Über das Verhältnis von Moral und Politik - Was Niccolò Machiavelli zur Rede des US-Präsidenten George W. Bush vom 20.03.03 sagen könnte


Hausarbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Begriff der Moral
2.1 Allgemeindefinition
2.2 Arbeitsdefinition

3. Die Moral der US-amerikanischen Gesellschaft

4. „Der Fürst“ und die Moral

5. Textanalyse der Rede von George W. Bush

6. Was N. Machiavelli zur Rede von George W. Bush sagen könnte

7. Machiavelli im Kontext der Internationalen Beziehungen

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang:

Rede des US-Präsidenten George W. Bush vom 20.03.03

deutsch

englisch

1. Einleitung

Diese Hausarbeit entstand ziemlich genau ein Jahr nach Ausbruch des Irakkrieges. Die zunächst erfolglose Suche nach dem Diktator Saddam Hussein ist abgeschlossen, der Irak befindet sich unter dem Protektorat der USA. Die Iraker und die Besatzungsmächte sind auf der Suche nach einer neuen Verfassung, die das Machtvakuum, welches das Regime der Husseins hinterlassen hat, füllen soll. Diese Suche erweist sich aber als besonders schwierig. Der Krieg im Irak geht weiter: Täglich gibt es neue Nachrichten über Attentate auf die Besatzungstruppen, die mit großen Verlusten verbunden sind. So haben inzwischen mehr amerikanische Soldaten nach dem offiziellen Ende des Krieges ihr Leben verloren, als während der eigentlichen Kriegshandlungen. Diese Hiobsbotschaften lassen die Kritik an der militärischen Intervention[1] innerhalb der USA immer lauter werden. George W. Bush als Präsident und Oberster Kriegsherr der USA steht im Fokus der Kritiker. Ihm wird vorgeworfen, den Krieg wissentlich auf der Basis gefälschter Geheimdienstinformationen forciert zu haben. Stellen sich diese Anschuldigungen als wahr heraus, und sehr viel deutet darauf hin, dann muss nach den eigentlichen Gründen dieses Krieges gefragt werden. Eine derartige Analyse würde aber den Rahmen einer Proseminararbeit eindeutig sprengen und die hierfür notwendigen Quellen und Informationen sind unerreichbar.

Gegenstand dieser Hausarbeit sind zwei Personen, bzw. deren Gedanken und Ausführungen. Auf der einen Seite steht George W. Bush, moderner Kriegsherr und Präsident des militärisch und ökonomisch einflussreichsten Staates der Gegenwart und auf der anderen Seite Niccolo Machiavelli, Philosoph, Geschichtsschreiber und Staatstheoretiker der Renaissance. Zwischen den Lebzeiten dieser beiden Personen liegt ein halbes Jahrtausend. Politisch, ökonomisch und technisch finden beide eine völlig unterschiedliche Welt vor.

Jedoch kann man die theoretischen Überlegungen des einen, Niccolo Machiavelli, auf die Rede des anderen, George W. Bush, anwenden und dadurch wichtige Informationen gewinnen. Die Tragweite und Bedeutung Machiavellis für die Internationalen Beziehungen[2] wird damit unterstrichen. Dies ist das Ziel dieser Arbeit. Um die Informationen nicht zu umfangreich und damit ungenau werden zu lassen, wird sich auf eine bestimmte Fragestellung im folgendem konzentriert: Was könnte Niccolo Machiavelli zur Rede des US-Präsidenten George W. Bush bezüglich dem Verhältnis von Moral und Politik sagen? Dieser Aspekt steht im Zentrum der Untersuchung, da er sich nach Meinung des Autors besonders gut zur Einordnung Machiavellis in die Kategorien der aktuellen Theorieschulen in den Internationalen Beziehungen eignet. Hierauf wird an einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen.

Die schriftliche Ausarbeitung des Themas beginnt mit einer Arbeitsdefinition von Moral. Wie man feststellen wird, ist das Moralverständnis ein variables, also im Lauf der Zeit sich veränderndes gesellschaftliches Parameter. Deshalb muss auch auf die kulturellen Umstände der USA eingegangen werden. Ein Blick in deren stark puritanisch geprägte Geschichte wird einen Eindruck von den nordamerikanischen Moralvorstellungen geben. Es folgt die intensive Beschäftigung mit den Gedanken Machiavellis zur Moral. Um hier nicht zu weit auszuholen, wird sich auf die wohl berühmteste Schrift des Theoretikers konzentriert: „Il Principe“, zu Deutsch: „Der Fürst“. Vor allem das 15. Kapitel dieses Werkes liefert umfangreiche Informationen zu Machiavellis Ansichten über das Verhältnis zwischen Moral und Politik.

Der nächste Arbeitsschritt ist die Analyse der Rede von George W. Bush vom 20.03.2003. Hier erklärt der US-Präsident offiziell dem Irak und somit dem Regime Saddam Husseins den Krieg. Er begründet die militärische Intervention hauptsächlich mit moralischen Motiven. Nun werden beide Personen gegenübergestellt und die Fragestellung beantwortet. Wir erfahren, was Niccolo Machiavelli zu George W. Bush sagen könnte. Der folgende Abschnitt versucht aufgrund der getätigten Überlegungen die Einordnung Machiavellis in die Theorieschulen der Internationalen Beziehungen. Im Fazit werden die gewonnenen Erkenntnisse reflektiert und zusammengefasst.

Zu den verwendeten Materialien und Quellen lässt sich folgendes sagen: Die Schriften über Machiavellis Werke sind zahlreich, nicht zuletzt aufgrund der weit zurückliegenden Lebenszeit des Autors. Der Rahmen dieser Hausarbeit erlaubt keine lückenlose Berücksichtigung des Forschungsstandes. Also wird sich auf einige wenige Wissenschaftler konzentriert. Quentin Skinner, Alfred A. Strnad und Wolfgang Leidhold sind hier zu nennen. Die Dissertationsschrift von Andreas Hasenclever beeinflusste vor allem die Abhandlungen über die Moral der militärischen Intervention. Der Abschnitt über die Moralvorstellungen innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft basiert hauptsächlich auf den Beobachtungen des Soziologen Robin M. Williams, jr. . Werner Rehs Text zur Quellen- und Dokumentenanalyse ist die Grundlage zur Untersuchung der Rede George W. Bushs. Diese befindet sich schriftlich im Anhang, sowohl in englischer Originalsprache, herausgegeben vom Weißen Haus in Washington, als auch in deutscher Übersetzung, die von der Deutschen Presse Agentur veröffentlicht wurde. In Anlehnung an Goethe kann man diese Einleitung mit der in den Mund von Niccolo Machiavelli gelegten Gretchenfrage an George W. Bush beenden: „Und, wie hälst´s du´s mit der Moral?“

2. Der Begriff der Moral

In diesem Abschnitt soll es darum gehen, eine genaue Definition von Moral zu geben, mit der im Anschluss gearbeitet werden kann. Vor allem für die Textanalyse im Teil 5. ist diese Bestimmung unabdingbar. Es folgt eine allgemeine Definition, die sich dem Begriff über seine Wortherkunft hin annähert. Eine weitere Differenzierung moralischen Handelns von strategischem Handeln soll zur Arbeitsdefinition führen.

2.1 Allgemeindefinition

Der Begriff Moral stammt vom lateinischen Wort mos (moris, m.)[3], was soviel heißt wie „Gewohnheit, Sitte, Brauch“, in bestimmten Fällen auch „Gesetz, Vorschrift“ (Stowasser 1994, 324). Diese Übersetzungen zeigen die Bedeutung des Begriffs Moral sehr gut auf: Moral ist hiernach eine gesellschaftlich gewachsene Größe, die auf Gewohnheiten und Bräuchen basiert. Dieser Punkt impliziert die Feststellung, dass Moral in verschiedenen Gesellschaften unterschiedliche Ausprägungen annimmt. Anders gesagt: Jede einzelne Gesellschaft hat ihre eigene Moral[4].

Der zweite Aspekt, der aus der etymologischen Annäherung an den Begriff Moral hervorgeht, ist folgender: Moral hat einen Gesetzescharakter. An das, was in einer Gesellschaft als moralisch erwünscht ist, hat sich jeder zu halten. Handlungen, die entgegen den allerseits anerkannten Richtlinien gehen, sind unerwünscht und gelten als Tabu. Anders gesagt: Jeder innerhalb einer Gesellschaft hat sich an die moralischen Maßstäbe zu halten[5].

Fügt man die beiden oberen Aspekte zusammen, kommt man auf folgende Definition:

Moral ist eine gesellschaftliche Handlungsmaxime, der sich alle Mitglieder unterzuordnen haben.

Diese Definition reicht noch nicht aus, um mit ihr die politikwissenschaftliche Analyse der Rede von George W. Bush durchzuführen. Deshalb soll im folgendem die Arbeitsdefinition entwickelt werden, die genauer auf den Gesichtspunkt der Moral als Handlungsmotiv von Entscheidungsträgern in einer Konfliktsituation[6] eingeht.

2.2 Arbeitsdefinition

Soziale Auseinandersetzungen können auf zwei Arten ausgetragen, bzw. behandelt werden. Entweder durch strategisches oder durch moralisches Handeln (Hasenclever 2000, 114, nach: Beitz 1979, 16; Frankena 1994, 23; Habermas 1992, 80). Es handelt sich bei dieser Unterscheidung um ein Erklärungsmodell. In der politischen Realität wird man immer Mischformen dieser Handlungsparameter vorfinden, jedoch ist diese „Unterscheidung sinnvoll, um die Eigentümlichkeiten moralischer Forderungen an menschliches Verhalten in den Blick zu bekommen“ (Hasenclever 2000, 114).

Folgende Vorraussetzungen erfüllt ein strategisch handelnder Akteur:

Er handelt egoistisch und versucht immer, den maximalen Nutzen aus den gegebenen Umständen zu ziehen. In Konflikten versucht er die eigenen Interessen soweit wie möglich durchzusetzen. Erst wenn Kontrahenten wirkungsvoll Widerstand leisten können, nimmt er Rücksicht auf diese. Ein strategisch handelnder Akteur kalkuliert im Vorfeld einer Konfrontation den zu erwarteten Widerstand des Gegenspielers, die eigenen Druckmittel und den Preis, den er für das Handlungsziel zu zahlen bereit ist. Auf der Basis dieser Rechnung gestaltet er sein Verhalten während des Konflikts (Hasenclever 2000, 114-115). Bei diesem Handlungsmodell gilt das Recht des Stärkeren. Der Akteur handelt nach einer Kosten-Nutzen-Kalkulation. Werte oder Normen spielen in dieser Gleichung keine Rolle.

[...]


[1] der Begriff „militärische Intervention“ ist in den Internationalen Beziehungen ein stark umstrittener Terminus. In dieser Arbeit folgt der Begriff der Arbeitsdefinition von Hasenclever: Militärische Interventionen sind ein Instrument staatlicher Außenpolitik, welches eingesetzt wird um Herrschaftskonflikte in einem Zielland zu beeinflussen. Ziel der m. I. ist immer mindestens eine der Konfliktparteien, die zu einer Verhaltensänderung gezwungen werden soll. Diese Änderung soll relevant für den Verlauf oder Ausgang des Konfliktes sein. Grenzüberschreitende Truppenbewegungen sind notwendige Indizien für eine militärische Intervention (Hasenclever 2000, 34).

[2] in den Politikwissenschaften wird „Internationale Beziehungen“ von „internationale Beziehungen“ unterschieden. Die erste Version mit der doppelten Großschreibung steht für die Teildisziplin innerhalb der Wissenschaft und die zweite Version beschreibt den Gegenstand „Welt-„, „Außen-„ oder „internationale Politik“ (Rittberger/Mayer 2004, 1).

[3] der lateinische Nominativ steht vor der Klammer. In Klammern steht der Genitiv und das Geschlecht, hier: maskulin (männlich). Es wird der von Latinisten allgemein anerkannten Wortauflistung gefolgt.

[4] begreift man Moral als Teil eines kulturellen Systems, so können innerhalb einer Gesellschaft sogar verschiedene Moralvorstellungen nebeneinander existieren (vgl. Goldmann Lexikon 1998, 6760).

[5] in den Rechtswissenschaften werden die moralischen Vorstellungen innerhalb einer Gesellschaft neben weiteren Faktoren als Rechtsquellen verstanden. Diese Quellen beeinflussen die Entstehung geltenden Rechts maßgeblich (vgl. Rüthers 1999, 124).

[6] „Konflikte sind soziale Grundphänomene“ (Hasenclever 2000, 114, nach: Coser 1965; Kriesberg 1982). Güterknappheit und gegenseitige Abhängigkeiten bedingen jeweilige Benachteiligungen einzelner Gruppen zugunsten anderer Gemeinschaften. Konflikte sind demnach unvermeidbar (Hasenclever 2000, 114).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Über das Verhältnis von Moral und Politik - Was Niccolò Machiavelli zur Rede des US-Präsidenten George W. Bush vom 20.03.03 sagen könnte
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Ideengeschichte der Internationalen Beziehungen
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V54707
ISBN (eBook)
9783638498401
ISBN (Buch)
9783656814702
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Inkl. 4 Seiten Anhang
Schlagworte
Verhältnis, Moral, Politik, Niccolò, Machiavelli, Rede, US-Präsidenten, George, Bush, Ideengeschichte, Internationalen, Beziehungen
Arbeit zitieren
Peter Pfeifer (Autor:in), 2004, Über das Verhältnis von Moral und Politik - Was Niccolò Machiavelli zur Rede des US-Präsidenten George W. Bush vom 20.03.03 sagen könnte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54707

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