Die Gymnosophisten - Indische Asketen aus der Perspektive antiker Quellen


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Das Indienbild der Antike

III. Die Gymnosophisten der Alexander-Historiker

IV. Megasthenes

V. Brahmanen, Buddhisten, Jainas?

VI. Die Gymnosophisten-Tradition der Antike

VII. Schlußüberlegungen

VIII. Abkürzungsverzeichnis

IX. Literaturverzeichnis
IX. 1. Quellen
IX. 2. Sekundärliteratur

I. Einleitung

Indien - noch heute besitzt dieses Land für viele Menschen einen rätselhaften, zuweilen sogar märchenhaften Nimbus, und schaut man in der Geschichte zurück, so stellt man fest, daß der Subkontinent schon seit alters Schauplatz von Fabeln, Wundergeschichten u.ä. war. Für den Menschen der Antike[1] - so unser Eindruck - war Indien ein sagenumwobenes Land am anderen Ende der Welt, von wo man zunächst nur spärliche Nachrichten besaß. Angeblich gab es dort goldgrabende Riesenameisen[2], und Indien galt als Hort ursprünglicher Weisheit[3].

Trotzdem wird man sich die klassischen Kulturen wohl kaum als isolierte Gebilde vorstellen dürfen, die sich ohne jeden materiellen oder geistigen Austausch vollkommen unabhängig voneinander entwickelten. Ein Blick in die Forschungsliteratur zeigt, daß es sich bei der Frage nach Kontakt und gegenseitiger Beeinflussung zwischen dem alten Indien und der antiken Mittelmeerwelt um ein Reizthema handelt. Während die Handelsbeziehungen vor allem durch archäologische Befunde gut belegt sind, stößt man immer wieder auf Vorsicht und Zurückhaltung, geht es um Aussagen über den geistigen Austausch[4]. Schnell wird Wissenschaftlern, die substanzielle Gemeinsamkeiten zwischen indischer und griechischer Philosophie, Religion, Medizin oder Astrologie sehen, Enthusiasmus vorgeworfen, den die Quellen nicht rechtfertigen[5]. Andere schließen eine gegenseitige Beeinflussung zwar nicht aus, plädieren aber dafür, daß sich Ähnlichkeiten in den religiösen und philosophischen Anschauungen beider Welten quasi intuitiv aus den gemeinsamen, indoeuropäischen Wurzeln entwickelt hätten[6].

Das Gros der Forscher allerdings begnügt sich damit, etwaigen diffusionistischen Theorien zu widersprechen, oder sich ganz eines Beitrages zu enthalten. Insgesamt wird das Thema m.E. zu selten interdisziplinär[7] und eher stiefmütterlich behandelt, was im Angesicht einer globalisierten Welt schon befremdlich anmutet.

Bei aller Vorsicht, die geboten ist, läßt sich doch wenigstens fragen, über welche Informationen das antike Europa über Südasien verfügte. Was wußte man im Altertum über Indien und insbesondere über indische Religion[8] ? Inwieweit könnten sich die beiden Kulturen bereits vor unserer Zeitrechnung weltanschaulich beeinflußt haben?

Während die Beantwortung der zweiten Frage eine solide Kenntnis der Orient- und der Altertumswissenschaften erfordert und auch den Raum eines größeren Werkes beanspruchen würde - weshalb sie hier nur den Rahmen für weitere Überlegungen bietet -, wird die vorliegende Arbeit der ersten Frage am Beispiel der sogenannten Gymnosophisten auf den Grund gehen.

Die Gymnosophisten (gumnosojistai), wörtlich „die nackten Weisen“, waren indische Asketen, welche den Griechen begegneten, als diese im Zuge der Eroberungen Alexanders des Großen am Ende des 4.Jhd. v.Chr. über das heutige Pakistan und Afghanistan in den Panjab und ins Indus-Tal vordrangen. Mehrere Berichte über Asketen, Philosophen, Weise und Brahmanen[9] sind uns erhalten. Es wird zu klären sein, inwieweit wir bei den Nachrichten über die Gymnosophisten von verwertbaren Informationen oder von griechischen Topoi auszugehen haben, bzw. was wir als ‘hinduistisch’ aus der interpretatio graeca extrahieren können. Weil die Gymnosophisten Indiens Ruhm als Land der Weisheit begründeten, können sie geradezu als Paradigma für die Entstehung und Wandlung des Indienbildes der Antike gelten. Außerdem ist es Anliegen dieser Arbeit, aus der Perspektive des europäischen Altertums einen Blick auf die Zeit des „Asketischen Reformismus“[10] zu ermöglichen.

Zunächst soll ein Überblick gegeben werden, wie Indien und insbesondere indische Religiosität in den Gesichtskreis der antiken Welt rückten.

II. Das Indienbild der Antike

Die Geschichte der Beziehungen zwischen Indien und der antiken Mittelmeerwelt können in zwei Perioden unterteilt werden: vor und nach dem Alexanderzug. Während vor dem Alexanderzug die Kontakte spärlich und die Informationen über Indien meist aus zweiter oder dritter Hand gewesen sein dürften[11], so rückte das Land ab dem 4.Jhd. v.Chr. zunehmend in den Horizont der Griechen: Leute reisten nach Indien, lebten dort, in römischer Zeit florierte der Handel, und es wird auch von Indern berichtet, die in den Westen kamen[12]. Vor diesem Hintergrund wird man die Möglichkeit des intellektuellen Austausches hinsichtlich Wissenschaft, Philosophie und Religion kaum verneinen können[13].

In Griechenland wurde Indien erst im späten 6.Jh. v.Chr. durch Skylax bekannt, der im Auftrag des Perserkönigs Dareios I. den Nordwesten des Landes besuchte[14]. Zunächst kursierten über Indien zahlreiche Wundergeschichten vom Ende der Welt[15], das Land war Teil der Sagenethnographie und seine geographische Lage unklar[16]. Aber schon Herodot (ca.484 bis 424 v.Chr.) berichtete mit großem Interesse von Sitten und Gebräuchen und kannte auch Asketen[17]. Allgemein jedoch blieb das Bild eher dunkel und unbestimmt und änderte sich erst mit Alexanders Zug nach Indien: Bei seinen Unternehmungen begleitete den Makedonenkönig ein ganzer Stab von Landvermessern, Wissenschaftlern, Historikern und Philosophen[18]. In Taxila (Tashasila) begegneten Alexanders Leute[19] indischen Heiligen, die später im Westen als Gymnosophisten Prominenz erlangten und Indien als das Land der nackten Philosophen berühmt machten[20]. So gelten die Alexander-Historiker[21] als Hauptquellen für ein frühes Bild indischer Religiosität.

Obwohl bald nach Alexanders Tod (323 v.Chr.) seine Nachfolger die politische Macht in den eroberten indischen Gebieten verloren, so veränderte doch der Hellenismus als kulturelle Erscheinung[22], als Synkretismus aus Orient und Okzident die Region entscheidend. Über archäologische Artefakte hinaus leiden wir jedoch unter Quellenmangel[23].

Die Anziehungskraft, die indische Religion auf die Griechen ausgeübt haben muß, erhellt sich uns aus verschiedenen Indizien: König Menander etwa (Ende des 2.Jhd. v.Chr.) soll sich zum Buddhismus bekannt haben[24] und die Säule des Heliodoros bei Besagnar (um 100 v.Chr.) beweist, daß Griechen Anhänger Vishnus waren[25]. Dieses und ähnliches läßt vermuten, wie weit sich die Griechen indischer Sitte und Religion anpaßten. In den uns erhaltenen Darstellungen der Religion begegnet uns allerdings oft die interpretatio graeca, wie die Identifizierung indischer Götter mit griechischen[26]. So z.B. auch bei Megasthenes, der als Gesandter um 300 v.Chr. längere Zeit bei Candragupta am Maurya-Hof in Pataliputra (Patna) weilte, und eine der wertvollsten Quellen ist[27]

[...]


[1] Gemeint ist die griechisch-römische Antike resp. der Mittelmeerraum.

[2] Hdt. 3, 102. Vermutlich geht diese Geschichte auf einheimische Sagen zurück. Vgl. K. Karttunen, Neuer Pauly 5 (1998), s.v. India, Sp.966.

[3] Im Zusammenhang mit den Gymnosophisten; vgl. Kap. VI.

[4] An dieser Stelle sei nur kurz auf die einschlägigen Indien-Artikel in RE, RAC und im Kleinen Pauly hingewiesen.

[5] Vgl. Karttunen, Greek Literature, S.109. Karttunen allgemein mit guten, scharfsinnigen Argumenten.

[6] So z.B. Banerjee, Ancient India, S.204ff und S.216ff, durchaus ambitioniert, aber aus Mangel an Quellenbelegen leider nur spekulativ; ähnlich Puskás, Indian Religions, S.61.

[7] Eine gelungene Ausnahme stellt das Werk von Karttunen (Hellenistic World) dar, welches gleichermaßen für Indologen wie auch für Althistoriker eine Bereicherung ist.

[8] Diese Frage müßte sich auch für den Indologen stellen, zumal die griechischen Quellen zu den ältesten sicher datierbaren gehören; vgl. Michaels, Hinduismus, S.67.

[9] Zur Vermengung der Begrifflichkeiten in den antiken Quellen siehe unten Kap. V.

[10] Vgl. Michaels, Hinduismus, S.48ff.

[11] Zu bedenken bleibt aber die Möglichkeit von Kontakten in den Metropolen Persiens und des Zweistromlandes; vgl. Karttunen, Greek Literature, S.110.

[12] Bemerkenswert ist schon allein die große Zahl an Gesandtschaften; vgl. die Auflistung bei A.Dihle, RAC 18 (1998) s.v. Indien, Sp.23f.

[13] Selbst wenn die direkten Belege in den Quellen weniger deutlich sind als man vielleicht erwartet.

[14] FGrH 709.

[15] Vgl. A. Dihle, RAC 18 (1998) s.v. Indien, Sp.2ff.

[16] Oftmals konnte man Indien und Äthiopien nicht auseinanderhalten; vgl. ebd. Sp.9.

[17] 3, 100.; die asketische Lebensweise schrieb er einem ganzen Stamm zu: Es wird „kein lebendes Wesen getötet. Man bebaut auch nicht den Acker, hat keine Häuser, sondern lebt von Gras.“ Es klingt plausibel, daß es sich um einen reinen Topos der ethnographischen Literatur handelt, nahezu unbekannten, weit entfernt lebenden Völkern eine gewisse Wildheit anzudichten, und konsequent alles Nichtgriechische als ‘Barbarisch’ hinzustellen, wie Karttunen (Greek Literature, S.111 und Hellenistic World, S.55), Hansen (Alexander, S.379, Anm.3) u.a. annehmen, vor allem, zumal man später dazu überging, die indische Weisheit, der man begegnete, als eine sehr ursprüngliche, naturverbundene anzusehen.

[18] So z.B. Kallisthenes, der Neffe des Aristoteles, oder Pyrrhon, der Gründer der skeptischen Schule.

[19] Nach Dihle (RAC 18 [1998], s.v. Indien, Sp.7) traf „zweifellos“ auch Alexander selbst mit Asketen zusammen.

[20] Vgl. Dihle, Indische Philosophen, S.78; nach Karttunen (Greek Literature, S.118) der erste echt belegte Kontakt zwischen griechischen und indischen Denkern.

[21] Die ‘Augenzeugen’ Aristobulos, Onesikritos, Nearchos u.a., deren Werke aber nur in Fragmenten erhalten sind und in Kompilationen und Zusammenfassungen späterer Autoren wie Strabon (um die Zeitenwende), Plutarch (1.Jh.n.Chr.) und Arrian (2.Jh.n.Chr.). Die religionsgeschichtlich relevanten Fragmente sind in FHRI zusammengetragen, andere wichtige auch in FGrH.

[22] Man denke an die unabhängigen baktrischen Griechen und die Kushana, deren Kultur griechische, iranische und indische Elemente vereinte (vgl. Witzel, Das Alte Indien, S.94ff), ferner an die indo-griechische Münzprägung, teils zweisprachig und mit Abbildungen indischer und griechischer Götter nebeneinander (A. Dihle, RAC 18 [1998] s.v. Indien, Sp.18), an die indo-hellenistische Kunst wie etwa die berühmte Gandhara-Kunst und an Ashokas zweisprachige Inschriften, die besagen, der König habe buddhistische Missionare in die griechische Welt geschickt (vgl. ebd. Sp.13).

[23] Karttunen (Hellenistic World, S.321, 325f) vermutet, daß es zwar literarische Zeugnisse gab, diese aber in der Antike weitgehend unbeachtet blieben, da sich der Fokus der hellenistischen Welt bald nach Westen verschob.

[24] Vgl. J.Derrett, Kleiner Pauly 2 (1979), s.v. India, Sp.1391.

[25] A. Dihle, RAC 18 (1998) s.v. Indien, Sp.19; der allerdings fälschlich Shiva nennt.

[26] So wurden zum Beispiel Shiva und Dionysos gleichgesetzt sowie Krishna/Vishnu und Herakles.

[27] Auch sein Werk leider nur in Fragmenten erhalten (vgl. Anm.21); Näheres siehe Kap. IV.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Gymnosophisten - Indische Asketen aus der Perspektive antiker Quellen
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Einführung in den Hinduismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V54200
ISBN (eBook)
9783638494595
ISBN (Buch)
9783638792059
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gymnosophisten, Indische, Asketen, Perspektive, Quellen, Einführung, Hinduismus, Mathias Pfeiffer, Megasthenes, Indien, Buddhismus, Jaina, nackt, nackte Weise, Weisheit
Arbeit zitieren
Mathias Pfeiffer (Autor:in), 2003, Die Gymnosophisten - Indische Asketen aus der Perspektive antiker Quellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54200

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