Historisch-kritische Auslegung der Bibelstelle 25,19-34 "Esaus und Jakobs Geburt"


Seminararbeit, 2006

33 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Historisch- kritische Methode
1.1 Übersetzungsvergleich
1.2 Literarkritik
1.2.1 Kontextkritik
1.2.2 Kohärenzkritik
1.3 Überlieferungskritik
1.4 Quellen- und Redaktionskritik
1.4.1 Quellenkritik
1.4.2 Redaktionskritik
1.5 Form- und Gattungskritik
1.5.1 Formkritik
1.5.2 Gattungskritik
1.6 Traditionskritik
1.7 Bestimmung des historischen Orts
1.8 Einzelexegese
1.9 Deutende Zusammenfassung der Ergebnisse
1.9.1 Bestimmung der grundlegenden inhaltlichen Aussagen
1.9.2 Bestimmung der Intention des Textes zur Zeit seiner Entstehung

2 Feministische Bibelauslegung

3 Vergleich der Methoden

4 Kritischer Rückblick

5 Literaturverzeichnis
5.1 Bibeln
5.2 Sekundärliteratur
5.3 Internetseiten

1 Historisch- kritische Methode

Die historisch- kritische Exegese ist die am häufigsten verwendete Interpretations-methode[1], einen Bibeltext nach heutigem Verständnis zu erschließen und zu ver-stehen. Sie versucht, den Bibeltext geschichtlich nachzuvollziehen und greift dazu auf kritische Prinzipien und Methoden zurück[2]. Auf diese Weise soll im Folgenden nun auch die biblische Textstelle Gen 25,19-34 historisch- kritisch ausgelegt werden.

Die Auswahl der Bibelstelle erfolgte aufgrund meines Interesses an den geschilder-ten Familienverhältnissen. Mir erscheinen die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander ungewöhnlich und seltsam. Aus welchem Grund liebt der Vater lediglich den erstgeborenen Sohn, die Mutter hingegen aber nur den jüngeren? Und weshalb verlangt Jakob etwas für sein Linsengericht? Bedeutet ihm die Nächstenliebe gar nichts? Herrscht denn seit ihres Kampfes um die Erstgeburt, der schon im Mutterleib begann, ein ewiges Gegeneinander statt eines freundschaftlichen Verhältnisses unter Brüdern?

Beim Lesen des Textes werfen sich mir noch weitere Fragen auf: Wie ist es möglich, dass eine Frau, die ihr ganzes Leben lang unfruchtbar war, nach dem Gebet ihres Mannes zu Gott schließlich doch schwanger wird? Und weshalb wird es Rebekka trotz ihres hohen Alters und ihrer jahrelangen Unfruchtbarkeit doch gewährt Kinder zu bekommen, während anderen unfruchtbaren Frauen dieser Wunsch untersagt bleibt? Sind dem Herrn andere Menschen weniger wichtig als Isaak und dessen Nachkommen? Sollten Gott nicht alle Menschen gleich wichtig sein? Sie sind doch alle seine Geschöpfe!

Außerdem ist mir unerklärlich, weshalb Rebekka sich im folgenden Vers darüber beschwert, schwanger geworden zu sein. Sie weiß zu diesem Zeitpunkt zwar noch nichts von der Entwicklung zweier Kinder; jedoch erscheint es mir sehr undankbar, sich über eine Schwangerschaft zu beklagen, die ohne die Gnade Gottes gar nicht zustande gekommen wäre. In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, ob man anhand dieser Bibelstelle nun davon ausgehen soll, dass das Leben eines jeden Menschen vorbestimmt ist. Denn Gott gibt Rebekka ja bereits vor der Geburt der Zwillinge zu verstehen, dass der Jüngere dem Älteren überlegen sein wird.

Unbegreiflich ist mir auch der Vergleich eines Neugeborenen mit einem rauen Fell und die Möglichkeit, sich bei der Geburt an der Ferse seines Zwillings festzuhalten.

Und schließlich ist mir noch unklar, wieso Esau so unüberlegt handelt und einen so unfairen Tausch eingeht, indem er sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht her-gibt. Ist ihm sein Erbe so wenig wert? Wieso fragt er nicht nach den Absichten, die Jakob verfolgt? Traut er seinem Bruder diese Hinterlistigkeit nicht zu oder ist er zu naiv, um zu erkennen, dass Jakob ihn hintergeht, so dass sich mit diesem Einver-ständnis bereits die Schwäche zeigt, durch die er seinem Bruder unterlegen sein wird?

Die Bibelstelle wirft eine Menge Fragen auf, die einer Beantwortung bedürfen. Mit Hilfe von Kommentaren verschiedener Autoren wird der Versuch unternommen, diese Bibelstelle zu verstehen und sie anhand der einzelnen kritischen Prinzipien und Methoden geschichtlich aufzudecken und zu erschließen.

1.1 Übersetzungsvergleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da ich nicht mit der hebräischen Sprache vertraut bin, ist es mir nicht möglich eine Textkritik durchzuführen, mit der der Versuch unternommen wird, einen Text zu rekonstruieren, der der ursprünglichen Textgestalt möglichst nahe kommt[3]. Statt-dessen habe ich einen Übersetzungsvergleich unterschiedlicher Bibeln in Form einer Tabelle erstellt, den ich im Folgenden näher erläutern werde. Vorerst verschaffe ich jedoch einen Überblick über die Bibeln, die ich im vorangegangenen Vergleich verwendet habe.

Die Lutherbibel (LB) in der revidierten Fassung von 1984 ist von Martin Luther größ-tenteils wörtlich, in gehobener Sprache übersetzt worden, deren Stil teilweise alter-tümlich erscheint; sie ist daher auch nicht zu den leicht zugänglichen Übersetzungen zu zählen[4]. Auch die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes (HS) nach der Übersetzung aus Herders Bibelkommentar gehört zu den Bibeln, die sich durch ihre ausdrucksstarke Worttreue charakterisieren[5]. Die Gute Nachricht- Bibel (GN) ist "die erste vollständige ökumenische Bibel"4. Sie wird von den Übersetzern als "kommuni-kative Übersetzung" bezeichnet, da sie auf eine wortwörtliche Übersetzung verzichtet und stattdessen in modernem, einfachen Deutsch geschrieben ist[6]. Sie ist daher leicht verständlich, so dass der Leser, dem die Sprache der kirchlichen Überlieferung fremd ist, den Sinnzusammenhang gut nachvollziehen kann4. Die Elberfelder Bibel (EB) ist eine sehr wörtliche und eine der zuverlässigsten Übersetzungen4. Trotz ihrer Texttreue ist sie aber "in ein verständliches, gut lesbares Deutsch gekleidet", wobei die Worte, die zum besseren Verständnis eingefügt wurden, gekennzeichnet sind[7]. Auch die Einheitsübersetzung (EÜ) kommt dem Urtext sehr nahe, ist aber, anders als ältere Bibelübersetzungen, in heute verständlicher Sprache verfasst[8]. In Herders Kinderbibel (KB) gelingt es dem Autor, trotz Umformulierung in kindgerechte Spra-che, die Nähe zum Bibeltext beizubehalten und die Texte ansprechend und leicht lesbar zu gestalten[9].

Besonders auffallend finde ich, dass sowohl LB als auch HS sowie EB und EÜ bei der vorliegenden Textstelle häufig unterschiedliche Begriffe aufweisen, obwohl von allen behauptet wird, dass sie wörtlich übersetzt sind oder dem Urtext sehr nahe kommen. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass ein hebräisches Wort mehre-ren deutschen Begriffen entspricht und in den einzelnen Bibeln jeweils unterschied-liche Worte dafür verwendet wurden[10]. Während die Mehrheit der hier aufgeführten Bibeln sich beispielsweise in V.19 für den Begriff "Geschlecht" oder dem nahe liegen-den Wort "Geschlechterfolge" entschieden hat, übersetzen die Autoren der GN sowie der HS die hebräische Vokabel lieber mit (Familien-) Geschichte. Ich persönlich be-vorzuge den Begriff "Geschlecht", der auch von Luther verwendet wurde; er passt und klingt meines Erachtens an dieser Stelle am besten. In V.22 stimmen nur zwei der Bibeln in ihrer Formulierung überein: LB und GN verwenden beide den Begriff "schwanger", der meiner Meinung nach die Situation der Frau am besten widerspie-gelt. Vor allem Aussagen wie "was soll aus mir werden?" und "warum lebe ich noch?" finde ich an dieser Stelle unpassend. V.23 habe ich in der Tabelle aufgrund seiner Länge in zwei Abschnitte unterteilt. Während die Übersetzungen zunächst noch Ähn-lichkeiten aufweisen, da die verwendeten Begriffe demselben Wortfeld entstammen, weisen die Übersetzungen weiterer Ausdrücke unterschiedliche Formulierungen auf: "Volk" und "Stamm" sind sinnverwandt, während "Leib" und "Schoß" sich zwar nicht gegenseitig ausschließen, aber trotzdem verschiedene Bedeutungen besitzen. Die Begriffe "überlegen", "überwältigen" und "stärker sein" hingegen grenzen sich meiner Ansicht nach sogar eher voneinander ab, auch wenn sie im weiteren Verlauf der Jakob- Esau- Geschichte letztendlich denselben Sinn ergeben. In diesem Vers fällt zum ersten Mal auf, dass die GN eher frei übersetzt ist: wo andere Bibeln Worte wie "scheiden" oder "trennen" aufweisen, die sinngemäß gleich sind, verwendet die GN den Begriff "streiten"; das Wort "unterwerfen" im zweiten Teil des Verses klingt im Vergleich zu den in den restlichen Bibeln verwendeten Begriffen meines Erachtens zu negativ. Die KB, die ich bisher noch gar nicht in den Vergleich miteinbezogen habe, ist nicht wie eine normale Bibel in einzelne Verse gegliedert, sondern in zusammenhängenden Sätzen in kindgerechter Sprache erzählt. Sie fasst V.19-24 daher in den beiden Sätzen zusammen, die in die für V.22 und 23 vorgesehenen Spalten der Tabelle eingegliedert sind. Da sie nicht genau dem Inhalt der beiden Verse entsprechen, habe ich sie in Klammern gesetzt.

Sowohl LB als auch EÜ und KB vergleichen Esau bei seiner Geburt in V.25 mit der Rauheit eines Felles; HS und EB vergleichen ihn dagegen mit einem haarigen Man-tel. Die GN fällt aufgrund ihrer freien Übersetzung aus dem Rahmen und stellt keinen Vergleich an, sondern berichtet lediglich, dass sein ganzer Körper mit rötlichen Haa-ren bedeckt war. Da ich mir, wie bereits erwähnt, nur schwer vorstellen kann, dass ein Neugeborenes rau wie ein Fell ist oder mit einem haarigen Mantel verglichen werden kann, bevorzuge ich hier die Formulierung der GN. Auch V.27 habe ich in der Tabelle in zwei Abschnitte gegliedert; das bietet sich an dieser Stelle an, weil zu-nächst von Esau und später von Jakob die Rede ist. Im ersten Teil des Verses glei-chen LB, GN und HS einander; dafür ähneln sich wiederum EB und EÜ in ihrer For-mulierung. Die drei erstgenannten Bibeln bezeichnen Esau als Jäger, wobei die HS ihn sogar als "tüchtigen Jäger" hervorhebt; eine weitere Vokabel wird von den Auto-ren der GN und HS mit "Steppe" übersetzt, die LB gleicht sich an dieser Stelle EB und EÜ an und verwendet den Begriff "Feld". Die KB verwendet das Wort "Wald"; dieses erscheint dem Autor offenbar als am verständlichsten für den Adressaten Kind. Im zweiten Teil des Verses stimmen nur LB und EB bei der Beschreibung Jakobs in ihrer Wortwahl überein, die anderen Bibeln verwenden jeweils verschie-dene Ausdrücke, die sinngemäß jedoch übereinstimmen. In V.34 verwenden LB und EB den Begriff "verachten", die Autoren der anderen Bibeln haben sich jeweils für eine andere Übersetzung entschieden, die dem obigen Ausdruck sinngemäß jedoch sehr nahe kommt. Ich persönlich bevorzuge aber den Begriff "verachten", weil er die Reaktion Esaus meiner Ansicht nach am besten beschreibt.

1.2 Literarkritik

Die Literarkritik gliedert sich in Kontext- und Kohärenzkritik[11]. Sie untersucht einen ursprünglich unabhängig existierenden Text auf Einheitlichkeit und Stimmigkeit, um mögliche spätere Zusätze zu erkennen und infolgedessen darauf schließen zu kön-nen, dass der vorliegende Text nicht von einem einzigen Autor stammt, sondern aus mehreren Teilstücken in einem langen Prozess entstanden ist[12]. Die Kontextkritik stellt Beobachtungen zur Abgrenzung des Textes an, die Kohärenzkritik untersucht die innere Geschlossenheit und Stimmigkeit des Textes11.

1.2.1 Kontextkritik

Die vorliegende Bibelstelle von der Geburt Esaus und Jakobs stellt eine Einleitung der Jakob- Esau- Geschichte dar. Ihr geht die Heirat von Isaak und Rebekka (Kap. 24) voraus, welche in V.20 nochmals aufgegriffen wird. Der Abschnitt, mit dem Herkunft und Abstammung Rebekkas beschrieben werden, nimmt Bezug auf Gen 22,20-24, wo von Nahors Nachkommen berichtet wird und der Leser erfährt, dass Rebekka von Betuël gezeugt wurde (V.23a).

Bevor mit der Geburt der Zwillinge ein neuer Erzählkranz beginnt, wird zunächst der Abraham- Erzählkomplex mit einem Bericht über Tod und Begräbnis Abrahams be-endet (V.7-11). Simone Paganini verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf be-stimmte Zeitangaben, die belegen, dass Abraham noch bis nach der Geburt der Zwil-linge gelebt haben muss: Gen 25,7 zufolge stirbt Abraham mit 175 Jahren, laut Gen 21,5 wird er mit 100 Jahren Vater von Isaak; da dieser bei der Geburt der Kinder 60 Jahre alt ist, muss Abraham danach noch weitere 15 Jahre gelebt haben[13]. Zwischen den beiden Erzählungen von Abrahams Tod und der Geburt Esaus und Jakobs wirkt der Bericht über die Nachkommen Ismaels und dessen Tod (V.12-18) ebenfalls wie ein Einschub; so, als wenn einer Erzählung von Isaaks Söhnen zumindest eine Er-wähnung der Nachkommen seines älteren Bruders vorausgehen müsste. Meine Ver-mutung wird von Paganini bestätigt, die nochmals auf entsprechende Altersangaben verweist: nach Angabe von Gen 25,17 stirbt Ismael mit 137 Jahren, rechnerisch kann er in Gen 26,34 aber erst 114 gewesen sein[14].

Bevor von der eigentlichen Geburt der Brüder berichtet wird, bezieht sich V.19 noch-mals auf Abraham, als solle damit hervorgehoben werden, dass Isaak und dessen Nachkommen von Abraham abstammen und die Verheißung Gottes an Abraham (Kap. 12) bestehen bleibt.

Sowohl V.22 als auch V.29-34 sind Voraussetzung und Einleitung für das weitere Geschehen in der Jakob- Esau- Erzählung: Während die Brüder sich bereits im Mut-terleib um die Erstgeburt streiten (V.22), spitzt sich die Situation in V.29-34 zu, indem Jakob sich von Esau das Erstgeburtsrecht erkauft, bis sie in Gen 27,1-40 ihren Hö-hepunkt darin erreicht, dass Jakob sich letztendlich auch noch den Erstgeburtssegen erlistet. Die beiden Erzählungen vom Erstgeburtskauf und -segen werden durch Kap. 26 voneinander getrennt, welches dadurch wie ein Einschub erscheint. An diese Stelle tritt eine Erzählung von Isaak und Rebekka, in der zunächst von einer erneu-ten Verheißung die Rede ist und im weiteren Verlauf die Auseinandersetzung mit den Philistern und der anschließende Bund mit Abimelech im Vordergrund stehen.

Sowohl V.22 und V.29-34 aus Kap. 25 als auch Gen 27,1-40 bilden die Vorausset-zung für den weiteren Verlauf des Erzählkranzes: der um den Segen betrogene Esau will seinen Bruder umbringen, so dass dieser flieht, bevor es lange Zeit danach zu einer Versöhnung der Zwillingsbrüder kommt (Gen 33,1-16).

1.2.2 Kohärenzkritik

Gegen die Einheitlichkeit eines Textes sprechen unter anderem Wiederholungen und Doppelungen[15] ; diese treten in der vorliegenden Bibelstelle mehrfach auf. Beispiels-weise wird die Beschreibung Isaaks als Sohn Abrahams in V.19 sinngemäß noch-mals wiederholt, sie erhält lediglich eine andere Formulierung und Satzstellung: "Abraham zeugte Isaak". Die Aussagen widersprechen sich zwar nicht, können aber trotzdem auf eine Unstimmigkeit im Text hindeuten.

Auffallend in V.20 ist die Schilderung der Herkunft und Abstammung Rebekkas: sie wird sowohl durch ihren Vater als auch durch ihren Bruder beschrieben. Obwohl durch Betuël bereits erläutert ist, zu wessen Familie Rebekka ursprünglich gehörte, wird sie zusätzlich als Schwester Labans beschrieben. Durch diesen Zusatz tritt wie-derum der Begriff des "Aramäers" innerhalb desselben Verses doppelt auf. Auch neben dem inhaltlichen Widerspruch in V.21, "unfruchtbar" – "schwanger", tritt aber-mals eine Wiederholung auf: obwohl in V.20 bereits erwähnt wird, dass Isaak Rebekka zur Frau nahm, wird "seine Frau" als nähere Beschreibung Rebekkas in V.21 noch zweimal wiederholt. Aber auch der Satzbau im ersten Teil dieses Verses erscheint mir fragwürdig. Statt erst im angehängten Nebensatz zu erläutern, worum Isaak den Herrn bittet, wäre mit einer Satzumstellung der Grund für sein Handeln bereits vorweg erklärt, beispielsweise: "Rebekka aber war unfruchtbar… Und Isaak bat den Herrn für seine Frau"[16].

Besonders das Bindewort "und" erfährt in der vorliegenden Bibelstelle eine mehrfa-che Wiederholung, obwohl es meines Erachtens längst nicht so häufig verwendet werden müsste wie das tatsächlich der Fall ist. Nachdem diese Konjunktion in V.21 und 22 bereits je zweimal gebraucht wurde, tritt dieses Wort in V.23 gleich viermal auf, obwohl mir seine Verwendung, zumindest an Stellen nach einem Punkt oder Semikolon, unnötig erscheint. Auch die Aufzählung in V.34 wird durch das genannte Bindewort unterstützt: "und er aß und trank und stand auf und ging davon". V.23 be-inhaltet jedoch noch eine weitere Unstimmigkeit. Sie bezieht sich in diesem Fall auf die Wortwahl des oder der Autoren. Zunächst spricht Gott von zwei Völkern und meint damit sowohl Rebekkas Söhne als auch deren Volksstämme; später wird allerdings erläutert, dass "der Ältere […] dem Jüngeren dienen" wird und zielt damit ausschließlich auf die beiden Söhne Rebekkas ab. Dass auf die im übertragenen Sinn gemeinten Völker eine Spezialisierung auf die jeweiligen Stammväter folgt, lässt vermuten, dass dies das Werk unterschiedlicher Autoren ist. Obwohl in V.23 bereits angeführt wird, dass Rebekka mit zwei Kindern schwanger ist, wird in V.24 nochmals erwähnt, dass es sich um Zwillinge handelt. Da die Aussage nach Verwunderung und Überraschung klingt – "siehe, da waren Zwillinge" – handelt es sich bei V.23 ver-mutlich um einen späteren Eintrag.

In V.25 wird Esau bei seiner Geburt mit einem rauen Fell verglichen. Fraglich bleibt, ob dieser Vergleich bereits mündlich überliefert wurde, oder ob es sich dabei um die eigene Wertung des Autors handelt und somit erst später hinzugefügt wurde. Diese Frage stellt sich bei Verwendung des Ausdrucks "verachten" in V.34 erneut.

Während zunächst noch von der Geburt und Namensgebung der Zwillinge die Rede ist, wird die Erzählung durch die Altersangabe Isaaks unterbrochen (V.26) und an dieser Stelle auch nicht mehr weitergeführt. Denn als nächstes erfährt man in V.27 bereits von den Berufen der beiden herangewachsenen Brüder. Der Handlungsver-lauf erfährt dadurch einen Bruch. Obwohl V.29 mit einem "und" beginnt, hat es kei-nen Bezug zum Vorausgegangenen; nachdem nämlich in V.28 von den Vorlieben der Eltern bezüglich ihrer Kinder die Rede ist, erfährt die Erzählung abermals einen Schnitt. Bisher ging es um die Geburt Esaus und Jakobs; thematisch geht es nun um den Verkauf bzw. die Erlistung des Erstgeburtsrechts.

Die Formulierung in V.30 ist missverständlich: aus diesem Satzgefüge ist nicht klar erkennbar, ob "Edom" sich auf das rote Gericht oder aber auf Esaus Müdigkeit be-zieht. Da der Begriff nicht näher erläutert wird, die Konjunktion "daher" im Folgesatz dem Bericht über die Müdigkeit allerdings näher steht als der Aussage über das Ge-richt, liegt es näher, ihn mit ersterem in Verbindung zu bringen. Diese Unstimmigkeit lässt vermuten, dass es sich auch bei diesem Satz um einen nachträglichen Ein-schub handelt. Zuletzt tritt abermals eine mehrmalige Wiederholung auf: der Begriff "Erstgeburt" findet in V.31-34 gleich viermal Verwendung, was darauf schließen lässt, dass er besonders hervorgehoben werden sollte.

1.3 Überlieferungskritik

[...]


[1] vgl. Berg, Horst Klaus: Ein Wort wie Feuer. Wege lebendiger Bibelauslegung, München; Stuttgart 1991, S. 41.

[2] vgl. Berg 1991, S. 44.

[3] vgl. Berg 1991, S. 45.

[4] vgl. www.bibelwerk.de/221.5.html (27.01.06).

[5] vgl. www.theologische-buchhandlung.de/herders-bibelkommentar.htm (27.01.06).

[6] vgl. de.wikipedia.org/wiki/Gute-Nachricht-Bibel (27.01.06).

[7] vgl. lexikon.freenet.de/Elberfelder_Bibel (27.01.06).

[8] vgl. de.wikipedia.org/wiki/Einheits%C3%BCbersetzung (27.01.06).

[9] vgl. cms.bistum-trier.de/bistum-trier/Integrale?SID=DF5370C7D9AF35926158569CBF2A3632&MODULE=Frontend&ACTION=ViewPage&Page.PK=291 (27.01.06).

[10] vgl. www.joyma.com/elberfe.htm (27.01.06).

[11] vgl. Berg 1991, S. 36.

[12] vgl. Ohler, Annemarie: Grundwissen Altes Testament, Band 1. Pentateuch, 1986, S. 47.

[13] vgl. Paganini, Simone: Wir haben Wasser gefunden. Beobachtungen zur Erzählanalyse von Gen 25,19 - 26,35, in: Zeitschrift für die Alt-testamentliche Wissenschaft, 2005, S. 24.

[14] vgl. Paganini, 2005, S. 24: Da Abraham nach Gen 16,16 bei der Geburt Ismaels 86 Jahre alt ist, folgt daraus, dass dieser 14 Jahre älter ist als Isaak, denn laut Gen 21,5 ist Abraham bei der Geburt Isaaks 100 Jahre alt. Isaak wiederum ist bei der Geburt Esaus und Jakobs 60 Jahre alt. Wenn in Gen 26,34 davon berichtet wird, dass Esau 40 Jahre alt ist, folgt daraus, dass Ismael zu diesem Zeitpunkt erst 114 Jahre alt sein kann. Des weiteren ist auch Gen 28,9 zu entnehmen, dass Ismael noch lebt.

[15] vgl. Berg 1991, S. 49.

[16] vgl. Westermann, Claus: Biblischer Kommentar. Altes Testament, 2. Teilband. Genesis 12-36, Neukirchen- Vluyn 1989, S. 503.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Historisch-kritische Auslegung der Bibelstelle 25,19-34 "Esaus und Jakobs Geburt"
Hochschule
Universität Paderborn  (Evangelische Theologie)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V54441
ISBN (eBook)
9783638617987
ISBN (Buch)
9783656788980
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Historisch-kritische, Auslegung, Bibelstelle, Esaus, Jakobs, Geburt
Arbeit zitieren
Anne Schumacher (Autor:in), 2006, Historisch-kritische Auslegung der Bibelstelle 25,19-34 "Esaus und Jakobs Geburt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54441

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