Soziale Arbeit im Nationalsozialismus


Hausarbeit, 2005

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Einleitung

2. Von der Fürsorge zur „Volkspflege“

3. Sozialer Rassismus und seine Auswirkungen auf die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession

4. Nationalsozialistische Volkswohlfahrta

5. Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und die Umsetzung der nationalsozialistischen Politik
5.1. Der Umgang mit Armut und die Behandlung der „Asozialen“
5.2. Ausgrenzende Fürsorge und „Ballastexistenzen“
5.3. Jugendhilfe und Staatsjugend
5.4. Jugendfürsorge und Strafrecht

6. Fazit, Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Warum sich nach 60 Jahren mit der Sozialen Theorie und Praxis eines Systems beschäftigen, daß sein selbstpropagiertes Verhaben, ein 1000 Jahre währendes Reich zu schaffen, nach einem zwölfjährigen Experiment für gescheitert erklären mußte? Tatsächlich veränderten die Nazis während ihrer Herrschaft die Situation in Deutschland und in Europa in Politik und Wirtschaft in einem Ausmaß, daß eine historische Einordnung , eine einhellige abschließende Betrachtung bis heute unmöglich ist. (Vgl. Kuhlmann 2002)

Wir haben es mit einem System zu tun, in dem nach Aly (2005) „gigantische Zeiten“ angebrochen waren: einem technokratischen Staat waren bei der Durchsetzung seiner propagandistischen Ziele weder menschliche („Lebensraumpolitik“) noch materielle (in einem demokratischen Wirtschaftssystem undenkbare Geldbeschaffungspolitik) Grenzen gesetzt. Der „eugenischen Utopie“ (Weingart 1993, zit. n. Kuhlmann 2002) folgend, sollten Menschen geschaffen werden, die der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen. Aufgabe der Sozialen Arbeit war es dabei, als Komplize des Staates, die Fürsorgemaßnahmen nur denen zukommen zu lassen, die dem Typus des „Ariers“ entsprachen.

Eine Historisierung ist auch deshalb so schwer, da es sich beim Nationalsozialismus und der Shoa nicht um eine vorübergehende Abkehr von der Moderne handelt, „sondern eher die Zuspitzung des Ordnungsprojektes der Moderne darstellt“. (Kuhlmann 2002) „Die Vernichtungsmaschinerie unterschied sich grundsätzlich nicht von der gesellschaftlichen Ordnung Deutschlands insgesamt. Die Vernichtungsmaschine war eine spezifische Ausprägung dieser Ordnung.“ (Hilberg 1983, zit. n. Bauman 1992) Nach Rubinstein trägt der Holocaust die „Signatur des zivilisatorischen Fortschritts.“ (Rubinstein 1978, ebenda) Dies sind für mich Argumente genug, um mich mit dieser Zeit zu beschäftigen: sollten die Lehren, die aus dieser Zeit gezogen werden sollten, die sein, daß es keine „würdigen“ und „unwürdigen“ Hilfeempfänger gibt.

Im Folgenden möchte ich mir einen Überblick über die einzelnen Institutionen - oder was von ihnen aus der Weimarer Zeit übrig geblieben ist - verschaffen und beleuchten, wie die Nazis unser sozialpolitisches Sytem geprägt haben.

Begriffe, die dem reichhaltigen, martialischen Vokabular der Nazis entstammen, habe ich übernommen und in Anführungszeichen gesetzt.

2. Von der Fürsorge zur „Volkspflege“

Nach 1933 kann man nicht mehr von einer Wohlfahrtspflege nach früheren Maßstäben sprechen. (Sünker 1996, zit. n. Kuhlmann 2002) Die Nationalsozialisten benutzten selbst den Begriff „Volkspflege“, der den Ausschluß bestimmter, nämlich nicht zum „Volkskörper“ gehörender Gruppen, impliziert. Adressat fürsorgerischer Leistungen war nun nicht mehr das hilfsbedürftige Individuum, sondern der „Volkskörper“. Nicht die individuelle Wohlfahrt des Einzelnen war von Interesse, sondern die „Volkswohlfahrt“. Nur die „wertvollen“ Volksgenossen hatten zwar keinen Anspruch auf Sozialleistungen, aber es bestand die Möglichkeit der staatlichen Hilfeleistung, während die Bevölkerungsgruppen, die nicht zu disziplinieren waren, ausgegrenzt und der Vernichtung preisgegeben wurden. (Kuhlmann 2002) „Die Ausgrenzung der 'Gemeinschaftsfremden' signalisiert zugleich die Definition, die Normsetzung für die 'Volksgenossen'. Der Wohlfahrtsstaat transformiert sich insofern in den 'Wohlverhaltenstaat'. Der Nationalsozialismus stellt dabei den Sonderfall, eine besonders fatale Form jenes Spannungsverhältnisses zwischen geförderter und geforderter 'Normalität' einerseits und zu behebender oder auszugrenzender 'Unangepaßtheit' andererseits dar“. (Peukert 1986)

„Die PflegerInnen des 'Volkskörpers' wandten sich benachteiligten, d.h. durch Arbeitslosigkeit verarmten 'Volksgenossen', bzw. 'deutschen' Müttern und Kindern, vor allem im ländlichen Raum zu. In diesen Bereichen setzten sich im Nationalsozialismus 'moderne' Formen der Fürsorge durch: effizient, funktional und ohne die herablassende Geste bürgerlicher 'Wohltätigkeit'.“ (Kuhlmann 2002)

3. Sozialer Rassismus und seine Auswirkungen auf die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession

Die seit über einhundert Jahren existierende, auf rassen- biologischem, rassenhygienischem und eugenischem Gedankengut basierende Theorie vom Über- und Untermenschentum hatte in den 1920er- Jahren massiven Einfluß auf die Ethik der Sozialen Arbeit. Diese war bislang entweder religiös oder reformpädagogisch geprägt. Der Zusammenbruch der Weimarer Republik, die Machtergreifung Hitlers, die damit verbundene Aushebelung demokratischer Kontrollmechanismen und die Errichtung einer Diktatur, ermöglichten die Durchsetzung der sozialtechnologischen Utopie von der „Endlösung“ der sozialen Frage. (Kuhlmann 2002) Die Fachvertreter der Sozialen Arbeit übernahmen die rassistische Deutung der sozialen Probleme. Das 1933 verabschiedete Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN), wonach Prostituierte, Straftäter, Fürsorgezöglinge, sogenannte „Erbsäufer“ und „moralisch schwachsinnige“ Personen zwangssterilisiert wurden, machte die FürsorgerInnen und Fachvertreter der Sozialen Arbeit zu Komplizen des Regimes. Die genaue Rolle der Sozialarbeiterinnen bei den Zwangssterilisationen steht noch nicht fest, eine Beteiligung an den Aktionen ist aber unleugbar (Siehe hierzu Kramer 1986). Eine entwickelte Disziplin Sozialer Arbeit nach heutigem Verständnis gab es damals noch nicht. Die Ausbildung fand an „Volkspflegeschulen“ und nur in Ausnahmefällen an Universitäten statt. Der Staat nahm über die Staatsprüfung direkten Einfluß auf die Lehrplangestaltung und das zentrale Fach wurde Rassenhygiene.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Soziale Arbeit im Nationalsozialismus
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V53952
ISBN (eBook)
9783638492607
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Arbeit, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Alexander Pursche (Autor:in), 2005, Soziale Arbeit im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53952

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