Über das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Frage: Über das Gutsein und das Schlechtsein der menschlichen Handlungen im allgemeinen

3. Frage: Über das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes
3.1 Ist das Gutsein des Willens vom Objekt abhängig? (19/1)
3.2 Ist das Gutsein des Willens ausschließlich vom Objekt abhängig?(19/2)
3.3 Ist das Gutsein des Willens von der Vernunft abhängig? (19/3)
3.4 Ist das Gutsein des Willens vom ewigen Gesetz abhängig? (19/4)
3.5 Verpflichtet eine irrende Vernunft? (19/5)
3.6 Ist ein Wille, der entgegen dem Gesetz Gottes einer irrenden Vernunft folgt, schlecht? (19/6)
3.7 Ist das Gutsein des Willens, der sich auf Mittel richtet, abhängig von der Art des Ziels, das er intendiert? (19/7)
3.8 Liegt das Maß des Gut- bzw. Schlechtseins des Willens im Maß des Gut- bzw. Schlechtseins der Intention begründet? (19/8)
3.9 Ist das Gutsein des Willens von seiner Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen abhängig? (19/9)
3.10 Ist es notwendig, dass der menschliche Wille, um gut zu sein, mit dem göttlichen Willen hinsichtlich des Gewollten übereinstimmt? (19/10)

4.Die äußeren Akten des Menschen

5.Schlussbemerkung

6.Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Hausarbeit gründet sich auf den im WS 2005/06 verhandelten Text von Thomas von Aquin: Ü ber sittliches Handeln. Er besteht aus den Fragen 18-21 und gehört zu Thomas großem Werk Summa theologica oder Summa theologiae.

Das dieser Text überhaupt einzeln vorliegt ist einigermaßen erstaunlich. Sonst ist es nicht üblich einzelne oder mehrere Fragen aus der Summa auszugliedern und selbständig zu veröffentlichen. Auch wenn es sich weitere Bereiche gäbe, für die sich eine solche Verfahrensweise lohne würde, ist dies nur für den Bereich des sittlichen Handelns geschehen. Betrachtet man die Summa in ihrer Gesamtheit lässt sich folgender Ort für die Traktate über sittliches Handeln feststellen. Die drei großen Bereiche sind Prima (Gott), Secunda (der Mensch) und Tertia (Jesus, seine Lehren und die Sakramente). Natürlich gehört das sittliche Handeln in die Secunda. Es handelt sich um allgemeine Betrachtungen über das menschliche Handeln, welches wiederum zunächst nicht in seinen Prinzipien sondern seinen konkreten Verfahrensweisen, also in sich betrachtet wird. Dabei geht es ausschließlich um die den Menschen eigentümlichen Handlungen und nicht um solche, die er mit den Tieren gemein hat. (vgl. Erni: 23)

Es geht also um konkrete menschliche Handlungen und nach welchen Maßstäben sie gut oder schlecht sind bzw. genannt werden.

In der 18. Frage beschäftigt sich Thomas zunächst damit, was allgemein gute und schlechte menschliche Handlungen sind. Er stellt Analogien zum Gutsein bzw. Schlechtsein der Dinge auf und untersucht, ob und wie sich die auf menschliche Handlungen übertragen lassen. In dieser Quaestio befasst sich Thomas also mit den grundlegenden Begriffen und Bestimmungen zu gut bzw. schlecht sein. Damit werde ich mich unter 2. auseinandersetzen. Die Frage 19: Ü ber das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes bildet das Zentrum meiner Arbeit. (Kap.3) Es geht mit darum, noch einmal am Text nachzuvollziehen, was genau der innere Willensakt ist, wie er funktioniert, welchen Bedingungen er unterliegt und nicht zu letzt, warum und wie er vom äußeren Willensakt unterschieden werden. Ich folge dabei dem Aufbau des Textes von Thomas und werde jeden Artikel einzeln behandeln. Da Thomas aus gutem Grund zwischen inneren und äußeren Willensakten unterscheidet, werde ich in 4. kurz auf die äußeren Akte und ihr Verhältnis zu den inneren Akten eingehen.

Bevor ich aber mit der Bearbeitung des Thomas-Textes beginne, möchte ich noch kurz etwas zu der besonderen Struktur der Summa sagen. Die Organisation der universitären Lehre im Mittelalter umfasste die lectio und die disputatio. Die lectio war eine Art Vorlesung, in der der Magister ein bestimmtes Lehrbuch abschnittsweise vortrug und wichtige Textstellen diktierte. Gleichzeitig fand eine intensive Kommentierung der Textstellen statt. (Müller:10) Die disputatio war das öffentlich geführte Streitgespräch zwischen Magister und Scholar, also Lehrendem und Student, in dem es auch darum ging, Kenntnisse der Logik und Rhetorik unter Beweis zu stellen. Inhaltlich wurden geistige Konfrontationen verbalisiert und nach bestimmten Regeln ausgefochten. Dabei ging es nicht, wie es oft angenommen wird, um kleinliche Haarspaltereien oder persönliche Profilierung, sondern Ziel war es, durch die Widerlegung eines Irrtums den Beweis für die Wahrheit zu erbringen. (Mensching: 28)

Die literarische Form der Summa verbindet zwei wichtige Formen philosophischen Denkens. Zum einen ist er eine auf dem Papier geführte disputatio: Unter einer umfassenderen thematischen Frage werde verschiedene ihrer Aspekte diskutiert. Für jeden Aspekt gibt es einen Artikel, in der Thomas wiederum zunächst eine Frage stellt, diese dann verneint oder bejaht. Darauf folgen die möglichen Einwände, die in der disputatio vom Gegner vorgebracht werden könnten. Bevor am Schluss Thomas eigene Antwort auf die eingangs gestellte Frage formuliert wird, wird zuvor noch eine Autorität zur stärkeren Legitimierung der eigenen Position zitiert, das kann der Philosoph, also Aristoteles, Pseudo Dionysos Areopagita oder ein christlicher Prophet bzw. die Bibel sein.

Zum anderen entspricht dieser Textaufbau auch der scholastischen Methode des Dreischritts von These, Antithese und Synthese.

Diese Textform ermöglicht es, Thomas Gedankengang Schritt für Schritt nachzuvollziehen und sich zugleich mit kritischen Einwänden auseinanderzusetzen.

2. Frage: Über das Gutsein und das Schlechtsein der menschlichen Handlungen im allgemeinen

Die 18. Frage bildet den Auftakt und stellt die begriffliche Grundlage für die folgenden Untersuchungen. Auch wenn diesem Teil der Untersuchung einiges vorausgesetzt wird, so vor allem die Analyse der menschlichen Handlung, kann man dem Text trotzdem folgen. Die Bestimmungen von gut und böse sind zunächst noch inhaltsleer und keineswegs moralisch zu verstehen.

Zunächst geht es darum den Rahmen für die kommenden Untersuchungen festzulegen, wenn es im 1. Artikel heißt: „Man muß über Gut und Schlecht bei Handlungen auf dieselbe Weise reden wie über Gut und Schlecht bei Dingen, und zwar deswegen, weil jedes Ding eine seinem eigenen Sein entsprechende Tätigkeit hervorbringt.“ (von Aquin (b): 25) Thomas macht hier eine Analogie zwischen dem Gutsein bzw. Schlechtsein der Dinge und der Handlungen auf. Die Dinge wirken in der Weise, wie es ihre Beschaffenheit ermöglicht und die Beschaffenheit der Handlung hängt von der Beschaffenheit des tätigen Dings, also des Menschen ab. Beschaffenheit meint dabei die Seinsweise.

„Wie man die Seinsweise eines Dinges durch den Hinblick auf seine Prinzipien, seine Wesenskonstituentien und auf seine Wesensfolgen bestimmen kann und von da aus sein Gutsein, so kann man das Gutsein einer Tätigkeit im Hinblick auf ihre Prinzipien und Wesensfolgen bestimmen, aus denen ihre Sichtweise resultiert: so stehen Betrachtungen von Gut und Übel in den Dingen und Gut und Böse des Handelns in strenger Analogie.“ (Kluxen: 172) Doch was genau ist denn nun gut oder böse? In Bezugnahme auf den ersten Teil der Summa sagt Thomas, dass gut und seiend austauschbar sind. Etwas, das ist, ist also gut. Gutsein verbindet Thomas hier mit dem Begriff der Seinsfülle. Die Seinsfülle ist die Vollendung, das Erreichen des Ziels, die uneingeschränkte Verwirklichung eines Zweckes oder eines Dinges. Zur Fülle des Seins gehört z.B. beim Menschen die Einheit von Leib und Seele, dass er über Vernunft und Gesundheit verfügt. Wenn dem Menschen etwas davon fehlt, wenn er also nur ein Bein hat oder blind ist, hat er einen Mangel. Es mangelt ihm an der Fülle des Seins, das wird schlecht genannt. Somit ist Schlechtsein an diesem Punkt eine Privation. Eine mangelhafte Verwirklichung des Menschseins. Das Leben, das Menschsein, wird zwar dennoch als gut bestimmt, insofern es ist, da es aber nicht vollkommen oder vollendet im Sinne der Beschaffenheit ist, ist das Schlechte das fehlende Bein bzw. das fehlende Sehvermögen. In diesem Beispiel bleibt der Mensch sozusagen hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Bei einer Handlung ist es ähnlich. Da es eine menschliche Handlung ist, soll sie der Bestimmung nach vernunftgeleitet und den Umständen sowie dem Ort angemessen sein. Dann ist es eine gute Handlung. Genügt sie den Bestimmungen nicht, ist es eine schlechte. (von Aquin (b): 27)

Allerdings kann eine Handlung auch schlecht sein in einer Hinsicht und in einer anderen Hinsicht etwas Gutes hervorbringen. Thomas gibt dafür das Beispiel des Ehebruchs. Der Ehebruch ist eine schlechte Handlung. Wenn aber dabei ein Kind gezeugt wird, was gut ist, ist eine schlechte Handlung, Ursache für ein Gut. Das erscheint widersprüchlich. Man muss dabei zwei Hinsichten unterscheiden. Als Akt der Zeugung eines neuen Lebens hat der begangene Ehebruch Sein und darum eben auch Gutsein. Die Folge, ein Kind, ist gut, was auf die Qualität der Handlung schließen lässt. Aber gemäß der Ordnung der Vernunft, nach der Ehebruch schlecht ist, weil er Gottes Gesetz verletzt1, ist die Handlung schlecht. Sie bleibt sozusagen hinter ihrer Vollkommenheit zurück: ein Kind ehelich zu zeugen. Das wäre eine schlechthin (vollkommen) gute Handlung. So kann man sagen, dass das Handeln überhaupt als Seiendes Gutsein hat. Auch wenn eine konkrete Handlung fehlerhaft oder unvollkommen ist, ist sie und darum ist sie gemäß der Identität von Gut und Sein auch gut. Wichtig zur Artbestimmung einer Handlung ist auch ihr Objekt. Als Gegenstand an sich hat es zunächst einmal Gutsein, aber in einer Handlung kommt es auf die Beziehung zum Handelnden an. Fremdes Eigentum ist ein unangemessener Gegenstand des Gebrauchens, während das eigene Eigentum angemessen ist. Es kann sich dabei um das gleiche Ding handeln, aber seine Bestimmung als fremd oder eigen liegt im Gegenstand und damit dem Handeln voraus insofern es Objekt des Handelns ist. Das Objekt des Handelns ist gewissermaßen der Zielpunkt de Tätigkeit und verleiht ihr damit Form und Artbestimmung. (von Aquin (b): 31) Darum bestimmt das Objekt der Handlung ihr Gutsein bzw. Schlechtsein. Im dritten Artikel wird die Seinsfülle noch einmal näher erläutert. Die Dinge haben ihre Seinsfülle nicht allein aus ihrer Wesensbestimmung, sondern auch aus den hinzukommenden Akzidentien, deren Fehlen ein Übel ist. Bei den Handlungen sind dies die Umstände der Handlung. Sind die Umstände unangemessen, vervollkommnen sie nicht die Seinsfülle und vermindern dadurch das Gutsein der Handlung.

Neben dem unmittelbaren Gutsein, das eine Handlung durch ihr Sein hat, ist der auch Zweck der Handlung entscheidend für ihre Artbestimmung. (Art.4) Der Zweck ist die Ursache des Handelns „denn das Wirkende wirkt im Hinblick auf ein Gut, das ihm Ziel ist“ (Kluxen: 182). Das Handeln richtet sich also auf ein Gut, einen Zweck, und zieht daraus überhaupt seinen Antrieb. Wenn aber schon das Gutsein der Handlung von seinem Objekt und den Umständen bestimmt wird, ist es einleuchtend, dass vor allem die Ursache dieser Handlung, die Erreichung eines Zweckes und dessen Angemessenheit bzw. Unangemessenheit Anteil an der Artbestimmung der Handlung hat.

Wenn Handlungen Verwirklichungen eines Willens, was Thomas bei menschlichen Handlungen voraus setzt, sind, sind sie Verwirklichungen eines Guts. Der Wille richtet sich durch die Vernunft auf ein Gut. Und dieses Gut ist die Verwirklichung eines Zwecks. Bis hierher hat Thomas keine inhaltlichen Bestimmungen von gut und böse oder schlecht gemacht; erst recht nicht in moralischer Hinsicht.

Im zweiten Teil der Antwort zu Artikel 5 (von Aquin (b): 45/47) führt Thomas an, dass die wesentliche Bestimmung der Menschennatur die Vernunft ist, „denn die Form des Menschen ist ja die Vernunftseele“ (Kluxen: 190). Entsprechend ist das Gut für den Menschen etwas der Vernunft gemäßes und das Schlechte etwas, was der Vernunft widerspricht. Diese Ordnung der Vernunft ist der Maßstab nach dem die Handlungen der Menschen beurteilt werden können.

Grundsätzlich gibt es zwar auch Akte, die ihrer Art nach weder gut noch böse, sondern indifferent sind. (Art.8) In diesem Fall steht das Objekt des Handelns in keinem Verhältnis zur Vernunft oder zu seiner Ordnung. Allerdings ist es schwierig einen konkreten individuellen menschlichen Akt zu denken, der nicht von der Vernunft bewegt wird. Darum ist alle menschliche Handlung, da sie von der Vernunft geordnet wird, ihrer Art nach gut oder schlecht.

„Wenn sie hingegen nicht der überlegenden Vernunft entspringt, sondern aus einer Geistesabwesenheit, wie wenn jemand seinen Bart streicht oder Hand oder Bein bewegt, dann ist eine solche Handlung nicht im eigentlichen Sinne ein sittlicher oder menschlicher Akt, weil diese die Bestimmung durch die Vernunft zukommt. Und dann würde er indifferent sein, indem er gleichsam außerhalb des Bereichs der sittlichen Handlungen wäre.“ (von Aquin (b): 69)

Wichtig ist auch, dass Umstände, obwohl akzidentell, nicht beiläufig sind. Ein einfacher Raub kann, wenn er an einem heiligen Ort verübt wird, zu einem Sakrileg werden. So hat das Akzidens des Ortes eine Veränderung des Wesens der Handlung zur Folge. Wobei es keinen Unterschied macht ob viel oder wenig gestohlen wird, denn dadurch wird die Art der Handlung nicht verändert. Es ändert sich in diesem Fall lediglich das Maß der Gutheit oder Schlechtheit. Im ersten Fall jedoch findet eine Veränderung der Art statt, denn ein Sakrileg ist eine besondere Form von Schlechtheit und nicht nur ein gradueller Unterschied.

Hier wird deutlich, dass es nicht die Naturform des Dinges ist, die moralisch maßgeblich ist, sondern die Form, die der Verstand auffasst. Dazu werde ich mich im 3. Kapitel ausführlicher äußern.

In Thomas Handlungstheorie bestimmt er Handlung als willentlich, die wegen eines Ziels vollzogen werden. Dort hieß es „sie empfange ihre spezifische Bestimmtheit vom Ziele her, während im jetzigen Zusammenhang die spezifische Bestimmtheit ausschließlich vom »Gegenstand«2, den die Vernunft auffasst abgeleitet wurde.“ (Kluxen: 195) In Artikel 5 heißt es nun, dass Handlungen menschlich sind, weil sie von der Vernunft geleitet werden. Darin ist mitgedacht, dass sie willentlich sind, da der Wille von der Vernunft geleitet wird. Sie stellt ihm die Objekte vor, auf die er sich dann richtet. Denn das Ziel oder der Zweck ist gerade der Gegenstand des Willens.

Aber der willentliche Akt ist nicht nur ein innerer Akt. Deshalb wird auch zwischen innerem und äußerem Akt in den folgenden Kapiteln unterschieden.

Zuerst werde ich mich meinem zentralen Thema, den inneren Willensakten, zu wenden.

3. Frage: Über das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes

Bevor ich die genauere Textanalyse der 19. Frage einsteige, möchte ich mich noch zu Thomas Konzept vom freien Willen bzw. der freien Entscheidung äußern. Dieses wird im ganzen Fragenkomplex Ü ber sittliches Handeln vorausgesetzt, aber darin nicht explizit beschrieben. Thomas sagt: „Der freien Entscheidung eigentümlich ist die Wahl.“ (von Aquin (a): 245) Wir könne uns also für etwas oder gegen etwas entscheiden bzw. etwas zurückweisen. Die Wahl zu haben ist die spezifische Verfahrensweise der freien Entscheidung. Wie aber genau funktioniert eigentlich wählen? Dazu „muß man die Natur der freien Entscheidung von der Wahl her betrachten. Nun kommt aber bei der Wahl etwas von der Erkenntniskraft und zugleich etwas von der Strebekraft her. Von seiten der Erkenntniskraft ist die Überlegung erforderlich, durch die entschieden wird, was dem anderen vorzuziehen sei; von seiten der Strebekraft jedoch ist erforderlich, dass man das erstrebend annimmt, wofür man sich durch Überlegung entscheidet.“ (von Aquin (a): 245)

Hier wird deutlich, dass die Wahl aus zwei Teilen besteht. Die Vernunft ist das Prinzip der Erkenntniskraft und stellt dem Willen die Möglichkeiten vor. Der Wille will dann das, was die Vernunft ihm als das erstrebenswertere vorgestellt hat: „der eigentümliche Gegenstand der Wahl ist das, was zum Ziele führt; dieses hat als solches die Natur des Guten, das man das Nützliche nennt.“ (von Aquin (a): 245) Man will also immer das Gute3. Das Nützliche. Die berechtigte Frage ist nun, wie denn die Entscheidung frei sein kann, wenn man immer notwendig das Gute oder das, was man für das Gute hält, will? Würde man nicht auch das Schlechte wollen können? Bereits im 1. Artikel der 18. Frage bestimmt Thomas das Gute als das Seiende. Das Schlechte als das Mangelhafte, als ein nicht seinem Zweck gemäßen Ding, als Fehlerhaftes. Diese Bestimmung ist nicht moralisch. Etwas Schlechtes zu wollen würde bedeuten, etwas zu wollen, was nicht oder nur mangelhaft ist. Das ist unsinnig. Dasjenige, worauf sich das Wollen richtet, wird als irgendein Gut dem Willen vom Verstand vorgestellt. Für dieses Gut kann man sich dann entscheiden oder nicht. „ Da wir aber in der Orientierung am Guten nichts Bestimmtes wollen, ist nicht eigentlich dies der Gegenstand der Wahl, sondern eben einzelne Güter, das, was dem Menschen in irgendeiner Hinsicht als Gut erscheint.“ (Schönberger: 142) Der Wille ist seiner Natur nach auf das Gute orientiert, und in dieser Hinsicht nicht frei. Aber das Gute zu wollen, definiert schließlich den Willen, da er etwas Seiendes will. Sonst würde er nichts wollen. „Da es nichts gibt, was nicht in irgendeiner Hinsicht gut ist, kann alles zum Ziel des Wollens gemacht werden. Weil aber zugleich nichts in der Welt in jeder Hinsicht gut ist, kann es auch immer nicht gewollt werden.“ (Schönberger: 142) Wenn nämlich die Erkenntniskraft deutlich macht, dass an dem Ding etwas Schlechtes ist, kann die Vernunft es dem Willen als solches vorstellen und der sich dann entscheiden, es nicht zu wollen.

[...]


1 Die Zehn Gebote. Das sechste Gebot lautet: Du sollst nicht ehebrechen.

2 Hervorhebung durch Kluxen

3 Oder doch zumindest das scheinbar Gute, wie sich weiter unten zeigen wird.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Über das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Thomas von Aquins Moralphilosophie
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V54458
ISBN (eBook)
9783638496629
Dateigröße
608 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit stellt einen ausführlichen Kommentar der 19. Frage der Summa theologia, I-II, sowie eine Einbettung der ihr vorausgehenden und nachfolgenden Fragen dar.
Schlagworte
Gutsein, Schlechtsein, Willensaktes, Thomas, Aquins, Moralphilosophie
Arbeit zitieren
Nicola Hartung (Autor:in), 2006, Über das Gutsein und das Schlechtsein des inneren Willensaktes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54458

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