Die Begriffe "Diversity" und "Intersektionalität" in der Soziologie


Hausarbeit, 2019

16 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Diversity
1.1 Diversity Ansatze
1.2 Diversity und Soziale Arbeit

2. Intersektionalitat
2.1 Diskursfeld Intersektionalitat
2.1.1 Kategorien sozialer Ungleichheit

3. Diversity & Intersektionalitat

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. DIVERSITY

„Diversity is not about the others - it is about you. “ (vgl. Sprengel, 2013, S.56)

Der aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Begriff „Diversity“ bedeutet Heterogenitat und Verschiedenheit (PloBer, 2013, S.257) und bewegt sich im Spannungsfeld von Gleich und Anders (vgl. Ehret, 2011, S.44). Der Begriff wird in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlch belegt und ist nicht abschlieBend bestimmbar (vgl. Hofmann, 2012, S.30).

Es werden verschiedene Dimensionen (s. Abb.1) von Unterschieden zwischen Menschen als bedeutsam erfasst: ethnische und kulturelle Herkunft, Geschlecht, Gesundheit/ Behinderung, sexuelle Orientierungen, Alter und zum Teil auch der Zugang zu Ressourcen wie

Bildungschancen und finanzielle Ausstattung (vgl. Gotz, 2010, S.8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Die Diversity Dimensionen Im Zentrum des Models steht die Personlichkeit, um die herum die nahezu unveranderbaren Dimensionen angeordnet sind.

Sie werden als „Innere Dimension“ zusammengefasst. Weitere Dimensionen wie die au&ere oder organisationale Dimension konnen den Unterschied in Organisationen und Institutionen ausmachen und im Diversity Management Berucksichtigung finden. Je weiter die Dimension vom Kern des Modells entfernt ist, umso flexibler und wandelbarer sind die Dimensionen.

Als Konzept steht Diversity also fur die Vielfaltigkeit und Unterschiedlichkeit von Lebensstilen und - entwurfen, die die Gesellschaft charaktarisieren (vgl. Stuber, 2006) und die komplexe Zusammensetzung der eigenen Identitat, die Zugehorigkeit zu verschiedenen Gruppen thematisiert und bewusst macht (vgl. Bendle, 2004, S.56). Es verwirft Klassifizierungen jeglicher Art und setzt stattdessen - wie auch die Inklusion - auf die Achtung der Individualitat jedes Einzelnen im Sinne der Menschenrechte (vgl. Sprengel, 2013, S.12).

Aus diesem Bewusstsein heraus kann Wertschatzung fur sich und andere entstehen (vgl. ebd.), denn es geht explizit darum, menschliche Vielfalt als etwas Positives zu begreifen, da hier eine hohe Wirkungsfahigkeit vorhanden ist. Diversity als erstrebenswertes Ziel soll dazu beitragen, durch gegenseitige Wertschatzung und Offenheit fur andere Perspektiven, Minderheiten und marginalisierte Gruppen gesellschaftlich einzubinden, ohne dass sie ihre Eigenheiten verlieren oder aufgeben mussen. So konnen neue Ideen entstehen und im Idealfall ein Bewusstseinswandel ermoglicht werden (vgl. Tuschinsky, 2003, S.55-60). Diversity ist in diesem Sinne weit mehr als angemessene Reprasentation von Unterschiedlichkeit, es ist vielmehr die Erkenntnis, dass uns Vielfaltigkeit bereichert. Die Dominanz einer Perspektive beschrankt und fuhrt nicht nur zur Unterdruckung, sondern schopft das Potenzial, dass in der Vielfaltigkeit liegt, nicht aus (vgl. Gotz, 2010, S.8).

Der Leitgedanken von Diversity laBt sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Susen, 2016, S.5):

- Wahrnehmung der Vielfalt von Identitaten und Identitatskonstruktionen und ihre Verbindungen mit den komplexen Realitaten der Gesellschaft und bestehenden Machtverhaltnissen
- Sensibilisierung fur Diskriminierungen und Infragestellung der diesen zugrunde liegenden Normsetzungen
- Gesellschaftliche Vielfalt wird als Potential begriffen und aufgewertet
- Pauschale Abwertung wird durch differenzierte Anerkennung abgelost

1.1 DIVERSITY ANSATZE

Grundsatzlich lassen sich zwei Diversity-Ansatze unterscheiden.

1. Der Antidiskriminierungsansatz
2. Das Diversity Management (DIM)

Der Antidiskriminierungsansatz, ist ab den 1960er Jahren, aus der Schwarzen Burgerrechtsbewegung der USA und politischen Kampfen der Frauen-, Schwulen-, Lesben- und Behindertenbewegung hervorgegangen. Er ist menschenrechtsbasiert, zielt auf Chancengleichheit und den Abbau von Diskriminierung. Hierzu trat z.B. 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft (vgl. Gregull, 2018). Das AGG soll die Umsetzung von vier europaischen Gleichbehandlungsrichtlinien in Deutschland sicherstellen, die nicht nur die Diskriminierungen durch den Staat betrifft, sondern die Mitgliedstaaten auch zu einem Rechtsschutz vor Diskriminierungen durch Private verpflichtet, insbesondere in der Arbeitswelt (Merx, 2008).

- Der Ansatz zielt insbesondere auf:
- Sensibilisierung fur Schubladen-Denken und Diskriminierungen
- Anerkennung von verschiedenen Identitatskonstruktione
- Fahigkeit zur Selbstreflexion und zum Perspektivwechsel
- Wahrnehmung von Dominanz- und Unterordnungsstrukturen
- Erkennen der Ungleichgewichtigkeit verschiedener sozialer Klassifikationen
- Konfliktfahigkeit und soziale Kompetenz, Menschen nicht als StellvertreterInnen fur eine bestimmte Gruppe zu behandeln, sondern sie als Individuen wahr und ernst zu nehmen (vgl. Susen, 2016, S.6).

Der andere Ansatz, das Diversity Management Konzept, entwickelte sich Mitte der 1980er Jahre durch die dadurch entstandene gesetzliche Verpflichtung fur Arbeitgeber die Chancengleichheit aller Beschaftigten zu fordern (Veeder, 2006, S.2-6). Fur diesen Ansatz wirbt in Deutschland seit 2006 die Wirtschaftsinitiative Charta der Vielfalt. Zentral fur das betriebswirtschaftliche DIM Konzept ist die Annahme, dass personelle Vielfalt, durch eine Steigerung von Erfolg, Produktivitat und Kundennahe (Stuber/ Wittig, 2007, S.68), den Profit von Unternehmen steigern kann. Die durch Migration und Globalisierung zunehmenden Vielfalt der Gesellschaft macht eine Personalpolitik, die auf bewusst divers zusammengestellte Teams setzt, fur die Wirtschaft immer wichtiger, denn KundenInnen wie auch ArbeitnehmerInnen sind immer ofter verschiedener ethnischer oder kultureller Herkunft (vgl. Mo Barak, 2011). Ab Mitte der 1990er Jahre wurde DIM schlieBlich auch in Deutschland im wissenschaftlichen Diskurs aufgegriffen (vgl. Veeder, 2006, S.7) und setzte sich als Strategie der Organisationsentwicklung sowie des Human-Ressource-Managements durch (vgl. Walgenbach, 2017, S.98).

1.2 DIVERSITY UND SOZIALE ARBEIT

Auch wenn sich unter dem Begriff Diversity verschiedene Ansatze finden, die auf unterschiedliche diskursive Zusammenhange verweisen, zielt Diversity als padagogische Perspektive auf den angemessenen Umgang mit dem Zusammenspiel vielfaltiger Identitats- und Zugehorigkeitskategorien und ist etwa seit Anfang der 1990 Jahre in Kontext von Padagogik, Bildung und Sozialer Arbeit zu finden (vgl. Mercheril & PloBer, 2015, S.322).

Es geht bei der Arbeit mit dem Diversity-Ansatz also um mehr als das Einuben von Toleranz, es geht vielmehr um gegenseitige Anerkennung und das Erlernen eines aktiven Umgangs mit Differenz. Die Soziale Arbeit muss sich als (Re-) Produzentin von Differenzordnungen begreifen und die moglichen Folgen durch sozialpadagogische Anrufungen der Individuen kritisch-reflexiv bedenken. Differenzen sind machtvoll, da sie in Ordnungen eingelassen sind, in denen bestimmte Identitatspositionen politisch und kulturell gegenuber anderen Identitaten priviligiert sind. In dieser Ordnung markiert die eine Identitat (z.B. „Heterosexualitat“, „zivilisiert“) die normale, anerkannte Position, die andere („Homosexualitat“, „nicht zivilisiert“) gilt demgegenuber als Anders, Untergeordnet. Das die Soziale Arbeit selbst mit diesen hierarchischen Ordnunglslosigkeiten (normal-ander, gesund-krank) operiert und ihre KlientInnen gerade aufgrund dieser Differenzordnungen Probleme haben (vgl. Mercheril & PloBer, 2015, S.326), verweist auf ein grundlegendes Dilemma der Sozialer Arbeit. Als Instanz zur Bearbeitung von Differenz und Andersheit kann Soziale Arbeit Gesellschaftsmitgliedern oder Bevolkerungsgruppen im Fall einer erfolgreichen Intervention helfen, in Relation zur Gesamtbevolkerung weniger „anders“ zu sein (Integration). Diese Form der sozialarbeiterischen Bearbeitung von Differenz(en) erweist sich aber im selben Moment immer auch als „Normalisierungsmacht“ (vgl. Maurer, 2001, S.125). Soziale Arbeit passt „die Anderen“ in diesem Sinne an die bestehenden Normen an oder produziert die NutzerInnen durch die fachliche Fallmarkierung uberhaupt erst als „Andere“ (mit) (vgl. Kessl & PloBer, 2010, S.8). Dazu kommt, dass die in einer binaren Entweder-Oder Ordnung organisierten Differenzen („schwarz oder weiB“, „Homo- oder heterosexuel“, „deutsch oder turkisch“), den machtvollen Effekt zum Zwang der Eindeutigkeit haben. Zugleich drohen solche Identitatspositionen abgewertet zu werden, die sich dieser Eindeutigkeit verweigern, da sie mehrfach zugehorig oder uneindeutig sind (vgl. Mercheril & PloBer, 2015, S.326).

Die Vielfalt der Differenzordnungen laBt sich jedoch nicht einfach durch eine Addition der Differenzlinien („Geschlecht“ plus „Klasse“ plus „Behinderung“) angemessen erkennen. Hier kommt die Intersektionalitatsforschung, als Analysetool um die Komplexitat von Dynamiken und Systemen zu erfassen, ins Spiel.

2. INTERSEKTIONALITAT

Bereits in den 70er Jahren kritisierten in den USA schwarze Feministinnen, sich in dem Feminismus westlicher weiBer Mittelschichtfrauen nicht wieder zu finden (vgl. Winker, Degele, 2009, S.11). Hauptargumente der Debatte waren die Kritik am Mainstream- Feminismus, da dieser zwar im Namen „aller Frauen“ spricht, letztlich aber nur die Interessen weiBer, westlicher, heterosexueller Frauen aus der Mittelschicht reprasentiert. Die Frau wird folglich als „homogen“ reprasentiert (vgl. Walgenbach, 2014, S. 57).

Dies fuhrte zur Forderung nach einer erweiterten Analyse von zunachst „Rasse“, Klasse und Geschlecht. Frauen wurden nicht nur einseitig diskriminiert wie beispielsweise aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch als rassistisch markierte Andere, sowie aufgrund ihrer Klassenzugehorigkeit. Ziel dieser Analyse war eine Untersuchung der Verwobenheiten von Ungleichheitsdimensionen. Zunachst konzentrierte sich das Konzept Intersektionalitat nur auf Schwarze Frauen. Spater wurde daruber diskutiert, ob auch andere Ungleichheitskategorien mit einbezogen werden sollen (vgl. Yuval-Davis, 2006, S.201-203).

Die US-amerikanische Juristin Kimberle Crenshaw brachte hierfur 1989 den Begriff „intersectionality“ ins Spiel (vgl. Winker, Degele, 2009, S. 12). Ins Deutsche ubersetzt, bedeutet dies Uberschneidung, -kreuzung, Schnittpunkt. Der Terminus der Intersektionaliat ist historisch in einem antidiskriminierungsrechtlichen Kontext verortet mit Bezugen zum Black Feminism und der Critical Race Theory (vgl. Walgenbach, 2014, S. 54).

Kimberle Crenshaw entwickelte den Begriff auf Basis juristischer Fallanalysen bei denen sie zu dem Schluss kam, dass amerikanische Antidiskriminierungsgesetze entweder zu Gunsten schwarzer Manner oder weiBer Frauen operieren (vgl. Walgenbach, 2014, S.61). Sie wollte dabei auf spezifische Erfahrungen aufmerksam machen, die sich fur KlagerInnen ergeben, wenn unterschiedliche Diskriminierungen zusammenwirken und sich zu ganz eigenen Konstellationen verbinden (vgl. Walgenbach, 2014, S.61).

Um die Verwobenheiten zu illustrieren, verwandte sie das Bild einer StraBenkreuzung (vgl. Winker, Degele, 2009, S.12). Jene soll darstellen, dass wie der Verkehr, auch Diskriminierungen aus mehreren oder gar allen Richtungen kommen kann und diese an der Kreuzungsmitte aufeinandertreffen (vgl. Walgenbach, 2014, S. 61).

Aufgrund seiner Herkunft wird der Begriff Intersektiomalitat haufig in den Gender Studies aufgegriffen. In Deutschland wurde er ursprunglich in der Erziehungswissenschaft von Helma Lutz eingefuhrt (vgl. Lutz, 2001, S. 217). Fur diese ist sowohl der antidiskriminierungsrechtliche Kontext wichtig, als auch die erweiterte Perspektive der Sozialwissenschaften, welche Intersektionalitat als Analyseperspektive auf Ungleichheits- Macht- und Herrschaftsverhaltnisse begreifen (vgl. Walgenbach, 2014, S. 54).

Die Erziehungswissenschaftlerin Katharina Walgenbach entwickelte den Begriff „interdependete Kategorien“, da dieser die gegenseitige Abhangigkeit von sozialen Kategorien fokussiert und damit die komplexen Beziehungen von Dominanzverhaltnissen in den Vordergrund stellt (vgl. Walgenbach, 2007, S.61).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Begriffe "Diversity" und "Intersektionalität" in der Soziologie
Hochschule
Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie - Das Rauhe Haus
Veranstaltung
Soziale Ausgrenzungsprozesse
Note
1,0
Jahr
2019
Seiten
16
Katalognummer
V540131
ISBN (eBook)
9783346173690
ISBN (Buch)
9783346173706
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rassismus, Ausgrenzung, Diversity, intersektionalität
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Die Begriffe "Diversity" und "Intersektionalität" in der Soziologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/540131

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