Das Umweltvölkerrecht und seine Voraussetzungen. Wird es den Erwartungen gerecht?


Hausarbeit, 2019

25 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Umweltvölkerrecht und seine Voraussetzungen

A. Umweltschutz als globale Herausforderung

B. Grenzüberschreitende Beeinträchtigungen im Umweltvölkerrecht
I. Definition des Begriffs „Umweltvölkerrecht“
II. Rechtsquellen und Akteure des Völkerrechts
III. Prinzipien im Völkerrecht
IV. Das no harm Prinzip
1. Entstehung
2. Weiterentwicklung
V. Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen
1. Tatbestandliche Voraussetzungen
2. Rechtsfolgen
3. Bewertung für die Reichweite des Umweltschutzes
VI. Verfahrenspflichten aus dem no harm Prinzip anhand von Beispielen
1. Ständige Informationspflicht
2. Außerordentliche Informationspflicht
3. Konsultations- und Kooperationspflichten
4. Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung
VII. Probleme im Umweltvölkerrecht
1. Eingeschränkte Rechte der NGOs
2. Abhängigkeit von der Autorität der Staaten
3. Mangelnde Rechtsdurchsetzung
VIII. Zusammenfassung – wie weit reicht das Schutzrecht für die Umwelt?
IX. Lösungsvorschläge
1. Ausbau der Rechte für die NGOs
2. Gründung einer Weltklimapolizei
3. Etablierung eines Wettbewerbs

C. Potential des Umweltvölkerrechts

D. Anhang

Literaturverzeichnis:

Arnauld, Andreas: Völkerrecht, 2. Aufl., Heidelberg u.a. 2014; zit.: Arnauld, Völkerrecht.

Bäumler, Jelena: Das Schädigungsverbot im Völkerrecht. Eine Untersuchung anhand des Umwelt-, Welthandels- und Finanzvölkerrechts, Heidelberg 2017; zit. Bäumler, Schädigungsverbot.

Beyerlin, Ulrich: Grenzüberschreitender Umweltschutz und allgemeines Völkerrecht, in Hailbronner, Kay / Ress, Georg / Stein, Torsten (Hrsg.): Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring, Heidelberg 1989, S. 37 ff.; zit.: Beyerlin in: FS Doehring.

Beyerlin, Ulrich: Umweltvölkerrecht, München 2000, zit.: Beyerlin, Umweltvölkerrecht.

Bodansky, Daniel / Brunnée, Jutta / Hey, Ellen (Hrsg.): The Oxford handbook of international environmental law, New York 2007; zit.: Bodansky/ Bearbeiter.

Braune, Bernhard: Rechtsfragen der nachhaltigen Entwicklung im Völkerrecht: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Handels- und Investitionsrechts, in: Lang, Peter (Hrsg.): Europäische Hochschulschriften Reihe II Band 4214, Frankfurt am Main 2005; zit.: Braune, nachhaltige Entwicklung.

Czarnecki, Ralph: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht. Dogmatik und Umsetzung, in: Kloepfer, Michael (Hrsg.): Schriften zum Umweltvölkerrecht, Band 159, Berlin 2008; zit.: Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit.

Dupuy, Pierre-Marie / Vinuales, Jorge E.: International Environmental Law, Cambridge 2015; zit.: Dupuy, Environmental Law.

Epiney, Astrid: Das „Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen“: Relikt oder konkretisierungsfähige Grundnorm?, Archiv des Völkerrechts, Band 33, Tübingen 1995, S. 309-360; zit.: Epiney in: AVR 1995.

Epiney, Astrid: Zur Einführung - Umweltvölkerrecht, JuS, 2003, S. 1066-1072; zit.: Epiney in, JuS 2003.

Fellert, Marcus: Der Trail-Smelter-Fall und die Folgen, Leipzig 2012; zit.: Fellert, Trail-Smelter-Fall.

Fitzmaurice, Malgosia / Ong, David M. / Merkouris, Panos (Hrsg.): Research Handbook on International Environmental Law, Cheltenam, Northampton, 2010; zit.: Fitzmaurice/ Bearbeiter.

Hey, Ellen: Advanced Introduction to International Environmental Law, Cheltenham, Northampton 2016; zit.: Hey, Environmental Law.

Hinds, Caroline : Das Prinzip „sic utere tuo ut alienum non laedas“ und seine Bedeutung im internationalen Umweltrecht“, Archiv des Völkerrechts, Band 30, Tübingen 1992, S. 298-325; zit.: Hinds in: AVR 1992.

Hobe, Stephan: Grundstrukturen des internationalen Umweltrechts, JA 1997, S. 160-166; zit.: Hobe in: JA 1997.

Ladenburger, Felix: Durchsetzungsmechanismen im Umweltvölkerrecht. „Enforcement“ gegenüber den Staaten, Tübingen 1996, zit.: Ladenburger, Enforcement.

Proelß, Alexander: Das Umweltvölkerrecht vor den Herausforderungen des Klimawandels. Ansätze zu einer bereichsübergreifenden Operationalisierung des Vorsorgeprinzips, JZ 2011, S.495-503; zit.: Proelß in: JZ 2011.

Proelß, Alexander (Hrsg.): Internationales Umweltrecht, Berlin, Boston 2017, zit.: Proelß, Umweltrecht/ Bearbeiter.

Randelzhofer, Albrecht: Umweltschutz im Völkerrecht. Grundstrukturen und Prinzipien, Jura 1992, S. 1-8; zit.: Randelzhofer in: Jura 1992.

Umweltvölkerrecht und seine Voraussetzungen

A. Umweltschutz als globale Herausforderung

Über den Zeitraum der letzten Jahrhunderte ist es dem Menschen gelungen, große Teile seiner natürlichen Lebensgrundlage unwiederbringlich zu zerstören. Durch die radikale Abholzung des Regenwaldes, der ständigen Erderwärmung durch den Klimawandel aber auch durch die zunehmende Desertifikation und Meeresverschmutzung wird das Ökosystem der Erde in hohem Maße geschädigt. Dies hat nicht nur fatale Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch für die Menschen. So wurden allein im Jahr 2019 bis jetzt mehr als 90.000 Tierarten ausgelöscht und weit über 700.000 Menschen starben an dem Klimawandel und seinen Folgen.1

Der Umweltschutz entwickelt sich somit zu einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigsten Aufgabe, der sich die Menschheit in diesem Jahrhundert gegenübersieht. Die Verantwortung der Menschheit für die unzähligen tierischen und menschlichen Todesopfer ist dabei nicht ausschließlich aus moralischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht von erheblicher Bedeutung. Denn durch politischen Handlungsentschluss sind auf internationaler Ebene bereits zahlreiche Verträge geschlossen wurden mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen und umweltschädliches Verhalten nicht zu tolerieren.

Dennoch können keine Normen des Umweltschutzes erfolgreich umgesetzt werden, wenn es am Willen der dafür zuständigen politischen Elite fehlt.2 Das Völkerrecht ist damit in doppelter Hinsicht von den Politikern abhängig: Sowohl in dem Bereich der Rechtssetzung als auch in dem der Rechtsdurchsetzung, was noch genauer erläutert wird.

Zwar hat sich der Gedanke des Umweltschutzes im kollektiven Bewusstsein zumindest des Westens schon seit Längerem festgesetzt und erfährt gerade im Rahmen der erst kürzlich populär gewordenen Fridays-for-Future-Bewegung einen erneuten Aufschwung. Dennoch mangelt es in zahlreichen Gebieten noch an der konkreten Umsetzung der erarbeiteten Lösungen.

Im Folgenden soll deshalb erarbeitet werden, wie weit das Schutzrecht für die Umwelt bereits ausgebaut ist und auch Anwendung findet. Um die Bedeutung des Umweltschutzes als globale Herausforderung zu unterstreichen, werden ferner insbesondere solche Umweltverschmutzungen als Beispiele dienen, die auch auf andere Länder negative Auswirkungen haben. Zudem sollen Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um das Umweltvölkerrecht weiter auszubauen.

B. Grenzüberschreitende Beeinträchtigungen im Umweltvölkerrecht

I. Definition des Begriffs „Umweltvölkerrecht“

Bei dem Umweltvölkerrecht handelt es sich um ein Rechtsgebiet, das sich zwar erst vor circa 50 Jahren entwickelt hat, heute aber nichtsdestotrotz von erheblicher Bedeutung ist. Es umfasst sämtliche Normen, die auf internationaler Ebene bei umweltrelevantem Handeln zu berücksichtigen sind und dient sowohl dem grenzüberschreitenden als auch dem globalen Umweltschutz.3 Die große Komplexität des Umweltschutzes besteht vor allem darin, dass die aus Umweltverschmutzungen und -katastrophen resultierende Verschlechterung des natürlichen Lebensraums per se zu großen Teilen nicht auf ein räumlich klar umgrenztes Gebiet beschränkt ist, weshalb ökologische Themen selten von einem Staat alleine gelöst werden können. Der Umweltschutz erfordert daher in unvergleichbar hohem Maße das unbedingte Zusammenarbeiten aller Länder, womit sich nicht nur die außergewöhnliche Wichtigkeit des Umweltschutzes, sondern ebenso die extreme Schwierigkeit der Entscheidungsfindung zeigt. Der grenzüberschreitende Umweltschutz versucht deshalb Konflikte zu verhindern bzw. zu lösen, die entstehen, wenn aufgrund geographischer Nähe ein Umweltschaden von dem Territorium eines Landes auf die Fläche eines anderen Landes übergreift. Dem gegenüber ist unter dem globalen Umweltschutz der Schutz des gesamten Ökosystems aller Staaten zu verstehen vor Gefahren, die der Gesamtheit der Länder oder zumindest einem großen Teil von umfassenden Umweltproblemen, wie z.B. dem Klimawandel, drohen.4 Da der Umweltschutz für sich betrachtet bereits eine sehr diffizile Aufgabe darstellt, ist auch das Umweltvölkerrecht sehr komplex.

II. Rechtsquellen und Akteure des Völkerrechts

Um diese Konflikte nachhaltig zu lösen, arbeiten die einzelnen Völkerrechtssubjekte, bei denen es sich meist, aber nicht notwendigerweise um Staaten handelt, zusammen.5 Ein wesentlicher Grundsatz ist dabei die souveräne Gleichheit aller beteiligten Staaten, wie sie in Art. 2 Ziff. 1 der UN-Charta6 normiert ist. Die Gesamtheit der zwischen den Völkerrechtssubjekten geltenden Normen bildet dann das Völkerrecht.7 Die Rechtsquellen des Völkerrechts wiederum sind vielfältig und umfassen gem. Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut8 völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze, Beschlüsse Internationaler Organisationen und Soft Law.9 Vor dem Hintergrund, dass sich Industrie- und Entwicklungsländer, um ein plakatives Beispiel zu nennen, ersichtlich nur schwer auf gemeinsame, genau festgelegte Zielvorgaben hinsichtlich des Umweltschutzes einigen können, erfreuen sich im Bereich des Umweltvölkerrechts sog. Rahmenabkommen großer Beliebtheit. In diesen Verträgen sind weniger konkrete als vielmehr weiter gefasste Ziele festgelegt. Betrachtet man also die Reichweite des dadurch garantierten Umweltschutzes kritisch, zeigt sich, dass diese Verträge die Staaten nicht wesentlich zu verbessertem Umweltschutz verpflichten.10 Obwohl somit eine Vielzahl von Völkerrechtssubjekten rein faktisch in die Verträge eingebunden wird, werden sich ohne klar formulierte Zielvorgaben, die von den Mitgliedern umgesetzt werden müssen, keine maßgeblichen Verbesserungen erreichen lassen.

Zwar ernüchtert diese vertane Chance zunächst, jedoch darf die wirtschaftliche Realität insbesondere der Länder der Dritten Welt bei der Beurteilung nicht außer Acht gelassen werden. Ein maßgebliches Problem ist dabei, dass v.a. Entwicklungsländer weder über die nötige Infrastruktur noch über die finanziellen Mittel verfügen, um die Vorgaben der ständig wachsenden Zahl an völkerrechtlichen Verträgen erfolgreich bewältigen zu können.11 So erfordern beispielsweise Umweltschutzmaßnahmen, die erst in ferner Zukunft spürbare Erfolge mit sich bringen, bereits zu Beginn erhebliche Kosten, die gerade von Entwicklungsländern nicht leicht getragen werden können.12 Das Umweltvölkerrecht ist also stark von den Akteuren abhängig, womit die Reichweite des Umweltschutzes bereits aus institutioneller Sicht nicht von Grund auf gewährleistet ist.

III. Prinzipien im Völkerrecht

Dennoch sind sich die Völkerrechtssubjekte in Anbetracht der vielfältigen Umweltbedrohungen bewusst, dass viele Probleme nur durch Kooperation gelöst werden können. Maßgeblich ist daher ein Interessenausgleich. Deshalb haben sich im Völkerrecht mehrere Prinzipien herausgebildet, wie z.B. das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung, das Verursacherprinzip oder das Präventionsprinzip.13 Diese Prinzipien tragen dem Gedanken Rechnung, dass nicht nur die einzelnen Staaten, sondern auch und gerade die Individuen, die den Staat ausmachen, von ökologischen Katastrophen betroffen sind. Prinzipien ordnen anders als Gesetze keine unbedingte Rechtsfolge an, sondern die ihnen zugrunde liegenden Wertentscheidungen sollen bei jedem Handeln, soweit eine Möglichkeit aus rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht besteht, mitberücksichtigt werden.14

IV. Das no harm Prinzip

Von ganz herausragender Bedeutung ist dabei das Schädigungsverbot, welches auch als no harm Prinzip oder als Neminem laedere Gebot bezeichnet wird.15 Unter dem Schädigungsverbot versteht man, dass Umweltschäden nicht auf das Hoheitsgebiet eines anderen Staates verlagert werden dürfen.16 Somit wird versucht, das Land und die Einwohner der anderen souveränen Staaten zu schützen. Es liegt dabei in der Natur des Umweltvölkerrechts, dass das Schädigungsverbot gerade in diesem Bereich von erheblicher Bedeutung ist. Berühmt geworden ist das no harm Prinzip durch die sog. Trail Smelter Entscheidung.

1. Entstehung

In diesem Fall der 1930er Jahre beschuldigten die USA Kanada, dass der Columbia River, der an einer kanadischen Blei- und Zinkschmelze in Trail vorbei und kurz darauf in die USA fließt, durch die Winde über dem Fluss das schädliche Schwefeldioxid in die USA transportiert. Hierdurch wurde die Landwirtschaft auf amerikanischem Boden in unmittelbarer Nähe des Flusses schwer geschädigt, weshalb die USA Schadensersatz begehrte und eine zukünftige Regelung zur Lösung dieses Konfliktes erstrebte, was ihr auch gelang.17 Das Schiedsgericht führte ferner aus: „[…] under the principles of international law, as well as of the law of the United States, no State has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury by fumes in or to the territory of another or the properties or persons therein, when the case is of serious consequence and the injury is established by clear and convincing evidence.”18

Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie eng die einzelnen Völkerrechtssubjekte aufgrund der Ökosysteme im Umweltvölkerrecht zusammenarbeiten müssen und von welch überragender Bedeutung das no harm Prinzip für das konfliktfreie Nebeneinanderleben der Staaten ist.19 Prinzipien werden also nicht wie Gesetze verabschiedet. Ausgehend von einem anfänglichen Gerichtsurteil gibt es keine Institutionalisierung, sondern einen schleichenden Prozess im Laufe dessen das Prinzip gewohnheitsrechtlich anerkannt wird.

2. Weiterentwicklung

Diese Falllösung war somit zunächst nur auf solche Konstellationen beschränkt, in denen es um das unmittelbare Nachbarschaftsverhältnis zweier Staaten geht. Bald wurde jedoch erkannt, dass der hinter dem Urteilsspruch stehende Rechtsgedanke, keinem anderen Schaden zuzufügen, nicht notwendigerweise das direkte Nebeneinander zweier Staaten erfordert, sondern sich beispielsweise Luft- oder auch Meeresverschmutzungen weltweit auswirken können.20 Letztlich wurde vom IGH im Rahmen seines Nuklearwaffen-Gutachtens betont, dass das Nachbarschaftsverhältnis für die Anwendung des Schädigungsverbots gänzlich unerheblich ist.21 Das zunächst gewohnheitsrechtlich entstandene no harm Prinzip wurde im Bereich des Umweltvölkerrechts später Gegenstand zahlreicher Vereinbarungen, so z.B. im Prinzip 21 der Stockholmer Deklaration der UN-Konferenz über die menschliche Umwelt.22 Obwohl die Staaten also grundsätzlich souverän sind und es somit ihre Entscheidung ist, ob auf dem eigenen Territorium umweltschädliche Maßnahmen ergriffen werden, sind sie doch dazu verpflichtet, ihre eigene Handlungsfreiheit zum Schutz der Integrität anderer Staaten einzuschränken.23

V. Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen

Müssten die Staaten mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche jedoch stets warten bis tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, wäre das Schädigungsverbot nur mäßig geeignet. Diesem ist daher das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen vorgelagert. Die zwei Prinzipien sind gleichzeitig unzertrennlich miteinander verbunden. Da die Staaten niemand anderen schädigen sollen, sollten sie zugleich erhebliche Gefahren nicht erst entstehen lassen.24 Erhebliche grenzüberschreitende Beeinträchtigungen anderer Staaten, die dem Verursacher eindeutig bewiesen werden können, verstoßen somit gegen das Völkerrecht.25 Dieses Verbot wurde nachfolgend in zahlreichen Urteilen und Schiedssprüchen bestätigt.26

1. Tatbestandliche Voraussetzungen

Die grundlegende Voraussetzung für seine Anwendbarkeit ist das Vorliegen eines Umweltschadens.27 Der zugefügte Schaden muss ferner eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten haben. Würde andernfalls bei jeder kleineren Umweltbelastung auf das Schädigungsverbot zurückgegriffen werden, wäre dadurch die Handlungsfreiheit der Staaten erheblich eingeschränkt. Die Beurteilung, ob die Schädigung schwerwiegend genug war, ist als Einzelfallentscheidung jeweils dem Gericht überlassen.28

Als weiteres Merkmal ist das Erfordernis der Grenzüberschreitung anzuführen. Diese wird so ausgelegt, dass ein Staat auf seinem Territorium einen Umweltschaden auslöst, dieser aber auf das Territorium eines anderen Staates übergreift und somit dessen Integrität beeinträchtigt.29

Letztlich muss das staatliche Handeln kausal für die Umweltschädigung geworden sein. Der Zweck des Verbots erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen besteht im Schutz der Integrität der geschädigten Staaten. Würde man für die Anwendbarkeit einen strikten Nachweis der Kausalität fordern, würde das Verbot leerlaufen. Da also selten die Kausalität absolut eindeutig nachweisbar ist, ist eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit ausreichend.30

2. Rechtsfolgen

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, muss entsprechend dem Prinzip 16 der Rio-Erklärung31 der Staat, der die Umweltverschmutzung verursacht hat, die Kosten tragen. Er wird damit also entschädigungspflichtig.32 Ziel der Sanktion ist somit, die Staaten grundsätzlich davon abzuhalten, absichtlich Umweltschäden in andere Länder auszulagern.33

3. Bewertung für die Reichweite des Umweltschutzes

Was ergibt sich nun daraus für die Reichweite des Schutzrechts für die Umwelt? Zunächst ist festzuhalten, dass die Stockholmer Deklaration keine rechtlich bindende Wirkung entfaltet, da es sich um eine bloße Rechtsbekundung handelt, sie also klarstellende Funktion hat.34 Nichtsdestotrotz wurde in vielen weiteren offiziellen Erklärungen der UN, wie beispielsweise in der Rio-Deklaration oder dem Nuklearwaffen-Gutachten die Geltung des no harm Prinzips zumindest aus Völkergewohnheitsrecht bestätigt und fand letztlich sogar Aufnahme in das Völkervertragsrecht, wie der 21 UNEP World Charter for Nature von 198235 oder der Präambel des United Nations Framework on Climate Change.36

Als für alle Staaten geltendes Prinzip des Völkerrechts muss das Schädigungsverbot bei sämtlichen Aktivitäten und Vertragsschlüssen der Staaten berücksichtigt werden, wodurch im Laufe der Zeit Mindestanforderungen für das Umweltvölkerrecht entstanden sind. Durch die normschaffende Wirkung des Schädigungsverbots wird der Umweltschutz zunehmend optimiert.37

Des Weiteren ist das Schädigungsverbot heute ein geeignetes Verhandlungsinstrument. So wird in Verhandlungen leichter ein Interessenausgleich zwischen verhandlungsstarken und -schwachen Völkerrechtssubjekten geschaffen. Indem den stärkeren Positionen gegenüber kein vollständiges Verbot ausgesprochen wird, wird ihre Handlungsfreiheit erhalten, wohingegen die schwächeren Verhandlungspartner durch das Schädigungsverbot hinreichend geschützt werden. Das Schädigungsverbot eignet sich somit als ergebnisorientiertes Prinzip zur Kompromissschaffung, wodurch die Verhandlungen erleichtert werden.

Des Weiteren hat sich ein Schadensersatzanspruch aus Völkergewohnheitsrecht etabliert.38 Somit wurden auch aus finanzieller Sicht erstmals Anreize für die Staaten geschaffen, vermehrt den Umweltschutz zu berücksichtigen und Maßnahmen zur Prävention von Umweltschäden zu treffen, um sich nach einer ökologischen Katastrophe nicht den Forderungen anderer Staaten ausgesetzt zu sehen.

Die Entwicklung des no harm Prinzips war zusammenfassend also ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem verbesserten Umweltvölkerrecht.39

VI. Verfahrenspflichten aus dem no harm Prinzip anhand von Beispielen

In Anbetracht der Tatsache, dass die entwickelten Prinzipien gerade im Umweltvölkerrecht nur durch gemeinsame Koordination umgesetzt werden können, haben sich Informations-, Warn- und Konsultationspflichten herausgebildet.40 Dies kann auch als Beispiel dafür betrachtet werden, wie Recht im Umweltvölkerrecht häufig entsteht. Die folgenden Prinzipien wurden ebenfalls nicht durch Verträge mit dem Einverständnis der Staaten festgelegt, sondern entstanden durch eine weitergehende Differenzierung des ebenso gewohnheitsrechtlich entstandenen no harm Prinzips. Auch, wenn das Umweltvölkerrecht teils schwerfällig erscheint, können sich durch die gewohnheitsrechtliche Rechtsfortbildung Prinzipien immer weiter entwickeln und damit das Schutzrecht für die Umwelt ausbauen trotz des Widerstands anderer Völkerrechtssubjekte.

[...]


1 www.umweltschutz.de (zuletzt aufgerufen am 26.10.2019).

2 Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 1 Rn. 3.

3 Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 2 Rn. 4 f.; Hey, Environmental Law, S. 1.

4 Vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 2 Rn. 5.

5 Fitzmaurice/Drumbl, S. 3 f. Zif. 1.

6 S. Anhang.

7 Proelß, Umweltrecht/Epiney, S. 5 Rn. 7.

8 S. Anhang.

9 Proelß, Umweltrecht/Epiney, S. 21 Rn. 52; Bodansky/Beyerlin, S. 426.

10 Proelß, Umweltrecht/Epiney, S. 22 Rn. 54.

11 Vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 38 Rn. 79.

12 Ladenburger, Enforcement, S. 16 f.

13 Proelß, Umweltrecht/Proelß, S. 75 Rn. 7; Dupuy, Environmental Law, S. 55.

14 Proelß in: JZ 2011, S. 499.

15 Vgl. Hinds in: AVR 1992, S. 298 ff. (S. 310 f.).

16 Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit, S. 134.

17 UNRIAA, Bd. III, 1941, S. 1945.

18 UNRIAA, Bd. III, 1941, S. 1965.

19 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 80.

20 Vgl. Hinds in: AVR 1992, S. 298 ff. (310 f.).

21 Legality of the threat or use of nuclear weapons, Advisory Opinion of 8 July 1996, IJC Reports 1996, S. 226 Rn. 29.

22 Bäumler, Schädigungsverbot, S.89; s. Anhang.

23 Prinzip 2 der Rio Deklaration, s. Anhang; Beyerlin in: FS Doehring, S. 37 ff. (S. 45).

24 Epiney in: JuS 2003, S. 1068.

25 UNRIAA, Bd. III, 1941, S. 1965.

26 Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit, S. 134; Legality of the threat or use of nuclear weapons, Advisory Opinion of 8 July 1996, IJC Reports 1996, S. 226 Rn. 29; UNRIAA, Bd. II, 1928, S. 839.

27 Epiney in: AVR 1995, S. 309 ff. (S.326 f.).

28 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 287.

29 Epiney in: JuS 2003, S. 1068.

30 Epiney in: AVR 1995, S. 353.

31 S. Anhang.

32 Randelzhofer in: Jura 1992, S. 1 ff. (S. 7).

33 Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit, S. 135.

34 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 90.

35 S. Anhang.

36 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 90 f.; Legality of the threat or use of nuclear weapons, Advisory Opinion of 8 July 1996, IJC Reports 1996, S. 226 Rn. 29; https://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.11.2019).

37 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 284.

38 Fellert, Trail-Smelter-Fall, S. 3.

39 Bäumler, Schädigungsverbot, S. 286 f.

40 Hobe in: JA 1997, S. 160 ff. (S. 161).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Umweltvölkerrecht und seine Voraussetzungen. Wird es den Erwartungen gerecht?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Proseminar
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2019
Seiten
25
Katalognummer
V541157
ISBN (eBook)
9783346173362
ISBN (Buch)
9783346173379
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erwartungen, umweltvölkerrecht, voraussetzungen, wird
Arbeit zitieren
Patricia Salzbrenner (Autor:in), 2019, Das Umweltvölkerrecht und seine Voraussetzungen. Wird es den Erwartungen gerecht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/541157

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