Der sozialdemokratische Burgfriedensschluss 1914


Seminar Paper, 2004

15 Pages, Grade: 14


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die SPD am Vorabend des Ersten Weltkrieges

3. Kriegskreditbewilligung und Burgfriedensschluss – Ursachen und Motive
3.1 Das „Augusterlebnis“
3.2 Die Angst vor staatlichen Repressionen
3.3 Das Prinzip der Landesverteidigung
3.4 Das traditionelle Rußlandfeindbild
3.5 Der Wunsch nach nationaler Integration und die Hoffnung auf innen- politische Reformen

4. Fazit

Verzeichnis der verwendeten Literatur

1. Einleitung

Als die SPD-Fraktion am 04. August 1914 im Reichstag für die Bewilligung der Kriegskredite stimmte und sich darüber hinaus im Zeichen des Burgfriedens in die nationale Einheitsfront einreihte, stellte diese Entscheidung eine Wendemarke für die deutsche Sozialdemokratie dar. Mit der Kreditbewilligung und mehr noch mit der Unterwerfung unter den von der Regierung verfügten Burgfrieden gab die größte Partei des Kaiserreiches ihre bisherige fundamental-oppositionelle Haltung gegenüber der Regierung auf, unterstützte deren Kriegspolitik und schlug den Weg ein zu einer politischen Neuorientierung der Sozialdemokratie. Dem innerparteilichen Konflikt, der sich aus der veränderten Haltung der Mehrheitssozialdemokratie gegenüber der Regierung entwickelte, folgte schließlich die Parteispaltung und Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, aus deren linken Gruppierungen sich ab 1919 die KPD formierte. So führte die mehrheitssozialdemokratische Politik während des Kriegs zu einer Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung, die sich als dauerhaft erweisen sollte. Einer gewandelten, nunmehr staatstragenden SPD stand die radikal-revolutionäre KPD gegenüber, die in der alten Partei einen ihrer Hauptfeinde sah. Das unversöhnliche Verhältnis der beiden Parteien zueinander sollte das innenpolitische Klima der Weimarer Republik künftig stark belasten.

Angesichts der immensen Bedeutung, welche die Entscheidungen und Ereignisse während des Ersten Weltkrieges für die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie hatten, ist es nicht verwunderlich, dass die Literatur zu dieser Thematik umfangreich ist. Ebenso wenig erstaunt dabei die ideologische Prägung der DDR-Geschichtsschreibung, in der die sozialdemokratische Burgfriedenspolitik überwiegend als Verrat an Sozialismus und Arbeiterbewegung dargestellt wird[1]. Weniger voreingenommen präsentiert sich die bundesdeutsche Geschichtsschreibung, die sich eingehend auch mit widersprüchlichen Traditionen und Tendenzen der SPD und ihrer Ausgangssituation 1914 beschäftigt[2] und ihre Politik während des Krieges keineswegs unkritisch beleuchtet[3]. Eine neuere Studie untersucht nochmals eingehend die Motivationen der SPD im August 1914 und revidiert dabei auch einige bis dahin gängige Auffassungen über die Wirkung des Augusterlebnisses auf die SPD und deren Überzeugung vom Verteidigungskrieg[4]. Eine Außenseiterposition nimmt das Werk des amerikanischen Historikers Carl E. Schorske ein, der die umstrittene These vertritt, die Parteispaltung habe sich bereits seit 1905 zwangsläufig entwickelt[5].

In Anbetracht der Breite des Themas - das vom Burgfriedensschluss über die weitere Politik der Mehrheitssozialdemokratie bis zum innerparteilichen Konflikt und der Parteispaltung reicht – ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur die Behandlung eines Teilaspektes möglich. Da die Entscheidung vom 04. August 1914 den Auftakt für die weiteren Entwicklungen darstellte und den Bruch mit der bisherigen oppositionellen Politik der SPD markierte, sollen die Motivationen für diese Entscheidung das Thema der Arbeit bilden. Diese Beweggründe lagen sowohl in der Vergangenheit der Partei, als auch in ihren Zielperspektiven für die Zukunft, weshalb es sinnvoll ist, zunächst knapp die Situation der SPD am Vorabend der Ersten Weltkrieges zu umreissen. Im Anschluss daran werden dann die Gründe für Kreditbewilligung und Burgfriedensschluss eingehender betrachtet.

2. Die SPD am Vorabend des Ersten Weltkrieges

Die mitgliederstärkste Partei des Deutschen Reiches, die zudem die größte Fraktion im Reichstag stellte, befand sich am Vorabend des Ersten Weltkrieges in einer überaus widersprüchlichen Situation. Seit der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 hatte sich eine Entwicklung vollzogen, welche die Lage der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Partei merklich verbessert hatte. Neben Legalität und wirtschaftlicher Besserstellung waren auch Tendenzen zur rechtlichen und faktischen Gleichberechtigung spürbar[6].

Gleichzeitig jedoch dauerten Ausbeutung der Arbeiterschaft und Verweigerung der politischen Gleichberechtigung an. Nach wie vor nahmen die Sozialdemokraten eine Pariastellung ein und wurden als „Reichsfeinde“ und „vaterlandslose Gesellen“ ausgegrenzt und stigmatisiert. Diese „negative Integration“[7] begünstigte erstaunlicherweise die Loyalität gegenüber dem nationalen Staat, indem die Ausgrenzung das nationale Bewusstsein verstärkte und einen Anpassungsdruck ausübte. Dem Vorwurf der Reichsfeindschaft galt es mit der Beteuerung der nationalen Loyalität entgegenzutreten[8].

Diese nationale Loyalität gründete sich nicht zuletzt auch auf einen ausgeprägten Stolz auf die organisatorischen Errungenschaften der deutschen Sozialdemokratie, die neben der Presse auch zahlreiche Vereine umfassten, die ihrerseits sämtliche Lebensbereiche der Arbeiter abdeckten. Im Zeichen der nationalen Ausgrenzung wurden diese Vereine häufig zu einer Ersatzheimat, was mehr und mehr zu einem regelrechten „Organisationspatriotismus“ führte.[9]

Doch nicht nur äußere, sondern auch innere Widersprüche bestimmten die Existenz der SPD. Bereits seit einigen Jahren existierten innerhalb der Partei starke Gegensätze, aus denen heraus sich zwei Flügel gebildet hatten. Es gab zum einen den radikalen linken Flügel, der daran festhielt, dass eine sozialistische Gesellschaftsform nur durch eine Revolution zu erreichen sei und der zur Durchsetzung seiner Ziele auch zu Aktionen bereit war. Auf der anderen Seite hatte sich die revisionistische bzw. reformistische Linie gebildet, deren Vertreter längst nicht mehr an den zwangsläufigen Zusammenbruch des Kapitalismus und die daraus resultierende Revolution glaubten. Sie setzten auf Reformierung des Kaiserreiches und damit auf reformistische Politik innerhalb des bestehenden Systems. Das Parteizentrum versuchte, diese Widersprüche zu überbrücken, indem es an der revolutionären Theorie festhielt und gleichzeitig eine Politik betrieb, die sich am jeweils Machbaren orientierte.[10]

Die Situation der deutschen Sozialdemokratie im Jahre 1914 war demnach geprägt von nationaler Ausgrenzung, inneren und äußeren Widersprüchen und dem Festhalten an einer fundamental-oppositionellen Haltung bei gleichzeitigen starken Tendenzen zur Anpassung.

3. Kriegskreditbewilligung und Burgfriedensschluss – Ursachen und Motive

Umstritten war und ist nicht nur die Bewilligung der Kriegskredite durch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion, sondern vor allem auch deren Akzeptierung des Burgfriedens – eine Entscheidung, die für die Unterstützung der Landesverteidigung nicht notwendig war. Dennoch kann man die Motive für beide Entscheidungen nicht getrennt von einander betrachten, da sich diese überlagerten und ergänzten.

[...]


[1] Wohlgemuth, Burgkrieg, nicht Burgfriede!

[2] Groh, Negative Integration.

[3] Miller, Burgfrieden und Klassenkampf.

[4] Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration.

[5] Carl E. Schorske, Die große Spaltung.

[6] Groh, Negative Integration, S. 36-39

[7] Groh, Negative Integration, S. 36.

[8] Kruse, Nationale Integration, S. 18-28.

[9] Groh, Negative Integration, S. 59

[10] Mühlhausen, S. 650

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Der sozialdemokratische Burgfriedensschluss 1914
College
Free University of Berlin  (Friedrich-Meinecke-Institut)
Grade
14
Author
Year
2004
Pages
15
Catalog Number
V54327
ISBN (eBook)
9783638495615
ISBN (Book)
9783656808800
File size
468 KB
Language
German
Keywords
Burgfriedensschluss
Quote paper
Tatjana Schäfer (Author), 2004, Der sozialdemokratische Burgfriedensschluss 1914, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54327

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Der sozialdemokratische Burgfriedensschluss 1914



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free