Hochdeutsch als Muttersprache

Ist Hochdeutsch eine Kunstsprache, die nicht als Muttersprache erworben werden kann?


Examensarbeit, 2018

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einfuhrung

2 Fragestellung und Methodik

3 Definitionen
3.1 Was ist eine Muttersprache?
3.2 Was ist Hochdeutsch und was ist Standarddeutsch?
3.3 Was ist eine Hochsprache?
3.4 Was ist ein Dialekt, was ist eine Mundart?
3.5 Was ist ein Akzent, was ist eine Farbung?
3.6 Was ist ein Sprachbund
3.7 Was ist eine Kunstsprache
3.8 Was ist eine naturliche Sprache

4 Ausgewahlte Aspekte der Entwicklung zum Standarddeutschen
4.1 Die Ausdifferenzierung der indoeuropaischen Sprachen
4.2 Der Weg zur Standard-Schriftsprache und deren Aussprache

5 Personenbefragung
5.1 Fragebogen
5.2 Grafische Darstellung der Ergebnisse
5.3 Auswertung
5.4 Plausibiltatskontrolle und Fragebogendesign

6 Diskussion

7 Literatur

8 Bildnachweis

9 Anhang: Fragebogen

1 Einfuhrung

Die Menschheit verwendet Sprache geografisch und sozial unterschiedlich, die Sprache andert sich im Laufe der Zeit, und auch je nach Anlass und Medium (Papier, Schallwellen, Email, Chat, etc.) verwenden wir Sprache unterschiedlich. Daruber hinaus benutzt derselbe Mensch verschiedene Sprachmittel in der Kommunikation mit unterschiedlichen Menschen und je nach Alter und emotionalem Zusammenhang.

Folgende Faktoren und Begriffe hangen mit Sprachunterschieden zusammen:

- geografisch
- sozial
- zeitlich
- Alter
- Familie
- Bildungshintergrund (Wortschatz, Wortwahl, Grammatik)
- Medium
- Empfanger/ Kommunikationspartner
- schriftlich - mundlich
- offiziell - personlich
- formell - informell - umgangssprachlich - vulgar
- Segregation - Konvergenz
- Anlass und emotionaler Zusammenhang
- gesellschaftliche Integration

Die Entwicklung der Sprache hin zu dem Sprachaspekt Oder Sprachausschnitt einer bestimmten Person zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten sozialen und emotionalen Kontext lasst sich folglich vor dem Hintergrund all dieser genannten Aspekte betrachten und idealerweise auch erklaren. Der Momentaufnahme eines Idiolekts, also sprachlicher Mittel einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt - quasi eine Art momentaner Soziolekt einer Person, ist also eine grofte Vielfalt an entstehungs- und situationsbedingten Parametern immanent.

Interessant sind daher Fragen wie: Welche Sprachvarietat benutzen wir wann und warum? Wann verwenden wir Hochsprache, Dialekt, Akzente, Farbungen, Slangs, etc. und wann lernen wir diese? Was lernen wir zuerst; was ist uns vertraut? Kann eine Hochsprache Muttersprache sein?

2 Fragestellung und Methodik

Ausgehend von den in der Einleitung genannten Themen und Fragen soil hier untersucht werden, ob Hochdeutsch respektive Standarddeutsch eine Kunst- sprache ist, die per Definition ein Ideal darstellt, das niemand als Mutter- sprache erwerben kann?

Was ist Hochdeutsch und was ist Standarddeutsch? 1st gesprochenes Standarddeutsch aus einem kunstlich vereinheitlichten Schriftdeutsch ent- standen? Kann dieses gesprochene Deutsch sekundar als Muttersprache weitergegeben werden Oder worden sein? Gibt es hochdeutsche bzw. standarddeutsche Muttersprachler?

Diesen Fragen soil in dieser Arbeit nachgegangen werden, wobei es dem Autor darum geht, einerseits die linguistische Seite der Definitionen und an- dererseits umgangssprachliche Bedeutungen und Auffassungen zu beleuchten.

Hierfur sollen erstens durch Literaturrecherche die Definitionen der oben ge­nannten Begriffe geklart werden sowie die Entstehung der geschriebenen und gesprochenen deutschen Standardsprache beschrieben werden. Zweitens soil das Thema durch eine Umfrage realitatsbezogen beleuchtet werden.

3 Definitionen

3.1 Was ist eine Muttersprache?

Die Muttersprache Oder neutraler Erstsprache ist die Sprache, die ein Kind als erstes lernt - meist naturlicherweise von der Mutter und I Oder anderen I weiteren „primaren Bezugspersonen" (Wikipedia, 2018e.www, 1). Dies muss allerdings nicht immer die Muttersprache dieser Bezugspersonen sein, da Minderheitensprachen sprechende Eltern ihren Kindem haufig „die besser angesehene und vermutlich nutzlichere offizielle Sprache" (Wikipedia, 2018f.www, 1) als Erstsprache beibringen. Die Muttersprache ist auch nicht notwendigerweise die Sprache, die eine Person am besten beherrscht, da durch Migration die Sprachentwicklung unterbrochen werden kann Oder die Sprache spater teilweise in Vergessenheit geraten kann.

3.2 Was ist Hochdeutsch und was ist Standarddeutsch?

Der Begriff Hochdeutsch ist ein sehr missverstandlicher Begriff, da einerseits damit oft im normalen Sprachgebrauch „Standarddeutsch bzw. Schriftdeutsch" (Wikipedia, 2018a.www, 1) gemeint ist. Andererseits bezeichnet er die hochdeutschen Dialekte, also die regionale „Sprachvarietat in den hoher gelegenen Gebieten des deutschen Sprachraums" (ebd., 1), wobei mit „hoher gelegen" die „hohergelegenen (bergigen) Regionen des mittleren und sudlichen deutschen Sprachraums" (ebd., 1) gemeint sind und nicht etwa auch die bergigen Gebiete Norddeutschlands.

Das Hochdeutsche ist eine Dachsprache, die aus den mittel- und ober- deutschen Dialekten hervorgegangen ist und zwarzunachst als uberregionale Schriftsprache.

3.3 Was ist eine Hochsprache?

Eine Hochsprache ist eine uberregionale Dachsprache, die von Sprechern verschiedener Dialekte gemeinsam zur Verstandigung benutzt wird.

3.4 Was ist ein Dialekt, was ist eine Mundart?

Dialekte sind regionale Varietaten einer Sprache, die in geografischen Teilbereichen der uberregionalen Hochsprache gesprochen werden und parallel zu dieser verwendet werden. Dialekte sind eher gesprochene als geschriebene Sprachen. In einem Dialektkontinuum konnen sich zwar Sprecher benachbarter Dialekte noch verstandigen. Bei „Dialektsprechern derselben Sprache die weit voneinander entfernt wohnen" (Wikipedia, 2018j.www, 2) ermoglicht erst „die uberdachende Standardsprache ... eine gegenseitige Kommunikation" (ebd.).

Ein Dialekt unterscheidet sich von anderen Dialekten und der Hochsprache nicht nur durch seine Aussprache Oder seinen Akzent (siehe nachstes Kapitel), sondern auch durch die Verwendung anderer Worter fur dieselben Gegenstande Oder Bedeutungen.

Ein Synonym des Wortes Dialekt ist das Wort Mundart, welches „nur die obd. und omd. Dialektsprecher" (Konig 2015, 139) verwenden (obd. = oberdeutsch, omd. = ostmitteldeutsch).

3.5 Was ist ein Akzent, was ist eine Farbung?

Nebst Bedeutungen in anderen Bereichen wie beispielsweise Musik, Dichtung und Rhetorik hat das Wort Akzent mehrere fur die Linguistik relevante Bedeutungen:

- „Betonung (einer Silbe, eines Wortes, eines Satzes)" (Dudenverlag 2O18.www, 1)
- Betonungszeichen, also ein „Zeichen uber einem Buchstaben, das Aus- sprache Oder Betonung angibt" (ebd.)
- „Hervorhebung ... durch Tonhohenvariation" (Stedje 2007)
- „Aussprache, Sprachfarbung, Ton, Tonfall; ... Lautung, Satzmelodie, Sprachmelodie; ... Intonation (Dudenverlag 2O18.www, 1)
- „Ubertragung von Aussprachegewohnheiten des Dialekts ... auf die Dachsprache" (Wikipedia, 2018i.www, 1)
- „Ubertragung der Aussprachegewohnheiten der Erst-/Muttersprache ... auf eine spater erlernte Fremdsprache" (ebd.).

Alle diese Definitionen beziehen sich auf artikulatorische (phonetische) und nicht auf bedeutungsdifferenzierende (phonologische) Lauteinheiten.

Nimmt man die beiden Definitionen von Wikipedia beim Wort, so konnen muttersprachlich Hochdeutsch-Sprechende (wenn es sie uberhaupt gibt) gar keinen Akzent besitzen. Da das Hochdeutsche gleichwohl regionale phonetische (nicht phonologische) Unterschiede aufweist und es hierfur keinen einheitlichen Fachbegriff zu geben scheint, sei dieses Phanomen hier als Farbung bezeichnet.

3.6 Was ist ein Sprachbund

Ein Sprachbund ,,ist eine Gruppe nicht verwandter Sprachen, die durch lange andauernden intensiven Kontakt und die daraus resultierenden Lehn- beziehungen so weit einander angenahert haben, dass sie viele Gemein- samkeiten auf alien sprachl. Ebenen besitzen" (Konig 2015, 37).

3.7 Was ist eine Kunstsprache

Eine Kunstsprache Oder konstruierte Sprache ist eine Sprache, die „von einer Person Oder einer Gruppe aus verschiedenen Grunden und zu verschiedenen Zwecken neu entwickelt" (Wikipedia, 2018g.www, 1) wurde.

Die fur diese Arbeit interessanteste Gruppe der konstruierten Sprachen sind Plansprachen, also konstruierte Sprachen, „die fur zwischenmenschliche Kommunikation geschaffen wurden" (ebd.) und die „internationale Ver- standigung ... erleichtern" (ebd.) sollen.

Bei A-Priori-Sprachen wird „der Wortschatz von Grund auf neu erfunden" (ebd.), wohingegen bei A-Posteriori-Sprachen die Vokabeln ,,aus eine[r] Oder mehrere[n] Quellsprachen ... entlehnt werden" (ebd.).

3.8 Was ist eine naturliche Sprache

Eine naturliche Sprache ist ,,eine von Menschen gesprochene ... Einzel- sprache, die aus einer historischen, diachronen Entwicklung entstanden ist." (Wikipedia, 2018h.www, 1). Daher sind „Plansprachen“ (ebd.) keine natur- lichen Sprachen, „da sie nicht Ergebnis autonomer historischer Entwicklungen sind" (ebd.).

4 Ausgewahlte Aspekte der Entwicklung zum Standarddeutschen

4.1 Die Ausdifferenzierung der indoeuropaischen Sprachen

Die germanischen Sprachen gehoren der indogermanischen Oder indo­europaischen Sprachfamilie an und haben sich aus einem vermuteten und rekonstruierten „Urindoeuropaisch“ (Konig 2015, 38ff) entwickelt. Durch die Einwanderung eines Teils der Indoeuropaer mit ihrer „uberlegenen Technik des Ackerbaus" (ebd., 41) in den Raum der unteren Elbe und Oder sowie Sudskandinaviens - so eine von zwei bei Konig hervorgehobenen Theorien - konnte es auch einen „Kulturtransfer, vor allem fur Sprachen, Ackerbau und Viehhaltung nach Europa" (Wikipedia, 2018b.www, 1) gegeben haben. Diese Migration konnte durch die sogenannte „Misox-Schwankung“ (ebd., 2) (s. Abbildung 1) verursacht worden sein, einer „relativ kurzfristige[n] Klimaveranderung rund 6200 Jahre v. Chr." (ebenda, 2), welche mit einer Abkuhlung und „Aridifikation“ (ebd., 2) in Anatolien und dem Vorderen Orient einherging.

Der durch die Migration bedingte Kulturtransfer scheint gleichwohl nicht notwendigerweise durch Eroberung und Unterdruckung erfolgt zu sein, da beispielsweise die indogermanischen Schnurkeramiker durch „Verschmel- zung [mit] der ... alteren Trichterbecherkultur" (Konig 2015, 43) einen „neu entstandene[n] einheitl. Kulturkreis" (ebd., 43) hervorbrachten, bei dem sich nicht nur die Volksgruppen mischten (genetische Untersuchungen zeigen sogar, dass der „genetische Anteil der Trichterbecherleute uberwiegt" (ebd., 43)), sondern sich auch die Sprache der Immigranten weg vom „freie[n] Wortakzent" (Konig 2015, 45) hin zur „lnitialbetonung“ (ebenda, 45) veranderte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Rekonstruierte zentral-gronlandische Temperaturkurve. Sie zeigt eine Abkuhlung der Durchschnittstemperaturen 8,2 ka, also 6200 Jahre v. Chr (Wikipedia, 2018b.www, 2).

Diese Anpassung der Sprache und die germanische Lautverschiebung (siehe Tabelle 1) unterscheiden u. a. die germanischen von den anderen indoeuro- paischen Sprachen und folglich ebenso die Germanen von den anderen (westlichen und ostlichen) Indoeuropaern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Germanische und hochdeutsche Lautverschiebung (Wikipedia, 2018d.www, 5)

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Hochdeutsch als Muttersprache
Untertitel
Ist Hochdeutsch eine Kunstsprache, die nicht als Muttersprache erworben werden kann?
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut zur Weiterqualifizierung im Bildungsbereich an der Universität Potsdam (WiB e.V.))
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
27
Katalognummer
V542640
ISBN (eBook)
9783346165053
ISBN (Buch)
9783346165060
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hochdeutsch, Muttersprache, Geschichte der deutschen Sprache, Phonetik, Phonologie, Germanische Lautverschiebung, Zweite Lautverschiebung, Hochdeutsche Lautverschiebung, Akzent, Färbung, Dachsprache, Hochsprache, Standarddeutsch, Aussprache, Kunstsprache, Natürliche Sprache, Geschichte, Dialekt, Althochdeutsch, Neuhochdeutsch, Niederdeutsch, indoeuropäische Sprachen, Misox-Schwankung, Ackerbau, Schnurkeramik, Trichterbecherkultur, Initialbetonung, Plattdeutsch, Oberdeutsch, Schriftsprache
Arbeit zitieren
Jens-Gerrit Eisfeld (Autor:in), 2018, Hochdeutsch als Muttersprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542640

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