Mediennutzung und körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen. Führen Smartphones und das Fernsehen zum Bewegungsmangel?


Fachbuch, 2020

71 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung und Zielgruppe
1.2 Methoden und Quellen

2 Entwicklungspsychologische Grundlagen
2.1 Körperliche und motorische Entwicklung
2.2 Kognitive Entwicklung

3 Handynutzung und Fernsehkonsum
3.1 Empfehlungen für Handynutzung und Fernsehkonsum für die ausgewählte Zielgruppe
3.2 Aktuelle Studienlage in Österreich und Deutschland zur Handynutzung und zum Fernsehkonsum der ausgewählten Zielgruppe

4 Körperliche Aktivität der Zielgruppe
4.1 Definition des Begriffs „Körperliche Aktivität“ und Empfehlungen für das Ausmaß
4.2 Aktuelle Studienlage in Österreich und Deutschland zu körperlicher Aktivität im Kindes- und Jugendalter

5 Zusammenhang zwischen Mediennutzung (Handy und TV) und körperlicher Aktivität: Aktuelle Studienlage in Österreich und Deutschland
5.1 KiGGS-Studie
5.2 MoMo-Studie
5.3 Metaanalyse von Marshall et. al
5.4 Diskussion der Ergebnisse:

6 Reflexion der Ergebnisse und Überlegungen zu weiterführenden Maßnahmen
6.1 Bewegungsförderung an Schulen:
6.2 Maßnahmen zur Förderung des Ausmaßes von körperlicher Betätigung bei Kindern im außerschulischen Kontext

7 Literatur

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Impressum:

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Zusammenfassung

Wie Studien belegen, erreicht ein immer geringer werdender Anteil der Kinder und Jugendlichen in Österreich und Deutschland die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gleichzeitig zeigt sich eine stetige Zunahme des Medienbesitzes beziehungsweise Medienkonsums bei Kindern und Jugendlichen. Daraus ergibt sich die Frage nach einem möglichen Zusammenhang der beiden Entwicklungen. In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über aktuelle Studien zum Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und Handy/Smartphone-Nutzung und dem Ausmaß der körperlichen Aktivität von Sechs- bis Vierzehnjährigen in Österreich und im deutschsprachigen Raum dargestellt werden. Die Ergebnisse zeigen keinen signifikanten Zusammenhang bei Kindern unter zehn Jahren. Eine negative Korrelation besteht zwischen einem übermäßigen Medienkonsum und dem Ausmaß der körperlichen und sportlichen Aktivität bei Jugendlichen über elf Jahren mit geschlechtsspezifischen Unterschieden. Die Ergebnisse einer mit einbezogenen internationalen Metaanalyse sind zum Teil different – so zeigte sich ein signifikanter negativer Zusammenhang auch für Kinder ab dem siebten Lebensjahr. Die Ergebnisse werden diskutiert und Anregungen für sich daraus ergebende pädagogische Implikationen angeführt.

Abstract

As studies show, there is an ever-decreasing proportion of children and adolescents in Austria and Germany following the recommendations on physical activity of the World Health Organization (WHO). Simultaneously there is a steady increase of children and adolescents own and use electronic media. Accordingly, the question arises whether there is any correlation between these two conditions. This bachelor thesis gives an overview of recent studies which focus on this correlation between television consumption and phone use and the amount of physical activity from six- to fourteen-year-old in Austria and Germany. The results show no significant correlation in children till the age of ten. There is a negative correlation between excessive media consumption and the level of physical and sport activity in adolescents over the age of eleven, with some differences according to gender. The results of an included international meta-analysis are partially different – they show a significant negative correlation also for children younger than eleven. The results are discussed and suggestions for pedagogical implications are given.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Relative Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die 4 bis 7 Tage in der Woche täglich zumindest eine Stunde körperlich aktiv sind, seit 2010, nach Schulstufe

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Empfehlungen zu Mediennutzung von BZgA und no.ZOFF

1 Einleitung

„Bewegung ist einer der wichtigsten Faktoren, die bei der psychomotorischen Gesamtentwicklung von Kindern und Jugendlichen eine Rolle spielen. Nur durch aktive Auseinandersetzung mit der materiellen Umwelt kann Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Körper gewonnen werden, was als Folge eine gesunde psychische und physische Entwicklung mit sich bringt“ (Prätorius & Miliani, 2004, S.172).

Bös und Pratschko nennen zahlreiche positive Auswirkungen von Bewegung, die sich sowohl auf den Körper als auch auf die Psyche des Kindes ergäben. So trägt eine körperliche Betätigung bei Kindern unter anderem zu einem widerstandsfähigen Immunsystem, als auch zu einem starken Selbstbewusstsein bei. Die genannten Effekte unterstreichen die Wichtigkeit von Bewegung in der Kindheit (Bös & Pratschko, 2009, S.41-42).

Kinder und Jugendliche wachsen in der heutigen Zeit mit einem sehr umfangreichen Medienrepertoire auf. Dies wird vor allem am Anstieg des Besitzes von eigenen Medien bei Kindern und Jugendlichen ersichtlich. Nach aktuellen Daten aus dem Jahre 2018 besitzen mehr als die Hälfte der Sechs- bis Dreizehnjährigen bereits ein eigenes Mobiltelefon, (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2019) wohingegen der entsprechende Prozentsatz im Jahre 1999 bei gerade einmal bei einem Prozent lag (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2000). Es lässt sich zudem auch ein Anstieg in Bezug auf den Fernseher-Besitz über die Jahre erkennen.

Auch persönliche Erfahrungen im Laufe meines Praktikums, bei dem ich mit Kindern im Alter von sechs- bis fünfzehn Jahren gearbeitet habe, wiesen auf diesen Sachverhalt hin. Nahezu jedes Kind – zum Großteil auch jüngere Kinder – waren bereits im Besitz eines Mobiltelefons. Die meisten Kinder nahmen reflexartig ihr Handy beziehungsweise Smartphone zur Hand, sobald wir eine Pause eingelegt hatten. Zudem sprachen die Kinder häufig über Serien und Shows, die sie im Fernsehen gesehen hatten.

Aufgrund der Veränderung des Medienbesitzes und der Wichtigkeit einer ausreichenden Bewegung im Kindes- und Jugendalter, steht die Frage im Raum, ob eine steigende Mediennutzung eine Auswirkung auf das Ausmaß der Bewegung hat.

So beschreibt Spitzer bereits im Jahre 2012, dass die tägliche Mediennutzung nicht ohne Folgen sein könne (Spitzer, 2012).

Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich einen Überblick über den diesbezüglichen Forschungsstand im deutschsprachigen Raum geben und auch auf die daraus resultierenden pädagogischen Implikationen eingehen.

1.1 Fragestellung und Zielgruppe

Wie bereits oben angeführt, zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, einen Überblick über möglichst aktuelle Studien und deren Ergebnisse betreffend den Zusammenhang zwischen Medienkonsum und körperlicher Aktivität von Kindern und Jugendlichen - bevorzugt in Österreich beziehungsweise den benachbarten Ländern - zu geben. Des Weiteren möchte ich auf daraus resultierende pädagogische Implikationen und mögliche Maßnahmen eingehen.

Die grundlegende Fragestellung der vorliegenden Arbeit beinhaltet drei Hauptfragen und einige dazugehörige Subfragen. Die Hauptfragestellungen lassen sich beschreiben als:

- Zeigt die (übermäßige) Handynutzung und der Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen Auswirkungen auf das Ausmaß ihrer körperlichen Aktivität?
- Wenn ja, welche?
- Welche pädagogischen Implikationen ergeben sich daraus?

Aus diesen Fragestellungen ergeben sich zusätzlich die Fragen:

- Was ist ein angemessenes zeitliches Ausmaß an Handy- und Fernsehkonsum?
- Was ist das tatsächliche Ausmaß an Handy- und Fernsehkonsum der Zielgruppe?
- Was ist ein angemessenes altersentsprechendes Ausmaß an körperlicher Aktivität?
- Was ist das tatsächliche Ausmaß an körperlicher Aktivität der Zielgruppe?

Als Zielgruppe wurden Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs- und vierzehn Jahren gewählt, da Kinder bereits sehr früh in den Kontakt mit Medien kommen und diese eine große Rolle in ihrer Freizeit spielen (Education group, 2018; Education group, 2019; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2019). Um mögliche mit zunehmendem Alter einhergehende Auswirkungen auf den Zusammenhang zwischen Mediennutzung und körperlicher Aktivität erfassen zu können, wurde bei der Zielgruppe eine breitere Altersspanne gewählt, die laut des Stufenmodells von Piaget zwei unter­schiedliche Entwicklungsphasen umfasst Piaget zitiert nach Petermann et al., 2004, S.122-125).

1.2 Methoden und Quellen

Die Bearbeitung der Fragestellung erfolgte durch die Sichtung vorhandener empirischer Studien zur Thematik und einer Zusammenfassung derer Ergebnisse. Dabei wurde einerseits besonderer Wert auf eine möglichst hohe Aktualität der Studien gelegt, zum anderen wurde der Schwerpunkt auf Studien aus Österreich beziehungsweise dem deutschsprachigen Raum gelegt.

Im folgenden Kapitel wird auf entwicklungspsychologische Grundlagen und Konzepte eingegangen, die für das Thema von Relevanz sind. Dieses Kapitel ist in zwei Bereiche unterteilt. Der erste Teil befasst sich mit der körperlichen Entwicklung und den damit verbundenen Veränderungen der Zielgruppe in der ausgewählten Alterspanne. Zudem wird kurz auf den Bereich „Motorik“ und dessen Definition eingegangen. Im zweiten Abschnitt wird die kognitive Entwicklung der Sechs- bis Vierzehnjährigen anhand des Stufenmodells von Piaget beschrieben. Zur Bearbeitung dieses Kapitels wurden unter anderem die Monografien „Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters“ (Rossmann, 2016) und „Entwicklungswissenschaften Entwicklungspsychologie – Genetik – Neuropsychologie“ (Petermann et. al, 2004) ausgewählt.

Im zweiten Kapitel, das wiederum in zwei Bereiche gegliedert ist, wird ein aktueller Überblick über den Medienkonsum der Zielgruppe gegeben. Zu Beginn dieses Kapitels werden Empfehlungen von anerkannten Experten und öffentlichen Stellen zum Ausmaß der Mediennutzung für die ausgewählte Altersgruppe genannt. Hierzu wurden entsprechende Empfehlungen aus dem deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland und der Schweiz) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgewählt, um einen möglichst differenzierten Überblick zu geben. Der zweite Teil gibt eine Übersicht zu aktuellen Daten in Österreich und Deutschland zum Thema Medien und beinhaltet sowohl die Ausstattung der Haushalte bezogen auf die untersuchten Mediengeräte sowie das Freizeitverhalten beziehungsweise das Nutzungsverhalten der Kinder und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung des Fernsehkonsums und der Handy- und Smartphone-Nutzung (die Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 2018; Education group, 2018; Education group 2019; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2019).

In den beiden Abschnitten des dritten Kapitels wird ein Überblick über die aktuellen Daten und Forschungsergebnisse für die zweite zu behandelnde Variable, der „körperlichen Aktivität“ gegeben. Nach der Definition von körperlicher beziehungsweise sportlicher Aktivität wird auf das empfohlene Ausmaß an körperlicher Aktivität für die Zielgruppe eingegangen. Der abschließende Teil dieses Kapitels umfasst aktuelle Daten und Studienergebnisse zum tatsächlichen Ausmaß an körperlicher Aktivität der gewählten Zielgruppe.

Bei der Auswahl der Studien wurde vor allem darauf geachtet, einen möglichst aktuellen und umfassenden Überblick der entsprechenden Ergebnisse im deutschsprachigem Raum zu gewährleisten (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, 2018; Bundesministerium für Gesundheit, 2015; Finger et al., 2018, S. 30; Woll et al., 2019, S. 6).

Im anschließenden Kapitel wird unter Einbeziehung von zwei ausgewählten Studien und einer Metaanalyse, die am Anfang desselben Kapitels ausführlich beschrieben werden, Untersuchungsergebnisse zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Fernsehkonsums beziehungsweise der Handynutzung und dem Ausmaß der körperlichen Aktivität bei der Zielgruppe dargestellt. Bei der Studienauswahl wurde besonders darauf geachtet, möglichst aktuelle als auch zielortbasierte Studien zu wählen, die den Zusammenhang dieser Thematik untersuchten. Es wurden dabei die „ Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS), die sowohl ein Längsschnitt- als auch Querschnitt-Design aufweist, das Motorik-Modul (MoMo-Studie) und die Metaanalyse von Marshall ausgewählt (Hölling et al., 2007, S. 557-566; Manz et al. 2014, S. 840-848; Marshall et al. 2004, S. 1238-1246; Woll et al., 2017, S. 66-73). Die Auswahl dieser internationalen Metaanalyse liegt darin begründet, dass diese Studie einerseits Ergebnisse aus Deutschland beinhaltet und zum anderen eine sehr hohe Anzahl an entsprechenden Studien einbezogen hatte. So belief sich die Gesamtteilnehmerzahl auf mehr als 150 000. Am Ende des Kapitels werden die Ergebnisse der Studien nochmals zusammengefasst und miteinander verglichen.

Im abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse der Studien nochmals reflektiert und mögliche pädagogische Implikationen – im Sinne von Fördermöglichkeiten zur Erhöhung des Ausmaßes der körperlichen Aktivität für die Zielgruppe - angeführt. Es werden zum Großteil persönliche Überlegungen genannt, wobei Bezug zu wissenschaftlichen Grundlagen beziehungsweise Studienergebnissen genommen wird.

2 Entwicklungspsychologische Grundlagen

2.1 Körperliche und motorische Entwicklung

Das Ende der Kleinkindzeit ist eine Entwicklungszeit, die einerseits einen von außen markierten Übergang - nämlich vom Vorschulkind zum Schuleintritt - darstellt und andererseits auch durch eine Vielzahl körperlicher Veränderungen gekennzeichnet ist (Hebestreit et al., 2002, S. 7).

„Erster Gestaltwandel“:

Die körperliche Entwicklung dieser Altersstufe stellt im Wesentlichen eine Fortsetzung der bereits im Vorschulalter begonnenen Entwicklung dar. Die Wachstumsgeschwindigkeit reduziert sich und die Proportionen verändern sich. Etwa im sechsten und siebten Lebensjahr tritt der sogenannte „erste Gestaltwandel“ auf. Das körperliche Erscheinungsbild verändert sich vom „Kleinkindhaften“ in Richtung „Schulkindform“. Es kommt zu einer Verlängerung der Gliedmaßen, der Rumpf wird schlanker, gestreckter und weniger fettreich. Die Muskulatur beginnt sich abzuzeichnen und es bildet sich eine Taille aus. Die Lage des Körperschwerpunktes wird tiefer, was zu einer stabileren Gleichgewichtslage führt. Es kommt zu einer laufenden Verbesserung ihrer motorischen Leistungsfähigkeit und einer stetigen Zunahme ihrer Körperkraft (Rossmann, 2016, S. 95 -96).

Der Abschluss des „ersten Gestaltwandels“ - und damit der Eintritt in die vorpubertäre Phase - tritt bei Mädchen etwa im neunten bis zehnten Lebensjahr ein, bei Jungen im etwa zehnten bis zwölften Lebensjahr. Mit der Pubertät erfolgt dann der „zweite Gestaltwandel“.

Kinder, bei denen der „erste Gestaltwandel“ bereits abgeschlossen ist, können sich vermehrt ihrer Motorik widmen, da eine Phase der körperlichen Entwicklung folgt, die im Vergleich weniger turbulent verläuft. Die Kinder haben somit in dieser Phase mehr Gelegenheiten ihre motorischen Fähigkeiten auszutesten (Mietzel, 2002, S. 294).

Charakteristisch für Kinder im frühen Schulkindalter ist zudem ein Bewegungsverhalten, das von einem Drang nach Entdeckung und neugierigem Ausprobieren geprägt ist. Das stellt unter anderem eine Basis für das Erlernen von motorischen Fertigkeiten dar (Bös & Ulmer, 2003, S. 18). Die Phase des Grundschulalters stellt somit keinen ruhigen Abschnitt dar, sondern ist von „stürmischen“ und „aufgeweckten“ Verhaltensweisen geprägt.

Schon beim Eintritt ins Grundschulalter verfügen Kinder zumeist über ausgeprägte Fähigkeiten in den Aktivitäten Laufen, Klettern, Springen und Hüpfen, die in der weiteren Entwicklung durch grobmotorische Fähigkeiten wie Fangen, Werfen und Stoßen ergänzt werden. Diese zunehmenden motorischen Fähigkeiten bilden eine Grundlage für eine vermehrte Ausübung sportlicher Aktivitäten (Mietzel, 2002, S. 294).

„Zweiter Gestaltwandel“:

Im Jugendalter kommt es bei beiden Geschlechtern zu einem Wachstumsschub, der sich bis über circa viereinhalb Jahre erstreckt, wobei dieser bei Mädchen früher eintritt. Der bemerkbare Zuwachs bei der Körpergröße erfolgt bei Mädchen ungefähr im zwölften Lebensjahr und beträgt ungefähr 8 cm pro Jahr. Bei Jungen setzt das Wachstum mit einem Ausmaß von circa 9,5 cm pro Jahr ein wenig später, mit einem Alter von ungefähr 14 Jahren, ein. Nicht nur die Körpergröße nimmt zu, sondern nahezu alle Körperteile werden größer. Sowohl die Gliedmaßen (Hände, Füße, Arme, Beine) als auch die Hüfte, Schultern und Rumpf entwickeln sich weiter. Abgesehen von den optischen Veränderungen im Jugendalter macht sich ein Kraftzuwachs bemerkbar, der dafür verantwortlich ist, dass der geschlechtsspezifische Unterschied betreffend Körperkraft zugunsten der Jungen größer wird. Diese Abweichung hat sowohl soziokulturelle als auch biologische Gründe. Zudem stellt die motorische Koordination während der Pubertät sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen eine Schwierigkeit dar. Es wird vermutet, dass die unregelmäßig starken Wachstumsschübe der verschiedenen Körperbereiche, das zuvor in der Kindheit geprägte eigene Körperbild stören. Das Jugendalter zeichnet sich ebenso durch die Geschlechtsreife aus, auf die hier jedoch nicht eingegangen wird, da sie nicht relevant für die Bearbeitung der Forschungsfrage ist. Es lässt sich jedoch sagen, dass das Eintreten der Geschlechtsreife mit einer erhöhten Hormonausschüttung in Beziehung steht und dahingehend Einfluss auf das Wachstum und die damit einhergehenden Veränderungen des Körpers hat (Rossmann, 2016, S. 143-145).

Motorik

Motorik ist die Grundvoraussetzung für die Interaktion einer Person mit ihrer Umwelt sowie einer Reaktion auf äußere Einflüsse. Die Entwicklung motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten führt dazu, dass neue Erfahrungen gesammelt und die Umwelt erkundet werden kann. Sie ist für die Entwicklung vieler Persönlichkeitsbereiche elementar. Die motorische Entwicklung ist somit für die Gesamtentwicklung im Kindesalter von großer Bedeutung (Ahnert, 2005, S. 15-16).

Nach Bös und Mechling wird unter „Motorik“ die Gesamtheit aller latenten Steuerungs- und Funktionsprozesse verstanden, die sichtbaren Bewegungsabläufen zugrunde liegen (Bös & Mechling, 1983, S.32-33).

Es wird unterschieden zwischen motorischen Fähigkeiten und motorischen Fertigkeiten. Für Jansen und Richter stellen die motorischen Fähigkeiten die Grundlage für die Ausführung einer speziellen Bewegungsform dar, die vor allem als genetisch-festgelegte Eigenschaften zu definieren sind. Zu diesen zählen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Die motorischen Fertigkeiten sind nicht genetisch bestimmt, sondern können angeeignet und trainiert werden (Jansen & Richter, 2016, S. 24).

2.2 Kognitive Entwicklung

Der Schweizer Psychologe Jean Piaget unterscheidet in dem von ihm entwickelten Modell zur kognitiven Entwicklung bei Kindern zwischen folgenden vier Hauptstadien (Piaget zitiert nach Petermann et al., 2004, S.122-125):

1. Stadium der sensomotorischen Intelligenz, welches sich von der Geburt bis zum circa zweiten Lebensjahr erstreckt,
2. das präoperationale Stadium vom circa zweiten Lebensjahr bis zum siebten Lebensjahr,
3. das konkret-operationale Stadium vom circa siebten Lebensjahr bis zum zwölften Lebensjahr, und
4. das formal-operationale Stadium ab circa dem elften beziehungsweise zwölften Lebensjahr.

Im Folgenden möchte ich auf die für die Zielgruppe relevanten Stadien etwas genauer eingehen.

Konkret-Operationales Stadium

Kinder im Schulalter befinden sich laut Piaget auf der Stufe des konkret-operationalen Denkens, welches sich durch “konkrete gedankliche Operationen” auszeichnet, die sich auf greifbare Gegenstände beziehen. Das Kind kann logisch über konkrete Probleme im Hier und Jetzt nachdenken. Es ist in der Lage, mentale Operationen mit konkreten Gegenständen durchzuführen, jedoch noch nicht mit abstrakten Gedanken. Diese Bereicherung der kognitiven Leistungsfähigkeit zeigt sich in einem Zugewinn an logischem Denken, da Kinder nun in der Lage sind, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu sehen (Petermann et al., 2004, S. 124).

Das Kind ist somit erstmals befähigt, konkrete Operationen zu verstehen, es ist in der Lage, sich bewusst zu machen, dass die Anzahl von Objekten durch Hinzunahme zunimmt und durch Wegnahme weniger wird. Diese kognitive Fähigkeit ermöglicht Kindern das Rechnen durch Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen, Divisionen und das Bilden von Rangreihen. Doch nicht nur ihre mathematischen Leistungen erweitern sich, sondern es entwickelt sich auch die Fähigkeit Oberbegriffe zu bilden. Sie wissen nun, dass ein Objekt mehreren Kategorien angehörig sein kann. Diese Fähigkeit entwickelt sich jedoch erst im Schulalter und ist mit dem Alter von elf Jahren völlig ausgereift (Rossmann, 2016, S. 120-122).

In diesem Stadium verfügt man die Fähigkeit der Reversibilität, des reversiblen Denkens. Das Kind ist nun zum Durchdenken von einer Reihe von Abfolgen befähigt, kann diese Abfolge aber gedanklich auch umkehren (Rossmann, 2016, S. 120-122).

Zudem wird ein Wechsel der sozialen Perspektive möglich. Das Kind kann sich vorstellen, wie es von anderen gesehen wird und es erkennt, dass Menschen anders handeln können, als sie fühlen. Dies hat Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen des Kindes. Bei der Beurteilung einer Person wird nicht nur deren Handlung berücksichtigt, sondern auch die dahinterstehende Absicht (Rossmann, 2016, S. 120-122).

Formal-Operationales Stadium

Etwa mit dem zwölften Lebensjahr beginnt das finale Stadium, das von Piaget als „formal-operationales Stadium“ definiert wird. In dieser Phase erlernen die Kinder die Fähigkeit des abstrakten Denkens und hypothetisch-deduktiven Schlussfolgerns, das der höchsten Form des logischen Denkens entspricht.

In diesem Stadium sind die Kinder und Jugendlichen zunehmend in der Lage, über komplexe hypothetische Probleme nachzudenken und systematisch und logisch an die Lösung eines Problems heranzugehen. Sie erlangen die Fähigkeit, sich gedanklich mit abstrakten Prinzipien auseinanderzusetzen.

Kinder beziehungsweise Erwachsene, die diese Stufe erreichen, sind in der Lage, sich mehrere Realitäten vorzustellen. Dieser Vorgang ermöglicht des Weiteren, dass sich Menschen Gedanken über die Welt aus verschiedenen Sichtweisen machen können (Rossmann, 2016, S. 152-153). Ein mögliches Indiz dafür ist, dass sich vor allem im Jugendalter ein Anreiz für Science-Fiction-Filme entwickelt. Denn Bücher und Filme dieser Kategorie handeln zumeist von realitätsfernen Darstellungen der Erde und bedürfen der Fähigkeit dieses Denkens beziehungsweise zielen auf diese Art des Denkens ab (Siegler, 2001, S. 56).

3 Handynutzung und Fernsehkonsum

3.1 Empfehlungen für Handynutzung und Fernsehkonsum für die ausgewählte Zielgruppe

Obwohl es keine „Pauschalregel“ gibt, wieviel Zeit Kinder höchstens vor Bildschirmmedien verbringen sollten - da es immer auch von der Art der Nutzung abhängt -, gibt es jedoch grundlegende Empfehlungen. Diese Richtlinien zum Ausmaß der Nutzung digitaler Medien für Kinder und Jugendliche beziehen sich jedoch häufig nur auf das Kleinkind- und Vorschulalter. Für Kinder im Schulalter beziehungsweise für Jugendliche finden sich aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsmuster weniger Empfehlungen beziehungsweise sind diese oft unterschiedlich definiert.

Die WHO hat 2019 mit dem Ziel der Vermeidung von Übergewicht und daraus resultierenden Folgeerkrankungen Empfehlungen für Bildschirmzeiten / Sitzverhalten, körperliche Aktivität und Schlaf für Kinder herausgegeben. Allerdings beziehen sich diese Richtlinien auf Kinder in einem Alter bis zu fünf Jahren. Bis zu einem Alter von zwei Jahren wird empfohlen, keine Zeit mit Bildschirmmedien zu verbringen. Ab einem Alter von zwei Jahren wird ein Sitzverhalten von unter einer Stunde empfohlen, wobei dies möglichst nicht mit Bildschirmnutzung verbunden sein sollte, sondern mit Printmedien, wie beispielsweise Büchern (WHO, 2019a, S. 8).

Ähnliche Empfehlungen gibt es seitens der „Arbeitsgruppe Schlafmedizin und Schlafforschung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde“. Auch sie empfehlen keine Zeit vor dem Bildschirm für Kinder unter zwei Jahren. Nach Erreichen des zweiten Lebensjahres bis zum Vorschulalter sollte ein Kind maximal 30 Minuten pro Tag Bildschirmmedien nutzen. Wenn das Kind das Vorschulalter erreicht hat, kann man die Bildschirmzeit pro Tag über das Jugendalter hinaus schrittweise erhöhen, jedoch nur bis auf ein Maximum von zwei Stunden (Sauseng et al., 2016, S. 254-256).

Vergleichbare Empfehlungen veröffentlichten die deutsche „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ und die „Jugend- und Familienberatungen der Zentralschweiz“:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Empfehlungen zu Mediennutzung von BZgA und no.ZOFF

(Rütten & Pfeifer, 2016, S.23-27; no.Zoff, 2015) (eigene Darstellung)

Wie anhand der Tabelle ersichtlich wird, liegt für Sechs- bis Neunjährige eine Empfehlung seitens der „Jugend- und Familienberatungen der Zentralschweiz“ von weniger als 45 Minuten Nutzung elektronischer Medien pro Tag vor. Auch die diesbezüglichen Empfehlungen der deutschen Bundesbehörde liegen für diese Altersgruppe bei maximal 45-60 Minuten pro Tag. Bei elektronischen Medien liegt die Empfehlung für die Nutzungsdauer bei Neun- bis Zwölfjährigen bei weniger als 60 Minuten pro Tag und bei Zwölf- bis Vierzehnjährigen bei maximal 90 Minuten täglich. Dies entspricht im Durchschnitt zwei bis drei Folgen einer Kinder- oder Jugendserie. Zudem sehen die genannten Zeiten der „Jugend- und Familienberatungen der Zentralschweiz“ bei den jüngeren Altersgruppen eine Beaufsichtigung durch Erwachsene vor.

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Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Mediennutzung und körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen. Führen Smartphones und das Fernsehen zum Bewegungsmangel?
Autor
Jahr
2020
Seiten
71
Katalognummer
V538944
ISBN (eBook)
9783963550522
ISBN (Buch)
9783963550539
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien, Fernsehkonsum, Handynutzung, Zusammenhang, Studien, körperliche Aktivität, Kinder, 6-14 Jahren, pädagogische Implikationen, Entwicklungspsychologie, Bewegungsmangel, Adipositas, Medienpädagogik, Sport, Handy, Bewegung, körperliche Betätigung
Arbeit zitieren
Lukas Matteo Mohl (Autor:in), 2020, Mediennutzung und körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen. Führen Smartphones und das Fernsehen zum Bewegungsmangel?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538944

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