Schwarze Pädagogik - Eine Betrachtung moderner und historischer Erziehung unter den Gesichtspunkten des reflexiv-interaktiven Modells der produktiven Realitätsaneignung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sozialisation und Sozialisationstheorien

3. Erziehung

4. Schwarze Pädagogik

5. Fazit

1. Einleitung

„Wer sein Kind liebt, der züchtigt es“, stellte schon Martin Luther in seinem Katechismus fest. Autokratische, also im strengen Sinn autoritäre Erziehung und Schwarze Pädagogik, auf die im Folgenden noch gesondert eingegangen wird, sind trotz des modernen humanistischen Kindheitsverständnis in der heutigen aufgeklärten Gesellschaft durchaus vorhanden und beeinflussen auf verschiedenste Weise das Aufwachsen und Leben der Betroffenen. Meist werden solche Erziehungsvorstellungen aus dem Wunsch geboren, dem Kind spätere Härten zu ersparen oder es zu einem angepassten und somit akzeptierten Gesellschaftsmitglied zu machen. Die Erfahrung der eigenen familiären Erziehung als Teil des Sozialisationsprozesses und damit der Identitätsbildung spiegelt sich in der Persönlichkeit wieder und prägt die soziale Interaktion in allen Lebenslagen bis hin zur Weitergabe des Erlebten in der Erziehung der eigenen Kinder.

Diese Arbeit beschäftigt sich nicht primär mit der autokratischen Erziehung und deren Auswirkungen. Vielmehr thematisiert sie zu Beginn den Begriff Sozialisation um einen Überblick über die vielfältigen Wechselwirkungen zu geben, durch die ein Mensch zu einer Persönlichkeit wird und welchen Einfluss Erziehung und Umwelt darauf haben. Im dritten Kapitel werden zunächst der Begriff der Erziehung und aus Gründen der Vollständigkeit die verschiedenen Erziehungsstile thematisiert. Im vierten Abschnitt wird der Begriff der Schwarzen Pädagogik konturiert und von der autokratischen Erziehung abgegrenzt, aus der historischen Schwarzen Pädagogik werden Erziehungsmittel und Erziehungsziele abgeleitet. Im fünften Abschnitt schliesst sich eine Betrachtung der modernen Anforderungen an das Gesellschaftsmitglied an und es wird die Frage aufgeworfen, ob moderne Erziehung wirklich so weit von schwarzer Pädagogik entfernt ist oder entfernt bleiben kann.

Zu der hier bearbeiteten Thematik liegt leider wenig bis kein Forschungsmaterial vor; eine umfassende empirische Studie wie die Verfasserin sie sich gewünscht hätte, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher kann diese Ausarbeitung nur eine These aufstellen und mit Hilfe der ebenfalls spärlichen und oftmals alten Literatur beleuchten.

2. Sozialisation und Sozialisationstheorien

„Die Beschäftigung mit der Frage, wie Menschen sich entwickeln und welchen Einfluß die Umwelt darauf hat, ist so alt wie die Wissenschaftsgeschichte selbst“ (Tillmann 1989, S. 35). Der heute feststehende Begriff der Sozialisation wurde erstmals Ende des neunzehnten Jahrhunderts von E. A. Ross gebraucht. Er beschreibt damit einen Mechanismus der Gesellschaft, „die Gefühle und Wünsche der Individuen so zu formen, dass sie den Bedürfnissen der Gruppe entsprechen“ (zit. n. Tillmann 1989, S. 35). Die Grundlage für die späteren Sozialisationstheorien schuf Emile Durkheim, der bei der Erforschung des Übergangs zwischen einfachen und arbeitsteiligen Großgesellschaften die Frage aufwarf, wie unter derart veränderten Bedingungen erneut soziale Integration stattfinden kann. Dabei weist er der Sozialisation im Sinne der Verinnerlichung gesellschaftlicher Normen und Zwänge eine entscheidende Bedeutung zu: „Da die Gesellschaft nur in und durch die individuellen Gewissen existieren kann, muß sie in uns eindringen und sich in uns organisieren; sie wird so zum integralen Bestandteil unseres Wesens“ (Durkheim 1912, S.299, zit. n. Tillmann 1989, S. 35). Im Folgenden fanden unter anderem viele psychologische, psychoanalytische und gesellschaftstheoretische Konzepte, die primär nicht der Sozialisationsforschung zuzuordnen sind, als Grundlage Eingang in die heutigen Sozialisationstheorien. Für diese Arbeit werden die verschiedenartigen Ansätze jedoch nicht thematisiert, da der Fokus der Ausarbeitung auf der Betrachtung unter den Gesichtspunkten des reflexiv-interaktiven Modells der produktiven Realitätsaneignung liegt. Um so wichtiger scheint die gesonderte Betrachtung der Sozialisation, die nach dem modernen Wissenschaftsverständnis als Prozess der Wechselwirkung zwischen der inneren Erlebniswelt und den Umweltbedingungen zu verstehen ist und somit die Grundlage für das Verständnis der Persönlichkeitsentwicklung bildet.

2.1. Sozialisation im Allgemeinen

Nachdem in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten expliziten Sozialisationsforschungen in Amerika betrieben wurden, etablierte sich Sozialisation in den 70er Jahren auch im deutschsprachigen Raum zu einem weiten interdisziplinären Forschungsfeld für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie. Aufgrund dieser interdisziplinären Verortung brachte die Erforschung des Sozialisationsprozesses viele unterschiedliche sozialisationstheoretische Ansätze hervor, bei denen jedoch immer, mit unterschiedlicher Gewichtung, die vier Ebenen der Sozialisation im Vordergrund stehen: Subjekt, Interaktion, Institution und Gesamtgesellschaft.

Sozialisation umschreibt einen dinglich nicht-greifbaren Bereich der sozialen Realität, dessen Definition im Handbuch der Sozialisationsforschung (1980) als Konsens der modernen Sozialisationsforschung betrachtet werden kann: „als der Prozeß der Entwicklung und Entstehung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt. Vorrangig thematisch ist dabei, wie sich der Mensch zu einem gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt bildet“ (Geulen/Hurrelmann 1980, S. 51, zit. n. Tillmann 1989, S.10)

2.2. Das reflexiv-interaktive Modell der produktiven Realitätsaneignung

Der Konsens über eine allgemein anerkannte Sozialisationstheorie kann nur auf interdisziplinärer Forschung beruhen. Sie muss also die Erkenntnisse aus der Soziologie, Psychologie und Pädagogik implementieren. In der modernen interdisziplinären Sozialisationsforschung wird Sozialisation als produktive Auseinandersetzung sowohl mit biologischen und psychischen Anlagen, als auch mit der sozialen und physikalischen Umwelt, beschrieben mit der „inneren und äußeren Realität“, verstanden (vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S.12, und Gudjons 2003, S. 150f). Hierbei stehen vier bedeutende Grundannahmen im Vordergrund.

2.2.1. Wechselspiel zwischen Anlage und Umwelt

Der Genotyp eines Kindes legt das Entwicklungspotential über den Lebenslauf hinweg fest, ohne die Persönlichkeit des Kindes direkt zu beeinflussen. Ob und wie dieses Potential aktiviert bzw. zurückgehalten wird hängt dabei jedoch stark von den Umweltbedingungen ab, was vor allem die Zwillingsforschung belegt. Die Umwelt wirkt schon früh auf die Entwicklung und Ausformung des genetischen Potentials ein. Andererseits entscheidet das genetische Potential darüber, wie die Umwelt aufgenommen und angeeignet wird (vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S.14f).

2.2.2. Verarbeitung der inneren und äußeren Realität

Obwohl das Kind weder auf seinen vererbten Genotyp noch auf die Umwelt (das Setting) direkt Einfluss nehmen kann, ist die Art und Weise, wie es diese beiden Realitäten verarbeitet, individuell und hängt von der Kompetenz ab, das Potential für die eigene Entwicklung auszuschöpfen. Im Laufe des Sozialisationsprozesses wird also immer ein vorübergehendes Gleichgewicht zwischen der sich verändernden inneren und äußeren Realität hergestellt (vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S. 15-17).

2.2.3. Die produktive Realitätsverarbeitung

Die individuelle Verarbeitung der Realität erfolgt lebenslang als dynamischer, also aktiver Prozess. Hierbei werden sowohl die eigenen Anlagen, die Psyche, der persönliche Entwicklungsstand und die soziale und materielle Umwelt mehr oder weniger bewusst reflektiert und als Zusammenfassung aller bisherigen Erfahrungen zur Grundlage für das eigene Handeln. Das Ergebnis dieser Verarbeitung kann aufgrund der individuellen Art der Verarbeitung positiv oder negativ für die Persönlichkeitsentwicklung ausfallen und bedingt jeweils die weitere Realitäts-verarbeitung (vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S. 17f).

2.2.4. Die Rolle der Sozialisationsinstanzen

Als Sozialisationsinstanzen werden alle Vermittler der äußeren Realität, wie beispielsweise Familie, Kindergarten, Peers usw. bezeichnet, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Beeinflussung und ihrer eigenen Sozialisation (bspw. der Eltern) ebenso wie die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes einer ständigen Veränderung unterworfen sind. Die wichtigste Instanz ist hierbei, auch in der modernen institutionalisierten Gesellschaft, in der viele Erziehungs- und Sozialisations-funktionen ausgelagert wurden, die Familie. Aufgrund deren eigener Erfahrungen, ebenso wie durch die materielle und soziale Verankerung, wird das Erziehungsverhalten maßgeblich geprägt und nimmt somit Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Alle Sozialisationsinstanzen stellen Wahrnehmungs- und Problemlösungsstrategien für die Verarbeitung der inneren und äußeren Realität zur Verfügung und der Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung wirkt in abgeschwächter Form bis ins hohe Alter (vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S. 18f)

Die Grundvoraussetzung für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung ist, wie aus den vorangegangenen Grundannahmen hervorgeht, eine gute Passung zwischen der inneren und äußeren Realität. Vorrangig ist hierbei die mehr oder weniger bewusste Reflexion körperlicher und psychischer Anlagen sowie der sozialen und materiellen Umwelt, mit den sich daraus ergebenden Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten und deren Nutzung. Auf die ebenfalls von Hurrelmann entwickelten sieben Maximen der Sozialisationstheorie soll hier nicht eingegangen werden, da die oben aufgeführten Grundannahmen der Sozialisation als Instrument der Betrachtung für diese Arbeit völlig ausreichend erscheinen.

[...]

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Details

Titel
Schwarze Pädagogik - Eine Betrachtung moderner und historischer Erziehung unter den Gesichtspunkten des reflexiv-interaktiven Modells der produktiven Realitätsaneignung
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V54553
ISBN (eBook)
9783638497282
ISBN (Buch)
9783656780311
Dateigröße
571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwarze, Pädagogik, Eine, Betrachtung, Erziehung, Gesichtspunkten, Modells, Realitätsaneignung
Arbeit zitieren
Susanne Linkenbach (Autor:in), 2005, Schwarze Pädagogik - Eine Betrachtung moderner und historischer Erziehung unter den Gesichtspunkten des reflexiv-interaktiven Modells der produktiven Realitätsaneignung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54553

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