Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte "An diesem Dienstag". Wie verändert sich menschliches Denken und Handeln durch Krieg?


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Formale Textanalyse

Inhaltliche Textanalyse und Interpretation
Episode 1
Episode 2
Episode 3
Episode 4
Episode 5
Episode 6
Episode 7
Episode 8
Episode 9

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit wird die Kurzgeschichte ‚An diesem Dienstag‘ von Wolfgang Borchert analysiert und interpretiert. Sie erschien 1947 und handelt vom 2. Weltkrieg.

Die Textanalyse orientiert sich an den Ausführungen von Oliver Jahraus in ‚Grundkurs Literaturwissenschaft‘.

Für die Interpretation wird der Frage ‚Wie verändert sich menschliches Denken und Handeln durch Krieg?‘ nachgegangen. Sind es nur die Lebensumstände für die Soldaten? Verändert sich auch etwas für die Zivilbevölkerung, wenn sich das Land im Krieg befindet, auch wenn dieser woanders stattfindet? Was macht der Krieg mit den Menschen, die am direkten Schauplatz tätig sind?

Zunächst werden in einem Kapitel lediglich die formalen Analysekriterien (Ebene der primären semantischen Strukturen, Ebene der etablierten Zeichen, Ebene der Propositionen, Raumebene, Konfliktebene, Ereignisebene, Ebene des übergeordneten Konflikts, Sujetebene, Ebene der dargestellten Welt sowie Vermittlungsebene) herausgearbeitet.

Anschließend werden im nächsten Kapitel inhaltliche Analysekriterien (Ebene der sekundären semantischen Strukturen, nochmals Ebene der etablierten Zeichen, Figurenebene und Handlungsebene) erläutert und zugleich unter der v. g. Fragestellung interpretiert. Dabei wird die Kurzgeschichte in neun Episoden untergliedert.

Diese Vorgehensweise ist gewählt worden, damit ein Springen zwischen den Analysekriterien und der Interpretation vermieden wird.

Das menschliche Denken und Handeln aus der Fragestellung bezieht sich auf Mitgefühl, liebevollen oder respektvollen Umgang miteinander, das Aneinander-denken, das Sichumeinander-kümmern.

Formale Textanalyse

Die Kurzgeschichte trägt den Titel „An diesem Dienstag“. Sie beginnt mit einer kurzen Einleitung. „Die Woche hat einen Dienstag. Das Jahr ein halbes Hundert. Der Krieg hat viele Dienstage.“ 1

Anschließend beginnt jeder der nun folgenden neun Episoden mit den Worten ‚An diesem Dienstag‘.

Es werden zwar die Geschehnisse eines speziellen Dienstags dargestellt, aber es könnte auch an jedem anderen Tage so geschehen.

W. Borchert verwendet einfache Worte und ebenso einfache Sätze bzw. Satzgefüge. Seine Sprache ist klar, rational und neutral. Er verwendet nur wenige sprachliche Mittel und setzt diese akzentuiert ein, damit sie ihre Wirkung entfalten können.

In der Kurzgeschichte sind verschiedene Zeichen etabliert.

Zunächst einmal der Krieg mit G wie Grube. Die Lehrerin trifft diese Aussage als Merkhilfe für Ulla. Und Ulla wiederholt diese Merkhilfe am Ende der Geschichte. Ein weiteres Zeichen ist die Farbe Rot. Leutnant Ehlers trägt einen roten Schal, der Sanitäter hat gerötete Fingerknöchel und Frau Hesse malt sich die Lippen rot.

Ein Buch, in welchem Eintragungen über jemanden vorgenommen werden, stellt ebenso ein Zeichen dar. Die Interpretation der Zeichen erfolgt in den jeweiligen Episoden.

W. Borchert verarbeitet in diesem Text als Proposition die Aussage, dass der Krieg immer mit Tod verbunden ist. Entweder sterben Menschen bei Kampfhandlungen durch Waffen oder aber auch durch Krankheiten und Seuchen. Und ebenso stirbt auch die Menschlichkeit.

Die Raumebene der Kurzgeschichte gliedert sich in zwei topographischen Räume auf, welche immer abwechselnd präsent sind. In den Episoden 1, 3, 5, 7 und 9 finden die Handlungen in Deutschland statt. Die Episoden 2, 4, 6 und 8 geben die Handlungen aus Smolensk in Russland wieder.

Durch die Unterteilung der Kurzgeschichte in verschiedene Episoden werden auch unterschiedliche Werte und Normen deutlich gemacht. Dabei können einzelne Episoden zu Wertungsebenen zusammengefasst werden:

Ebene 1 bilden die Episoden 1, 3, 5, 7 und 9; sie stellen den Alltag in Deutschland dar.

Ebene 2 ist die Episode 2; welche einen Ausschnitt aus dem Soldatenleben verdeutlicht.

Ebene 3 sind die Episoden 4, 6 und 8; dort steht das Seuchenlazarett im Mittelpunkt.

In der Ebene 1, dem Alltag in Deutschland, gelten die Normen Fleiß und Gehorsam in der Schule, aber auch Stolz. Was aber nicht verlangt wird, ist Menschlichkeit oder Mitgefühl. Die Normen Fleiß und Gehorsam werden in Ebene 2, dem Soldatenleben, noch gesteigert und durch Korrektheit, Stärke und Pflichtbewusstsein ergänzt.

In Ebene 3, dem Seuchenlazarett unterscheiden sich die Normen in zwei Sichtweisen. Auf der einen Seite werden Sanitäter und Träger positioniert, welche für Pflichterfüllung sowie reine, kalte und abgestumpfte Sacherledigung stehen. Diesen gegenüber stehen die Ärzte und Schwester Elisabeth, welche noch Menschlichkeit und Mitgefühl erahnen lassen.

Auf der Konfliktebene stehen sich Menschlichkeit und Pflicht, Gehorsam, Stärke gegenüber. Dies wird schon am Anfang deutlich mit dem Satz „Im Kriege sind alle Väter Soldat.“2 Es stehen sich nun Väter und Soldat gegenüber. Der Vater muss sein Vatersein dem Soldatensein unterordnen. Die menschliche Beziehung als Vater steht unter der Pflicht als Soldat, der dienen muss.

Das herausragende Ereignis dieser Kurzgeschichte ist der Tod des Hauptmanns Hesse. Er stirbt jedoch nicht in einer Schlacht, sondern erliegt einer Krankheit. Mit diesem Ereignis verdeutlicht

W. Borchert, dass er als Soldat seine Pflicht nicht erfüllt hat, keine Stärke gezeigt hat. Dieser Tod stellt auch den übergeordneten Konflikt dar.

Der Ablauf dieses Dienstags aus Sicht der verschiedenen Figuren in ihren verschiedenen Situationen ist die Abbildung der Sujetebene. Dabei stehen alle Figuren, außer Ulla und die Lehrerin, mit Hauptmann Hesse in einem Zusammenhang. Die Episoden 1 und 9 bilden einen Rahmen um die anderen Episoden.

Die Kurzgeschichte ist in der Er-Form verfasst. Die Erzählinstanz hat eine Außensicht auf die Geschehnisse, ist von diesen entfernt und neutral diesen gegenüber eingestellt. Die Kurzgeschichte wird in der erlebten Rede erzählt. Der Ablauf dieses Dienstags wird zeitraffend und chronologisch wiedergegeben. Mit jeder Episode schreitet auch der Dienstag voran. Er beginnt am Morgen mit Episode 1 und endet am Abend mit Episode 9.

Durch die klare, prägnante und nüchterne Sprache bekommt auch die Erzählinstanz eine nüchterne, emotionslose Erzählhaltung und Wertung. Nur ganz vereinzelt treten Gefühle ans Licht.

Inhaltliche Textanalyse und Interpretation

Episode 1

In einer Schule lernen Mädchen die Großbuchstaben schreiben. Daraus lässt sich schließen, dass sie in die 1. Klasse gehen. Als Figuren werden die Lehrerin und das Mädchen Ulla eingeführt.

Die Lehrerin trägt eine Brille mit dicken Gläsern, durch welche ihre Augen „ganz leise“3 aussehen. Sie ist offensichtlich kurzsichtig. Durch das Oxymoron wird dies sehr deutlich dargestellt. Und mit dieser Kurzsichtigkeit behandelt sie auch ihre Schülerinnen. Ihre Brillengläser sind so dick, dass sie die Kinder gar nicht mehr richtig als Kinder sehen kann. Das Mädchen Ulla ist eine Schülerin und geht gerade einer kindlichen Verspieltheit nach, da wird sie von der Lehrerin angestoßen, weil sie einen Schreibfehler gemacht hat. Die Lehrerin weist sie daraufhin zurecht, erteilt ihr eine Strafarbeit und vermerkt etwas in einem Buch. Sie erscheint kalt, lieblos, ungeduldig und erwartet beste Leistung und Gehorsam.4 Sie hat keine Bindung zu den Kindern. Die Sätze, welche die Lehrerin verwendet, sind zum Lernen überhaupt nicht kindgerecht.5 Es werden im Krieg schon die Kinder von Beginn an für die kalte, gefühlslose Kriegswelt erzogen. Ihr kindliches Verhalten ist nicht erwünscht und wird auch nicht geduldet, ebenso soll in ihren Seelen kein Platz für Sentimentalitäten sein. Der Satz ‚Im Kriege sind alle Väter Soldat.‘ verdeutlicht dies. Und auch die Merkhilfe, welche die Lehrerin heranzieht („Krieg wird mit g geschrieben. G wie Grube.“6 ) ist sehr gefühllos. Dieser Vergleich (Krieg mit G wie Grube) ist ein Zeichen, welches im Text etabliert ist. Da im Krieg viele Menschen sterben, kann mitunter nicht jeder von ihnen ein eigenes Grab erhalten, sondern sie werden mit anderen zusammen in einer Grube bestattet. Daher Krieg mit G wie Grube.

Nicht regelkonformes Verhalten, kleinstes Abweichen von der Norm ist schon in der Schule nicht hinnehmbar und wird in dem Buch vermerkt, welches ebenso als Zeichen steht. Ein Zeichen daher, weil diese Eintragungen wichtig sind, sie müssen gemerkt und dürfen nicht vergessen werden.

[...]


1 Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür und ausgewählte Erzählungen. 98. Auflage. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Juli 2016. S. 58

2 Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür. S. 58

3 Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür. S. 58.

4 Vgl. Bogdal, Klaus-Michael; Kammler, Clemens (Hrsg.): Wolfgang Borchert Kurzgeschichten. Interpretation von Wilhelm Große. München: Oldenbourg Schulbuchverlag 1995. S. 59,60.

5 Vgl. Gehse, Harro: Wolfgang Borchert Draußen vor der Tür. Die Hundeblume und andere Erzählungen - Interpretationen und Materialien. 3. Auflage. Hollfeld: Joachim Beyer 2007. S. 72.

6 Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür. S. 58.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte "An diesem Dienstag". Wie verändert sich menschliches Denken und Handeln durch Krieg?
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V539155
ISBN (eBook)
9783346139795
ISBN (Buch)
9783346139801
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wolfgang, borcherts, kurzgeschichte, dienstag, denken, handeln, krieg
Arbeit zitieren
Anne-Katrin Döhl (Autor:in), 2018, Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte "An diesem Dienstag". Wie verändert sich menschliches Denken und Handeln durch Krieg?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539155

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