Kann die Reaktion auf den Tod Diana Spencers als ein Beispiel kollektiven Gedächtnisses dienen?


Hausarbeit, 2018

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Unfall und Lady Dianas Tod
2.1. Die Rolle Diana Spencers
2.2. Der Trauerzug und die Beerdigung

3. Bildanalyse

4. Jan und Aleida Assmann: Das kollektive Gedächtnis
4.1. Das kommunikative Gedächtnis
4.2. Das kulturelle Gedächtnis

5. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Für Diana Spencer schien ein Märchen wahr geworden zu sein, als sie mit Charles Prince of Wales getraut wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte Diana Princess of Wales, später auch Lady Di oder Diana genannt, bereits einen hohen Berühmtheitsgrad weltweit erreicht. Am Sonntag, den 31. August 1997, verstarb Lady Di bei einem Autounfall. Ihr Tod löste eine weltweite Trauer aus und die Menschen sprachen von Diana als die „Queen of hearts“ oder „People’s princess“. Diana gehört zu den meist fotografiertesten Frauen der Welt und war nahezu täglich Thema in Tageszeitungen und Zeitschriften. Sie war für die Boulevardpresse wie geschaffen. Die Menschen konnten mit ihr durch die Medien mitleben und mitleiden, denn obwohl sie einen Adelstitel hatte und so fern schien, war sie eine modern lebende Frau, die im übertragenden Sinne und in den Köpfen der Menschen vom Aschenputtel zur Prinzessin aufstieg und dennoch ist Diana ohne die medial veröffentlichten Bilder als Diana nicht vorstellbar. Mit ihren alltäglichen Problemen in ihrer Ehe, der Scheidung und den Fragen in der Kindererziehung konnten sich viele Menschen in den 90er Jahren identifizieren.

Am Tag ihres Todes verfielen Menschen weltweit in eine Massentrauer, und haben den Trauerzug vor dem Fernseher oder vor Ort verfolgt (Cornelia Muth in Berghahn/Hoch-Baumgarten 1999, S. 146; Spoto1998, S. 246).

War das bereits der Beginn eines kollektiven oder sogar eines kulturellen Gedächtnisses? Dies zu beantworten wird im Folgenden die Problematik dieser sein.

Dafür wird zuerst auf den Unfall und seine Folgen eingegangen, kurz Dianas Rolle in der britischen Monarchie erläutert, damit die Funktionlität hinter Dianas Rolle ersichtlich wird, um dann den für sie hergerichteten Trauerzug und ihre Beerdigung zu thematisieren, die für den theoretischen Inhalt im Fazit relevant werden wird. Eine Bildanalyse soll dabei helfen einen Einblick in die trauernden Massen in Gedenken an Lady Di zu gewinnen, um vor allem auch ein Bild der Kollektivität zu verdeutlichen. Danach wird die Erinnerungskultur und in diesem Zuge ebenfalls das kollektive, kommunikative und kulturelle Gedächtnis nach den Theorien von Maurice Halbwachs, Aleida und Jan Assmann erläutert, da dies zur Beantwortung der Untersuchungsfrage als relevante Grundlage dient. Anhand der Analyse und der Erläuterungen werden Übereinstimmungen und Kontroversen meiner These verschriftlicht und im Fazit die Problemfrage beantwortet und kritisiert.

2. Der Unfall und Lady Dianas Tod

Im August 1997 haben die französischen Zeitungen Mühe ihre Zeilen zu füllen, da es im Sommer international wenig politische Nachrichten gibt. Dem entsprechend widmeten sich die Zeitungen in den 90ern zunehmend den Neuigkeiten der Prominenten und deren Leben. Die Zeitungen geben sich also den Fotoromanen von den Tätigkeiten der Berühmtheiten hin (Spoto 1998, S. 166). Diana war zu diesem Zeitpunkt ein Jahr von Prince Charles geschieden, wodurch sie den Rang eines Mitglieds der britischen Königsfamilie verlor. In diesem Sommer wurde sie das erste Mal mit Dodi Al Fayed zusammen gesichtet (Ebd., S. 128). Die beiden boten alle notwendigen Elemente eines für die Medien perfekten Fotoromans: Eine ehemalige Prinzessin, ein berüchtigter Playboy und eine Liebesgeschichte. Die zwei waren ein Paar, mit dem man sich identifizieren konnte und ihre Beziehung war umstritten, sie waren geschiedene Menschen, die sich ein neues Leben aufbauen wollten, es war eine Liebesgeschichte, ganz real mit einem Aufenthalt in Paris. Doch für die Zeitungen und die Leser*innen genügten die Bilder von Diana im Badeanzug bis zu dem Höhepunkt des Kusses nicht mehr aus. Die Fotografen wollten intimere Bilder von dem Paar bekommen, um höhere Auflagen zu erreichen. Somit begann ein Wettlauf zwischen den Fotografen und den Zeitungen um die besten Fotos, der Dianas Leben stark einzuschränken beginnt.

Am 31. August 1997 prallte der Mercedes, in dem Lady Di saß, gegen die Tunnelwand des Alma Tunnels, wobei Diana schwer verletzt wurde. Fast zwei Stunden bemühten sich Ärzte und Chirurgen Diana am Leben zu erhalten, doch die Brustverletzungen und die durchtrennte Vene führten etwa dreieinhalb Stunden nach dem Unfall, gegen 4.00 Uhr am Morgen französischer Zeit, zu ihrem Tod (Ebd., S. 128). Dianas Tod wurde in der Presse als ein gänzlich unerwartetes Drama ausgelegt, mit der Begründung sie sei jung und jeder dachte, dass ihr Bild in den Zeitungen jeden im Leben weiter begleiten würde. Die weltweite Trauer um Diana war wohl eine der größten Trauerbekundungen des Jahrhunderts. Die Öffentlichkeit war schockiert und brauchte einen Schuldigen. In den ersten Tagen wurden vor allem die Paparazzi beschuldigt. Sie galten als Verursacher des Unfalls. Knapp 24 Stunden nach Dianas Tod gab ihr Bruder eine Erklärung ab, in der er die Medien als Verursacher des Unfalls beschuldigt (Cornelia Muth in Berghahn/Hoch-Baumgarten 1999, S. 140). Während die Ermittlungen voranschritten wurde bekannt, dass der Chauffeur Alkohol getrunken hatte. Gleichzeitig veröffentlichte die ägyptische Presse eine Verschwörungstheorie, bei der sie erwähnte, die Königsfamilie hätte niemals zugelassen, dass ein muslimischer Ägypter der Schwiegervater des zukünftigen Königs von England würde. Der Fall wurde nun zum Nährboden zahlloser Theorien: Einige Zeitungen behaupteten, dass die Monarchie hinter dem Unfall stecken würde, als Folge der Unstimmigkeiten zwischen der Königin und Diana. Andere glaubten die Schuld bei den britischen Geheimdiensten zu finden, denen Diana zu unberechenbar gewesen sein soll. Wieder andere vermuteten die Tat eines Handlangers der Mafia, die in dunkle Geschäfte Al Fayeds verwickelt gewesen sein soll. Parallel dazu fahndete die Polizei nach einem weißen Auto, das den Unfall verursacht haben könnte. All diese Gerüchte bestärkten die Öffentlichkeit in dem Glauben, dass Ihnen nur ein Teil der Wahrheit erzählt werden würde (Rebekka Habermas in Ebd., S. 114). In London und England selbst trauerten mit einem großen Teil der Welt hunderttausende Menschen um Diana. In London wurden zum Tage des Todes Blumen im Wert von ca. vier Millionen Mark verkauft. Vor den Toren des Buckingham Palace, Kensington Palace und St. James Palace lagen scheinbar schätzungsweise 10.000 Blumensträuße zu Ehren Lady Dianas. Die Menschen strömten aus Europa und Amerika nach London, um die Trauer um Diana zu teilen. Immer mehr Menschen legten Blumen vor den Buckingham Palace, dessen Türen jedoch geschlossen blieben (Spoto 1998, S. 241). Nach der Todesnachricht aus Paris gebot die Königin, laut Donald Spoto in seiner Veröffentlichung „Diana – Ihr letztes Jahr“, ein Schweigen im Hause über den Namen der Person Diana Spencers, so dass die Söhne zu zweifeln schienen, ob ihre Mutter wirklich tot sei. Prince Charles und Dianas Schwestern erledigten gemeinsam die nötigen Formalitäten. Nach den Gesprächen mit den behandelnden Chirurgen und dem Präsidenten Frankreichs Chirac brachte Prince Charles den Sarg Dianas nach England. Dort zog sich die Königsfamilie für einige Tage zurück, um den Schmerz zu verarbeiten. Doch das Volk, die Welt und vor allem die Medien erwarteten etwas anderes von dem bisher beliebtesten Mitglied des Königshauses, der Queen. Die Medien warfen der Queen und ihrer Familie herzlose Gefühlskälte vor. Immer wieder wurde erwähnt, dass der Premierminister Tony Blair seiner Trauer bereits offiziell Ausdruck verliehen hat und mindestens das wäre die Erwartung des Volkes an die Queen gewesen. Dieses wollte hören, wissen und fühlen, dass ihrer Monarchin Diana, „People‘s Princess“, genauso viel bedeute wie der Welt (Ebd., S. 237 ff.).

Tony Blair verspürte die wachsende Verärgerung und warnte die Königin. Nach mehreren Hinweisen des Premierministers und der Familienmitgliedern, gab der erste Pressesprecher Geoffrey Crawford bekannt, dass die Familie verletzt sei über den Vorwurf, unberührt von dem Tod Lady Di’s zu sein. So bräuchten die Söhne nun ihre Familie, um über den Tod der Mutter hinwegzukommen (Spoto 1998, S. 242). Wochen später berichteten Londoner Newspaper, dass Prince Charles die Entscheidung seiner Mutter nicht weiter unterstütze und sie unter Druck stelle, dass er die nötigen Schritte einer Trauerzeremonie unternehmen würde, auch ohne die Anwesenheit der Monarchin (Ebd., S. 242). Prince Charles war, mitunter durch das Zureden Tony Blairs, bewusst, dass Lady Diana als Princess of Wales eine neuartige britische Offenheit repräsentierte, welche die klassische Einteilung nach Herkunft, Rasse, Vermögen, Macht und Geschlecht überwand. Sie hatte zwar keine Revolution ausgelöst, doch trotzdem lebte sie als eine moderne Frau, die diese Grenzen nicht interessierte. Der Druck wuchs und die Königin hielt eine Rede für das Fernsehen, in der sie Bewunderung für Diana und Bedauern über ihren Tod ausdrückte (Ebd., S. 243ff.). Diana war zwar von Prinz Charles geschieden, doch sie blieb immer mit der britischen Monarchie in Verbundenheit. So kam es, dass ihr Tod eine fast 1000-jährige Institution ins Wanken brachte.

2.1. Die Rolle Diana Spencers

Der durch den Unfall verursachte Schock, stellte die Existenzberechtigung einer Monarchie in Frage. Tatsächlich ist die britische Monarchie für ihr Volk sehr bedeutend, weil sie Nationen miteinander verbindet. Engländer, Waliser, Schotten und Nordiren haben einen verbindenden Bezugspunkt, der die Monarchie, oder viel mehr die Queen ist. Die Monarchie steht für Kontinuität und ist ein Sammelpunkt zu dem diese Nationen in allen Zeiten der Wandlung aufschauen konnten und können. Durch das Verhalten des Prinzen Charles, bevor er mit Diana verlobt war, befand sich die Monarchie in einer Art Krise, sodass Diana Spencer den Prinzen und damit auch die Monarchie in den Medien wieder in ein besseres Licht rücken sollte (Wieland 1998, S. 23). Die Darstellung von Diana Spencer als zukünftige Verlobte von Prince Charles gab der Monarchie auftrieb und machte sie zukunftsfähig. Denn Diana entsprach der idealen Vorstellung von einer Märchenprinzessin, die jung, wunderschön, unschuldig und oft noch Jungfrau zu sein hat. Dianas entstandenes Image könnte man als eine Gemeinschaftsproduktion bezeichnen. Um Ihre Geschichte erzählen zu können musste die Protagonistin einverstanden und das Publikum aufnahmefähig sein. Aber auch die Medien mussten diese Figur schaffen, denn genau darum ging es. Diana hatte das Image einer jugendlichen Jungfrau, denn sie war auch medial unberührt. Somit war sie im übertragenden Sinne ein unbeschriebenes Blatt, das durch die Medien neu geformt werden würde. Eine mediale Geschichte, die mit der Hochzeit von Diana Spencer und Prince Charles begann.

2.2. Der Trauerzug und die Beerdigung

Es gab wohl selten in der britischen Geschichte eine ähnliche Situation, in der das Königshaus mit dem gesellschaftlichen Ausdruck und Erwartungen so stark direkt konfrontiert wurde, sodass es einige kurzfristige Modernisierungen in der monarchischen traditionsbewussten Familie gab. Am 05. September 1997 sprach Ihre Majestät Königin Elizabeth II. zu Ihrem Volk und zu allen Menschen der Welt. Sie sprach von dem überwältigenden Ausdruck der Trauer seitens der Öffentlichkeit, von dem familiären ersten Schock und anderen folgenden Gefühlen der Sorge, Zorn und Unverständnis. Sie widmet Diana einige Worte, mit denen sie sie als „außergewöhnliche[n] und begabte[n] Menschenmit den Fähigkeiten zu Lächeln, und dem Verbreiten / Ausstrahlen von Wärme und Liebenswürdigkeit beschrieb. (Spoto 1998, S. 244f) Auch die Söhne Dianas, Prinz William und Prinz Harry, traten gemeinsam mit ihrer Großmutter und ihrem Vater an die Öffentlichkeit um die Blumen und Briefe der Menschen zu begutachten. Der Trauerzug für Diana begann am Kensington Palace und endete an der Westminster Abbey. Die Strecke beträgt etwa 6 Kilometer, entlang der High Street Kensington, am Heyde Park entlang zur Whitehall, und über den Parliament Square hinweg zur Westminster Abbey (BBC Video). Dianas Beerdigung fand in Althrop auf der Insel „Oval“ statt. Dort sollte ihr Begräbnis geschützt sein vor Pilgern und Vandalismus (Spoto 1998, S. 256).

3. Bildanalyse

Nach dem Fotoanalysemodell von Ulrich Hägele gibt es drei Stufen einer Fotoanalyse: 1. Beschreibung, 2. Analyse und 3. Interpretation (Hägele 2001, S.291f., zit. n. Lauterbach 2005, S. 315). An diesem Modell werde ich mich orientieren. Da eine Bildbetrachtung stets aus subjektiver Sicht stattfindet, ist auch eine entsprechende Analyse stets aus einer vorgegebenen, nicht ablegbaren Perspektive (weiblich, europäisch, weiß) untersucht worden Dementsprechend ist die folgende Analyse eine subjektive Wahrnehmung und somit nicht allumfassend oder universell (Lauterbach 2005, S.311f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Von TheGuardian.com mit dem Titel Flowers laid by members of the public outside Kensington Palace after Diana‘s death; Photograph by Fiona Hanson

Die Photographie erschien in einem Artikel der „The guardian“, welcher am 17. Mai 2017 online veröffentlicht wurde. Der Titel des Bildes lautet übersetzt: niedergelegte Blumen der Öffentlichkeit nach Dianas Tod vor dem Kensington Palace. Somit wurde das Foto auf dem Vorplatz des Kensington Palace aufgenommen. Der Weg zum mittig im Hintergrund zu sehenden Kensington Palace wird rechts und links von einer Laubbaumreihe eingegrenzt. Der Bereich zwischen eben dieser grünen Abgrenzung ist voll belegt mit teilweise in Folie oder Papier verpackten Blumensträußen, Bildern, Luftballons und Zeitungen. Dieses Blumenmeer erstreckt sich vom unteren Ende der Photographie bis zu dem schwarz goldenen Tor des Kensington Palace und reicht teilweise auch noch hinter die Bäume. In Betrachtung anderer Fotografien aus anderen Perspektiven bestätigt sich, dass das Blumenmeer sich über die auf dem Foto wahrgenommene pflanzliche Abgrenzung erstreckt. Der Himmel über dem Kensington Palace herum ist auf dem Foto grau bis hellblau gefärbt, daher lässt sich vermuten, dass das Foto tagsüber aufgenommen wurde. Der Kensington Palace selbst steht im Zentrum am oberen Bildrahmen und wird rechts und links von den Bäumen und im Vordergrund von dem Tor und dem Blumenmeer umrahmt. Die Blumensträuße sind alle sehr unterschiedlich gestaltet. Die Vielfalt der Blumensträuße im Detail zu erläutern würde nicht zum Ergebnis dieser Hausarbeit beitragen, daher beschränke ich mich in Bezug auf die Blumensträuße nur auf die erste Reihe des Fotos um deren Vielfältigkeit und Individualität aufzuweisen. Von dem linken Blumenstrauß ist hauptsächlich das weiße Verpackungspapier zu erkennen. In der oberen Öffnung eben dieses Papiers befindet sich etwas Blaues, vermutlich Blüten. Der Strauß zu seiner Rechten wird von einer grün bemusterten, silbern glänzenden Metallfolie umschlossen. In dieser grün silbernen Musterung kommen einige orange rosa farbene Akzente vor. Aus dieser Verpackung ragen mehrere langstielige gelbe Blumen hervor und am Rande befinden sich rote und rosa Blüten zu erkennen. Unter dem Blumenstrauß liegt am oberen Ende ein weißes Blatt, auf dem jedoch nichts weiter zu erkennen ist. Der nächste Strauß hat ebenfalls gelbe und rote Blüten, die viel besser erkennbar sind. Das Verpackungsmaterial ist weiß, jedoch wesentlich dünner strukturiert, es ist vergleichbar mit einschichtigem Serviettenpapier. Im Gegensatz zu den anderen Blumensträußen in der ersten Reihe hat diese Verpackung keine klassische Trichterform. Daneben sind einige rot weiße Lilien zu erkennen. Diese nehmen jedoch vergleichsweise wenig Platz ein. Noch weniger Platz nimmt das Geschenk rechts daneben ein. Es lässt sich die rechteckig wirkende Folie mit einer darauf liegenden Postkarte und einer sich darin befindenden Rose erkennen. Der nächste Strauß lässt sich nur durch die sichtbare braun, beige, weiße Papierverpackung erahnen. Darauf folgt ein größerer Blumenstrauß, bei dem die farblose, durchsichtige Verpackungsfolie über den Blumenköpfen schließt und an den Stielen durch eine rote Geschenkschleife zusammengehalten wird. Auf dem Foto selbst ist diese Geschenkschleife nur halb zu sehen, jedoch auf anderen Fotos vom gleichen Zeitpunkt ist besser nachzuvollziehen, dass diese wirklich zu Blumenstrauß gehört. Die Blumen selbst haben unterschiedliche Blütenformen in den Farben Rot, Rosa, Violett und Weiß und wirken auf mich wie Wiesenblumen. Es folgen rote und gelbe Rosen in weißem Papier mit blauem, sehr dezentem Muster. Auf diesem liegt eine mit der Öffnung zur Fotografin gerichtete Klappkarte. Daneben liegt ein Foto Dianas im Seitenprofil, auf dem sie ihre Krone trägt und in die Richtung der eben beschriebenen Blumen schaut. Das Fotoporträt Dianas ist jedoch auf der Fotografie nur bis zu ihrer Oberlippe zu erkennen. In der linken oberen Ecke des Porträts liegt eine rosa Blume. In der rechten Ecke wiederum ist eine Herz Dame Spielkarte erkennbar. Auf diese Spielkarte werde ich später noch einmal genauer eingehen. Die eben beschriebenen Blumensträuße zeigen nur einen Bruchteil von der Vielfalt der Blumengeschenke in diesem Meer aus Blumen und Geschenken. Weiterhin sind Kuscheltiere wie zum Beispiel Bären, Briefe auf ausgefaltetem Papier, Postkarten, Klappkarten, verschiedenen Geschenkschleifen und viele Heliumballons zu sehen. Vorne links fallen vor allem zwei Ballons auf, denn einer ist im Vergleich zu den Blumensträußen groß, viereckig mit einer abgebildeten Herz Dame Spielkarte. Und davor schwebt ein kleinerer runder Ballon mit abgebildeten Luftballons und einem Schriftzug von dem „be missed“ klar erkennbar ist. Im Hintergrund sind hauptsächlich blaue und rote Ballons meistens in einer Herzform ersichtich. Ziemlich genau in der Mitte der Fotografie ist zwischen den Blumensträußen eine Sonderausgabe der Daily Mail zu sehen. Die Sonderausgabe kennzeichnet sich durch das Deckblatt, auf dem eine Porträtaufnahme Dianas zu erahnen ist, da ihr Haarschopf zu erkennen ist und links von ihrem Kopf ihr Geburtsjahr „1961“ und rechts ihr Sterbejahr „1997“ geschrieben stehen.

Das Foto wurde sehr kurz nach der Veröffentlichung Dianas Tod aufgenommen. Zwar haben wir kein genaues Datum wann die Fotografin das Foto geschossen hat, allerdings trägt das Foto einen Titel, der den zeitlichen Rahmen einschränkt. Außerdem weisen viele Details im Blumenmeer auf Diana und ihren Tod hin. Die Spielkarte Beispielweise ist das Symbol für Dianas Spitznamen „Queen of the hearts“. Wie Rayk Wieland in The Neurose of England schrieb sind Teddybären, kleine Gedichte und Blumen Teil der britischen Volkskultur und stehen für den Trost und ein Verständnis für die Betroffenen (Wieland 1998, S. 70). Nach Rainer Kampling sind eben diese Blumen, Totengeschenke, Briefe und der stille sowie mediale Protest direkte Ausdruckformern kollektiven Trauerns, auch wenn die Mechanismen des Entstehungsprozesses der kollektiven Trauer noch nicht hinreichend geklärt sind.

4. Jan und Aleida Assmann: Das kollektive Gedächtnis

Der Soziologe Maurice Halbwachs veröffentlichte im Jahre 1939 seine Studien zu „memoire collective“. Diese gehörten schon damals zu den wichtigsten Untersuchungen kulturwissenschaftlicher Gedächtnisforschung und dienten als Grundstein für weitere Forschungen zum kollektiven Gedächtnis (A. Assmann 1999, S. 131). So stützen sich auch Aleida und Jan Assmann in ihren Arbeiten über die Erinnerungsräume und des kulturellen Gedächtnisses auf Halbwachs Forschungen.

Jan Assmann gelang es stützend auf der „sozialen Basis“ (J. Assmann 2007, S. 11) die Zusammenhänge von Kultur und Gedächtnis zu konkretisieren und über diese Zusammenhänge hinaus Theorien aufzustellen.

Jan und Aleida Assmanns Fundament für ihre Untersuchungen ist die Unterscheidung innerhalb des auf Halbwachs Theorie basierenden kollektiven Gedächtnisses zwischen dem kommunikativen und dem kulturellen Gedächtnis. Innerhalb dieser Formen gibt es eine klare Trennung, wodurch beide letztlich fachübergreifend zeigen, wie umfangreich die „Interaktionen zwischen Psyche, Bewusstsein, Gesellschaft und Kultur“ (Ebd. Zitat S. 20) sein kann.

4.1. Das kommunikative Gedächtnis

Das kommunikative Gedächtnis bezieht sich auf die umfassende Erinnerung der aktuellen Vergangenheit. Dazu zählt laut Jan Assmann auch das Generationengedächtnis, bei dem der Erinnerungsraum allein durch die persönliche und kommunikative Vergangenheit gebildet wird. Diese Erinnerungen erhalten sich über drei bis vier Generationen. In diesem Zusammenhang nimmt Jan Assmann Bezug auf die Bimodalität der Generationen, somit des kommunikativen und auch des kollektiven Gedächtnisses (J. Assmann 2000, S. 50 f).

Diese Modi des „Gedächtnis-Rahmen[s]“ (J. Assmann 2000, S. 50) unterscheiden sich in fundierende und biographische Erinnerungen (Ebd. S. 52), wodurch sich Erfahrenes und Erlerntes herausbildet, was wiederum im episodischen oder semantischen Gedächtnis gespeichert wird (J. Assmann 2007, S. 13). Dabei sind fundierende Erinnerungen eine vom rein Subjektiven abgelöste Darstellung verbaler und nonverbaler Mittel. Somit sind auch schriftlose Gruppen einbezogen. Assmann ordnet diesen Modi dem Überbegriff „Memoria“ zu. Die biographischen Erinnerungen umfassen vor allem „literale Gesellschaften, auf sozialer Interaktion“ (J. Assmann 2000, S. 51).

Aleida und Jan Assmann haben daher den Begriff des kommunikativen Gedächtnisses geprägt, der die Notwendigkeit des sprachlichen Austauschs innerhalb einer Gemeinschaft besonders hervorhebt. Werden Informationen zudem affektiv vermittelt, bleiben sie besonders lange im Gedächtnis.

4.2. Das kulturelle Gedächtnis

Der Begriff des kulturellen Gedächtnisses wurde ebenfalls vor allem von Jan Assmann geprägt. Im grundsätzlichen Unterschied zum kommunikativen Gedächtnis wird dieses durch institutionelle Mnemotechnik erhalten. Das kulturelle Gedächtnis wird zwar ebenfalls von einer Gruppe oder Gesellschaft genutzt, dokumentiert jedoch das Selbstbild der Gruppe um dieses über Generationen weiter zu vermitteln (J. Assmann 2000, S. 52). Assmann betont, dass Vergangenheit beim kulturellen Gedächtnis eher zu „symbolischen Figuren“ wandelt. Daher ist es wichtig zu erwähnen, dass der Unterschied zwischen Mythos und Geschichte irrelevant wird, denn beides ist wichtig für die Existenz dieses Gedächtnisrahmens und kann nur miteinander, nicht gegeneinander, existieren. (Ebd., S. 52) Das Gedächtnis basiert auf Traditionen und existiert durch das Weiterreichen von kulturspezifischen Gütern wie Schriften, Bildern, Habituationen oder Ritualen. Eben aus diesem Grund umfasst das kulturelle Gedächtnis einen viel größeren Zeitraum als das kommunikative Gedächtnis und kann die Identität der Gruppenmitglieder verändern (Ebd., S. 53). Durch das kulturelle Gedächtnis kommt es oft zu der Identifikation mit der Vergangenheit einer bestimmten Nation (Ebd., S. 52).

5. Fazit

Wie Aleida und Jan Assmann bereits festgestellt haben, sind nicht nur die Geschichte und Entwicklung des Individuums für eine Erinnerungskultur wichtig, sondern vor allem Gruppen und Gesellschaften. Es gab in der Geschichte niemals eine politische Zusammengehörigkeit ohne eine gemeinsame Erinnerung. Die Erinnerungsstruktur wurde in den letzten Jahrhunderten stark verändert, denn durch den Buchdruck und die wachsende Medialität wuchs nicht nur das Publikum sondern wurde die Materialisierung auch das Massenprodukt der Erinnerung (Edgar Wolfram in Berghahn/Hoch-Baumgarten 1999, S. 50 f.). Durch das Massenprodukt und die Medialisierung und auch durch Demokratisierung und die Menschenrechte ist es möglich, dass eine Gesellschaft Ländergrenzen übersteigt oder in Dianas Fall weltweit ist, entsteht ein Gruppengedächtnis nach Maurice Halbwachs. Eben dieses Gruppengedächtnis wird auch in der Fotografie von Fiona Hanson sichtbar. Sowohl Wieland als auch Kampling haben in dem Blumenmeer eine Ausdruckform nach britischer Volkskultur der Trauer und des Trostes gesehen. Ein Ritualbestandteil der sich bereits fest im Handeln der Menschen verankert hat. Da es bei diesem Akt weniger um die Identifikation vergangener Nation ging, sondern es sich um eine nichtsprachlich oder sprachlich weitergegebene Ausdruckform, handelt ist dieses Verhalten in jedem Fall ein Beispiel für das kommunikative Gedächtnis der Menschen, welche Teile zum Blumenmeer beigetragen haben. Wobei es wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass nicht das Blumenmeer an sich Teil des kommunikativen Gedächtnisses ist, sondern lediglich die Aktion des Hinlegens von Totengeschenken. Das Blumenmeer vor dem Kensington Palace und dem Buckingham Palace ist damit ein sehr ausdrucksstarkes Ergebnis einer tief verwurzelten Volkskultur und eines stillen Protests. Das kulturelle Gedächtnis schließe ich dabei vollkommen aus, da diese Form von Trauer und Trost nicht auf institutionelle Mnemotechnik zurückzuführen ist. Die Trauerzeremonie für die verstorbene Diana Spencer ließe sich auf dem ersten Blick dem kulturellen Gedächtnis zuordnen, da der Aufbau der Trauerzeremonie in den meisten Facetten, die einer traditionellen, fest verankerten Tradition zur Beerdigung eines Royals zuordnen lässt. Doch Lady Diana war keine Mitglied der königlichen Familie mehr und hätte somit theoretisch ein anderes Trauritual haben sollen. Doch Aufgrund zahlreicher oben bereits erläuterter Gründe hielten es der Premierminister, die königliche Familie und die Familie Spencer selbst für sinnvoll der Prinzessin des Volkes eine so prachtvolle Trauerzeremonie zu Gute kommen zu lassen. In meiner Recherche habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, ob abgewandelte beziehungsweise modernisierte Traditionen in das kulturelle Gedächtnis mit einfließen, oder ob mit der Modernisierung ein neues Gedächtnis entsteht. Unabhängig von den eben genannten Punkten sollte jedoch auch bedacht werden, dass die Trauerzeremonie so traditionell aufgezogen und noch über die Tradition hinaus umgesetzt durch den stillen und medialen Protest quasi erzwungen wurde. Wo sich für mich die Frage stellt, ob man den Prozess dieses Traueraktes überhaupt noch als Tradition bezeichnen kann. Doch diese Frage zu beantworten soll nicht Teil dieser Hausarbeit sein.

Alles in allem Ist die Frage „Kann der Tod Diana Spencers als ein Beispiel kollektiven Gedächtnisses dienen?“ wohl etwas schwammig gestellt. So kann der Tod einer Person durch einen Unfall keines Falls einem kollektiven Gedächtnisses angehören. Es wäre durchaus sinnvoll in diesem Zusammenhang den ritualisierten Massensuizid wie zum Beispiel dem Puputan oder tradierten Mord wie dem Ehrenmord als Teil eines kollektiven Gedächtnisses zu betrachten, doch auch das soll kein Bestandteil dieser Arbeit werden. Damit ist also nicht der Tod Diana Spencers Teil des kollektiven Gedächtnisses, sondern nur Teil der nach dem Tod entstandenen Folgen und Handlungen.

Bibliographie

Assmann, Aleida (1999): Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: Beck

Assmann, Jan (Hrsg.)(2007): Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien. München: Beck

Assmann, Jan (2002): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München: Beck

Beck, Ulrich/Giddens,, Anthoy/Lash, Scott (1996): Reflexive Modernisierung.Eine Kontroverse. Frankfurt am Main: Suhrkamp

Berek, Matthias (2009): Kollektives Gedächtnis und die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. E ine Theorie der Erinnerungskulturen. Wiesbaden: Harrassowitz

Berghahn, Sabine/Koch-Baumgarten, Sigrid (Hrsg.) (1999): Mythos Diana. V on der Princess of Wales zur Queen of hearts. Gießen: Psychosozial-Verlag

Morgan, John (2014): Die Paris London Connection. Wie Geheimdienste die Ermordung von Lady Diana geplant und durchgeführt haben. Rottenburg: Kopp Verlag

Spoto, Donald (1998): Diana. Ihr letztes Jahr. München: Piper Verlag GmbH

Vester, Heinz-Günter (1991): Emotion, Gesellschaft und Kultur. Grundzüge einer soziologischen Theorie der Emotionen. Opladen: Westdeutscher Verlag

Von Griessenbeck, Amelie (1997): Kulturfaktor Emotion. Z ur Bedeutung von Emotion für das Verhältnis von Individuum, Gesellschaft und Kultur. München: Akademischer Verlag Wieland, Rayk (Hrsg.) (1998): The neurose of England. Massen, Medien, Mythen nach dem Tod von Lady Di. Hamburg: Konkret-Literatur-Verlag

Internetquellen:

https://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/2008_01/08_01_kampling/index.html

Rainer Kampling, 12.06.2008, letzter Zugriff am 22.04.2018

https://youtu.be/n2ICGs_XA5QBBC Video, 21.03.2017, letzter Zugriff am 22.04.2018

Bildquellen:

https://www.theguardian.com/uk-news/2017/may/17/bbc-drama-to-explore-public-impact-of-princess-diana-death#img-2

Fiona Hanson, 17.05.2017; letzter Zugriff am 22.04.2018

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Kann die Reaktion auf den Tod Diana Spencers als ein Beispiel kollektiven Gedächtnisses dienen?
Hochschule
Fachhochschule Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
14
Katalognummer
V540475
ISBN (eBook)
9783346153098
ISBN (Buch)
9783346153104
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Assmann, kollektives Gedächtnis, erinnerungsräume, kulturelles Gedächtnis
Arbeit zitieren
Sarah Franke (Autor:in), 2018, Kann die Reaktion auf den Tod Diana Spencers als ein Beispiel kollektiven Gedächtnisses dienen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540475

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