz ausschaltete, befand sich Großbritannien im 19.Jahrhundert in der Situation einer Macht, die ihren Vorsprung zu wahren suchte und für die Krieg [nun] einen Kostenfaktor bedeutete, den es zu eliminieren galt. Friedenswahrung hieß zugleich Stabilisierung des bestehenden internationalen Systems, in dem Großbritannien alle Vorteile einer Weltmacht hatte.11

Überdies weist Niedhart darauf hin, daß eine Politik der Friedenswahrung auch aus innenpolitischen Gründen geboten erschien, da sich die Herrschaft der aristokratisch-großbürgerlichen „propertied classes“ mit zunehmendem Reform- und Partizipationsdruck von unten konfrontiert sah: „Im Interesse des graduellen innenpolitischen Wandels aber war es wünschenswert, keinen größeren außenpolitischen Belastungen ausgesetzt zu sein.“12 Pax Britannica fungierte demnach als politische Verbrämung neu erwachsener Bedürfnisse im Fortschritt des prosperierenden bewaffneten Handels, die das britische Nationalinteresse in den Turbulenzen von Industrieller Revolution, sozialem Umbruch und globaler Expansion als zivilisiertes Gesamtinteresse in einem Concert of Europe konsolidieren sollte, solchermaßen gleichzeitig Frankreich, Rußland und Habsburg einspannend.

Bernard Semmel betont den maritimen Charakter der Pax Britannica und läßt sie dabei als Ideologem aufscheinen: „A maritime society, Mahan also observed [1890], was a free society, while landed states tended toward autocracy.“13 Liberalismus und Freihandel als Wahrzeichen britischer Richtlinienkompetenz im Weltsystem europäischer Expansion14 werden so gleichsam zum Effekt einer prosperierend sich entfaltenden „free, maritime society engaged in [...]continuous struggle with despotic, military powers“15 und ihrer „naval strategy“. Mit William James [1910] kontrastiert Semmel „the industrial with the earlier military society [...]and suggested that trade was `the moral equivalent´ of violent conflict. Modern man had inherited all `the innate pugnancy and all the love of glory´ of his progenitors, but seeing how expensive war was, he has turned to commerce as `a better avenue to plunder´.“16 Die Blue Water Policy 17 mit ihrer Betonung flottengestützter Weltgeltung garantierte und generierte erst ein solches maritimes Freiheits-, Handels- und Weltreich. Pax Britannica und Naval Strategy bildeten ein Junktim, die Vernachlässigung der letzteren –gegenüber den anti-imperialen Einwänden von Liberalen und Radikalen– gefährdete stets die erstere zugunsten despotischer „landed, military powers of the Eurasian heartland“.18 Semmel selbst teilt diese imperiale Sicht der Dinge und hat explizit kein Problem damit, daß Pax Britannica so als Globalisierung des britischen Modells (unter dessen eigener Führung) gewaltförmig und gegen hausgemachte demokratische und andere „other-worldly“ Prinzipien durchgesetzt wird, womit er den Bogen von Gibbons Altem Rom über das British Empire zum Neusten Rom unserer Gegenwart geschlagen hat.

Damit sind die äußeren Merkmale der Pax Britannica im wesentlichen benannt, ebenso ihre Herkunft aus der außenpolitischen Sphäre Großbritanniens. Genauere Bestimmungen hierzu sind schwierig, denn die „basic assumptions upon which it was based are almost never discussed by those who made it“19 – im Gegensatz zur besser dokumentierten französischen Außenpolitik. Sie sind mit Blick auf das Thema zunächst auch nicht nötig. Bemerkenswert allerdings ist noch die von Muriel E.Chamberlain konstatierte Verschiebung von fortschritts- und weltmachtoptimistischer Whig-Historiografie zur skeptischen Lesart, die den Niedergang des Empire bzw. die Frage nach dessen möglicher Vermeidbarkeit fokussiert. Gegen beide Ansätze gewandt, reduziert sie Großbritanniens reale Weltmachtrolle auf die 2 Jahrzehnte nach dem 7jährigen Krieg20 und das Bild von Großmacht und Pax Britannica auf ein Resultat erweiterten Wahlrechts, gestiegener Pressemacht sowie erhöhter Mobilisation von öffentlicher Meinung und Diskussion. In diesen rhetorischen Kämpfen war es der erst seit 1830 amtierende Außenminister „Palmerston who made the breakthrough, apparently largely accidentally, to the realisation of the picture which his fellow countrymen wished to have of themselves, as a benevolent giant guiding, first fellow Europeans, and later non-Europeans, towards the virtues of constitutional government and free trade.“21 Festzuhalten ist, unabhängig von der vielleicht zu weitgehenden Kleinschreibung der Rolle Großbritanniens in der Welt des langen 19.Jahrhunderts22, sowohl die Historizität als auch die diskursive Konstruiertheit des Pax-Britannica-Ideologems. Eine begriffskritische Tiefenanalyse über dessen inhaltliches Verhältnis zur als Fakt gesetzten Pax Britannica, seine über flüchtige Tagespolitik hinausreichende Tragweite oder auch die Grundsatzfrage nach der materiellen Faktizität der behaupteten Pax kommen aber noch nicht in den Blick.

Es existiert also nicht nur keine kritisch-systematische Untersuchung zur Pax Britannica, in der grundsätzlich geklärt würde, ob es sich dabei um Programm, Resultat oder Rechtfertigung britischer Außenpolitik handelte; auch die zeitliche Bestimmung selbst ist in der Literatur nicht eindeutig. Und schließlich fehlt eine kritische Überprüfung ihres implizierten Erbrechts hinsichtlich der Pax Romana, die über oberflächliche Parallelisierungen in der politischen Rhetorik oder einigen imperialen Problemstellungen hinausreichte. Ein völlig beliebiges, aber bezeichnendes Beispiel für den lässigen Umgang mit Rom-Analogien liefert P.J.Marshall, wenn er en passant behauptet: „In parliamentary debates about India parallels between imperial Rome and the dangers in Britain´s new imperial role were repeatedly drawn“ und das ohne Seitenangabe mit J.G.A.Pococks Machiavellian Moment belegt haben will, obwohl im genannten Referenz-Titel so summarisch mitnichten ein entsprechender Nachweis geführt wird.23 Der romanisierende Stil der politischen Oratorik, etwa Burke als „Modern Cicero“24, Publikationen namens Cato Letters, Junius Letters oder auch die eminente Popularität von Gibbons History of the Fall and the Decline of the Roman Empire indizieren doch weniger einen fundierten inhaltlichen Konnex mit dem römischen Original; vielmehr verweisen solche Phänomene zuvörderst auf politische Show und literarische Fiction „in a manner very similar to the social mask“, wie es L.Gossmann gerade für Gibbon überzeugend dargestellt hat.25 Wer hat wie, wann und vor allem wozu vom „neuen Rom“ im allgemeinen und der Pax Britannica im besonderen zu fabulieren begonnen – diese Frage wurde von der Forschung bislang nicht vertiefend ergründet. Ein politisch durchdachtes „Projekt Empire“ im Sinne des Imperium Romani Populi bzw. Romanum26 hat es bei allen römischen Anleihen in Rhetorik, Philosophie und Literatur, dies mag spätestens seit Richard Koebners Empire unstrittig sein, substantiell nie gegeben. Eher weist auch dieser Klassiker von 1961 dahin, daß die römische Stilisierung aus den konkreten Situationen und Turbulenzen kommerzieller Expansion, mithin der realen Geschichte des bewaffneten Handels und seines Absicherungs- und Aktionsbedarfs generiert wurde.27

Trotz aller Leerstellen und Widersprüche jedoch wird stillschweigend, sogar fraglos, die geschichtswissenschaftliche Anwendbarkeit und Gültigkeit des Begriffs vorausgesetzt, so daß eine jener tiefsitzenden Prämissen vorzuliegen scheint, die in der bekannten Weise kognitiver Scheuklappen –unbewußt, aber allgemein gängig– die Optik schon von vornherein einschränken. C.B.Macpherson hat –an einem anderen Beispiel, aber grundlegend und sehr anschaulich– die Richtung gewiesen, mit prämissenorientierter Analyse „keine Auflösung von logischen Unstimmigkeiten, sondern eine Erklärung dafür, warum sie [...]unbewußt bleiben konnten“, anzuvisieren und „z.B. in der Behauptung eines Levellers, daß, da alle Personen ein gleiches Recht auf eine Wahlstimme haben, auch das Wahlrecht allen Menschen gegeben werden sollte mit Ausnahme der Bediensteten und der Bettler“ solche unausgesprochenen Prämissen auszugraben.28 Exemplarisch sei für unseren Zusammenhang hier –wiederum ganz willkürlich– Jamal Malik herausgegriffen, dessen profunde, allerdings geistesgeschichtlich zentrierte Kenntnis und v.a. Sensibilität für projektive, imaginative, diskursive Aspekte kolonialer Transformation als „othering“ ihn in der deutschen Indienhistoriografie zwar hervorhebt.29 Dennoch erstreckt sich das Problembewußtsein auch hier nicht bis zur Pax Britannica:

Mit Hilfe von indischem Kapital und bengalischen Landsteuern gelang der Company der Aufbau ihres eigenen Staates; dazu zählte u.a. die teilweise Einführung eines pächterfeindlichen Steuersystems, das höhere Einnahmen ermöglichte. So konnte das vornehmlich aus Indern bestehende Heer mit indischen Steuern finanziert und die inneren Grenzen durch weitere Kolonisierung von Brachland konsolidiert werden, den Alliierten –den Fürsten– wurde sogar untersagt, bilaterale Verträge einzugehen. Die führte zur sogenannten Pax Britannica.30

Abgesehen von den recht verkürzt und auf einen bestimmten Kausalzusammenhang hin dargestellten realhistorischen Prozessen, wird die Pax Britannica nicht in ihrer Faktizität, sondern lediglich innerhalb dieses Rahmens als „sogenannte“ bezweifelt. Als möglicherweise primär ideologisches Konstrukt oder eine von Macphersons unbewußten Prämissen wird das Thema Pax Britannica nicht angegangen. Es erscheint also umso angebrachter, zunächst im Auge zu behalten, daß wir es weit eher mit einem inkonsisten Ensemble jener hard-to-be-precise-about units zu tun haben könnten, aus denen J.M.Blauts „implicit beliefs“ im kolonialistischen Glaubenssystem des eurozentrischen Diffusionismus31 extrahiert werden, als mit einem weltgeschichtlichen Faktum.

2. Pax Britannica für Indien?

Auf Indien bezogen, betonte „das Konzept der Pax Britannica“32 zuerst klar die befriedungskriegerische Seite. In der Darstellung Stig Försters wird die „Errichtung der Pax Britannica“ zur militärtaktischen und machtstrategischen Frage, die von den „men on the spot“33 im Widerspruch zur britischen Außenpolitik beantwortet wird, und zwar von 1816-19 recht kurz und bündig: durch den –inzwischen dritten– Unterwerfungskrieg gegen die Marathen, der als Feldzug gegen plündernde Pindari -Horden* getarnt wurde und schließlich auch die Fürsten Rajasthans noch in die Abhängigkeit britischer Subsidienverträge zwang. In Indien kulminieren denn auch die Ungereimtheiten der Forschung, die damit zum einen die Zugehörigkeit des Ideologems zur britischen Außenpolitik unterstreichen, zum andern den unreflektierten Gebrauch des Begriffs indizieren.

Jürgen Osterhammel z.B. setzt die Pax Britannica nicht 1816-19 an und sieht sie auch nicht als „Errichtung“, sondern meint, daß „die Jahre zwischen etwa 1820 und 1857 relativ wenig Unruhe im Empire mit sich brachten.“34 Er denkt sie global mit dem Freihandelsimperialismus35 in der Phase von ca. 1820-1880 zusammen, geschieden von einer Folgeperiode „neuer Expansion und Finanzimperialismus“ 36 bis ca. 1920. Für Indien gerät so der „Vorgang, der nahezu unweigerlich auf den der militärischen Eroberung zu folgen pflegt“ und bis zum Ausbruch des Indischen Aufstands andauert, als Pax Britannica ins Visier. Global war „charakteristisch[...],daß Großbritannien seine Macht eben nicht allein zur Ruhigstellung kolonialer Untertanen nutzte. Die Royal Navy patrouillierte die Weltmeere. Sie schützte dabei die inneren Verbindungslinien des Empire und profitierte selbst von den Häfen, die dieses weltweit bereitstellte. Indem sie in großem Umfang gegen Sklavenschiffe und Piraterie vorging, fungierte sie als eine Art von `Weltpolizist´. Offenheit der Meere war eines der Prinzipien, auf denen die Pax Britannica beruhte.“ Ihre praktischen Voraussetzungen waren, neben militärisch-maritimer und produktiv-industrieller Überlegenheit, „ein weltumgreifendes Strategiebewußtsein“ und „ein missionsfreudiges, aggressives, vom Unwert aller `heidnischen´ Religionen und Lebensformen zutiefst überzeugtes Christentum.“37

Wiederum anders sieht Michael Mann die Pax Britannica: Sie „war keineswegs mit der militärischen Unterwerfung Indiens erreicht, sondern sie existierte allenfalls ab ca. 1860.“38 Erst nach der Niederschlagung des als `Mutiny´ aufgefaßten Indischen Aufstands und mit seiner politischen Aufarbeitung begann auch eine Art „ideologischer Macht des britischen Regimes“ in Indien zu greifen39 - die Mann offenbar als Kriterium von Pax Britannica voraussetzt, so deren ideologischen Charakter anerkennend.

Eric Stokes begreift Pax Britannica in Indien als Durchsetzung der Steuerhoheit nach Eroberung bzw. Einverleibung eines neuen Gebiets, also sowohl ökonomisch-rechtlich als auch fallweise regionalisiert: Im Fall der Ceded and Conquered Provinces folgte sie demnach der Annexion 1801-03. Sein Augenmerk gilt der sozioökonomischen Verfassung nordindischer Agrargesellschaft und ihren Wandlungen (oder Kontinuitäten), nachdem „upon the whirling anarchy of the North Indian scene there suddenly fell the Pax Britannica.“40 Die ironische Distanz der Formulierung deutet es schon an: „Images of the anarchy preceding British rule need correction, the older notion that agrarian society at the village level remained insulated from changes in the political world also requires re-examination.“41 Mit dieser 1975 erschienen Studie gehört Stokes zu den ersten abendländischen Historikern, die dem präkolonialen Indien seine innere Dynamik und den alten Eliten ihre speziellen Verdienste zurückgaben: „The notion that the local magnates who engaged in the constant spoiling warfare [...]were simply military freebooters and predatory robber barons requires revision.“42

3. Pax Britannica als ideologisches Konstrukt

Hier sind wir am anderen, gleichsam indischen Ende der Pax Britannica angelangt und können vorerst die eigene Verwendung des Begriffs folgendermaßen beschreiben: Die Pax Britannica wird als Element der ideologischen Sphäre betrachtet, als herrschaftslegitimierende Entsprechung außenpolitischer Praxis. Diese letztere spielte sich real im Rahmen globaler british interests ab und war dabei keineswegs durchgängig oder auch nur überwiegend „Nichtinterventionspolitik“43 wie im Fall des erstarkenden Preußens seit Mitte der 1860er Jahre oder im Fall Indiens von 1793-1816 (mit Krisen und Unterbrechungen). Die Formen, in denen sie sich im nördlichen Indien historisch verwirklichte und niederschlug, stellen erst die konkrete Basis, von der aus das Bild einer Pax Britannica abstrahiert werden kann.

Beispielhaft verdeutlicht: Wenn sich erstere mit `Fiskalimperialismus´, `Parasitäre Symbiose´ oder `Koloniale Penetration´ auf einen Begriff bringen lassen, so ist in der hierin benannten historischen Realität eine materiale Grundlage des Legitimationsmusters `Pax Britannica´ zu sehen. Inhaltliche Aspekte dieses Konstrukts wären –negativ bzw. positiv beschrieben– etwa Orientaldespotie, Zerfalls-Chaos, Security of Property oder Good Government. Mittel einer tragfähigen Konstruktion sind –je nach imperialem oder kolonialen Kontext– Blue Water Policy, Sklavenhandelsverbot, Concert of Europe, Cornwallis´ Reformen in Indien oder die Opiumkriege gegen China – also Mittel der Politik, die einigermaßen konsensfähig zurechtphilosophiert werden müssen. Folgen einer so verstandenen Pax Britannica schließlich wären, neben der intendiertermaßen gelungenen Legitimation imperialer Herrschaft, ein entsprechender historiografischer Niederschlag oder auch das Schaffen von Tatsachen in der allgemeinen Wahrnehmung, wenn das ideologische Konstrukt zum welthistorischen Faktum geworden ist.

Auf analytischer Ebene ist mit Ranajit Guha von britischer Dominance without Hegemony 44 auszugehen: Die koloniale Herrschaftslegitimation richtete sich also nicht an die Kolonisierten oder Teile davon, denen etwa ideologische Identifikations- oder wenigstens Akzeptanzmuster angeboten worden wären –die Vermittlung in dieser Richtung geschah ja stattdessen repressiv–, sondern primär an die politische Öffentlichkeit zunächst im Mutterland.45 Ein wichtiger Unterschied der Pax Britannica für Indien zum außenpolitischen Konzept Castlereaghs besteht gerade darin, daß es hier nie als das „ebenso werbende wie aggressive Zivilisationsangebot“46 an prinzipiell gleichwertige imperiale Mitspieler adressiert war, sondern der (ökonomische, territoriale, kulturelle) Eroberer die Widerständigkeit des indischen Materials als ein Problem des Taming the exotic 47auffaßte. Das schließt also Beschwichtigungen, Zugeständnisse, taktische Rückzieher u. dgl. nicht aus – ist aber konstitutiv schon ein Ungleichheitsverhältnis wie das von Dompteur zu Tiger. Daraus folgt auch, daß die historische Realität der indischen „Gegenspieler“ und erst recht der namenlosen von Repression, Steuerdruck, Krieg, Strukturwandel, Abstieg, Verarmung oder Hunger Betroffenen dagegen eigens gedanklich immer wieder mit rekonstruiert werden muß. Zwar hat jede Herrschaftsgeschichte noch einen „subalternen Anteil“ (vice versa), doch der gewählte Ansatz an Pax Britannica ist dezidierter als andere „Geschichte von oben“, wo Dominanz und Hegemonie ihren Ort haben. In einer wesentlichen Hinsicht ist er aber auch ihr genaues Gegenteil, in seiner Stoßrichtung gegen das nach wie vor gültige Dekret nämlich, „daß Europa im historischen Wissen als stillschweigender Maßstab fungiert“48 und indische, chinesische, kenianische oder andere subalterne Geschichten in minderwertige Variationen dieser einen Meistererzählung verwandelt. Das eurozentrisch-historiografische Essential `Pax Britannica´ zu dekonstruieren, mag so –von der destruktiven Seite her– einen sicher geringen Beitrag zu Dipesh Chakrabartys Projekt „Europa provinzialisieren“ leisten:

Geschichten, die darauf zielen, ein hyperreales Europa aus dem Zentrum der historischen Einbildungskraft zu verdrängen, müssen unermüdlich den Finger auf diesen Zusammenhang zwischen Gewalt und [zivilisatorischem] Idealismus legen[...] Die Aufgabe wird darin bestehen, sich mit Ideen auseinanderzusetzen, die den modernen Staat [...]legitimieren, um so diejenigen Kategorien, deren globale Gültigkeit nicht mehr für selbstverständlich genommen werden kann, erneut zum Gegenstand der politischen Philosophie zu machen – genau wie man auf einem indischen Basar verdächtige Münzen ihren Besitzern zurückgibt.49

Zeitlich läßt sich Pax Britannica in Indien, und sei es nur der Norden, in keinem der referierten Intervalle einfangen, solange die realhistorische Ebene den Bezugspunkt bildet. Dann wäre sie mit Stokes allenfalls fallweise zu regionalisieren: in den Ceded and Conquered Provinces ab 1801-03, im Marathengebiet ab 1819, in Bengalen bedeutend früher (ab 1765) und dann in je unterschiedlichen Verläufen. Nur auf der ideologischen Ebene, begriffen als herrschafts-legitimierende Ideenproduktion, läßt sich Pax Britannica analysefähig vereinheitlichen – aber damit reicht ihr Zeitlimit weit in die präkoloniale Geschichte Indiens zurück (insofern als retrospektive Neu-Interpretationen vom kolonialherrschaftlichen Standpunkt aus stattfinden) und –in ihrer legendären Wirksamkeit– auch weit über den Ersten Weltkrieg hinaus50, soweit das Pax-Britannica-Paradigma eben historiografisch relevant geblieben ist.

Technisch gesprochen wird Pax Britannica im folgenden also nicht vorrangig als realhistorischer hard fact, militärische Errichtung, postpazifikatorische Konsolidierung, relativ unkriegerische Phase oder kulturelle Hegemonialisierung verstanden, sondern als ideologische Abstraktion imperialer Praxis in herrschaftslegitimierender Absicht, was in marxistischer Sicht ungefähr ein Phänomen des Überbaus bedeuten würde.51 Dem noch nicht britisch befriedeten mogulischen Indien des 18.Jahrhunderts kommt so eine grundlegende Rolle im Konstruktionsprozeß der Pax Britannica zu, indem es die orientaldespotische Finsternis bereitstellt, in der Kolonialherren als Lichtgestalten wahrnehmbar werden.

B) HISTORIOGRAFIEKRITIK, AM BEISPIEL

1. Orientaldespotie als Ausgangspunkt

„In the last years of the 17th century, the Mughal Emperor Aurangzeb finds it hard to hold his huge Empire together. The Maratha unrest in the Deccan, [...]the east local Zamindars*; the Nawab of Bengal, with his ill-organized army, receives no clear directives. Law and order desintegrates. Looting and killing widespread.“ Das Zitat reflektiert die landläufige Sicht des präkolonialen Indien - auch in der heutigen indischen Geschichtsschreibung selbst. Es entstammt aktuell der historischen Abteilung im Victoria Memorial zu Kolkata und faßt eine der Konstituanten des Pax-Britannica-Ideologems zusammen: Chaotisches Gemetzel im Gefolge des Niedergangs des Mogulreichs, das in zahllose Nachfolgedespotien unterschiedlicher Größe und Dauer zerfällt. Sogar Romesh Dutt konzedierte 1901: „Englishmen can look back [...]with some legitimate pride. They have conferred on the people of India what is the greatest human blessing – Peace.”52 Das Bild von „anarchy and confusion, selfishness, cowardice and treachery, unpatriotic betrayals and horrible reigns of terror, the tyranny of the strong, the agony of the weak and the futility of isolated attempts”53 liefert den nötigen Kontrast und so -ex negativo- schon zentrale Inhalte britisch-kolonialer Selbstverständnisse bereits im 17.und 18.Jahrhundert. Es prägt die abendländische Wahrnehmung „Indiens“ noch heute und beeinflußt auch professionelle akademische Wissensproduktion stärker als angenommen werden müßte.

Das ist umso bemerkenswerter, als die Kategorie der Orientaldespotie vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sachlich durchaus erledigt ist, so daß mit Burkhard Schnepel dieses Modell theoretisch „getrost als Bestandteil der europäischen `Geistesgeschichte´, ohne relevanten Bezug zur indischen Wirklichkeit selbst, ad acta gelegt werden“54 könnte. Praktisch jedoch ist André Winks Beobachtung von 1987 noch längst nicht obsolet geworden, daß „the conception of the despotic Oriental state still dominates even the contemporary scholar debate“55, wie allein das Eingangsbeispiel zeigt. Erst recht gilt im deutschsprachigen Raum, wo die Rezeption entsprechend innovativer Historiografiekritik um Jahrzehnte verspätet und eher minimalistisch56 stattfindet, daß ein paar repräsentationstheoretische Ausreißer noch lange keinen Wechsel des eurozentrischen Paradigmas machen.

Das Bild der Orientaldespotie reicht in seiner Entstehung weit zurück in die Geschichte abendländischer Begriffsbildung und war von seinem antiken Anfang an schon negativ abgrenzend, nämlich als Despotie per se vom Standpunkt des freien Griechen aus dem asiatischen Barbaren zugeordnet. Deren Klima und Geografie, so etwa Hippokrates im 5.Jahrhundert v.u.Z., bringe einen servilen, passiven, schwachen und feigen Menschenschlag hervor, für den die despotische Regierungsform allerdings eine kongeniale Ergänzung sei. „For him, as for Herodotus,” berichtet A.T.Embree, „the account of Asian despotism served as an apologia for those Greek freedoms which were in constant dangers of internal subversion by forces analogous to those seen in Asia.”57 Die moderne Theorie des Despotismus (Montesquieu 1748)58 fügte ihren antiken und mittelalterlichen Vorläuferinnen inhaltlich nichts hinzu, systematisierte und modellierte diese jedoch politisch-philosophisch zu einem griffigen Konzept.

Despotie (und deren radikale Praxis, Tyrannei) ist demnach zwar nicht prinzipiell, aber realhistorisch im Orient als dessen charakteristische Regierungsform zu verorten. Die abendländische Monarchie wird davon positiv abgehoben, so daß deren eigener Absolutismus damit einerseits legitimiert und andererseits –als zur Despotie degeneriert– ggf. auch kritisiert werden kann. Der Despot ist nun praktisch stets Orientale oder zum Orientalen degeneriert, träge, dumm und wollüstig; er herrscht unumschränkt, gottgleich und furchtverbreitend; alles Land gehört ihm, sein Zugriff erreicht jeden Haushalt, die Administration ist auf seine Person zentralisiert; die Untertanen sind entsprechend sklavisch, kurzfristiger Nutzen –statt etwa Aufbau, Vorsorge und Wachstum– bestimmt auch deren Leben; ihre fatale Ergebenheit, Servilität und Unwissenheit erleichtern die Gewaltherrschaft ebenso wie das heiße Klima und die Großräumigkeit Asiens, die sie ursächlich hervorbringen. Diesen letzten Aspekt vertiefte z.B. 1957 noch Karl Wittfogel, indem er den zentralistischen Zugriff auf knappe Wasserressourcen als archimedischen Punkt orientalischer Despotie fokussierte und daraus ein Konzept „hydraulischer“ Gesellschaften entwickelte, das er „die erste systematische Analyse der orientalischen Gesellschaft und Staatsordnung“ nannte, unter Einbeziehung auch der Sowjetunion und Chinas.59 In der politischen Historiografie ist der Dreiklang „asiatisch-orientalisch-despotisch“ unhinterfragte Prämisse zahlloser Erzählungen geblieben, z.B. auch in jener eher neutralen Stalin-Biografie Isaac Deutschers, in der die asiatischen Züge des Objekts nicht selten als Erklärungen bestimmter Handlungen untergeschoben sind. Davor war es Karl Marx, der die Orientaldespotie in sein Konzept von der Asiatischen Produktionsweise übersetzte, Max Weber erfand dafür den patrimonialen Herrschaftstypus und selbst Voltaire trug zur Weiterverbreitung des Bildes bei, indem er es als Tarnung für seine antifeudalistischen und antiklerikalen Kampagnen benutzte.60 Aktuell verkörpert der Iraker Saddam Hussein die orientaldespotische Imagination der zivilisierten Welt, das aufgeklärte Wahrnehmungsschema ist so offenbar weiterhin gültig. Nicht etwa Fisch, Schulze oder Osterhammel bestimmen hier den gebildeteren Diskurs, sondern Scholl-Latour und Konzelmann – und auch auf der gesamtgesellschaftlichen Meinungsebene ist die Figur des Orientaldespoten an sich intakt und jederzeit propagandistisch entflammbar.61

Zwar gab es stets, ebenso im 18.Jahrhundert, einige und teilweise sehr bedeutende Kritiker des orientaldespotischen Mythos, etwa Anquetil-Duperron, der 1778 in seiner Législation Orientale in Indien nur noch einen absoluten Despoten, die EIC selbst, am Werk sah: „leur conduite arbitraire opposée à tout droit divin et humain, leurs procédés barbares et atroces“ 62; oder eben Voltaire und auch Goethe, der die dichterfreundliche, kluge und ruhige Konstitution der „Despotie“ gegen seine als „ausgebildet, überbildet, verbildet, vertrackt, zu trocken, geregelt und prosaisch“ denunzierte europäische Gegenwart verteidigte.63 Dennoch muß trotz der vielseitigen, wissenschaftlich zutreffenden, teils prominenten und oft fundamentalen Kritik konstatiert werden, daß sie sich im Diskurs des Abendlands und auch der Aufklärung i.e.S. nicht durchsetzte. Sie zielte nämlich an „den politischen Kernproblemen und der intellektuellen Großwetterlage vorbei. Nun ging es um die Organisation des kolonialen Indien, die zu erwartende Aufteilung des Osmanischen Reiches und die schleichende Systemerosion in China. [...D]ie angebliche zivilisatorische Kluft zwischen Ost und West“64 wurde dabei legitimationswichtig. Um 1800 war Asien im Allgemeinen jedenfalls „entzaubert“, wie es auch P.J.Marshalls Great Map of Mankind als Ergebnis festhält:

Empirical observation was not needed to convince Englishmen, that the mass of Indians were docile and hardworking, if invincibly conservative, that their Muslim overlords were cruel and extortionate, that property of all kinds was insecure, or that the administration of justice was at best corrupt and uncertain [– kulminierend gar] as the Edinburgh Review put it in 1802: „Europe is the light of the world, and the ark of knowledge: upon the welfare of Europe, hangs the destiny of the most remote and savage people.”65

Timur, Aurangzeb, Nadir Shah oder Haidar Ali waren von würdigen Herrschern, weisen Führern, genialen Feldherren oder auch aufgeklärten Absolutisten zu blutigen Monstern und Geißeln Asiens mutiert, Tipu Sultan oder bereits Sirajuddaulah als reale Expansionshindernisse schon zu Lebzeiten nichts anderes gewesen – und insgesamt stellten die muslimischen Despoten und Eroberer Indiens die angemessenen „Werkzeuge göttlicher Strafe für die verkommenen Hindus“, wie es in den 1790er Jahren nicht nur Charles Grant sah.66 Noch vor Mills History 1818 bildete Thomas Maurices Modern History of Hindostan 1802-1810 den historiografischen Niederschlag gewandelter Wahrnehmungsbedürfnisse im Kontext kolonialer Penetrationsprozesse, der die Geschichte Asiens als ein blutiges Geschnetz aus Kriegen, Massakern, chaotischen Staatsbildungen und „dark and dreadful series of perfidy, spoliation, and murder“67 präsentierte. Wie sehr die legitimatorische Nutzanwendung Montesquieu´scher Ideologeme dabei im jeweiligen konkreten Expansionsvorgang eingebettet war, zeigt prototypisch das indische Beispiel der 1750er Jahre, wo die Verfinsterungsarbeit zunächst bei Nadir Shah und Timur ansetzte: 1753 mit Hanways Historical Account of the British Trade bzw. 1756-58 mit de Guignes´ Histoire générale. 68

2. Indisch-Indien im 18.Jahrhundert, Forschungsstand

Den weiteren Forschungsstand und -verlauf zum Fall des Mogulreichs vorläufig zusammengefaßt und darüberhinaus im metatheoretischen Rahmen einer kritischen Historiografie betrachtet hat kürzlich Andrea Hintze. Demnach ist die eurozentrische Sicht Indiens im 18.Jahrhundert zunächst nicht einmal von antikolonialer einheimischer Historiografie radikal angegriffen worden, die stattdessen im ideologischen Setting ihrer Herren verblieb. Ob auf eine zu starke Anpassung islamischer Doktrinen an hinduistische Ideen und Praxen zurückgeführt, auf die Schlechtigkeit muslimischer Herrschaften und entsprechende „hindu reaction“69 oder auf das noch unentwickelte politisch-ökonomische System - „the historiography on pre-colonial India tended to project the problems of history of its own age onto the protagonists of history in the 18th century, and further accentuated the view of a fundamental difference between European and Asian historical developments.“70 Nicht vor den späten 1950er Jahren gewannen neue Perspektiven an Gewicht, die überhaupt erst einmal die Eigenheiten mogulischer und postmogulischer Strukturen im 18.Jahrhundert zur Kenntnis nahmen und in ihrer spezifischen historischen Dynamik untersuchten. Hier ist zunächst die Aligarh-School zu nennen, die mit Chandra und Athar Ali erste militärisch-politische bzw. -kulturelle Annäherungen an die Realgeschichte der Mogulherrschaft im 18.Jahrhundert hervorbrachten, ergänzt durch Habibs agrarsystematischen Ansatz.71

Das ethno-historische Konzept72 der amerikanischen Cultural Anthropology resultierte in bahnbrechenden Feldstudien etwa Cohns zur sozialen Verfassung und Veränderung indischer Gesellschaftsgruppen und -bezüge „which once and for all destroyed the myth of static Asiatic societies, rooted in time-honoured traditions and precluding any dynamics of change.“73 Universalhistorische Kontextualisierungen wie die Hodgsons, sozio-ökonomische Grundlagenforschung wie die Baylys und nicht zuletzt die wahrnehmungstheoretische Dekonstruktionsarbeit von „Foucauldians“ wie Said oder Inden74 haben weitere Beiträge geleistet, zumindest im akademischen Diskurs ein ungebrochenes Festhalten an der „Black Legend of the 18th century“75 unmöglich zu machen. Das Bild vom chaotischen Niedergang einer unflexiblen Orientaldespotie mit dem Zerfallsprodukt eines langen blutigen Machtvakuums, das erst von den Briten -gleichsam Aurangzebs76 Erben- zivilisierend und pazifizierend ausgefüllt wird, ist hier von differenzierten Sichtweisen auf vorgängige Prozesse strukturellen Wandels sowie Elemente von Kontinuität und Übergang im Mogulreich überlagert worden.

The crisis of 18th-century India now appears“, zitiert Hintze Bayly, „to have three distinct aspects. First, there were the cumulative indigenous changes reflecting commercializations, the formation of social groups and political transformation within the subcontinent itself. Secondly there was the wider level of crisis of west and south Asia which was signalled by the decline of the great Islamic empires[...] Thirdly, there was the massive expansion of European production and trade during the 18th century and the development of more aggressive national states in Europe which were indirectly echoed in the more assertive policies of the European companies in India from the 1730s and notably of the English Company after 1757.“77

Die theoretische Basis zur Relektüre der Zerfallsgeschichte des Mogulreichs reichte 1986 Mann nach: Dessen Sources of Social Power konzeptionierte Gesellschaften als „bestehen[d] aus vielfältigen, sich überlagernden und überschneidenden sozialräumlichen Machtgeflechten“78 mit 4 gleichrangigen Hauptquellen sozialer Macht, nämlich der Kontrolle über I deologische, Ö konomische, M ilitärische und P olitische Ressourcen. Im so aufgespannten Interaktionsfeld werden Struktur und Geschichte von Gesellschaften sichtbar und meßbar. Hintze schlachtet Manns IEMP-Modell methodologisch aus79, indem sie es auf die weitere Untersuchung ihres Gegenstands anwendet, „within which recent studies and interpretations can be theoretically integrated. Furthermore it supplies us with analytical tools for a more systematic, comparative investigation of the period of political transformation between the 18th-century state systems and, more generally, enables us to address questions of continuity and change in society at large.“80 Ihr „fresh look at the decline of the Mughal Empire [and to reconsider existing theories on this]“81 bündelt die mannigfachen Einzelbeiträge auf einer metahistorischen Ebene zum umfassenden und plausiblen Schlußbild eines lange prosperierenden und sozio-ökonomisch, militärisch und politisch-administrativ durchaus dynamischen Mogulreichs, das gerade auch seine Totengräber gleichsam selbst produzierte:

It was precisely those social groups which had benefitted economically under Mughal rule which were most interested in the transformation of the political system. In order to stabilize their economic positions, merchant and landed elites had to secure political support from the regional powerholders and forced their way into the local administration. The new regional potentates consolidated their rule in much the same style as the Mughal dynasty.82

Wir haben es also nicht länger mit dem unvermeidlichen Zerfall einer überlebten Orientaldespotie und anschließendem Chaos zu tun, sondern mit langfristigen sozio-ökonomischen und politischen Transformationsprozessen, die gewandelte Machtgruppen und Strukturen ebenso hervorbringen wie regionale Staatsbildungen.

Zum Beispiel standen dem wirtschaftlichen Bedeutungsverlust mancher Zentren (Surat, Ahmedabad, Maslipatnam, Dacca, Delhi, Lahore, Agra, Burhanpur) im 18.Jahrhundert neue Zentrenbildungen andernorts (Lucknow, Hyderabad, Banares, Mirzapur, Kanpur, Baroda, die Marathen-Hauptstädte, Srirangapatam, Mysore, Bangalore; Bombay, Calcutta, Madras) gegenüber:

The loss of services and accumulated wealth in these movements was probably considerable, but it is significant how quickly demand and production was made up from new sources. New overland trade routes[...], production of [...]fine cloths [...]New commercial and credit networks [...]The great concentration of military and urban populations under Aurangzeb may have dispersed. But urbanisation was more widely spread across the subcontinent by 1800.83

Selbst etwa Surat bot dabei am Ende des 18.Jahrhunderts Engländern, Holländern, Franzosen und Portugiesen „obwohl die Stadt ihren Zenit bereits überschritten hat, noch immer gute Geschäfte.“84

Zum Beispiel brachte das „long-term development of commercialisation in India -of credit, of markets and of the significance of traders and moneylenders“85 gerade jene funktionalen Schichten und Strukturen hervor, die die britischen Begehrlichkeiten nicht nur weckten, sondern der EIC ein Andocken überhaupt erst ermöglichten. Für Hindostan konnte Bayly diesen Dezentralisierungs- und Kommerzialisierungsprozeß im vorkolonialen Indien gegen das Bild vom in Anarchie versinkenden Mogulreich detailliert nachzeichnen und seine Trägergruppen identifizieren: „traders and bankers [...]lineages of administrative and military personnel [...]networks of religious organisations“86 – eben „intermediaries between state and agrarian society [who] demonstrated great resilience during the political flux of the 18th century [...and] also provided the British merchants and administrators with the keys to the vast resources of inland India.“87

Zum Beispiel erzeugte die Schwäche der Zentralmacht im Indien des 18.Jahrhunderts weniger orientalisches Chaos als vielmehr regionale Aneignungseffekte, im Fall der Marathen (deren Armeen, ähnlich wie jene der Sikhs oder Jats, die sozio-ökonomische Dynamik geradezu repräsentierten, fanden sich doch „husbandmen, carpenters and shopkeepers abound among their soldiery“)88 sogar bereits in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts. Anhand der Marathen-Staatenbildung zeigte André Wink die andere Seite eines gemeinhin als Störung und Zerstörung der Mogulordnung aufgefaßten Prozesses, den er als „a form of `zamindari sovereignty´“89 innerhalb des politischen und sozio-ökonomischen Rahmens dieser Mogulordnung selbst interpretierte. Diesem System konkurrenter Rechte90 immanent ist nämlich ein Mechanismus ständiger Rivalität, wechselnder Koalitionen und institutioneller Unsicherheit - nicht zur Disposition stand letztlich lediglich die nominale Oberhoheit des Mogul selbst. In Winks fitna -Theorie ist jede aus der Logik dieses Mechanismus resultierende Rebellion normaler Bestandteil eines somit erstaunlich flexiblen und faktisch polyzentrischen Systems.91

Anhand der Beispiele klargeworden sein sollte allerdings, daß es sich beim kriselnden Mogulreich im 18.Jahrhundert eben nicht um eine starre Orientaldespotie handelte, deren Dekadenz, Korruption, Gier und Grausamkeit so überspannt wurde, daß sie zerbrechen und ein blutiges Nachfolgechaos freisetzen mußte; sondern um ein dynamisches und prosperierendes System, das aus sich selbst heraus kommerzielle und kapitalistische Entwicklungen hervorbrachte, mit den entsprechenden neuen Schichten und Strukturen. Deren Positionierungskämpfe führten -im Zeichen von fitna, systemimmanenter Rebellion- zu politischen Verschiebungen auf Kosten des Moguls bis hin zu veritablen Staatsformationen innerhalb des Reichs. Der relative Niedergang der Mogulmacht ist somit (wie das Phänomen fitna) Ausdruck wirtschaftlicher Kraft und politischen Erfolgs neuer oder erstarkender Gruppen und ihrer Verbindungen; von innen (aber auch mit Blick auf das kontemporäre Abendland) betrachtet nicht dramatisch, sondern normal.

3. Warrior States und andere blutige Reste

Trotz der -anscheinend mindestens fachwissenschaftlich- weitgehenden Zerrüttung der Orientalischen Despotie als möglicher Kategorie und der damit verbundenen Relativierung des Bilds vom blutigen Folgechaos, blieben andere altbekannte Figuren ihres Kontexts ziemlich ungerupft. So verwendet Hintze zur Kennzeichnung der Nachfolgestaaten (ein Begriff, der seinerseits nicht mehr angemessen erscheint) den Terminus „warrior states“ mit derselben Selbstverständlichkeit wie etwa Förster meint: „Die direkten Nachfolgestaaten des Mogulreichs [...]scheinen weitgehend dem Model des Großreichs gefolgt zu sein, das eine auf dem Militäradel beruhende Despotie war.“92 Das wirft schon die Frage auf, wie weit die referierten neueren Sichtweisen Mogul-Indiens im 18.Jahrhundert tatsächlich tragen. Ein genauerer Blick auf die einzelnen Warrior States jedenfalls legt eine differenziertere Einordnung nahe.

So kommt Stewart Gordon am Ende seiner sehr gründlichen Studie The Marathas 1600-1818 zum Schluß: „We have every reason to doubt that factional conflict was the dominant activity of the Maratha policy. If we look back over its history, there were only three periods of full fledged civil war.“ Zu diesen relativ kurzen Perioden kommen „several rebellions, all of which lasted only a few years and were of limited geographic scope.“ Auch hinsichtlich der Familienfehden ergibt eine Überprüfung „through detailed revenue documents [that] these conflicts rarely disrupted even the most local area.“ Zwar waren die Staatsstrukturen lockerer als die mogulischen, aber deren Rechts- und Steuerpraktiken wurden von den Marathen weitergeführt. Der „overall trend [was] one of consolidation and centralization, not somehow chaos and anarchy.“93

Später und kürzer als die Marathen haben die Ruhela, im oberen Doab und Trans-Ganges eingewanderte Afghanen, ihren sog. Kriegerstaat gebildet. Ähnlich wie diese lieferten sie schon im 18.Jahrhundert entsprechend Vorlagen für die koloniale Ideologieproduktion und Herrschaftslegitimation, insbesondere daß sie notorische Nichtrückzahler von Schulden (beim Vazir* von Awadh) seien, intrigante Schwächlinge, dabei schnell mit der Waffe, und zudem hinterhältige Geheimabsprachen mit „Staatsfeinden“ Awadhs (den Marathen) träfen: „It is a proverb in Industan that they pray with one hand and rob with the other.“94 Konkrete Rechtfertigungsnotstände –wie hier vor den EIC-Directors* zur Frage des Kriegszugs gegen die Ruhela 1774– förderten dabei, wie im Hauptteil rekonstruiert werden wird, die Legendenbildung ganz erheblich. Der verantwortliche Governor(General)* denunzierte das Objekt seiner Kriegsbegierde als „a tribe of Afghans or Pathans, free booters who conquered the country about sixty years ago, and have ever since lived upon the fruits of it, without contributing”.95 Die historische Realität, Werden und Vergehen des Ruhela-Staates, beschreibt Iqbal Husain in Ruhela Chieftaincies –mit starker politisch-militärisch-dynastischer Schlagseite– allerdings anders: zwar deutlich dezentral (im Sinne prinzipieller Egalität) organisiert, hatten die Ruhela ansonsten aber die mogulische Administrationsstruktur übernommen. Charakteristisch war ihr „strove to look after the welfare of the people[...] dealing fairly with the high and low, Hindus and Muslims alike“96 sowie „their reputed interest in extending cultivation, and fostering conditions for a relatively contended peasantry.“ Gezielte Steuerstreichungen, die Sicherheit der Handelswege, die Integration des traditionellen panchayat * in die Rechtsprechung, Nichteinmischung in religiöse Praktiken und eine rege Bautätigkeit sicherten der 50jährigen Herrschaft der Ruhela ihren bis heute guten Ruf im kollektiven Gedächtnis der Ansässigen. „By and large the Ruhelas maintained good order and justice; and this made Ruhelkhand a prosperous region.“97

Ebenso zweifelhaft wie die Rede von `Warrior States´und `Warlords´ ist die Kennzeichnung der sog. Nachfolgestaaten des Mogulreichs als gleichfalls „auf dem Militäradel beruhende Despotie[n]“. Die Darstellung in Richard Barnetts North India Between Empires deckt diese Behauptung zumindest für Awadh mit keinem Wort, von der Ungeeignetheit des Despotiebegriffs an sich einmal abgesehen. Die von Förster allerdings als Beleg angeführten Seiten98 beschreiben stattdessen die politischen Strategien Saadat Khans und Safdar Jangs, gegenüber dem Mogul auf dessen territoriale und fiskale Kosten regionale Autonomie und eine eigene Machtbasis in Awadh durchzusetzen, ohne jedoch dessen nominale Oberhoheit in Frage zu stellen. Auch Peter Marshalls für Bengalen als Beleg herangezogene Studie The British Bridgehead 99 verfolgt ein anderes Thema, nämlich wie die East India Company selbst ein faktisch autonomes Bengalen sowohl gegen die Nawabs –„indeed we must become the nabobs ourselves“100– als auch gegen die Moguln, natürlich ebenfalls ohne deren Suzeranität anzuzweifeln, durchsetzte. Wenn im 18.Jahrhundert also eine Kraft Bengalens einen Nachfolgestaat aufzog, dann die East India Company und sicher nicht die Nawabs von Murshidabad, von denen allenfalls Mir Kasim in seinen 3 Amtsjahren „prove[d] to be the most determined effort ever made to establish an independent state.“101

Deutlicher aus der Perspektive des Nawabs als Machtzuwachs herausgearbeitet ist der Prozeß mogulischen Machtverlusts in Muzaffar Alams Crisis of Empire - und zwar nicht nur seinen exponierten Gouverneurs, sondern auch seinen lokalen Offiziellen und den Zamindars gegenüber, die jeweils ihre eigenen Ziele verfolgten. Auch für Awadh (und Punjab) gilt hierbei: „The intensity of the zamindars´ resistance [...]followed economical growth and the prosperity in our regions in the 17th century together with an imperial decline.“ Wie „in the areas dominated by the Marathas or Rajputs“ auch, zeichnete sich ein Trend unter den jagirdars* ab, ihre an sich an Militärdienst für den Mogul gebundenen Landrechte versuchsweise unabhängig davon als eigene zu betrachten und sogar zu vererben.102 So leuchtet ein, daß die neuen Herren in dieser Richtung auf differenzierte und findige Innenpolitik zur Stabilisierung angewiesen waren, z.B. hier wiederum in Awadh:

Biswara, a centre of constant threat to Mughal Power, appears to have turned into a base of nawabi power in Awadh. The zamindars were reconciled through a contract (ta´ahhud) which empowered them to engage in the collection of revenue[...] the contract combined in it the elements of the earlier Mughal attempt of both conceding some autonomy to the zamindars as well as absorbing them in imperial service. To such ta´ahhuds can be traced the rise of some ta´alluqadaris of 18th century Awadh. Such ta´ahhud also contributed [...]to the decay of the institution of faujdari [...] as a bulwark of imperial authority [which] has set in with the new subadar ´s acquisition of faujdari rights over the province.“103

Der Begriff nachfolgender Militärdespotien mogulischen Typs verfehlt die sozio-ökonomische Dynamik solch komplexer Entwicklungen im 18.Jahrhundert ebenso wie den Charakter der „political transformation in the emergence of the new subadari[...] The genesis for the emergence of the `successor state´ was present in both the provinces, but in the Punjab it ended with chaos[...] while Awadh saw a stable dynastic rule,“104 und Bengalen, um das hinzuzufügen, die Ablösung indischer Staatsformationstendenzen unter den Bedingungen des heraufkommenden „prokonsularischen Regimes“ der East India Company.105

In grobgerasterten Zuschreibungen wie der in Hintzes Warrior States und Appearance of the Warlords oder Försters auf dem Militäradel beruhende Despotie sowohl für das Mogulreich als auch seine Nachfolgestaaten verschwimmen aber nicht nur solche Nuancen. Vielmehr sind das konkrete Wiedergängerinnen der „totgeglaubten Schimäre der `orientalischen Despotie´“106, welche offensichtlich nur dem akademischen Sprachgebrauch und theoretischen Anspruch nach erledigt ist, in der geschichtswissenschaftlichen Praxis aber immer noch Präsenz zeigt. Wer sich mit Legende und Wirklichkeit der Pax Britannica in Indien auseinandersetzt, kommt nicht umhin, auch die ideologischen Voraussetzungen im Bild Mogul-Indiens und seiner Zerfallsgeschichte zu kritisieren; umso mehr wo „unnoticed reintroduction of old concepts in slightly updated versions“107 stattfindet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Pax Britannica in Indien: Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,8
Autor
Jahr
2004
Seiten
83
Katalognummer
V54714
ISBN (eBook)
9783638498432
ISBN (Buch)
9783638727006
Dateigröße
1053 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
pax Britannica, Indien, Legende, Wirklichkeit, kolonial, Penetration, Begriffskritik, Historiegrafiekritik, Ideologiekritik, Dominanz, Hegemonie, Eurozentrismus, Fremdwahrnehmung, Imperialismus, Kolonialismus, Macht, Legitimation, East India Company, Indirect Rule, Orient, Orientalismus, Orientaldespotie, Postkolonialismus, Subalterne, historische Grundlagen, Zerrbildproduktion, Weiße, Hatings, Clive, Cornwallis, Wellesley, indisch, britisch, warlords, warrior states
Arbeit zitieren
M.A. Jürgen Krämer (Autor:in), 2004, Pax Britannica in Indien: Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54714

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Pax Britannica  in Indien: Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden