Reframing - ein beziehungsförderndes Konfliktmedium für alle Fälle. Ein Leittext-Lern-Paket zur Kompetenzerweiterung für Sozialhelfer.


Diplomarbeit, 1995

399 Seiten, Note: Sehr Gut (1)


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

0. EINLEITUNG
0.1. Reframing - Umdeutung - Eine Sache in einem anderen Licht sehen oder Wie kam ich zu diesem Thema?
0.2. Der Entwicklungsprozeß
0.3. Mein Standpunkt/mein Ausgangspunkt oder Reframing als Erfahrung in unserem Leben:REFRAMING IM LEBEN
0.4. Absicht/Intention /Ziel
0.5. Umgang mit diesem Text
0.6. Die Definitionsgrundlage oder Was ist Reframing?
0.6.1. "Versöhnungsphysiologie" als Indikator für geglücktes und stimmiges Reframing oder Umdeutung und Reframing

1. KAPITEL: LÖSUNG ZWEITER ORDNUNG UND REFRAMING ODER WEGE ZU NEUEN SICHTWEISEN / PERSPEKTIVEN / ANSICHTEN
1.1. Lösungen zweiter Ordnung als Sprung aus Fehllösungen und Reframing als Sprung aus alten Denkmustern
1.1.1. Was ist nun eine Lösung zweiter Ordnung?
1.1.1.1. Wie einer sich unverhofft am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog Beispielname: "AGORAPHOBIKER"
1.1.1.2. Auswertung des Beispiels oder Zwei grundverschiedene Formen des Wandels: Lösungen erster und zweiter Ordnung
1.1.2. Meine Quintessenz aus dem bisher Gedachten oder Lösungen zweiter Ordnung als Auslöser von Reframingprozessen
1.1.3. "Gesunder Menschenverstand", Logik und der Quantensprung
1.1.3.1. Der SPRUNG aus den Regeln, Glaubenssätzen und Prämissen der Lösung erster Ordnung
1.1.3.2. Die Alltäglichkeit des Quantensprungs
1.1.3.3. Der göttliche Funke
1.1.3.4. Die Lösung zweiter Ordnung bei Pauken für eine Mathearbeit oder Eine "unlogische" Lösung führt zum Erfolg und setzt einen Reframingprozeß in Gang Beispielname: "MATHEPAUKEN"
1.1.3.4.1. Auswertung dieses Beispiels
1.1.4. Zusammenfassung der Charakteristik der "Lösung zweiter Ordnung" nach P. Watzlawick, J. Weakland und R. Fisch und ihr Zusammen- hang mit Reframingprozessen
1.1.5. Überprüfung des Gelesenen
1.2. Lösung zweiter Ordnung und Reframing als Wege zum SELBST oder Das archetypische Wesen der Lösung zweiter Ordnung und des Reframings
1.2.1. Über Selbstwerdung, Ganzwerdung, Heilung, Wesenskern, Potential, Selbstverwirklichung
1.2.1.1. Integration von verlorenem Bewußtsein durch Reframing
1.2.2. Das Gebrüder Grimm-Märchen "Die drei Federn"
1.2.2.1. Deutung des Märchens in Hinblick auf das Entstehen der Lösung zweiter Ordnung und das Wesen des hierdurch initiierten Reframingprozesses, der zum SELBST führt
1.2.2.1.1. Weg 1 und Weg 2
1.2.2.1.2. Weg 3
1.2.2.2. Tiefgreifendes Reframing im Dienste der SELBST- verwirklichung
1.2.2.3. Die zarte Stimme des SELBST
1.2.2.4. Der "Königsweg"
1.2.2.5. Indikatoren für potentialfördernde Reframingprozesse oder Energien, die aus dem SELBST kommen und in es hineinführen
1.2.2.6. Lebenslanger Lern- und Erkenntnisprozeß
1.2.3. Zusammenfassung
1.2.4. Überprüfung des Gelesenen
1.3. Reframing, ein Resultat "äußerer Umstände" oder "innerer Notwendigkeit"?
1.3.1. Ein in mehrfacher Hinsicht aufschlußreiches Beispiel
1.3.1.1. Das Beispiel: Ein Student mit "Schreibblockade" oder "...und er konnte doch!" Beispielname: "STUDENT"
1.3.1.2. Auswertung des Beispiels oder Potentialförderndes Reframing im Dienste der SELBST- verwirklichung
1.3.2. Reframing, ein Resultat bedrängender Umstände und innerer Notwendigkeit
1.3.3. Reframing durch die Fülle des Lebens
1.3.4. Zusammenfassung

2. KAPITEL: KRISE UND REFRAMING ODER REFRAMING - HILFE IN KRISEN 97 2.1. Krise - Teil eines Wachstumsprozesses oder Versuch des Vergleichs mit der Pflanzenwelt - eine Ein- stimmung zum Thema "Krise"
2.2. Das Wesen der Krise oder Die Charakteristik der Krise nach V. Kast
2.2.1. Beispiel einer kleinen, alltäglichen Krise und ihre Bewältigung oder Reframing als Hilfe in einer kleinen, alltäglichen Krise Beispielname: "AUTOFAHRERIN"
2.2.2. Krise - vom "Stirb zum Werde"
2.3. Was soll ich in diesem Kapitel lernen? oder Ein Überblick über die Inhalte dieses Kapitels
2.4. Aktuelles Krisenverständnis: Tabuisierung von Krisen und Krise als Chance
2.4.1. Tabuisierung von Krisen
2.4.1.1. Krise und negative Bewertungen
2.4.2. Statt negativer Bewertungen - Reframing!
2.4.2.1. Der beziehungsfördernde Charakter des Reframings
2.4.2.2. Über die Beziehung zwischen Bewertungen und Gefühlen
2.4.3. Krise als Chance oder Reframing von Krise an sich
2.4.3.1. "Krise als Chance" heißt beide Seiten der "Medaille" Krise sehen
2.4.3.2. Krise als Chance sehen als entscheidendes Kriterium für den Verlauf der Krise
2.5. Beispielhafte Krisenverläufe und Reframing
2.5.1. Reframing als Hilfe in Krisen angeregt durch mitmenschlichen Kontakt innerhalb einer therapeutischen Krisenintervention oder Beispiel eines Krisenverlaufes in Hinblick auf die "Geburt" von Reframings Beispielname: "VERLIEBTE FRAU"
2.5.2. Überprüfung des Gelesenen
2.6. Krisenverlauf orientiert an des Phasen des schöpferischen Prozesses oder Reframing als Bestandteil jeder bewältigten Krise
2.6.1. DIE VORBEREITUNGSPHASE oder Vom Versuch zum Irrtum ("Fehlschlag") zur Verwirrung
2.6.2. DIE INKUBATIONSPHASE oder Ein schwieriger Umlernprozeß: Das "Nichts-geht-mehr" als Chance; von der "Außen-Arbeit" zur "Innen-Arbeit"
2.6.2.1. Kriseninterventionen
2.6.2.1.1. Angstbewältigung durch Kontakt und Annahme
2.6.2.1.2. Hilfen in Krisen als Anregung von Reframingprozessen oder Hilfen in Krisen als Methoden der Erweiterung und des Loslassens von begrenzter Wahrnehmung und Bedeutung
2.6.3. DIE EINSICHTSPHASE oder Der Umschlagpunkt der Krise, "Phase des einsichtvermittelnden Reframings", "Reframingphase"
2.6.4. DIE VERIFIKATIONSPHASE oder Das Neue wachsen lassen
2.6.5. PHASE DES REFAMING IM NACHHINEIN oder Finden eines Sinnbezugs zum bisherigen Lebensverlaufs
2.6.6. Zeitpunkt und ethische Grenzen des sinnfindenden Reframings oder Negativ-Beispiele für "Reframing"
2.6.7. Phasenmodell und Realität
2.6.8. Querverbindung zum ersten Kapitel (Lösung zweiter Ordnung und Reframing) und zu R. Tausch oder Entspannung, Reframing, Handlung und umgekehrt!
2.6.9. Überprüfung des Gelesenen
2.7. Reframings in Krisen, eine Zusammenfassung 254

3. KAPITEL:HEILUNG UND REFRAMING ODER REFRAMING - BESTANDTEIL VON HEILUNGSPROZESSEN
3.1. Einführung und Warm-up
3.2. Die sieben Stufen des Heilungsprozesses oder Stufe fünf und sechs als Phasen tiefgreifender Reframingprozesse
3.2.1. Die erste Stufe des Heilens: VERDRÄNGUNG
3.2.2. Die zweite Stufe des Heilens: WUT
3.2.3. Die dritte Stufe des Heilens: FEILSCHEN
3.2.4. Die vierte Stufe des Heilens: DEPRESSION
3.2.5. Die fünfte Stufe des Heilens: ANNAHME oder Phase entscheidender Reframings: neue, innere SELBSTbegegnung
3.2.6. Die sechste Stufe des Heilens: WIEDERGEBURT oder Phase tiefgreifender Reframings: Meine Geschichte neu schreiben
3.2.7. Die siebte Stufe des Heilens: DAS LEBEN NEU SCHAFFEN
3.3. Heilung und Reframing - Weg in die Selbstannahme und New-Age-Paradigma als Weg zu neuen Schuldgefühlen
3.4. Nochmalige Warnung vor "Reframing"-Mißbrauch
3.5. Überprüfung des Gelesenen

4. KAPITEL: RELEVANZ VON REFRAMING UND REFRAMINGPROZESSEN FÜR DEN SOZIALEN HELFER UND ÜBUNG ZUM SELBSTREFRAMING FÜR EMOTIONALE KRISENTAGE
4.1. Zuversicht bezüglich zukünftiger Problemlagen
4.2. Selbstreframing als Selbsthilfemaßnahme
4.3. Dem anderen Reframing anbieten! - Aber wie?

GESAMTZUSAMMENFASSUNG 332

LITERATURVERZEICHNIS 336

ANHANG 340

0. EINLEITUNG

0.1. Reframing - Umdeutung - Eine Sache in einem anderen Licht sehen oder Wie kam ich zu diesem Thema?

Ich war schon etwas länger auf der Suche nach einem Thema, aber nichts hatte bisher ein hundertprozentiges Ja in mir ausgelöst. Kreativitätsfördernde Mittel, Enrichmentprogramme und die Psychologie Milton Ericksons entsprachen meinen Vorlieben. Was aber war ihnen gemeinsam? Wo war der gemeinsame Nenner?

Eines Tages saß ich in einem Psychologieseminar über NLP. Der Dozent stellte uns die Methode des Reframings vor. Zum genaueren Verständnis wurde uns erklärt, daß die Begründer des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) John Grinder und Richard Bandler versucht hatten herauszufinden, was erfolgreiche und viel bewirkende Therapeuten wie Vriginia Satir, Milton Erickson, Gregory Bateson, zu einem so hohen Maß an Wirksamkeit und Heilung brachte, und ob es gemeinsame, verwandte Strukturen gab, die dieses hohe Maß an Wirksamkeit bewirkten. So schauten sie sich stundenlang Videos auf der Suche nach gemeinsam bewirkenden Faktoren an und wurden in der Tat fündig. Diese Strukturen faßten sie zum NLP zusammen. (vgl. I. Kirchner, J. Weiß in Th. Stahl, 1991, S. 9)

Eine dieser bewirkenden Strukturen ist Reframing

Reframing wird mit Umdeutung oder umdeuten übersetzt und bedeutet wörtlich übersetzt „Etwas-neu-Rahmen“. Der Dozent erklärte Reframing so: Man kann, obwohl eine Sache an und für sich unverändert bleibt, sie unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Es gäbe Menschen, die ein halb gefülltes Glas Wasser als halb leer und andere, die es als halb voll betrachten würden, und dieser Zusammenhang habe etwas mit Reframing zu tun, denn die Sache selbst ändere sich nicht, aber die Möglichkeit, Dinge in einem anderen Licht zu sehen zu können, beschreibt den Vorgang des Reframings

Reframing führt uns oft aus vermeintlichen „Sackgassen“ heraus, in denen wir durch einseitige Betrachtungsweise des Vorganges gefangen bleiben. Dazu ein veranschaulichendes Beispiel aus dem studentischen Alltag:

Stellen Sie sich vor, Sie kommen mit einer anstehenden Seminararbeit nicht zurecht, weil Sie in der einseitigen Betrachtungsweise verharren, daß Sie der anstehenden Aufgabe nicht gewachsen sind. Diese beschränkende Betrachtungsweise Ihrer eigenen Person hält Sie in Ihrer Schreibblockade gefangen. Ein Reframing in dieser Stituation würde Sie mit Ihrem Vermögen in Kontakt bringen. Es könnte Sie mit früheren Situationen, in denen Sie ebenfalls große Anforderungen bewältigt haben, z. B. wie Sie laufen lernten, in Kontakt bringen. Als Sie laufen lernten, fielen Sie oft hin, doch Sie standen immer wieder auf. Sie lernten es Schritt für Schritt, und Schritt für Schritt kann auch Ihre Seminararbeit entstehen. Reframing könnte Ihnen außerdem bewußt machen, in welcher Beschränkung Sie sich eben noch sahen und Ihnen bewußt machen, daß Sie ein wunderbarer, begabter und einzigartiger Mensch sind, der nun auch auf spielerische Weise an seine Seminararbeit herangehen darf, und daß diese Aufgabe, Ihnen die Chance bietet, sich von einer weiteren interessanten Seite, nämlich als Schreiber einer Seminararbeit, kennenzulernen

Aus derartigen, wie im Beispiel dargelegten „Sackgassen“ herauszuführen, ist auch oft das Anliegen therapeutischer Bemühungen. In Therapien - so der Dozent - ginge es oft darum, der Person in der Krise die Chance aufzuzeigen, die seine Krise bewirkt. Dieses Bemühen des Therapeuten wäre dann der Versuch, einen Reframingprozeß beim Klienten anzuregen

Diese Äußerung des Dozenten, läßt sich auch durch ein Zitat Th. Stahls, Lehrtherapeut für NLP und Autor, belegen:

„Das Reframing ist im therapeutischen Zusammenhang weit verbreitet. Versucht ein Therapeut, seinen Klienten dazu zu bewegen, „die Dinge anders zu betrachten“ oder „unter einem neuen Gesichtspunkt zu sehen“ oder „andere Faktoren in Betracht zu ziehen“, sind das Versuche, Ereignisse umzudeuten (zu reframen), um den Klienten zu einer anderen Reaktion auf sie zu veranlassen.“ (Th. Stahl in R. Bandler, u.a., 1990, S. 14)

Reframing deutet die Krise also zu gegebenem Zeitpunkt - der Zeitpunkt ist in diesem Prozeß von großer Wichtigkeit - um, entdeckt somit die Chance, den Sinn und den Wachstumsaspekt der Krise. Diese Behauptung des Dozenten, daß der Zeitpunkt von großer Wichtigkeit ist, möchte ich gerne durch folgendes Beispiel veranschaulichen. Anschließend berichte ich weiter über den Verlauf des für mich entscheidenden Seminars

Eine Freundin geriet in eine Verlustkrise nach der Trennung von Ihrem Freund. Für sie stellte es sich dar, als ginge die Welt unter. Daraufhin suchte sie Hilfe in einer Therapie. Nach einer Weile sah sie - angeregt durch den therapeutischen Prozeß - diese Trennung als großes Glück an. Endlich konnte sie zu sich selbst kommen. Sie sah nun mehr Vorteile als Nachteile, wie z. B. mehr Freiheit, vor allem von dem, wie sie nun zugeben und erkennen konnte, krankmachenden Beziehungsstreß und dessen Ursachen. Dieser „Beziehungsstreß“ hatte sie jahrelang in Beschlag genommen. Jetzt erst konnte sie dessen Ursachen durchschauen. Jetzt hatte sie das Gefühl, durch diese Trennung einen großen Schritt in Ihrem persönlichen Wachstumsprozeß getan zu haben und so von der „heillosen Verstrickung“ mit ihrem Ex-Freund, die sich in der Beziehung - wie sie durch ihren therapeutischen Prozeß erkannte - niemals hätten auflösen können, „erlöst“ zu sein. Diese Änderung der Sichtweise auf die Trennung war ein tiefgreifendes Reframing. Es konnte aber erst zu dem Zeitpunkt eintreten, nachdem genügend über den in der Trennung liegenden Verlust getrauert worden war

Zurück zum Seminar:

Da der Dozent Übungen und Praxis favorisierte, nahm er ein Buch heraus, aus dem er Beschreibungen von Schülerverhalten entnahm, wie z. B. :

"Der Schüler zappelt unruhig auf seinem Stuhl herum."

Er führte aus, ein genervter Lehrer könne darauf mit der Antwort:

"Hör auf herumzuzappeln!"

reagieren. Wir, die Teilnehmer des Seminars, hatten nun die Aufgabe, eine andere Antwort als Lehrer zu finden, die das gezeigte Schülerverhalten reframen sollte. Da gab es dann verschiedene Umdeutungen bzw. Reframings wie z. B. : Lehrer zum Schüler:

"Ich sehe, du bringst sehr viel bewegende Energie in den Unterricht ein."

Mir machte die Produktion dieser Reframings sehr viel Spaß. Ich empfand es als kreative Herausforderung, keine repressiven Äußerungen zu tätigen, sondern in vielleicht erwartungswidrigem Verhalten eines Schülers, einen Teil seines Potentials zu sehen und zu bestätgien

Ich finde es leicht vorstellbar, daß "Hör auf herumzuzappeln!" eine völlig andere Wirkung auf den Schüler haben würde als die reframende Antwort "Ich sehe, du bringst sehr viel bewegende Energie in den Unterricht ein."

Bei der Wirkung der ermahnend-repressiven Antwort ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß der Schüler sich abgelehnt fühlt. Sie legt dadurch den Grundstein für ein Machtspiel zwischen Lehrer und Schüler: Der Schüler zappelt aus Trotz weiter herum und fängt an, weitere Störungen, wie z. B. in die Klasse rufen, zu produzieren, während der Lehrer immer weiter versucht, durch unterbindende Ermahnungen das Gegenteil zu erreichen. P.Watzlawik, J. Weakland, R. Fisch nennen diesen Vorgang ein „Spiel ohne Ende": Die von beiden Seiten gewählte Lösung besteht in "mehr derselben" versuchten Lösung. Mehr Störung auf der einen Seite, mehr Unterbindung auf der anderen Seite, wobei sich meistens alle Beteiligten zunehmend unzufriedener fühlen. (vgl. P. Watzlawick, u.a., 1992, S.41)

Die reframende Äußerung hingegen löst im Schüler mit großer Wahrscheinlichkeit ein Gefühl des Angenommenseins aus. Außerdem bringt sie noch zwei weitere für den pädagogischen Prozeß durchaus wünschenswerte Aspekte:

Die eventuelle Erwartung des Schülers einer unterbindenenden Äußerung im Sinne des oben geschilderten "Spiels ohne Ende" wird nicht erfüllt. Der Schüler könnte darüber im ersten Moment sehr verwundert sein und ins Grübeln kommen, was jetzt gerade passiert. Milton Erickson nannte diesen Vorgang die "Konfusionstechnik": Bringe jemanden in Verwunderung, denn das erzeugt das Bedürfnis, aus der Verwunderung oder Konfusion herauszukommen und einen Sinnbezug zu entdecken, sowie die besonders starke Bereitschaft, in Kontakt zu kommen, um mehr zu erfahren. Die „Konfusionstechnik“ schafft die Bereitschaft für einen neuartigen Kontakt. (ebd., S. 125)

Die zweite Wirkung, die die reframende Entgegnung haben könnte, haben P. Watzlawik, J. Weakland, R. Fisch "Bellac-Technik" genannt nach dem Bühnenstück "Der Apollo von Bellac", das sich um zwei Erkenntnisse dreht, nämlich:

Jemand zu sagen, daß er schön ist, m a c h t ihn schön

Und zweitens:

Wenn man anderen Menschen sagt, daß sie schön sind, macht einen das s e l b s t schön. (ebd., S. 156 ff.)

Übertragen auf meine beispielhafte Äußerung, sagt der Lehrer dem Schüler etwas "Schönes". Das macht ihn, den Schüler schöner und auch den Lehrer selbst, in dem Sinne, daß mehr gegenseitige Annahme (Akzeptanz) zwischen ihnen geschaffen wird

Eine weitere entscheidende Wirkung des angebotenen Reframings besteht darin, daß der Lehrer ein Potential des Schülers benennt, d. h. in dem Tun des Schülers einen Teil seines Potentials erkennt. Das Sehen des Potentials, des eigenen wie das eines anderen, hat immer eine versöhnende, bestätigende, daher annehmende Auswirkung auf den Kontakt zwischen zwei Menschen und auf den Kontakt mit sich selbst. Stimmiges Reframing hat somit einen beziehungsfördernden Charakter. Soviele positive Auswirkungen benannten und trugen wir, die Teilnehmer des Seminars, zusammen

Diese Qualität von Umdeuten, Reframen machte mir sehr viel Spaß, weil dadurch auch mein kreatives Potential herausgefordert wurde. Von einer relativ „negativen" Auffassung eines Schülers, den positiven Kern desselben zu treffen, erforderte ein Umdenken, das sehr viel mehr Lust und Spaß bereitete als repressive Äußerungen der Unterbindung. Wir werden noch sehen (s. a. S. 18 f., S. 67f., S. 215), daß "Spaß" und "Freude" Indikatoren für geglücktes Reframing, im Sinne von den treffenden Rahmen gefunden zu haben, darstellen. Ich komme in Abschnitt 0.6.1. sowie in Punkt 1.2.2.5. darauf zurück

Diese Übung betrieben wir eine ganze Weile und auf dem Heimweg war mir klar, daß ich mein zukünftiges Arbeitsthema gefunden hatte. Der Aspekt, den wahren Kern, das Potential in einer oberflächlich betrachtet negativen, d. h. unerwünschten Situation oder eines Verhaltens zu finden und zu erkennen, ist jetzt mein Thema und wird vielleicht im Durchlesen dieser Arbeit auch alsbald Ihres

Was ist erforderlich, um aus der Enge wieder in die Weite zu gelangen? - Reframing!

Meine vorliegende Arbeit zeichnet meinen Entwicklungsprozeß nach, den ich auf den folgenden Seiten kurz skizziere

0.2. Der Entwicklungsprozeß

Meine Frage war nun, wo ich dieses „tolle“ Reframing, das mich so begeisterte, wiederfinden konnte. Natürlich in den einschlägigen NLP-Büchern, dachte ich. Diese berührten mich aber kaum, denn Reframing war hier zu einer schematisch-operationalisierten, therapeutischen Technik verkompliziert. Ich hatte das Gefühl: Da wird mit dem Klienten „was gemacht“. Ich war entäuscht. In den folgenden Wochen fand ich meine Ansicht in einem der folgenden Seminare, indem ich Reframing auch kennengelernt hatte, durch den Dozenten bestätigt:

Das Reframing, das mich faszinierte, berührte das Potential dessen, dem das Reframing angeboten wurde, d. h. es fand das Gute im angeblich Schlechten

Dieser Aspekt wurde auch an der bespielhaften reframenden Äußerung von Seite 4 klar: Das dort angebotene Reframing „Du bringst sehr viel bewegende Energie in den Unterrricht ein.“ zum unruhigen Verhalten eines Schülers spricht das Potential desselben an, im Sinne von seinem Vermögen, einer in ihm wohnenden Kraft, nämlich der Fähigkeit zum Ausdruck bewegender Energie. Das war es, was mich so sehr begeisterte. Davon hatte ich jedoch wenig in der NLP-Literatur gefunden. Der Dozent formulierte diese Erfahrung ähnlich. Er meinte sinngemäß, daß ein gutes Reframing immer den Kern des Klienten, sein Potential, seine Kraft benennen und erkennen würde. Gutes Reframing verbindet den mit seinem Unvermögen Identifizierten mit seinem Vermögen oder deutet sogar das Unvermögen zu Vermögen um. Diese wohltuende Erfahrung habe ich selbst gemacht:

Als ich vor einiger Zeit meine wunderschöne Singstimme verlor - ich war bis dahin Sängerin in einer kleinen Blues- und Jazzkombo gewesen - war ich darüber sehr unglücklich und konnte nur darauf sehen, was ich verloren hatte und was mir genommen war. Schließlich reframte eine gute Freundin meine Situation als eine Chance. Sie meinte: „Anscheinend möchtest Du noch etwas anderes Kreatives in Deinem Leben kennenlernen. Das Singen ist gegangen, um einer neuen Kraft Raum zu geben. Singen konntest Du doch wirklich mehr als gut. Du möchtest auch noch andere Kräfte in Dir ausbilden.“ Sie reframte mein Unvermögen in einen sinnvollen Zusammenhang, in ein Potential, das dabei war, sich in mir still und heimlich zu entfalten, bis es schließlich hervortreten würde und diese neue Kraft mir genauso viel Freude bringen würde wie vorher das Singen. Ich bin nun tatsächlich der Überzeugung, daß es genau so ist. Dieses Reframing löste in mir volle Zustimmung aus. Ich erkannte es als stimmig und wahr an, und ich fühlte mich durch dieses Reframing erkannt. Dieses Reframing „fühlte sich an“, wie das Wiederfinden einer einmal gewußten, aber vergessenen Wahrheit. Das hier gefundene Reframing deutet selbst das augenscheinliche Unvermögen, das Nicht-mehr-Singen-Können in einen sinnbringenden und WACHSTUMSFÖRDERNDEN Zusammenhang mit meinem Potential um. „Es berührt das Potential dessen, dem es angeboten wurde“ wie ich weiter oben formulierte

Die Kritik des Dozenten galt dem NLP, insofern hier der Kontakt zwischen Klient und Therapeut oft die Tiefe vermissen lassen würde, die erst derartige Reframings hervorbringen. Ausgeklügelte NLP-Reframing-Modelle werden operationalisiert von „NLPlern“ auf ihre Klienten angewandt. Diesen Kritikpunkt fand ich auch bei Virginia Satir wieder:

„Die negative Seite des NLP, wie es von Richard und John praktiziert und gelehrt wird, ist, daß es als Manipulation gelehrt wird, anstatt als etwas Menschliches, das sich entwickelt.“ (V. Satir in Th. Stahl, 1991, Klappentext)

Diese NLP-Reframing-Modelle, zu denen Reframing „ausgeklügelt“ worden war (z. B. „Six-step-Reframing“, vgl. R. Bandler, u. a., 1990, S. 129 ff.; Th. Stahl, 1991, S. 279 ff.), interessierten mich nicht und sind auch NICHT das Thema dieser Arbeit. Das war nicht das Wesentliche für mich

Ich suchte Reframings, die menschliches Potential erkennen lassen und berühren und gleichzeitig, wie Virginia Satir es ausgedrückt hatte, das eher „Menschliche, das sich entwickelt.“ Damit will ich sagen, ich suchte nach Reframings, die sich entweder in einem Menschen selbst natürlich-menschlich entwickelt hatten, oder wie sie sich auf menschliche Weise zwischen zwei Personen entwickelt hatten und ihre wertvolle Wirkung hier entfaltet hatten (s. z. B. Beispiel des Singstimmenverlustes S. 7). Denn seit dem NLP-Seminar hatte ich einen treffenden Namen, nämlich Reframing, gefunden für das, was ich aus dem Vollzug des täglichen Lebens her kannte, und was mich schon seit langem faszinierte; das Aufblitzen einer ganz anderen Sichtweise auf einen Zusammenhang. Besonders erlösenden Charakter hatte dieses „Aufblitzen einer noch anderen Bedeutung“, diese Reframings in meinem eigenen Leben in schwierigen Situationen, wie z. B. in Krisen und Krankheiten sowie in Beziehungskonflikten gehabt. Diese Themen faszinierten mich schon seit langem, aber genauer genommen, stellte ich fest, interessierte es mich, wie der entscheidende Reframingprozeß in diesen schwierigen Lagen wie z. B. Krankheit, Krisen und Beziehungskonflikten in Gang kommt und besonders, welchen Inhalt er hat

Aus Interesse für diesen Vorgang, das Entdecken von Reframings, die, wie ich feststellte, oft den Ausweg aus schwierigen Lagen darstellten, beschäftigte ich mich mit Biographien von für die Menschheit wichtig gewordenen Persönlichkeiten, denn auch sie hatten oft auf ungewöhnliche Weise aus schwierigen Lagen herausgefunden. So fand ich z. B. tiefgreifende Reframingprozesse im Leben von E. Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, bei Hildegard von Bingen, Heilkundige und Mystikerin des 11. Jh., bei Sebastian Kneipp, Geistlicher und Begründer der Kneipp-Therapie und Edward Bach, dem Entdecker der Bach-Blüten, auch bekannt als „Blumen, die durch die Seele heilen“ (E. Bach, 1980). Ich stellte fest, daß sie alle z. B. schwere Krankheiten und Krisen durchgemacht hatten, die derart tiefgreifende Reframingprozesse in Ihnen auslösten, daß sie ein „neues Leben“ begannen und den durch Reframingprozesse gewonnenen, für sie wichtigen Erkenntnissen nachgingen. Stellvertretend für die oben erwähnten Persönlichkeiten greife ich an dieser Stelle das Beispiel des E. Bach (1886 - 1936) heraus

E. Bach war ein erfolgreicher Schulmediziner gewesen und hatte einige Entdeckungen auf diesem Gebiet gemacht (u. a. Entdeckung bakterieller Nosoden). Durch eigene Krankheit und Krise geriet er in einen Identitätskonflikt als Schulmediziner und kam schließlich zu einer gewandelten Auffassung darüber, was Heilung für ihn bedeutete und wie er in Zukunft heilen wollte. Diese gewandelte Auffassung war das Ergebnis eines tiefgreifenden Reframingprozeß, der ihn veranlaßte, sich von nun an einfacheren und rein natürlichen Heilmethoden und -mitteln zu widmen, ohne daß er zu diesem Zeitpunkt eine Ahnung davon gehabt hätte, wie dieses Vorhaben konkret aussehen sollte. So gab er seine Existenz (Praxis/Labor) auf und zog in die walisische Natur. Hier widmete er sich Naturbetrachtungen und - erkundungen und entdeckte hier nach und nach die 38 Bachblüten[1], für die er ein besonderes neuartiges, natürliches Aufbereitungsverfahren entwickelte. In diesen Tagen findet die Bachblüten-Therapie immer weitere Verbreitung und Anerkennung. Bach hatte entdeckt, daß negative Seelenzustände sich zu konkreten, körperlichen Krankheiten verdichten können, und daß die rechtzeitige Einnahme der entsprechenden Blütenessenzen den negativen Seelenzustand auszubalancieren vermag, bevor es zu massiveren Störungen im Gesundheitsgeschehen kommen kann. Die Initiation für diese drastische Lebenswende in der Biographie E. Bachs und die gewandelte Auffassung darüber, was er unter Heilen verstand und wie er heilen wollte, war ein langwieriger Reframingprozeß innerhalb einer Identitätskrise gewesen, der seine bisherige Lebensart und - weise in Frage gestellt hatte

Diese Art des Reframings war das Reframing, das mich so begeisterte. Durch diesen Reframingprozeß hatte E. Bach ganz andere Seiten seines Potentials kennengelernt, vor allem aber ein neues Selbstverständnis gewonnen: Er sah sich jetzt als jemanden, der Menschen Hilfe zur Selbsthilfe gab und entwickelte sein Blütensystem auch dementsprechend:

„Die zwölf Arzneimittel, an denen ich die vergangenen fünf Jahre gearbeitet habe, erweisen sich in ihren heilungbringenden Wirkungen als so wunderbar, und sie schenken so vielen sogenannten Unheilbaren die Gesundheit wieder, daß ich daran gehe, ihre Beschreibung ganz einfach zu gestalten, daß sie von jedem Laien verwendet werden können...Darüber hinaus hat es Ihm gefallen, diese Heilmittel den Menschen direkt zu geben, denn sie sind so einfach, daß die Menschen ihre eigene Medizin selbst finden und zubereiten und sich damit selbst oder gegenseitig in ihrer Not heilen können.“ (E. Bach, 1992, S. 13 f.)

Eine derartige Einstellung, was seinen Auftrag anging, war ihm vor seiner Identitätskrise, als er sich den Maximen der damaligen Schulmedizin verpflichtet sah, undenkbar gewesen

Es hatte sich sein Verständnis von der Art und Weise, wie zu heilen sei, reframt, was folgende Maxime seinerseits veranschaulicht:

„Behandle den Menschen und nicht die Krankheit.“ (E. Bach zit. n. D. Krämer, 1995, S. 13)

Damit wollte er zum Ausdruck bringen, daß ein und dieselbe Krankheit bei verschiedenen Menschen, also ein und dasselbe Krankheitsgeschehen auf der Erscheinungsebene, sehr unterschiedliche seelische Ursachen haben können, die es zu erkennen gilt und die der Behandlung durch Bachblüten bedarf. „Behandle den Menschen...“ (a.a.O.) ist also eine Aufforderung zur ganzheitlichen Wahrnehmung des Menschen. Diese gewandelte Auffassung ist ein Reframing bezüglich seiner Auffassung vom Heilen

Auch anhand der Biographien der anderen oben aufgeführten Persönlichkeiten erkannte ich Reframingprozesse, die durch Krankheiten und Krisen in Gang gekommen waren und diese Persönlichkeiten zu deutlich gewandelten Auffasssungen über sich und die Welt brachten und auch maßgebliche Relevanz für ihre Lehren hatten. Ich hatte so auch die Struktur des Reframings in Bereichen wiedergefunden, wo sie nicht als solche ausgewiesen worden waren, nämlich als Teil von Krisen und Krankheiten. Darüber hinaus haben diese Bereiche aber auch damit zu tun, uns unserem Potential näher zu bringen, wie das Beispiel des E. Bach auch belegt: Durch seinen Reframingprozeß innerhalb einer Identitätskrise wurde ein wunderbares Potential seiner SELBST hervorgebracht. Die Frucht dieses seines verwirklichten Potentials kommt darüber hinaus heute wie damals vielen Menschen zugute

Die Bereiche, die ich aufgrund meines hier dargelegten Entwicklungsprozesses in Hinblick auf in ihnen vorkommende Reframings darstelle, sind Krisen und Krankheiten. Das faszinierende am Reframing ist meiner Meinung nach, daß durch Reframing immer wieder neue Wege und Auswege in schwierigen Lagen gefunden werden; es also ein echtes Konfliktmedium darstellt, was im Laufe dieser Arbeit anhand von Beispielen immer wieder erfahrbar werden soll

Daher beschäftigt sich das 2. Kapitel mit „Krise und Reframing“. Hier geht es darum, wie Reframingprozesse durch Krisen ausgelöst werden können. Anhand von beispielhaften Krisenverläufen zeichne ich Reframingprozesse nach und verdeutliche das Zustandekommen von Reframings. Außerdem wird es in diesem Kapitel darum gehen zu zeigen, daß Hilfen in Krisen und Kriseninterventionen oft Anregungen von Reframingprozessen intendieren, um zu neuen Sichtweisen auf die persönliche Lage zu kommen. Darüber hinaus war es für mich wichtig, Ihnen die Psychodynamik und die „Entwicklungsgesetzmäßigkeiten“ von Krisenverläufen darzustellen und herauszuarbeiten, da sich aus dieser Perspektive heraus die Frage beantwortet, welche „Vorarbeiten“ „geleistet“ werden müssen, ehe es zu einem tiefgreifenden Reframingprozess kommen kann

Im 3. Kapitel „Heilung und Reframing“ geht es um den Zusammenhang zwischen Krankheitsverläufen, Heilung und Reframing. Auch hier versuche ich, erfahrbar zu machen, wie Krankheiten tiefgreifende Reframings in unserem Selbst- und Weltbild bewirken können und uns so wieder näher zu uns SELBST zu bringen vermögen

Im 1. Kapitel geht es um „Lösungen zweiter Ordnung und Reframing“. Die von Watzlawick u. a. so benannten Lösungen zweiter Ordnung haben Auslösefunktion für Reframings. Zur Vorinformation: Lösungen zweiter Ordnung sind - sehr verkürzt dargestellt - plötzliche, verblüffende, unerwartete Lösungen, die tiefgreifende Reframings bewirken können. So kam ich z. B. auf plötzliche und unerwartete Weise zu Lösungen beim Pauken für eine Mathearbeit, was Reframingprozesse auslöste, die meine Arbeitsauffassung betrafen. Mehr darüber im ersten Kapitel. Derart zufällig, ungeplant gefundenen, oder plötzlichen auftauchenden oder aus Verzweiflung ergriffenen Lösungen auf der Ereignisebene finden sich öfter in „brenzligen“ Situationen, wie u. a. in Krisen und Krankheiten. Diese neuen Lösungen, die uns das Leben unerwartet „zugespielt“ hat, sind oft Auslöser ebenso unerwarteter und tiefgreifender Reframingprozesse, wie ich anhand von Beispielen und Erläuterungen zeigen werde

Im vierten und letzten Kapitel erarbeite ich die Relevanz des Vorgetragenen für den sozialen Helfer. Außerdem stelle ich Ihnen eine Selbstreframing-Übung vor, die sich aus den Inhalten dieses Leittext-Lern-Paketes ergibt. Diese Übung können Sie z. B. an „emotionalen Krisentagen“ als Selbsthilfemaßnahme anwenden. Darüber hinaus trage ich abschließend die Merkmale einer reframing-förderlichen Haltung zusammen

Anschließend fasse ich sowohl meinen hier schon dargelegten Standpunkt und die Absicht, die ich mit dieser Arbeit verfolge, für Sie prägnant zusammen. Wie Sie dieses Lernpaket lerntechnisch am besten anpacken, lege ich Ihnen im Abschnitt „Umgang mit diesem Text“ S. 16 dar

0.3. Mein Standpunkt/mein Ausgangspunkt oder Reframing als Erfahrung in unserem Leben: REFRAMING IM LEBEN

Reframing ist für mich - wie oben schon anklang - mehr als eine therapeutische Technik. Daher möchte ich auch nicht mit der Technik beginnen, sondern vor das Entstehen einer therapeutischen Technik zurücktreten, denn Reframing ist in erster Linie eine ERFAHRUNG, ein PHÄNOMEN, eine STRUKTUR in meinem LEBEN. Sie kennen diese Erfahrung. Diese Arbeit möchte dazu beitragen, diese Erfahrung / dieses Phänomen / diese Struktur bewußt zu machen. Sie ist so alt wie die Menschheit selbst (s. a. „Das archetypische Wesen...des Reframings“, S.40 ) und hat trotzdem erst vor kurzem einen Namen bekommen, nämlich Reframing

Diese hier vorgetragene Auffassung entwickelte ich schon vor Jahren, denn mein Interesse an der Erfahrung Reframing ist, wie mir klar wurde, nicht neu. Mir fehlten bloß im wahrsten Sinne des Wortes die Worte für diese Art von Bewußtseinswandlungen, die ich z. B. im Verlauf von Krisen und Krankheit an mir selbst und bei anderen im Zuge meiner und ihrer persönlichen Entwicklung entdeckte; daher könnte diese Arbeit auch „REFRAMING IM LEBEN“ heißen

0.4. Absicht/Intention/Ziel

Mit dieser Arbeit möchte ich erst einmal dazu beitragen, das WIEDERERKENNEN und BEWUßTWERDEN dieser Erfahrung, dieses PHÄNOMENS, dieser STRUKTUR Reframing zu Ü B E N. Darin besteht der Hauptteil der Arbeit

Ich werde Ihnen das Material, das ich über das Phänomen des Reframings zusammengetragen habe, an die Hand geben und verdeutlichen, daß stimmige Reframings Konflikte entschärfen können (Beispiele hierzu waren schon der „Singstimmenverlust“, S. 7, und der Identitätskonflikt E. Bachs, S. 9). Es handelt sich also beim Reframing um ein wirksames Konfliktmedium

Anhand von Selbstexplorationen und Transferaufgaben werde ich Sie dazu anregen, sich derartiger eigener Reframingerfahrungen bewußt zu werden.

AUF DIESER ERKANNTEN GRUNDLAGE kann Ihnen Ihre bewußt gewordene Reframingerfahrung als Mittel dienen, erstens im Umgang mit sich selbst und zweitens im Umgang miteinander, eine andere Form von Kontakt zu sich selbst bzw. zum anderen zu finden als den bisher versuchten (beziehungsfördernder Aspekt des Reframings)

0.5. Umgang mit diesem Text

Im Laufe dieses Textes, werde ich Sie dazu anregen, bestimmte Lernhilfen anzuwenden. Z. B. fordere ich Sie jetzt auf, den im Anhang befindlichen Leitfaden zum Umgang mit Texten durchzuarbeiten und mit diesem Leittext-Lern-Paket in der dort vorgeschlagenen Weise zu verfahren, denn so ermöglichen Sie sich ein hirn- und verarbeitungsgerechtes Textstudium

Wenn ich Sie zur Anwendung einer Lernhilfe auffordere, verweise ich an der entsprechenden Stelle auf den Anhang dieses Leittext-Lern-Paketes, in dem Sie die jeweils benötigte Lernhilfe auffinden werden

Die Anwendung der Lernhilfen wird Ihren Lernprozeß vertiefen und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff bewirken

Zur Redundanz dieses Textes

Die Redundanz (= Üppigkeit, Überreichlichkeit) dieses Textes ist beabsichtigt. Sie entstand einmal aus meinem Bedürfnis, kompliziertere Zusammenhänge, die das Thema mit sich brachte, öfter zu wiederholen - oft an anderer Stelle und in etwas anderem Kontext - , um Verstehen und Eingänglichkeit zu Ihren Gunsten zu fördern und Ihren Lernprozeß zu unterstützen

Zum anderen ist die Redundanz des Textes ein Spiegel der Komplexität und der Tiefe des Themas. Daher meine Empfehlung: Nehmen Sie sich Zeit und Muße für dieses Leittext-Lern-Paket, damit Tiefe und Komplexität des Themas sie erreichen können

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen in der Auseinandersetzung mit diesem Text einen guten Lernerfolg!

0.6. Die Definitionsgrundlage oder Was ist Reframing?

Zum Ende dieser Einleitung, dieses Warm-ups, und bevor ich Sie in das erste Kapitel einlade, stelle ich Ihnen die Definitionsgrundlage von Reframing für diese Arbeit vor, die Ihnen als Orientierungshilfe dienen soll

Ich gehe dabei von jener weit gefaßten Definition aus, die TH. STAHL, der wohl bekannteste und bedeutendste Vertreter des NLP in Deutschland, formulierte:

„In seiner allgemeinsten Definition ist ein Reframing der Prozeß, irgend etwas in einer neuen Bedeutung wahrzunehmen.“ (Th. Stahl, 1991, S 245)

In meinen Worten: Im Prozeß des Reframings wird also eine alte Denkordnung (hier Bedeutung) verlassen. Es entsteht eine „UM-BEDEUTUNG“, ein neuer Sinnbezug der bestehenden Zusammenhänge. Die Dinge werden in einem anderen Licht gesehen, in einem ANDEREN, vielleicht auch WEITEREN Rahmen (= engl.: frame )/Kontext als bisher wahrgenommen

Zur Veranschaulichung greife ich an dieser Stelle nochmals das oben angeführte Beispiel meines Singstimmenverlustes (s.a. S. 7) auf

Ich erlebte den Verlust der Singstimme im Kontext oder in der Bedeutung von persönlichem Untergang; denn zu dieser Zeit definierte ich mich stark über meine Fähigkeit des Gut-Singen-Könnens. Meine Freundin allerdings sah das Ereignis des Stimmverlustes in einer ANDEREN BEDEUTUNG, in einem anderen KONTEXT oder RAHMEN (re-framing): Sie sah diesen Verlust im Kontext eines inneren Transformations- und Entwicklungsschrittes (s.a. S. 7: „Anscheinend möchtest Du noch etwas anderes Kreatives in Deinem Leben kennenlernen. Das Singen ist gegangen, um einer neuen Kraft Raum zu geben. Singen konntest Du doch wirklich mehr als gut. Du möchtest auch noch andere Kräfte in Dir ausbilden.“ Sie reframte mein Unvermögen in einen sinnvollen Zusammenhang, in ein Potential, das dabei war, sich in mir still und heimlich zu entfalten...“)

Das gefundene Reframing deutete selbst das Unvermögen, das Nicht-mehr-Singen-Können, in einen SINNMACHENDEN und WACHSTUMSFÖRDERNDEN ZUSAMMENHANG mit meinem Potential um. Ich sage an dieser Stelle sogar, es stellte den Verlust in einen WEITEREN Rahmen, sah ihn IM DIENSTE EINER ENTWICKLUNGSMÖGLICHKEIT

0.6.1. „Versöhnungsphysiologie“ als Indikator für geglücktes und stimmiges Reframing oder Umdeutung und Reframing

Nun können Sie aber eine Situation in beliebig vielen, neuen und anderen Rahmen sehen, d. h. z. B. für den Kontakt zwischen zwei Menschen, z. B. in der Therapie, daß es zu einer Problemlage wohl viele Umdeutungen gibt, die ein Berater einem Klienten anbieten kann, der sich in einer Problemlage befindet

Th. Stahl trifft an dieser Stelle die Unterscheidung zwischen Umdeutung und Reframing:

Man hat erst dann die treffende, stimmige, das Potential des Klienten berührende Rahmenerweiterung gefunden, wenn der Klient - wie Th. Stahl es nennt - die VERSÖHNUNGSPHYSIOLOGIE zeigt. Mit Versöhnungsphysiologie ist gemeint, wenn der Klient z. B. mit Anzeichen der ERLEICHTERUNG, mit Zustimmung, Lachen, Aufatmen, größerer Gelassenheit auf das Umdeutungsangebot reagiert. Zeigt ein Klient die Versöhnungsphysiologie, ist diese Reaktion ein INDIKATOR für ein geglücktes REFRAMING

Zeigt er weiterhin die sogenannte PROBLEMPHYSIOLOGIE, z. B. Abwehr, flache Atmung, bedrückte Haltung oder Physiognomie, so ist sein Potential von der angebotenen Rahmenerweiterung unberührt geblieben. Es handelt sich lediglich um eine UMDEUTUNG. (vgl. Th. Stahl, 1991, S. 18 ff., S. 246 f.)

So löste beispielsweise das Reframing meiner Freundin zu meinem Stimmverlust die Versöhnungsphysiologie in mir aus; denn dieses Reframing bewirkte in mir volle Zustimmung und Erleichterung. Es stimmte mich mit mir und meinem Schicksal wieder versöhnlich, was nach Thies Stahl ein Indikator für ein geglücktes Reframing ist

Dieses treffende und stimmige Reframing ist hier mein Thema im Gegensatz zu beliebigen Umdeutungen. Um den Aspekt zu betonen, daß ein solches Reframing Wachstumsmöglichkeiten in Zusammenhang mit dem im Menschen angelegten Potential ansspricht (s. Bsp. Singstimmenverlust), spreche ich öfter von POTENTIALFÖRDERNDEM Reframing

Was löst nun z. B. derartige Reframingprozesse aus?

Eine Antwort, die ich auf diese Frage fand, lautet: „Z. B. Lösungen zweiter Ordnung!“ Im anschließenden 1. Kaptiel geht es mir daher darum, Ihnen die „Lösung zweiter Ordnung“ näherzubringen und ihre Auslösefunktion für Reframingprozesse anhand von Beispielen herauszustellen

Anhand dieser Beispiele und Erörterungen möchte ich auch bewußt machen, wie Reframingprozesse in den Vollzug des täglichen Lebens integriert sind

1. KAPITEL: LÖSUNG ZWEITER ORDNUNG UND REFRAMING ODER WEGE ZU NEUEN SICHTWEISEN / PERSPEKTIVEN / ANSICHTEN

1.1. Lösungen zweiter Ordnung als Sprung aus Fehllösungen und Reframing als Sprung aus alten Denkmustern

„Wir sehen nun etwas anderes und können nicht mehr naiv weiterspielen.“

Wittgenstein

(L. Wittgenstein zit. n. P. Watzlawick, u. a., 1992, S. 124)

Mit diesem Aphorismus hat der Philosoph L. Wittgenstein (1889-1951) meiner Meinung nach eine treffende Beschreibung des Reframings gegeben

Doch diesen Satz ziehen P. Watzlawick, J. Weakland und R. Fisch zur Beschreibung ihrer so benannten „Lösung zweiter Ordnung“ heran

Das heißt für mich, daß die Struktur von Reframing und Lösungen zweiter Ordnung sich sehr ähnlich sein müssen, und war für mich Anlaß, diesem Zusammenhang auf den Grund zu gehen. Dazu ist es erst einmal notwendig zu verstehen, was mit Lösung zweiter Ordnung gemeint ist

1.1.1. Was ist nun eine Lösung zweiter Ordnung?

Zur Beantwortung dieser Frage erachte ich es für notwendig, Ihnen einige theoretische Vorüberlegungen P. Watzlawicks und seiner Co-Autoren darzulegen, die ich anhand eines sich anschließenden Beispiels („AGORAPHOBIKER“, s. S. 21 ) veranschaulichen werde

P. Watzlawick und seine Co-Autoren beschäftigten sich mit der Frage, warum einige Lebensprobleme überraschend gelöst werden, während andere sich zur Unlösbarkeit verkomplizieren. Bei der Beantwortung dieser Frage kamen sie zu dem Schluß, daß Probleme sich verkomplizieren, solange an einer unangemessenen Lösung, einer sogenannten Fehllösung oder Lösung erster Ordnung - wie sie diese Lösungen nannten (vgl. P. Watzlawick u.a, 1992, S. 51 ff.) - festgehalten wird. Sobald eine Lösung gefunden wird, die sich gegen die Fehllösung richtet - denn diese führt ja keine Lösung (Fehl-lösung!) herbei, sondern erhält das Problem - kann das Problem überraschend gelöst werden. Diese adäquate, sich gegen die Fehllösung richtende Lösung nannten sie Lösung zweiter Ordnung

Zur Veranschaulichung ein Beispiel, daß Fehllösung und Lösung zweiter Ordnung enthält. Anschließend erkläre ich anhand des Beispiels das Wesen der Lösung zweiter Ordnung noch eingehender, um dann dessen Bedeutung für Reframingprozesse herauszustellen

1.1.1.1. Wie einer sich unverhofft am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog Beispielname: „AGORAPHOBIKER“

Ein unverheirateter Mann mittleren Alters führte ein zurückgezogenes Leben. Er litt an Agoraphobie[2]. Dadurch verkleinerte sich dauernd sein angstfreies Territorium, so daß es ihm schließlich nicht nur unmöglich war, seiner Arbeit nachzugehen, sondern er fand sich auch von seiner unmittelbaren Nachbarschaft und damit von den alltäglichsten Erledigungen und Einkäufen abgeschnitten. Jeder Versuch jedoch, die immer enger werdende Einkreisung zu sprengen, führte zu buchstäblicher Todesangst. Schließlich entschloß er sich in seiner Verzweiflung Selbstmord zu verüben, stieg in seinen Wagen und fuhr 50 km zu einem Aussichtsberg los - überzeugt, daß schon nach kurzer Fahrt ein Herzschlag oder dergleichen seinem Leben ein Ende setzen würde

Zu seinem unbeschreiblichen Erstaunen kam er nicht nur lebend auf dem Berggipfel an, sondern fand sich zum ersten Mal seit Jahren angstfrei. Die Phobie kehrte in den letzten acht Jahren nicht nur nicht zurück, sondern es gelang ihm auch, anderen schwer phobischen Patienten mit seinen Erfahrungen zu helfen. (P. Watzlawick, u.a., 1992, S. 102 f.)

1.1.1.2. Auswertung des Beispiels oder Zwei grundverschiedene Formen des Wandels: Lösungen erster und zweiter Ordnung

Das oben angeführte Beispiel des Agoraphobikers enthält „zwei grundverschiedene Formen des Wandels“ wie P. Watzlawick und seine Co-Autoren es formulieren, nämlich den Wandel erster und den Wandel zweiter Ordnung

Der Wandel erster Ordnung meint den Wechsel von einem internen Zustand eines Systems zu einem anderen Zustand innerhalb des sich selbst gleichbleibenden Systems. (ebd., S.29 f.)

Bezogen auf mein Beispiel ist es eine Lösung erster Ordnung, daß der Mann seit Jahren sein angstfreies Territorium im Visir hatte und es verkleinerte, sobald er irgendwo, z. B. im Supermarkt, Angst bekam und diesen Platz dann mied

Sein sich gleichbleibendes System lautet: Nur innerhalb eines bestimmten Territoriums kannst du angstfrei leben. Verläßt du es, geschieht Dir etwas Schlimmes (Todesangst). Sobald Du irgendwo Angst bekommst, vermeide diesen Platz, d. h. verkleinere Dein Territorium. Wenn Du wieder irgendwo Angst bekommst, verkleinere wiederum dein Territorium. Angstbewältigung gelingt nur, indem ich mein Territiorium verkleinere

Dieses Denksystem verläßt er nicht, auch wenn sich sein Territorium mal wieder verkleinert, denn diese Veränderung ist eine Veränderung erster Ordnung . Sie ist im bestehenden Denksystem enthalten und verändert nicht das Denksystem selbst

Ein Wandel zweiter Ordnung hingegen ist dann gemeint, wenn der Wechsel das System selbst verändert. Der Wechsel zweiter Ordnung ist ein SPRUNG aus dem ursprünglichen Bezugssystem. MAN SPRINGT AUS DEM BESTEHENDEN BEZUGSSYSTEM HERAUS, SO DAß DESSEN PRÄMISSEN UND REGELN NICHT MEHR GELTEN. (vgl. ebd., S. 30, S. 42 ff., S. 99 ff.)

Dieser SPRUNG aus dem ursprünglichen Bezugssystem geschah als der „Agarophobiker“ sich einfach ins Auto setzte und losfuhr und ihm nichts geschah. Dieses Ereignis machte ihn aus seinem vorherigen Denksystem hinausspringend, denn er hatte sein angstfreies Territorium verlassen, ja sogar beträchtlich vergrößert. Ihm war nichts geschehen im Gegenteil. Diese Regel kam in seinem ursprünglichen Denksystem nicht vor,er war diesem Denksystem, dem Bezugssystem der Fehllösung oder Lösung erster Ordnung entsprungen

Die eine Veränderung (Lösung erster Ordnung) findet also innerhalb eines bestimmten Systems statt, das selbst unverändert bleibt, während das Eintreten der anderen (Lösung zweiter Ordnung) das System selbst verändert. Dazu ein weiteres Beispiel:

Wer einen Alptraum hat, kann in seinem Traum alles mögliche versuchen: fliehen, sich verstecken, sich wehren oder aus dem Fenster springen. Diese Veränderungen wären Veränderungen erster Ordnung innerhalb des Systems. Doch führt bekanntlich kein Wechsel von einem dieser Verhalten zur Lösung des Alptraumes. Die Lösung liegt im Wechsel vom Träumen zum Wachen. Erwachen ist aber nicht mehr ein Element des Traumes, sondern eine Veränderung zu einem vollkommen anderen Zustand. Erwachen ist hier also die Lösung zweiter Ordnung, der SPRUNG AUS DEN REGELN DES VORHER GELTENDEN SYSTEMS. (vgl. ebd., S. 29)

Soviel zu der Unterscheidung von Lösung erster und zweiter Ordnung. Im anschließenden Abschnitt mache ich Sie mit meiner Quintessenz aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen über Lösungen zweiter Ordnung und Reframingprozessen bekannt:

1.1.2. Meine Quintessenz aus dem bisher Gedachten oder Lösungen zweiter Ordnung als Auslöser von Reframingprozessen

Im Beispiel des „Agoraphobikers“ heißt es, daß er ausgelöst durch dieses Ereignis (das Aufgeben seiner Lösung erster Ordnung) von seiner Phobie befreit wurde und er darüber hinaus anfing, anderen schwer phobischen Patienten mit seinen Erfahrungen zu helfen. (vgl. ebd., S. 103)

Aus diesen für den Mann resultierenden Konsequenzen schließe ich, daß in ihm ein tiefgreifender Reframingprozeß durch die „zufällig“ und aus reiner Verzweiflung ergriffene Lösung zweiter Ordnung ausgelöst wurde:

Er machte sich bewußt von welchen Prämissen und Denkannahmen seine ursprünglichen Lösungsversuche ausgegangen waren, und welches Bezugssystem der schließlich hilfreichen Lösung zugrundelagen. Für ihn galt nun nicht mehr, je mehr Angst ich habe, desto mehr muß ich mich zurückziehen. Er ließ zu, daß diese Auffassung durch das Ereignis zum Aussichtsturm zu fahren (die aus Verzweiflung gewählte Lösung zweiter Ordnung), DIE VORHER VON IHM AUFGESTELLTE „LOGIK“ bezüglich seiner Art von Angstbewältigung in Frage stellte und sich reframte. Es reframte sich seine Ansicht über diese Art der Angstbewältigung, bzw. seine Auffassung über angemessene Lösungsverhalten bezüglich phobischer Problemlagen. Der Sprung auf der Erfahrungsebene (Sprung von Lösung erster Ordnung zur Lösung zweiter Ordnung) löste einen Sprung in seinen Bewußtseins- und Bedeutungsinhalten; d.h. lösten einen Reframingprozeß aus

Indem er den „zufälligen“, und aus Verzweiflung ergriffenen Sprung aus der Lösung erster Ordnung bewußtseinsmäßig nachvollzog, kam sein Reframingprozeß in Gang. Den auf der Ereignisebene vollzogenen Sprung (Lösung zweiter Ordnung), vollzog er analog auf der Bewußtseinsebene, denn er hatte eine alte Denkzuordnung aufgegeben, was einen Reframingprozeß beschreibt

Diese „zufällig“ gefunde Lösung zweiter Ordnung, die das Leben ihm unerwartet „zugespielt“ hatte, war der Auslöser eines tiefgreifenden und ebenso unerwarteten Reframingprozesses

1.1.3. „Gesunder Menschenverstand“, Logik und der Quantensprung

P. Watzlawik, J. Weakland und R. Fisch beobachteten, daß, so wie sie sich ausdrücken, „gesunder Menschenverstand“ und Logik scheitern, während „unlogische“ und unvernünftige Maßnahmen zur erhofften Lösung führen. (vgl. ebd., S. 10 f.)

Auch im Beispiel des „Agoraphobikers“ - so die Autoren - scheiterte Logik und „gesunder Menschenverstand“. Er wandte eine Lösung erster Ordnung an. Da sie seine Angst nicht linderte, wandte er das „mehr desselben“- Rezept an, sprich mehr Verweilen im immer kleiner werdenden angstfreien Territorium. (vgl. ebd., S. 51 ff.) Aus seiner Sicht war diese Lösung eine VERNÜNFTIGE und LOGISCHE Lösung. Erst als er es seinem „gesunden Menschenverstand“ entgegen aufgibt, sein Problem durch mehr Verweilen in seinem angstfreien Territitorium zu lösen, löst dieses Aufgeben des Lösungsversuches erster Ordnung das Problem

Dieses Aufgeben des Lösungsversuches erster Ordnung ist eine Lösung zweiter Ordnung. Dieses Beispiel macht besonders deutlich, daß die versuchte Lösung die ursprüngliche Schwierigkeit erhielt und sogar verschlimmerte (schließlich faßte er Selbstmordabsichten!), also das Problem ist

Mit „GESUNDEM MENSCHENVERSTAND“ und „LOGIK“ meinen die Autoren Watzlawick, J. Weakland, R. Fisch Lösungen erster Ordnung , die mit äußerster Beharrlichkeit („mehr-desselben“-Rezept) angewendet werden, wo aber nur eine Lösung zweiter Ordnung eine angemessene Lösung darstellt. Diese wird aber wie oben angeführt, aus der Sicht der Lösung erster Ordnung als UNLOGISCH, TODBRINGEND oder KATASTROPHAL bewertet

P. Watzlawick, J. Weakland, R. Fisch sind der Meinung, daß eine Veränderung zweiter Ordnung, nur aus der Perspektive der Veränderung erster Ordnung, also von den Regeln und Prämissen von innerhalb des Systems aus gesehen, unerwartet und unlogisch erscheint. (vgl. ebd., S. 42 f. ) Diese Feststellung erscheint mir außerordentlich wichtig, weil sonst der Eindruck erweckt wird, stimmige, adäquate Lösungen, die Lösungen zweiter Ordnung, die zur Auflösung der Problemlage führen, seien an sich paradox und „unlogisch“. Das sind sie jedoch nur von innerhalb der Ursrungssystems, von den Denkprämissen der Lösung erster Ordnung aus betrachtet. Eine Lösung zweiter Ordnung ist von außen betrachtet (von außerhalb der Regeln des Systems, das für die Lösung erster Ordnung gilt) dem Problem ja a d ä q u a t , entsprechend und angemessen und führt daher zur zufriedenstellenden Lösung, ist erfolgreich, so daß ein Ausweg gefunden wird

An dieser Stelle möchte ich betonen, daß die Autoren durchaus der Meinung sind, daß Logik und Lösungen erster Ordnung nicht ausgezeichnete Ergebnisse bei der Lösung von Problemen darstellen. Lösungen erster Ordnung sind natürlich in vielen Zusammenhängen berechtigt, adäquat, notwendig, ja lebensnotwendig.Sie müssen sich nur auf einen adäquaten Zusammenhang beziehen. Dazu ein Beispiel: Wenn es im Winter z. B. kalt ist, ziehen wir uns wärmer an. Wird es noch kälter, ziehen wir uns noch wärmer an. Wird es abermals kälter, wird „mehr desselben“, sprich mehr derselben bereits versuchten Lösung wohl zum Erfolg führen. (vgl. ebd. S. 58)

Doch das oben angeführte Beispiel (Agoraphobiker) weist auf die Erfahrung hin, daß der Weg der Logik und der Vernunft an der falschen Stelle angewandt, auch schnurstraks zu Schwierigkeiten führen kann, und wie ein Reframingprozeß den Weg dieser „Logik“ in Frage stellt.

Anschließend möchte ich auf den oben schon öfter erwähnten SPRUNG aus den Regeln, Glaubenssätzen und Prämissen der Lösung erster Ordnung eingehen, der schließlich die Lösung zweiter Ordnung kreiert und so auch Reframingprozesse initiiert

1.1.3.1. Der SPRUNG aus den Regeln, Glaubenssätzen und Prämissen der Lösung erster Ordnung

Das Eintreten einer Veränderung zweiter Ordnung wird nach P. Watzlawik, J. Weakland und R. Fisch meist als etwas Unwillkürliches, Unbegreifliches gesehen als eine Art

QUANTENSPRUNG,

eine plötzliche Erleuchtung, die unerwarteterweise nach langer oft entmutigender geistiger Anstrengung eintritt, manchmal in einem Traum, manchmal fast als „EIN AKT DER GNADE IM THEOLOGISCHEN SINNE“. (vgl. ebd., S. 42) Dieser unerwartete Quantensprung löst dann ebenso unerwartete Reframingprozesse aus, denn es werden neue Bedeutungszusammenhänge erkannt.

Das anschließende Beispiel („Die Lösung zweiter Ordnung beim Pauken für eine Mathearbeit“, s. S. 29) ist ein Beispiel dafür, wie sich ein solcher Sprung nach entmutigender; geistiger Anstrengung vollziehen kann

1.1.3.2. Die Alltäglichkeit des Quantensprungs

Gleichzeitig ist dieses Beispiel ein sehr alltägliches Beispiel und soll die Aussage des obenbenannten Autorenteams belegen, daß spontane Veränderungen zweiter Ordnung nicht nur nicht unmöglich, sondern sehr ALLTÄGLICH sind. Wir alle finden oft neue zweckmäßige Lösungen in verschiedenen Lebenslagen. (vgl. ebd., S. 42). Diese Feststellungen empfinde ich als außerordentlich wichtig. Wir vollziehen diese Quantensprünge oft in unserem Leben, ohne daß wir uns dessen bewußt sind. Mir ist es ein Anliegen, Ihre Aufmerksamkeit auf diesen WUNDERBAREN Vorgang zu lenken:

1.1.3.3. Der göttliche Funke

Er findet sich sowohl in unseren alltäglichen Lösungen, wie das Beispiel „Mathepauken“ (s. S. 29) belegen soll, als auch im Bereich der GENIALEN Erfindungen:

Wissenschaftliche Entdeckungen, geniale Erfindungen, wie künstlerisches Schaffen beruhen geradezu auf dieser ART von SPRUNG aus dem bisherigen BEZUGSRAHMEN. So z. B. soll Albert Einstein einmal zugegeben haben, daß er die Eingebung zu seiner Relativitätstheorie nicht im gewohnten Bezugsrahmen Labor bekam, sondern nachts in seinem Bett im Traum. Arthur Koestler hat in seinem Buch „Der göttliche Funke“ eine enzyklopädische Sammlung von Beispielen für dieses Phänomen zusammengetragen und dafür den Ausdruck „Bisoziation“ eingeführt

Er versteht darunter „das plötzliche Aufblitzen einer Erkenntnis, die eine an sich vertraute Situation oder Begebenheit in einem anderen Licht zeigt und eine neue Einstellung zu ihr hervorruft.“(A. Koestler zit. n. P. Watzlawick, u. a. , 1992, S. 42). Genau das geschieht meiner Meinung auch beim Reframing. Wir haben eine plötzliche Erkenntnis, ein Aha-Erlebnis, es zündet der göttliche Funke im Großen oder im Kleinen. Beim nun folgenden Beispiel entzündete sich ebenfalls dieser berühmte Funken in meiner Alltäglichkeit: Ich kam - in den Worten P. Watzlawicks - zu einer Lösung zweiter Ordnung, die einen Reframingprozeß bezüglich meines Lernverhaltens auslöste

1.1.3.4. Die Lösung zweiter Ordnung beim Pauken für eine Mathearbeit oder Eine „unlogische“ Lösung führt zum Erfolg und setzt einen Reframingprozeß in Gang Beispielname: „MATHEPAUKEN“

Die Erfahrungen, die ich machte, als ich in der Oberstufe für die nächste Matheklausur lernte, können als weiteres Beispiel für das oben Gesagte über das Wesen der Lösung zweiter Ordnung angeführt werden. Außerdem möchte ich mittels dieses Beispiels verdeutlichen, wie Lösungen zweiter Ordnungen Reframingprozesse initiieren

Ich erzielte in Mathematik durchschnittliche Leistungen. Während ich während wir den Stoff durchnahmen eine gelassene Haltung beibehielt, brach ca. 3 - 4 Tage vor der Klausur in mir die Panik aus. Ich wollte auf keinen Fall unter die durchschnittlichen Leistungen abrutschen. Dies würde jedoch mit Sicherheit geschehen, wenn von nun an nicht gepaukt würde. In diesem Fach durfte nichts dem Zufall überlassen werden. Das waren meine Ansprüche

Also fing ich an, alle möglichen durchgenommenen Gleichungen und Konstruktionen nachzurechnen. Nach ca. dreiviertel der verstrichenen Zeit, also vielleicht einen oder zwei Tage vorher geriet ich an eine Gleichungsart, die ich nicht auflösen konnte. Ich fing an, alle möglichen Lösungsversuche auf diese Gleichung anzuwenden. Aufgrund der großen Anspannung aber „ging nichts“. Ich wandte das „mehr desselben“-Rezept an. In meinem Denksystem galten die Regeln:

- Sei hartnäckig!
- Rechne alle gemachten Aufgaben durch. Bleibe dran . Keine Zeit verlieren
- Wenn du auf Schwierigkeiten triffst, mach’ weiter. Gib nicht auf!
- Löse dich auf keinen Fall einen Zentimeter von Aufgabe und Schreibtisch, es sei denn, um eine FreundIN anzurufen, die die Lösung auch nicht kennt
- Wenn du in deinen Bemühungen, wie hier beschrieben nachläßt, wirst du übermorgen scheitern, denn dreiviertel dieser Klassenarbeit wird mit dem Typ dieser Aufgabe gespickt sein

Irgendwann kippte die Anspannung und Verzweiflung in ein Aufgeben um. Ich war überzeugt, daß ich die Lösung nicht finden würde und Untergangsgefühle machten sich breit, weil ich aufgab, ohne die Lösung gefunden zu haben

Jetzt war ja sowieso alles egal. Jetzt konnte ich ja auch mit meiner Familie zu Abend essen. Wie konnten die es nur wagen, eine derartige Gelassenheit auszustrahlen. Ich erzählte ihnen, daß die nächste Matte wohl bestenfalls eine fünf werden würde, was mir keiner glauben wollte. Für mich war die Sache klar. Die hatten ja keine Ahnung, die Glücklichen. Meine Oma war in solchen Fällen immer ein Trost. Ich hatte ja das Spiel verloren

Ich wurde am nächsten Morgen wach und noch bevor ich die Augen aufschlug, wußte ich den Lösungsweg dieser „verfluchten Gleichung“

1.1.3.4.1. Auswertung dieses Beispiels

Auch dieses Beispiel zeigt, daß die versuchte Lösung erster Ordnung mit den oben aufgeführten Denkprämissen, die dem „mehr desselben“-Prinzip, nämlich hier „Pauke mehr und mehr, ansonsten wirst du scheitern!“ das eigentliche Problem war. Was schließlich zur Lösung im wahrsten Sinne des Wortes (Lösung - enthält lösen- sich von etwas lösen) führte, war das Aufgeben dieses ursprünglichen Lösungsversuches erster Ordnung, das Sich-Lösen von der Lösungsstrategie erster Ordnung und der in ihr enthaltenen Glaubenssätzen und Prämissen, nämlich „Pauke mehr und mehr!“

Das Aufgeben dieses Lösungsversuches erster Ordnung war eine Lösung zweiter Ordnung, ein Sprung aus den Implikationen der Lösungen erster Ordnung

Vom Denksystem der Lösung erster Ordnung aus betrachtet war es doch völlig unlogisch in dieser Situation das Pauken aufzugeben, mich mit meiner Familie zu amüsieren und sogar schlafen zu gehen. Dennoch führte diese Lösung, die aus dem Denksystem meiner ersten Lösung als völlig unlogisch erschien, und ein derartiges Verhalten als Katastrophe für das Lernergebnis bewertete, zum unerwarteten Erfolg. Entgegen meinen Erwartungen und Bewertungen stellte das Loslassen von meinen bisherigen Lernprinzipien die adäquate Lösung dieser Situation dar

Meine Auffassung von erfolgreichem Lernverhalten, die durch die Prämissen der Lösung erster Ordnung (s. o.) repräsentiert war, erfuhr einen BEDEUTUNGSWANDEL, wurde in einen neuen weiteren Rahmen gestellt, reframte sich: Sah ich Lernen vorher nur im Kontext „mehr desselben“, also länger und mehr am Schreibtisch sitzen, sich keine genußvollen Pausen zu gönnen, bedeutet Lernen; so sah ich jetzt auch daß „nicht lernen“ im Kontext Lernen. Mein „nicht lernen“ unterstützte meinen Lernprozeß und wurde von mir im Kontext meines Lernprozesses gesehen, vorher hingegen sah ich mein Nicht-Lernen als Sabotageakt meines Lernprozesses

So initiierte die unerwartet gefundene Lösung zweiter Ordnung einen ebenso unerwarteten und tiefgreifenden Reframingprozeß bezüglich meiner Arbeitsauffassung

1.1.4. Zusammenfassung der Charakteristik der „Lösung zweiter Ordnung“ nach P. Watzlawick, J.Weakland und R. Fisch und ihr Zusammenhang mit Reframingprozessen

1. Lösungen zweiter Ordnung werden auf Lösungen erster Ordnung angewandt, wo diese nicht nur keine Lösung herbeiführen, sondern selbst das zu lösende Problem sind. (vgl. ebd., S. 105)

2. Während sich Lösungen erster Ordnung meist auf den gesunden Menschenverstand gründen, z. B. auf das „mehr-desselben“ - Rezept (s. „Agoraphobiker“: „Je mehr ich mein Territitorium verkleinere und in ihm verweile, desto weniger Angst habe ich), scheinen Lösungen zweiter Ordnung häufig absurd, unerwartet und vernunftswidrig. Sie sind ihrem Wesen nach und aus der Sicht der Prämissen, die für die Lösung erster Ordnung gelten, überraschend „unlogisch“ und paradox. (vgl. ebd.)

3. Lösungen zweiter Ordnung heben die zu lösende Situation aus dem Teufelskreis heraus, in den sie die beisherigen Lösungsversuche geführt haben und stellen sie in einen neuen, weiteren Rahmen. (vgl. ebd.)

Besonders aus Punkt 3 geht meiner Meinung nach die Verbindung zum Reframing hervor: Lösungen zweiter Ordnung stellen die zu lösende Situation in einen neuen, weiteren Rahmen, so daß wir - mit Wittgenstein gesprochen - nun etwas anderes sehen und nicht mehr naiv weiterspielen können, d. h. daß sich Bedeutungen, Ansichten, Sichtweisen in uns umstrukturieren oder anders ausgedrückt, daß ein Reframingprozeß in Gang gekommen ist

Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen in diesem Abschnitt zu veranschaulichen, daß Lösungen zweiter Ordnung Reframings in uns initiieren können

Im folgenden Abschnitt 1.2. vermittele und veranschauliche ich Ihnen das ARCHETYPISCHE Wesen von Lösungen zweiter Ordnung und Reframing

Zuerst folgen aber noch einige Aufgaben, mit deren Hilfe Sie Ihren bisherigen Lernprozeß vertiefen können:

AUFGABE:

Um die bis hierher angebotenen Lerninhalte aktiv verarbeiten zu können, bitte ich Sie auf der gegenüberliegenden Seite eine Lernskizze zu erstellen. Dazu lesen Sie bitte

Martins, Klaus-Dieters und Carls Anleitung zum Erstellen von Lernskizzen

Sie finden diesen Leitfaden als Anlage 2 im Anhang

Mit Hilfe dieser „ effektiven Visualisierungs- und Strukturierungshilfe “ werden Sie die dargebotenen Sachverhalte vollends durchdringen. Damit sind Sie bestens gerüstet für die folgende Lernaufgabe und den sich anschließenden Punkt 1.1.5., in dem Sie anhand von Fragen zum Stoff Ihr bereits erworbenes Wissen überprüfen können

AUFGABE:

Auf der Grundlage dieser in der vorangegangenen Aufgabe enthaltenen Wiederholung werten Sie bitte das bis hierher Gelesene mit Hilfe der PMF-METHODE aus

Lesen Sie dazu bitte erst den Leitfaden zur PMF-Methode, den Sie im Anhang in Anlage 5 finden

Mit Hilfe dieser Methode vertiefen Sie Ihren Kontakt zu dem Gelesenen. Die Methode fördert Ihre Auseinandersetzung mit dem Stoff. Außerdem werden Sie sich der Prozesse, die durch das Gelesene in Ihnen ausgelöst werden, bewußt, indem Sie in P, M und F unterteilen. Diese Methode verhilft Ihnen zu einer eigenen kritischen Meinungs- und Standortbestimmung und unterstützt Ihren Lernprozeß

Schenken Sie besonders dem F-Punkt genügend Aufmerksamkeit, weil gerade diese Fragen die Chance vermitteln, andere unerwartete, naheliegende Richtungen des Denkens zu erkennen oder zu beachten, denn sie stehen evtl. außerhalb eines Sicht-, Erlebens- oder Bezugsrahmens. Das heißt gerade der F-Punkt kann Ausdruck eines Reframingprozesses sein.

Tragen Sie die Punkte zu P, M, F in folgender Info-Box ein:

Info-Box

!

Fortsetzung Info-Box

!

1.1.5. Überprüfung des Gelesenen

Durch die Beantwortung der nun folgenden Fragen werden Sie sich Ihrer bereits erworbenen Kompetenzen bewußt

Falls Sie eine Frage nicht direkt beantworten können, haben Sie Vertrauen und schlagen Sie nochmals im Text nach

Vergegenwärtigen Sie sich, daß es beim Beantworten der Fragen nicht um eine Auswertung der Prüfung oder Notengebung geht

Diese Fragen sind für Sie da! Sie sind dazu da, damit Sie für sich einen Lernerfolg feststellen können!

Viel Erfolg!

1. Nennen Sie die Definitionsgrundlage dieses Leittext-Lern-Paketes für Reframing!
2. Was bedeutet „Versöhnungsphysiologie“ im Zusammenhang mit Reframing?
3. Th. Stahl unterscheidet zwischen Umdeutung und Reframing
Worin besteht der Unterschied zwischen einer Umdeutung und einem Reframing?
4. Was meint die Autorin mit „potentialförderndem Reframing“?
5. Was nennt man eine Lösung zweiter Ordnung?
6. Lösungen zweiter Ordnung können Reframingprozesse auslösen
Was ist damit gemeint?
Geben Sie ein Beispiel aus der vorliegenden Arbeit oder ein eigenes!
7. Was meint die Autorin mit „die Alltäglichkeit des Quantensprungs“?

***

Sehr gut! Auch die nun folgende Übung hilft Ihnen nach starker intellektueller Inanspruchnahme durch das Lesen, Ihre beiden Gehirnhälften besser zu integrieren. Danach „tauchen“ Sie in den nächsten Abschnitt 1.2. „ein“

ÜBUNG:

Lassen Sie das Mandala auf der folgenden Seite auf sich wirken und malen Sie es aus. Sie haben einmal die Möglichkeit mit Farben Ihrer Wahl zu malen oder alternativ vorwiegend Farbkombinationen mit GELB und GOLD zu wählen. Gelb-gold-Töne fördern nach V. Wall, innovative, englische Farbtherapeutin und Entwicklerin der Aura-Soma-Farbtherapie die Wissensaufnahme. (vgl. V. Wall, 1993, S. 124; I. Dalichow, u. a., 1994, S. 55, S. 86 f.) Da in diesem ersten Kapitel sehr viel Wissen auf Sie „niederprasselt“, empfinde ich diese Farben (gelb und gold) für den Prozeß der Wissensaufnahme und -verarbeitung wie Wissensaktivierung als unterstützend und hilfreich. Sie können auch beide Varianten, eigene Farbkombinationen und Kombinationen mit Gelb, ausführen; denn ich habe das entsprechende Mandala für diesen Zweck zweimal abgedruckt. Dazu wünsche ich viel Vergnügen und das Erfrischen Ihres Geistes !

MANDALA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Mandala (aus R. Dahlke, o. J.)

MANDALA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Mandala (aus R. Dahlke, o. J.)

1.2 Lösung zweiter Ordnung und Reframing als Wege zum SELBST

oder

Das archetypische[3] Wesen der Lösung zweiter Ordnung und des Refra-
mings

„Was ist dein Ziel in der Philosophie? -

„Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“

Wittgenstein

(L. Wittgenstein, zit. n. P. Watzlawick, u. a., 1992, S. 99)

Wir sahen Lösungen zweiter Ordnung beinhalten oft ein „unlogisches“, dem „gesunden Menschenverstand“ widersprechendes Denken und schaffen doch oft den lang ersehnten Ausweg aus einer Problemlage. Sie weisen den Ausweg aus dem Fliegenglas, um mit Wittgenstein zu sprechen

P. Watzlawik, J. Weakland und R. Fisch behaupten, daß die so unerwartet und oft verblüffende Lösung zweiter Ordnung archetypisch sei. Sie drücke sich immer wieder in Mythen, Märchen und Träumen aus. (vgl. ebd., S. 11). Ähnliches sagt Th. Stahl über Reframing:

„Reframing ist nicht neu. Viele Fabeln und Märchen berichten von Ereignissen oder Verhaltensweisen, die ihre Bedeutung veränderten, als der Rahmen um sie herum wechselte. Das aus der Reihe fallende Küken scheint ein häßliches Entlein zu sein, aber es erweist sich als Schwan - viel schöner als die Enten, mit denen es sich verglichen hat.“ (Th. Stahl in Bandler, R., u. a., 1990, S. 14)

Ich kann diesen Behauptungen zustimmen, denn auch ich bin der Meinung, daß Lösungen zweiter Ordnung und Reframings Phänomene sind, die uns allen vertraut sind. Sie sind uns nicht fremd. Wir vollbringen derartige Lösungen und Reframingprozesse täglich. Sie sind so alt wie die Menschheit selbst und kommen daher auch in Märchen und Mythen zum Ausdruck

Im folgenden möchte ich Ihnen den archetypischen Charakter Lösungen zweiter Ordnung oder des Reframings anhand eines Märchens näherbringen. Dieses Märchen beschreibt meiner Meinung nach den Prozeß des Findens der Lösung zweiter Ordnung und eines hierdurch initierten Reframingprozesses in symbolischer Form

Gleichzeitig möchte ich anhand des Märchens zeigen, wie Reframings, hier ausgelöst durch eine Lösung zweiter Ordnung im Dienste unserer Selbstwerdung oder Ganzwerdung stehen können, d. h. uns mit unserem SELBST, mit unserem Potential in Kontakt bringen können

Bevor ich zum Märchen selbst und der anschließenden Auswertung im Hinblick auf mein Thema komme, will ich Ihnen im folgenden Abschnitt die Begriffe SELBSTWERDUNG oder GANZWERDUNG, POTENTIAL und SELBSTVERWIRKLICHUNG näherbringen

1.2.1. Über Selbstwerdung, Ganzwerdung, Heilung, Wesenskern, Potential, Selbstverwirklichung

„Werdet vollkommen, wie eurer himmlischer Vater vollkommen ist.“

Jesus Christus

(Christus zit. n. G. Blau, 1989 b, S. 112)

„Wir leben um ein möglichst großes Maß an geistiger Entwicklung und an Bewußtwerdung zu erreichen. So lange das Leben irgendwie auch nur im geringsten Maße möglich ist, sollte man daran festhalten, um es zum Zwecke der Bewußtwerdung auszuschöpfen."

Carl Gustav Jung

(C. G. Jung zit. n. V. Kast, 1993, S. 61)

Ich gehe in diesem Leittext-Lern-Paket davon aus, daß wir alle bewußt oder unbewußt danach streben, unser SELBST zu verwirklichen, unser POTENTIAL zu entfalten. Unser SELBST, der WAHRE WESENSKERN, möchte ins Leben gebracht werden

Daß wir zum Zwecke der VERWIRKLICHUNG des SELBST auf der Welt sind, glauben auch die Verfasser der vorangestellten Zitate C. G. Jung und Jesus Christus. C. G. Jung nannte den Prozeß der SELBSTWERDUNG und der Entwicklung zu immer größerer Bewußtheit INDIVIDUATION. (vgl. M.-L. v. Franz, 1988, S. 160 ff)

Von dieser Entwicklung hin zur Verwirklichung des SELBST erzählt auch das von mir ausgewählte Märchen (s. S. 46); denn im Märchen geht es darum, wie es dem „Protagonisten“ gelingt, König zu werden. Nach C. G. Jung wird das wahre SELBST u. a. oft im archetypischen Bild des Königs symbolisiert. (vgl. P. Waldrich, 1990, S. 112 und s. S. 44 dieser Arbeit); d. h. im Märchen wird uns gezeigt, wie man König wird oder das Märchen zeigt uns in symbolischer Form, wie das Selbst verwirklicht werden kann

Der Gedanke der SELBSTwerdung (bei C.G. Jung Individuation) verbindet C. G. Jung mit der spirituellen und mystischen Tradition sowie östlichen Religionen und vielen spirituellen, westlichen Lehren, bei denen wie bei C. G. Jung vom niederen und höheren SELBST die Rede ist

Folgendes Zitat des indischen Weisen Ramana Maharshi stellt die Beziehung zwischen höheren oder wahrem Selbst, niederem Selbst oder Ego und Selbstverwirklichung dar:

„Das wahre Selbst ist andauernd und unbeeinflußbar. Das...Ego gehört einer niedrigeren Ebene an, nämlich der Gedankenwelt. Sie wird durch Selbst-Verwirklichung transzendiert.“ (R. Maharshi zit. n. Ch. Griscom, 1989, S.12)

In einer krankmachenden Zivilisation lebend haben wir jedoch oft nur einen geringen Anteil unseres menschlichen, kreativen und wesensnahen POTENTIALS verwirklicht. Wir sind mit dem niederen oder falschen Ich, das oft nur die Fassade narzistischer Größenphantasien oder eine Außenseite, bzw Fassade ist, die wir meinen, anderen Menschen zuliebe zeigen zu müssen, identifiziert

Dieses falsche Ich muß überwunden oder transformiert werden, damit unser wahres SELBST zum Ausdruck kommen kann. Dieser Prozeß wird als GANZWERDUNG (Individuation) oder SELBSTVERWIRKLICHUNG verstanden. Jeder Schritt in Richtung Ganzwerdung ist ein Stück HEILUNG. (vgl. P. Waldrich, 1990 S. 109 ff.)

Das wahre SELBST wird oft in folgenden archetypischen Bildern symbolisiert: (vgl. ebd., S. 112)

Bild des Königs
Bild des Propheten
Bild des Helden
Bild des Steins der Weisen
Bild des Mandalas

1.2.1.1. Integration von verlorenem Bewußtsein durch Reframing

Ziel dieses Lebens ist also die Vervollkommnung unseres Wesens (z. B. nach C. G. Jung), d. h. der Integration des verlorenen Bewußtseins, daß wir König, reich, gut, heldenhaft, weise und kraftvoll sind, wie es sich in den oben angeführten Bildern ausdrückt

Die Integration des verlorenen Bewußtseins um unsere Schönheit, Güte, Kraft und Möglichkeit stellt eine BEWUßTSEINSERWEITERUNG dar. Diese Bewußtseinserweiterung ist ein Reframingprozeß in folgendem Sinne:

Verlorenes Bewußtsein wird wieder bewußt durch eine BewußtseinsERWEITERUNG, durch Sehen der eigenen, wahren Natur und eines größeren Zusammenhangs. Durch diese Rahmenerweiterung, durch diesen Reframingprozeß erfahre ich, daß ich mehr bin als ein ängstliches, vielleicht unfähiges Wesen oder ein falsches aufgebauschtes Ich. In derartigem Erkenntnis- und Transformationsprozessen erkenne ich tiefgreifende Reframingprozesse: Wesentliche UM-BEDEUTUNGEN werden erfahren

Von einer derartigen Rahmenerweiterung (Reframing) erzählt auch das nun folgende Märchen. Der Protagonist erfährt, daß er mehr ist als der „Dummling“ für den ihn alle halten. Sein Selbstbild reframt sich grundlegend in Hinblick auf seine SELBST-BEWUßTSEIN. Am Ende dieses vollzogenen Reframingprozesses wird er König

Bei dem Märchen handelt es sich um „Die drei Federn“ der Gebrüder Grimm. Im Märchen geht es darum, daß ein König drei Söhne hat, von denen der jüngste „Dummling“ heißt. Die drei Söhne bekommen vom König Aufgaben gestellt. Derjenige, der sie löst, wird König. Entgegen den allgemeinen Erwartungen und zum Erstaunen aller Beteiligten löst der Dummling die Aufgaben. Anders ausgedrückt: Die dumm erscheinende Lösung führt zum Erfolg

Es folgt nun das Märchen, das ich im Anschluß auf mein Thema hin ausdeute:

1.2.2. Das Gebrüder Grimm-Märchen „Die drei Federn“

„Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, davon waren zwei klug und gescheit, aber der dritte sprach nicht viel, war einfältig und hieß nur der Dummling. Als der König alt und schwach ward und an sein Ende dachte, wußte er nicht, welcher von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen: „Ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod König sein.“ Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, führte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft und sprach: „Wie die fliegen, so sollt ihr ziehen.“ Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber geradeaus und flog nicht weit, sondern fiel bald zur Erde. Nun ging der eine Bruder rechts, der andere ging links, und sie lachten den Dummling aus, der bei der dritten Feder, da wo sie niedergefallen war, bleiben mußte.

Der Dummling setzte sich nieder und war traurig . Da bemerkte er auf einmal, daß neben der Feder eine Falltüre lag. Er hob sie in die Höhe, fand eine Treppe und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Türe, klopfte an und hörte, wie es inwendig rief:

„Jungfer grün und klein,
Hutzelbein,
Hutzelbeins Hündchen,
Hutzel hin und her,
Laß geschwind sehen, wer draußen wär.“

Die Türe tat sich auf, und er sah eine große, dicke Itsche (Kröte) sitzen und rings um sie eine Menge kleiner Itschen. Die dicke Itsche fragte, was sein Begehren wäre. Er antwortete: „Ich hätte gerne den schönsten und feinsten Teppich.“ Da rief sie eine junge und sprach:

„Jungfer grün und klein,
Hutzelbein,
Hutzelbeins Hündchen
Hutzel hin und her,
Bring mir die große Schachtel her.“

Die junge Itsche holte die Schachtel, und die dicke Itsche machte sie auf und gab dem Dummling einen Teppich daraus, so schön und so fein, wie oben auf der Erde keiner konnte gewebt werden. Da dankte er ihr und stieg wieder hinauf.

Die beiden anderen hatten aber ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten, daß sie glaubten, er würde gar nichts finden und aufbringen. „Was sollen wir uns mit Suchen groß Mühe geben“, sprachen sie, nahmen dem ersten besten Schäfersweib, das ihnen begegnete, die groben Tücher vom Leib und trugen sie dem König heim. Zu derselben Zeit kam auch der Dummling zurück und brachte seinen schönen Teppich, und als der König den sah, erstaunte er und sprach: „ Wenn es dem Recht nach gehen soll, so gehört dem jüngsten das Königreich.“ Aber die zwei anderen ließen dem Vater keine Ruhe und sprachen, unmöglich könnte der Dummling, dem es in allen Dingen an Verstand fehlte, König werden, und baten ihn, er möchte eine neue Bedingung machen. Da sagte der Vater: „Der soll das Reich erben, der mir den schönsten Ring bringt“, führte die drei Brüder hinaus und blies drei Federn in die Luft, denen sie nachgehen sollten. Die zwei ältesten zogen wieder nach Osten und Westen, und für den Dummling flog die Feder geradeaus und fiel neben der Erdtüre nieder. Da stieg er wieder hinab zu der dicken Itsche und sagte ihr, daß er den schönsten Ring brauchte. Sie ließ sich gleich ihre große Schachtel holen und gab ihm daraus einen Ring, der glänzte von Edelsteinen und war so schön, daß ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte machen können. Die zwei ältesten lachten über den Dummling, der einen goldenen Ring suchen wollte, gaben sich gar keine Mühe, sondern schlugen einem alten Wagenring die Nägel aus und brachten ihn dem König. Als aber der Dummling seinen goldenen Ring vorzeigte, so sprach der Vater abermals: Ihm gehört das Reich.“ Die zwei ältesten ließen nicht ab, den König zu quälen, bis er noch eine dritte Bedingung machte und den Ausspruch tat, der sollte das Reich haben, der die schönste Frau heimbrächte. Die drei Federn blies er nochmals in die Luft, und sie flogen wie die vorigen Male.

Da ging der Dummling ohne weiteres hinab zu der dicken Itsche und sprach: „Ich soll die schönste Frau heimbringen.“ - „Ei“, antwortete die Itsche, „die schönste Frau! die ist nicht gleich zur Hand, aber du sollst sie doch haben.“ Sie gab ihm eine ausgehöhlte gelbe Rübe, mit sechs Mäuschen bespannt. Da sprach der Dummling ganz traurig: „Was soll ich damit anfangen?“ Die Itsche antwortete: „Setze nur eine von meinen kleinen Itschen hinein. „ Da griff er auf Geratewohl eine aus dem Kreis und setzte sie in die gelbe Kutsche, aber kaum saß sie darin, so ward sie zu einem wunderschönen Fräulein, die Rübe zur Kutsche und die sechs Mäuschen zu Pferden. Da küßte er sie, jagte mit den Pferden davon und brachte sie zu dem König. Seine Brüder kamen auch, die hatten sich gar keine Mühe gegeben, eine schöne Frau zu suchen, sondern die ersten besten Bauernweiber mitgenommen.

Als der König sie erblickte, sprach er: „Dem jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod.“ Aber die zwei ältesten betäubten die Ohren des Königs aufs neue mit ihrem Geschrei: „Wir können’s nicht zugeben, daß der Dummling König wird“, und verlangen, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen könnte, der da mitten in dem Saal hing. Sie dachten: „Die Bauernweiber können das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fräulein springt sich tot.“

Der alte König gab das auch noch zu. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch den Ring, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzweibrachen. Darauf sprang das schöne Fräulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang so leicht hindurch wie ein Reh, und aller Widerspruch mußte aufhören.

Also erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.“ (Gebrüder Grimm zit. n. U. Bogner, 1989, S. 186-190)

***

1.2.2.1. Deutung des Märchens in Hinblick auf das Entstehen der Lösung

zweiter Ordnung und das Wesen des hierdurch initierten Reframing-

prozesses, der zum SELBST führt

Das Märchen zeigt, daß die dumm erscheinende Strategien symbolisiert durch den Dummling („...und sie lachten den Dummling aus, der bei der dritten Feder, da wo sie niedergefallen war, bleiben mußte“. (a.a.O.)) schließlich zum Erfolg führen

Ich möchte dieses Märchen nun so interpretieren, daß ich davon ausgehen will, daß alle im Märchen vorkommende Personen Anteile und Bewegungen in uns selbst, IN unserer Person darstellen

Im Märchen geht es darum, daß man König wird und wie dies geschehen kann. In unserem Leben, so interpretiere ich analog, geht es ebenfalls darum, König zu werden und zwar in folgendem Sinne: Ich setze König mit unserem SELBST gleich, d. h. in unserem Leben geht es darum, das SELBST zu verwirklichen, König zu werden. Daher stellt uns das SELBST (hier König) eine Aufgabe, die wir erfüllen sollen. Wenn wir sie erfüllen, werden wir König oder ist unser SELBST verwirklicht. Das Märchen zeigt uns, welcher Weg das SELBST verwirklicht

Weg 1 und 2 sind die Wege des ersten und zweiten Königssohnes. Beide scheitern, obwohl sie so erscheinen als hätten sie bessere Chancen („...davon waren zwei klug und gescheit...“) als der Dummling (...“der dritte sprach nicht viel, war einfälltig und hieß nur der Dummling...“; „...Die beiden anderen hatten aber ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten,...“ (a.a.O.)

Weg 3 schließlich ist also der Weg des Königssohnes 3, des Dummlings. Dieser führt zum Erfolg, was hier bedeutet, daß dieser Weg der „Königsweg“ ist, denn auf diese Weise können die gestellten Aufgaben bewältigt werden, denn schließlich wird der Dummling König

Da ich das Märchen als Sinnbild für einen innerpsychischen Prozeß begreife, interpretiere ich analog, daß wir selbst also alle diese drei Anteile, Wege, Überzeugungen oder Lösungsstrategien symbolisiert durch die drei Königssöhne in uns tragen

Was kennzeichnet nun die einzelnen Wege?

1.2.2.1.1. Weg 1 und Weg 2

Weg 1 und 2 dargestellt durch die beiden älteren Königssöhne versprechen erfolgreiche Lösungen („...davon waren zwei klug und gescheit“ (a.a.O)). Sie erscheinen uns möglich und erfolgversprechend, da sie nicht dumm sind. In der Vergangenheit haben sich diese Söhne/Wege nicht dumm angestellt. Daher gehen wir auch in diesem Fall davon aus, daß sie auch in diesem Falle, bei der Lösung dieser nun gestellten Aufgaben, ein gutes Ergebnis erzielen werden

Für Weg 1 und 2 muß man sich in eine bestimmte Richtung (Osten/Westen) in Bewegung setzen und einen Weg zurücklegen, von A nach B, von B nach C und so weiter. Man folgt den Gesetzen der Logik, des Verstandes im Gegensatz zum Dummling, dem, wie es aus der Sicht von Weg 1 und 2 erscheint, „es in allen Dingen an Verstand fehlte,...“. Obwohl sich die Wege 1 und 2 in diametral entgegengesetzte Richtungen bewegen (Osten/Westen), bringen sie diegleichen und unbefriedigende und minderwertige Ergebnisse: Beide bringen die groben Tücher vom Leib des erst besten Schäferweibes statt eines Teppiches, einen alten Wagenring ohne Nägel statt eines Ringes, die erst besten Bauernweiber statt der schönsten Frau

Dieses Verhältnis der Wege 1 und 2 zueinander beschreibt das Phänomen, daß wir eine uns gestellte Aufgabe nicht lösen können, indem wir das eine oder andere Extrem - symbolisiert durch Osten oder Westen - wählen. Mehr noch, ob wir mal die eine dann die andere Richtung wählen, bleibt sich gleich, denn die Ergebnisse sind diegleichen, und führen nicht zur Lösung der Aufgabe. Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Eine übergewichtige Bekannte bediente sich bei der Lösung ihrer Gewichtsprobleme der Strategie von einem Extrem ins andere zugehen und erreichte so NICHT die Lösung ihres Gewichtsproblems: Brachte sie zu viele Pfunde auf die Waage, entschloß sie sich zu eine Diät mit meist drastischer Kalorienreduzierung (Extrem 1 oder Osten). War die Diät vorbei, fiel sie in ihr altes unvernünftiges Eßverhalten zurück, nämlich zu viel, zu süß, zu viel tote Kalorien (Extrem 2 oder Westen), so daß die durch die Diät abgenommenden Kilos schnell wieder zugenommen waren, und die nächste Diät vor der Türe stand. Die Lösung ihres Gewichtsproblemes ist weder auf dem Weg 1, EXTREM 1, wenig essen oder auf dem Weg 2 , EXTREM 2, viel essen zufinden, sondern in einer Änderung des Eßverhaltens und der Nahrungsmittelauswahl, die dem Körper natürlich angepaßt ist. Dieser Weg würde aus den Extremen 1 und 2 herausführen. Eine derartige Ernährungsumstellung ist keine Sache für 4 Wochen, sondern eine generelle Entscheidung, die aus den vorher herrschenden Extremen herausführt und den Weg der MITTE wählt (s. a. Abb. 3, S. 53)

Ein weiteres Merkmal der Wege 1 und 2 ist, daß die Königssöhne 1 und 2 den Königssohn 3 chronisch unterschätzen. Dieses Verhaltensmuster wird ihnen u. a. zum Verhängnis („Die zwei ältesten lachten über den Dummling, der einen goldenen Ring finden wollte und gaben sich gar keine Mühe.“ (a.a.O)). Weg 1 und Weg 2 ERKENNEN Weg 3 nicht AN. Weg 1 und Weg 2 KENNEN Weg 3 nicht. Weg 1 und Weg 2 ERKENNEN Weg 3 nicht

In Begriffen von Lösung erster und zweiter Ordnung ausgedrückt, heißt das:

Königssohn 3 und sein eingeschlagener Weg 3 sind in Begriffen des 1. und 2. Königssohnes nicht faßbar. Weg 3 erscheint vom Standpunkt des 1. und 2. Königssohnes als unlogisch und dumm (z. B. Sitzenbleiben auf der Stelle, wenn etwas gesucht bzw. gefunden werden soll). Weg 1 und Weg 2 sind gleichzeitig Fehllösungen also Lösungen erster Ordnung. Sie werden, obwohl sie nur minderwertige Ergebnisse bringen und nicht in der Lage sind, die gestellten Aufgaben zu lösen, trotzdem weiter beibehalten. Sie folgen den Gesetzen einer fragwürdig gewordenen „Logik“

Weg 3 ist eine Lösung zweiter Ordnung, denn Weg 3 bringt die angesmessene Lösung. Weg 3 ist der schließlich notwendige SPRUNG AUS DEN BEGRIFFEN DES ERSTEN UND ZWEITEN WEGES HERAUS, DAHER KANN WEG 3 VON DIESEN NICHT ERKANNT, GEKANNT ODER GAR ANERKANNT WERDEN; denn aus den Prämissen der Lösung 1. Ordnung - repräsentiert durch die Lösungen des 1. und 2. Königssohnes - erscheint die Lösung 2. Ordnung - Weg des 3. Königssohnes als „unlogisch“ und dumm

Weg 1 und Weg 2 sind Lösungen erster Ordnung. Sie folgen den Gesetzen der Logik, des Verstandes, folgen dem, was bisher bekannt war, ohne dies zu überprüfen und der aktuellen Situation anzupassen. Sie sind hier nicht adäquat und daher gelangt nun Weg 3 vor dem SELBST (König) zu Anerkennung und wird schließlich selbst König (wird Selbst = SELBSTverwirklichung)

An dieser Stelle habe ich ein Schaubild mit den verwandten Analogien zusammengestellt. Die senkrecht untereinander aufgeführten Begriffe sind analog zu einander

Anschließend komme ich zu den Eigenarten des 3. Weges:

Schaubild der Analogien

Königssohn 1 Königssohn 3 Königssohn

Weg 1 Weg 3 Weg

Lösung 1. Ordnung Lösung 2. Ordnung Lös. 1. Ordnung

Reframing

Westen hier Osten

Extrem 1 Mitte Extrem

außen innen außen

König


SELBST

Abb. 3: Schaubild der Analogien

1.2.2.1.2. Weg 3

Weg 3 erscheint uns dumm. In der Vergangenheit haben wir ihn nicht besonders beachtet und belächelt. Wir kamen mit Weg 1 und 2 immer ganz gut zurecht. Es irritiert uns, daß die Aufgabe von uns verlangt uns im Gegensatz zu anerkannten Wegen hier nicht in Bewegung zu setzen, sondern auf der Stelle zu bleiben; denn die Feder fällt ja auf der Stelle nieder, statt nach Osten oder Westen zu weisen. Daß die Feder auf der Stelle nieder kommt, ist eine unerwartete, wenig erfolgversprechende, dumm erscheinende Lösung für die Herangehensweise des zu lösenden Problems, die aber wie das Märchen zeigt zum Erfolg führen wird. Es ist die Eröffnung einer Lösung zweiter Ordnung, die uns das Leben unerwartet zugespielt hat und die uns auf noch unbekanntes Terrain führen wird (unter die Erde). Um Weg 3 zu gehen, braucht man sich nicht groß in Bewegung zu setzen (weder nach Osten noch nach Westen). Aus der Sicht von Weg 1 und 2 gesehen erscheint dies hundertprozentig erfolgvereitelnd und dumm. Wir brauchen erst einmal eine Weile, um zu akzeptieren, daß das nun unser Weg sein soll (Sitzen-Bleiben auf der Stelle, statt sich irgendwohin zu bewegen), daß Weg 3 auch eine Möglichkeit darstellt, denn es erschüttert uns oder stimmt uns traurig, daß wir die bewährten und anerkannten Methoden (symbolisiert durch Weg 1 und 2) hier nicht anwenden können („Der Dummling setzte sich nieder und war traurig. Da bemerkte er auf einmal, daß neben der Feder eine Falltüre lag... (a.a.O.))

Erst indem wir annehmen, daß dies nun unser Weg ist (sich setzen) und die Gefühle darüber zulassen, daß die in der Vergangenheit bewährten Lösungen, nämlich Weg 1 und 2, nun nicht gangbar sind (traurig sein), erst in dieser ANNAHME des „Hier-jetzt-so-Seins“ wird der BLICK FREI und wir entdecken eine Falltüre, etwas Ungewöhnliches. Wir nehemen etwas Neues und Unbekanntes wahr

Der Dummling entdeckt also eine Falltüre auf der Stelle. Meine Interpretation der Falltüre in diesem Zusammenhang: Bisher wurden die Lösungen zweiter Ordnung als ein Sprung aus einem alten Denksystem, das nun keine befriedigende Lösung bringt, beschrieben. Ein Sprung ist ein aktives, dynamisches Geschehen. So kann es geschehen. Aber auch anders: nämlich eher durch ein passives Geschehen-Lassen, Entstehen-Lassen, nämlich ein Fallen-Lassen (Fall-türe). Das Fallen-Lassen ist der im Moment einzig mögliche Weg oder Ausweg (Türe). Es öffnet etwas. Wir können auch sagen, wir sind an einen Punkt angelangt, wo wir das alte Denken, alte Denk- und Lösungsstrategien fallen lassen. Dies ist die Türe, die uns in unser Inneres, hier symbolisiert durch das I N die Erde gehen (Inneres der Erde; INNEN, s. Abb. 3, S. 53), führt. Hier sind wahre Wunderkräfte, repräsentiert durch die Zauberkraft der Itsche, am Werke. Gehen wir den Weg nach Innen erleben wir WUNDERBARES. Dies alles geschieht also nicht im sich nach außen (s. Abb. 3) bewegen oder weg bewegen, symbolisiert durch das nach Osten bzw. Westen gehen oder anders ausgedrückt dem Gehen von A nach B, von B nach C, also gemäß den Gesetzen der Logik, sondern indem wir nach innen gehen

Dort wird das Wunderbare, Unerwartete, bisher nicht Gekannte geboren

Hier werden alle Schätze bereitgestellt

Indem wir Verbindung mit unserem Inneren aufnehmen, indem wir Verbindung mit unserer Mitte aufnehmen, wird alles, wonach wir suchen, was wir zur Bewältigung unserer Aufgabe benötigen, gefunden. Und zwar finden wir es in einer Qualität, wie sie auf anderen Wegen 1 und 2, oder den Erdwegen nicht existent ist. Schließlich heißt es im Text: „...gab dem Dummling einen Teppich..., so schön und so fein, wie oben auf der Erde keiner konnte gewebt werden.“ oder „...gab ihm daraus einen Ring, der glänzte von Edelsteinen und war so schön, daß ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte machen können“. (a.a.O.)

Hier also im Inneren werden die gestellten Aufgaben gelöst und alles Benötigte wird in EINMALIGER, EINZIGARTIGER Qualität bereitgestellt oder gefunden. Der innere Schatz weist uns auf die EINMALIGKEIT und EINZIGARTIGKEIT unseres SELBST hin, unser selbst hin. Etwas derartiges kann nirgendwo anders auf der Welt/Erde gefunden werden

Interessant in diesem Zusammenhang finde ich auch, daß hier im Inneren der Erde eine „große Itsche“ und „eine Menge kleiner Itschen“ am Werk sind. Eine Itsche oder Kröte ist für mich ein Symbol weiblicher Energien. Hier im Inneren - so interpretiere ich - sind weiblich-repräsentierte Energien am Werk. D. h. für mich, auf dem Weg nach Innen oder zum SELBST begegnen mir weiblich-repräsentiere Energien, wie INTUITION, VERTRAUEN, GROßZÜGIGKEIT, ZAUBERKRAFT, WUNDERBARES, GEHEIMNISVOLLES, auch DUNKLES und RÄTSELHAFTES, UNBEWUßTES. Mit diesen Kräften kommt der Dummling hier in Kontakt. (s. a. Abb. 4, S. 57, vgl. auch 1.2.2.3. Die zarte Stimme des SELBST, S. 65)

Diese Kräfte sind für uns neu und bisher verborgen geblieben. Der Dummling entdeckt sie hier und lernt diese Kräfte überaus schätzen. Sie sind es, die ihn schließlich zum Erfolg verhelfen

Unser höheres Selbst (symbolisiert durch den „alten“ König) möchte, daß wir drei Dinge heimbringen: Den kostbarsten und feinsten Teppich, den schönsten Ring und die schönste Frau. Was kann das bedeuten?

Alles Benötigte wird durch den dritten Weg, den Dummling gefunden:

1. Der kostbarste, feinste Teppich:

Das bedeutet soviel wie „Komm auf den Teppich!“, in dem Sinne wäre mit Teppich die Fähigkeit zur materiellen Existenzgründung, die Fähigkeit auf dem Teppich zu bleiben, gemeint, dem eigenen Leben eine feine, wärmende „Grundlage“ zu verleihen. Diese Fähigkeit zeigt sich hier in einmaliger, einzigartiger, in „feiner“ und „schöner“ Qualität. Nach dem dieser erbracht ist, sind eigentlich schon die Voraussetzungen geschaffen, König zu sein. Doch die anderen Anteile IN uns sind in der Überzahl (2 ältere Königssöhne), erkennen den Erfolg des jüngsten nicht an („...ließen dem Vater keine Ruhe und sprachen, unmöglich könnte der Dummling, dem es in allen Dingen an Verstand fehtle, König werden,“ (a.a.O.)). So können wir den Thron noch nicht besteigen. Die nächste Aufgabe muß bewältigt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Begegnung des Dummlings mit seiner archaisch-weiblich-intuitiven Seite, sybolisiert durch den Krötenstaat (Abbildung aus U. Bogner, 1989, S. 187)

2. Der schönste Ring:

Ein Ring ist ein Juwel, eine Kostbarkeit. Er hat eine runde Form. Hier interpretiere ich das Finden der eigenen Kostbarkeit. Sie hat etwas Rundes, Sattes, Reiches an sich. Nachdem diese Kostbarkeit durch diese zweite Aufgabenstellung gefundenen ist, bewegt sich der Königssohn 3 beim dritten Hinabsteigen anders hinab als die beiden ersten Male, die noch von Ungewißheit und einer Spur fragendem Zweifel begleitet waren. Beim dritten Mal steigt er in der Gewissheit herab, daß hier seine Kostbarkeit wohnt: Die Kostbarkeit ist die in Form eines Ringes gefundene Gewißheit, das Wissen, daß in seinem Inneren alle Hilfe gegeben wird, die er braucht. Nachdem er diesen Ring erhalten hat, drückt sich die dadurch gewonnene Gewißheit in folgendem Satz aus: „Da ging der Dummling ohne weiteres hinab zu der dicken Itsche und sprach...“ (a.a.O.) Die Kostbarkeit ist, daß er nun den Weg kennt und ihm vertraut. Diese Fähigkeit, das Erkennen der eigenen Kostbarkeit, ist durch den Erwerb des schönsten Ringes symbolisiert. Die BEWUßTHEIT der eigenen Kostbarkeit wird erworben oder anders ausgedrüückt, BEWUßTHEIT über die Kraft des SELBST wird erworben, Erwerb des SELBST-BEWUßT-SEINS. Auch dieses Geschenk zeigt sich wieder in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit („...einen Ring , der glänzte von Edelsteinen und war so schön, daß ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte machen können.“) Nachdem dieser erbracht ist, sind eigentlich schon wieder die Voraussetzungen geschaffen, König zu sein. Doch wiederum erkennen die anderen Anteile in uns, den zwar offensichtlichen Erfolg des bis dahin nicht erkannten „jüngsten Bruders“ nicht an. So können wir den Thron abermals noch nicht besteigen, denn die Stimmen der opponierenden Kräfte und ihre Überredungskunst sind noch zu stark. Die nächste Aufgabe muß bewältigt werden, bis die anderen opponierenden Anteile schweigend, die Früchte des jüngsten Bruders oder des jüngsten sich in der Entwicklung befindenden Anteils anerkennen

3. Die schönste Frau

Das Finden der schönsten Frau kann u. a. das Finden der eigenen Geschlechtlichkeit bedeuten, i. d. S. von Integration männlicher und weiblicher Anteile in uns. Gelingt es z. B. wie hier als Mann meine weiblichen Anteile zu integrieren, so vollendet sich meine Männlichkeit. (vgl. M.-L. von Franz, 1988, S. 177 ff.): In dieser Ganzheit und Vollendung ist ihm die Voraussetzung zur Hoch-Zeit im wahrsten Sinne des Wortes gegeben. Der inneren Paarung kann die äußere folgen. Diese hier vollzogene innere Trauung, (hier ist ebenfalls die Offensichtlichkeit des Wortes bemerkenswert: Trauung, als Begebenheit, die bewirkt, daß ich mich jetzt wirklich traue, ich SELBST zu sein, d. h. mir meines SELBST wieder ein Stück weit mehr bewußt geworden bin und ihm TRAUE) ist der letzte Schritt des in diesen Stufen (symbolisiert durch die Aufgabenstellungen des alten Königs) gefundenen SELBST-ver-TRAUENS. Doch wiederum protestieren die anderen Anteile gegen die Berechtigung ihres erfolgreichen Bruders. Zu diesem Zeitpunkt aber ist gewiß und sind wir uns SELBST auch gewiß, daß wir den Thron besteigen werden. Es liegt in der Natur der beiden anderen Anteile, den Weg des jüngeren Bruders nicht anzuerkennen. Doch aufgrund unseres nun WIEDERHOLTEN ERFOLGES DURCH VERTRAUEN IN DEN NEUEN WEG sind wir uns sicher, daß unser neuer Anteil auch die letzte von den beiden Brüdern erdachte Zusatzaufgabe mit Leichtigkeit löst

[...]


[1] Bachblüten sind 38 feinstofflich-biologische Essenzen gewonnen aus 38 verschiedenen Blüten. Dabei wirkt jede Blüte auf einen bestimmten Seelenaspekt und fördert diesen. Ein Beispiel: Die Bachblüte „Hornbeam“, zu deutsch Weißbuche, fördert das Seelenpotential der „inneren Lebendigkeit“ und der geistigen Frische. Im negativen Hornbeam-Zustand fühlt man sich müde und erschöpft wie ein ausgeleiertes Gummiband, aber dies spielt sich weitgehend im Kopf ab. Dieser Zustand kann

durch die Einnahme der Blütenessenz „Hornbeam“ wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, so daß sich das Seelenpotential der „inneren Lebendigkeit“ wieder zeigen kann. Die 38 Bachblüten sind jeweils 38 Seelenzuständen zugeordnet, die durch die Einnahme der Blütenessenz zum Harmonischen hin transformiert werden können. Durch die Einnahme der Bachblüte wird ein unharmonischer, negativer Seelenzustand wieder auf natürliche Weise ausbalanciert. Bachs Erfahrungen gipfeln in der Erkenntnis, daß sich unharmonische Seelenzustände so stark verdichten können, daß sie schließlich konkrete, körperliche Krankheiten verursachen. Die rechtzeitige Einnahme von Bachblüten bei Auftreten starker unharmonischer Seelenzustände stellt somit eine wirksame Prophylaxe dar. Zur weiteren Information finden Sie eine Auflistung der 38 Bachblüten und Indikationen im Anhang, Anlage 7

[2] Agoraphobie = „Platzangst, zwanghafte, von Schwindel- oder Schwächegefühl begleitete Angst, allein über freie Plätze und Straßen zu gehen (Med., Psychol.)“ (Duden, 1974, S.39)

[3] Begriffsklärung: „Archetypus“, „kollektives Unbewußtes“: Bei C. G. Jung findet sich die Lehre vom „kollektiven Unbewußten“ und von den „Archetypen“. Das kollektive Unbewußte geht über das Konzept des persönlichen Unbewußten, das Freud entwickelt hatte, weit hinaus. Im kollektiven Unbewußten liegen die vergessenen Bilder und Erfahrungen verborgen, die allen Menschen gemeinsam sind, Kollektiverfahrungen der Menschheit. Es ist die Eigenart dieser Tiefenschicht der menschlichen Seele, daß sie sich auf charakteristische Weise bemerkbar macht. Sie spricht eine ganz besondere Sprache, die erst gedeutet und verstanden werden will. Es ist die Ausdrucksform der Mythen und Symbole. C. G. Jung spricht von der Welt der „Archetypen“ (Urbilder). Wenn wir z. B. nachts von einem Mandala (einem kreisförmigen Symbolbild) oder der Gestalt eines weisen alten Mannes, der einen Kristall in der Hand hält, oder von der Krönung eines Königssohnes, träumen, so haben wir es z. B. mit archetypischen Bildern zu tun, die von unserem Weg zur Ganzheit, zur Selbstwerdung handeln. Denn obwohl diese uralten und kollektiven Symbole ein Teil der allgemeinen Menschheitserfahrung sind, enthalten die „Archetypen“ gleichzeitig ganz individuelle Botschaften und wirken richtungsweisend für den einzelnen. Ein bestimmter Archetypus in den Träumen eines Menschen gibt dem Träumer häufig ein Ziel an. Er stellt ihm eine Aufgabe, die im Dienste seiner Ganzwerdung steht. Die Sprache des Unbewußten ist die Sprache des höheren Selbst. (Begrinffsklärung „höheres Selbst“ s. a. Abschnitt „Über Selbstwerdung, Ganzwerdung, Heilung, Wesenskern, Potential, Selbstverwirklichung“) Denn der Mensch ist bei C. G. Jung ein auf Selbstwerdung (Individuation) angelegtes Wesen. Ziel des Lebens ist die Vervollkommnung. Der Gedanke der Selbstwerdung verbindet C. G. Jung mit der mystischen Tradition. (vgl. P. Waldrich, 1990, S. 111 f.)

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Ende der Leseprobe aus 399 Seiten

Details

Titel
Reframing - ein beziehungsförderndes Konfliktmedium für alle Fälle. Ein Leittext-Lern-Paket zur Kompetenzerweiterung für Sozialhelfer.
Hochschule
Universität zu Köln
Note
Sehr Gut (1)
Autor
Jahr
1995
Seiten
399
Katalognummer
V54165
ISBN (eBook)
9783638494298
ISBN (Buch)
9783656774600
Dateigröße
7868 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit bietet nicht nur intellektuelle Wissensvermittlung, sondern kann zusätzlich genutzt werden, um persönliche Wachstums- und Integrationsprozesse zu fördern. Sie hat also eine pädagogisch-therapeutische Dimension. Sie enthält viele Übungen und Freiräume für Selbstexplorationen- und reflektionen. Außerdem enthält sie viele Auflockerungen wie Cartoons und andere Zeichnungen und Bilder, so daß die hohe Seitenzahl in keiner Weise zur Belastung wird. Ganz im Gegenteil. Außerdem werden auch viele dieser Seiten für diese erwähnten Freiräume und Auflockerungen verwendet. Ich wünsche viel Freude und Erkenntnisgewinn mit den Themen der vorliegenden Arbeit.
Schlagworte
Reframing, Konfliktmedium, Fälle, Leittext-Lern-Paket, Kompetenzerweiterung, Sozialhelfer
Arbeit zitieren
Maria Hellebrandt (Autor:in), 1995, Reframing - ein beziehungsförderndes Konfliktmedium für alle Fälle. Ein Leittext-Lern-Paket zur Kompetenzerweiterung für Sozialhelfer., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54165

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