Widerstand. Ein blinder Fleck in der Kunsttherapie?


Masterarbeit, 2019

189 Seiten, Note: 1,0 Österreich


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
1.3 Untersuchungsdesign und Methoden
1.4 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Bezüge aus der Psychoanalyse
2.1 Die erste Topik nach Freud S
2.1.1 Das Bewusste
2.1.2 Das Unbewusste
2.2 Tiefenpsychologische Strukturmodelle
2.2.1 Das Es
2.2.2 Das Ich
2.2.3 Das Über-Ich
2.3 Die Abwehrmechanismen
2.4 Die Abwehr
2.5 Die Verdrängung
2.6 Interaktionsformen zwischen der Klientel und Therapeutinnen und Therapeuten
2.6.1 Die Übertragung
2.6.2 Die Gegenübertragung
2.7 Der Widerstand
2.7.1 Widerstandszeichen
2.7.2 Unterschiedliche Arten des Widerstandes:

3 Theoretische Bezüge aus der Kunsttherapie
3.1 Kunsttherapie und ihre Ziele
3.2 Tiefenpsychologische Ansatz
3.3 Sichtweisen in der Kunsttherapie zu Übertragung und Gegenübertragung
3.4 Kunsttherapeutische Sichtweisen zu Widerstand

4 Methoden der Studie
4.1 Datengewinnung
4.1.1 Kommunikationsmethode
4.1.2 Die Expertinnen
4.1.3 Die Interviews
4.2 Datenanalysestrategie

5 Ergebnisse der Analyse und theoretische Interpretation
5.1 Entwickelte Kategorien
5.1.1 Vertrauensvolle Beziehung muss vorhanden sein, sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Therapie (K0)
5.1.2 Gewinn einer vertrauensvollen Beziehung (K1)
5.1.3 Wie sich Widerstand zeigt (K2)
5.1.4 Funktionen von Widerstand für die Patientin oder den Patienten (K3)
5.1.5 Funktion des Widerstandes für die Therapeutin oder den Therapeuten (K4)
5.1.6 Bildnerische Prozesse als therapeutischer Katalysator (K5)
5.1.7 Rolle der Kunsttherapeutin / des Kunsttherapeuten (K6)
5.1.8 Aspekte der Übertragung (K7)
5.1.9 Aspekte der Gegenübertragung (K8)
5.1.10 Interventionen (K9)
5.1.11 Schlussfolgerungen (K10)
5.2 Rücküberprüfung der Analyseergebnisse
5.3 Beantwortung der Forschungsfragen
5.3.1 Welche Rolle spielt die Therapeutin oder der Therapeut in diesem Zusammenhang?
5.3.2 In welcher Form begegnet Widerstand Kunsttherapeutinnen und Kunsttherapeuten in der Behandlung?
5.3.3 Inwiefern kann das angewandte Medium (wie bildnerische Prozesse) helfen, einen tieferen Zugang zu erhalten bzw. Strategien zu entwickeln, um den Widerstand zu überwinden?
5.3.4 Welche spezifischen bildnerisch orientierte kunsttherapeutischen Interventionen sind hilfreich?
5.4 Diskussion und Limitation der Ergebnisse

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Tabellenverzeichnis

Anhang
Leitfaden
Reduktionstabelle der qualitativen Inhaltsanalyse
Interviews
Einverständniserklärung

Abstract

Die vorliegende Masterarbeit forscht nach dem Widerstand in der Kunsttherapie und geht auf die in der Psychoanalyse beschriebenen Phänomenen der Übertragung und Gegenübertragung ein. Weiters wird untersucht, ob unbewusste Inhalte in Werken sichtbar sind. Hierzu wird besonderes Augenmerk auf bildnerische Prozesse innerhalb kunsttherapeutischer Settings gelegt. Die Rolle, die die Kunsttherapeutin oder der Kunsttherapeut innerhalb der therapeutischen Begleitung einnimmt, ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Die Erfahrungen von Expertinnen dienen als Forschungsfeld für die qualitative Arbeit. Die daraus gewonnenen Einsichten werden analysiert und das Ergebnis zeigt, dass Widerstand in der Kunsttherapie zwar häufig wahrgenommen wird, aber innerhalb der kunsttherapeutischen Einheiten selten direkt bearbeitet wird. Ist Widerstand ein blinder Fleck in der Kunsttherapie?

Abstract

With this thesis I want to investigate client defiance from the focal point of transference and countertransference as described in psychoanalysis. The potential appearance of subconscious beliefs in the artistic work and the therapist’s refusal to address these shall also be examined. By means of a structured interview, professionals were examined and their opinions analyzed. In conclusion a possible awareness with little to no attention given to the motive on behalf of the therapists was drawn.

Danksagung

Als erstes möchte ich mich bei meinen Wegbegleiterinnen bedanken, die mich unterstützt haben, dieses Ziel zu erreichen. Dazu zählen für mich meine Kolleginnen, die mit mir das Abenteuer Masterlehrgang beschritten haben und mich stets motiviert haben, vor allem in Zeiten, die sich als recht zäh erwiesen haben. Sie sind mir wertvoll und bleiben Menschen, die einen wesentlichen Beitrag an meiner Werdung haben.

Weiters großen Dank an Dr. B. L., meine Betreuerin, die mir mit ihren Hinweisen, Informationen und Feedbacks geholfen hat, den nächsten Schritt zu machen und darauf geachtet hat, dass ich bestimmte Bereiche nicht aus den Augen verliere und dieses komplexe Thema bewältige.

Danke an Mag. art. H. F., der mir die ganzheitliche Kunsttherapie nahegebracht hat und mir einer der wichtigsten Lehrer und Mentoren in meiner kunsttherapeutischen Karriere ist. Sein unermüdlicher Einsatz für die Kunsttherapie wird mir immer ein Vorbild sein.

Danke an Prof. K. M., der mit seiner Initiative diesen Masterlehrgang an der SFU Wien ins Leben gerufen hat und in der kunsttherapeutischen Szene maßgeblich an der Qualität mitarbeitet. Die Vielfalt an Büchern, die er geschrieben hat, sind für die Anerkennung der Kunsttherapie ein wichtiger Bestandteil.

Danke an Prof. R. N., der mich während des Schreibprozesses intensiv begleitet hat und mit seinem Erfahrungsschatz in Bezug auf wissenschaftliches Schreiben eine große Hilfe war. Sein fundiertes Wissen hat die nächsten, anstehenden Passage leicht und machbar gemacht.

Danke an meinen Ehemann, der in dieser Zeit meine anderen Verpflichtungen übernommen hat oder auch auf einiges verzichten musste. Sein Verständnis und Flexibilität, aber vor allem sein Glaube an mich, haben mich nicht nur unterstützt dranzubleiben sondern stets auch motiviert, diese Arbeit fertigzustellen.

Danke an meine Tochter, für ihre Geduld und ihre Zeit in der sie ebenfalls einige meiner Aufgaben übernommen hat. Durch ein erstes Korrekturlesen war schon ein wichtiger Schritt geschafft. Sie ist mir Inspirationsquelle und es ist eine Freude, sie ins Erwachsenwerden begleiten zu dürfen.

Danke an meine Freundin, die sich die Zeit genommen und die Arbeit sehr sorgfältig Korrektur gelesen hat. Ihre Genauigkeit und Kenntnis der deutschen Grammatik waren mir eine große Hilfe.

Last but not least, danke an alle Menschen, die an die Kunsttherapie glauben und helfen, diesen therapeutischen Zugang zu einem anerkannten und wissenschaftlich fundierten Ansatz in der therapeutischen Szene zu etablieren.

1 Einleitung

In dieser Arbeit wird auf den immer wieder auftretenden Widerstand in der Therapie, insbesondere der Kunsttherapie eingegangen. Widerstand, der als einer der Abwehrmechanismen beschrieben wird, ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens. Jede und jeder setzt Abwehrmechanismen ständig ein, egal ob sich dieser Mensch in der Therapie befindet oder nicht: „Ein Leben ohne Abwehrmechanismen ist nicht denkbar“ (König, 2007, 11).

So wird hier das Thema des Widerstands, wie auch der Abwehrmechanismen wie z. B. Abwehr und Verdrängung, aber auch Übertragung und Gegenübertragung behandelt. Weiters wird auch der Bogen zum Ich, Es und Über-Ich gespannt.

1.1 Problemstellung

Anerkannte Therapien verwenden meistens Gespräche als Hauptmedium. Viele Patientinnen und Patienten, vor allem in den Psychiatrien, haben bereits mehrfach therapeutische Erfahrungen gemacht und sind dadurch nur schwer zu erreichen oder verschließen sich völlig dem Gespräch. In Kliniken sind hauptsächlich die Psychotherapeutische Gesprächsverfahren anerkannt. Dazu zählen psychoanalytisch begründete Verfahren. Zum einem die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, zum anderen die Analytische Psychotherapie. Beide Verfahren arbeiten mit Übertragung und Gegenübertragung, wie auch mit Widerstand. Die dritte anerkannte Form ist die Verhaltenstherapie, wo es vorrangig um Veränderung oder ein Umlernen von Verhalten geht (vgl. Dahlbender in Senf/Broda, 2000, 27). Aber ein direkter und tieferer Zugang zum Menschen und seinen jeweiligen spezifischen Problemen ist auch effektiv erreichbar über Handlungen und Tätigkeiten, die der gesamte lebendige Körper/Leib durchführt. Eine therapeutische Methode, die den gesamten Menschen als Instrument verwendet, ist die Kunsttherapie, jedoch ist sie wenig bekannt. Überdies fehlen vielen Therapeutinnen und Therapeuten der Zugang zur Kunst oder sie begeben sich nicht gern auf unbekanntes Terrain und bleiben lieber im bekannten klassischen Gesprächs-Setting. Dabei kann die Kunsttherapie wertvolle Arbeit leisten und einen neuen Zugang zu Patientinnen und Patienten schaffen. Widerstand ist auch in dieser Therapieform eine mögliche Ausdrucksform der Patientinnen und Patienten. Wie er wahrgenommen wird, wie, bzw. ob die Kunsttherapeutinnen und Kunsttherapeuten mit Widerstand umgehen, ist Gegenstand der Untersuchung. Gibt es überhaupt ein Bewusstsein darüber, wann Widerstand am Werken ist?

1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit

Hauptforschungsfrage: Inwiefern können kunsttherapeutische Prozesse, insbesondere jene der bildnerischen Gestaltung, helfen, einen tieferen Zugang zur Patientin oder zum Patienten zu eröffnen, bzw. Widerstände zu überwinden?

Spezifizierende Forschungsfragen:

1. Welche Rolle spielt die Therapeutin oder der Therapeut in diesem Zusammenhang?
2. In welcher Form begegnet Widerstand Kunsttherapeutinnen und Kunsttherapeuten in der Behandlung?
3. Inwiefern kann das angewandte Medium (wie bildnerische Prozesse) helfen, einen tieferen Zugang zu erhalten bzw. Strategien zu entwickeln, um den Widerstand zu überwinden?
4. Welche spezifischen bildnerisch orientierte kunsttherapeutischen Interventionen sind hilfreich?

Ziel dieser Arbeit ist, zu erhellen, welchen Nutzen kunsttherapeutische Prozesse für Patientinnen und Patienten sowie deren Entfaltung und Entwicklung haben können und wie insbesondere mit dem Phänomen Widerstand umgegangen werden kann. Weiters gibt es eine Auseinandersetzung mit dem Thema Widerstand aus kunsttherapeutischer Sichtweise Frage bei der auch der Frage, ob Widerstand thematisiert bzw. bearbeitet wird, nachgegangen wird. Neben der Erörterung unterschiedlicher Thesen, Modelle und zeitgemäßer Konstruktionen ausgesuchter Gebiete und Fachbereiche zu Widerstand, Übertragung und Gegenübertragung sowie Verdrängung und Abwehr soll darauf eingegangen werden, welchen Nutzen Widerstand haben kann. Auch die Frage, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich ergeben, sollte der Widerstand, thematisiert und behandelt werden, wird erörtert. Über Beispiele wird veranschaulicht, wie Widerstand bei Patientinnen und Patienten wahrgenommen wird.

1.3 Untersuchungsdesign und Methoden

Aufgrund der Tatsache, dass es in der Kunsttherapie noch wenig empirische Forschung gibt, wird ein qualitativer Forschungsansatz angewendet. Als theoretischer Hintergrund werden die psychoanalytischen Konzepte Abwehr, Übertragung und Gegenübertragung genutzt, im Besonderem aber wird auf den Aspekt des Widerstandes eingegangen. Die Methode der Datengewinnung besteht aus themenzentrierten Interviews (Leitfaden-Interviews) mit vier Expertinnen aus kunsttherapeutischer Perspektive und ausgesuchten Situationen aus kunsttherapeutischen Settings. Die Methode der Datenanalyse besteht aus einer qualitativen Inhaltsanalyse mit induktiver und deduktiver Kategorienbildung nach Philipp Mayring in der Grundtechnik der Reduktion (2015, S. 69 ff.)

Folgende mehrperspektivische Methoden sollten hier Anwendung finden:

Da das Themengebiet der Abwehrmechanismen ein sehr großes ist, wird in dieser vorliegenden Arbeit im Speziellen nur auf die Termini der Übertragung, Gegenübertragung, Abwehr, Verdrängung und Widerstand eingegangen.

Nach ausführlicher theoretischer Diskussion bereits angegebener Begrifflichkeiten aus dem psychoanalytischen Verfahren und der kunsttherapeutischen Konzepte, werden weiters Standpunkte von Expertinnen über themenzentrierte Interviews erhoben. Diese werden transkribiert und ausgewertet.

Direkte persönliche Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten werden situativ nacherzählt und in die Auswertung einbezogen. Im Abschluss werden die Ergebnisse rücküberprüft, diskutiert und zusammengefasst.

1.4 Aufbau der Arbeit

Im ersten Schritt werden die psychoanalytische Theoriebildung von Freud zum Begriff „Abwehrmechanismus“, sowie die Arten des „Widerstandes“ erörtert. Widerstand kann sich auf unterschiedliche Art und Weise zeigen. Freud weist schon in seiner „Metapsychologischen Schriften“ auf die „Fünf Arten des Widerstands“ hin.

Des Weiteren werden die Termini „Übertragung“ und „Gegenübertragung“ auch im Zusammenhang mit dem Thema „Widerstand“, sowie die Bezeichnungen „Abwehr“ und „Verdrängung“ diskutiert. Inwiefern spielen Angst, Scham und Wut eine Rolle?

In einem weiteren Kapitel soll die kunsttherapeutische Perspektive von Widerstand thematisiert werden. Welche Sichtweise und Erfahrungen hat die Kunsttherapeutin oder der Kunsttherapeut mit Widerstand? Gibt es Unterschiede zum psychoanalytischen Modell oder zu anderen Modellen? Gibt es Ähnlichkeiten? Dies ist Gegenstand der Untersuchung dieser Arbeit.

2 Theoretische Bezüge aus der Psychoanalyse

In den theoretischen Bezügen wird hauptsächlich auf den psychoanalytischen Standpunkt zum Thema Widerstand eingegangen. Zum einen, weil es sich bei Widerstand um einen Terminus handelt, der sich aus der Psychoanalyse nach Freud entwickelt hat und zum anderen, weil dieser Begriff in der Psychoanalyse häufiger beschrieben wurde als in anderen Therapietheorien. Dazu werden die Anfänge der Theorie beleuchtet und der Versuch unternommen einen Bogen zu moderneren Ansätzen zu spannen. Wichtig erscheint aber, vor allem geläufige Begrifflichkeiten, die den Ursprung der Theorie der Psychoanalyse darstellen, zu erläutern. Dazu zählen vorrangig die Termini: „Bewusst“ und „Unbewusst“, das Es, Ich und Über-Ich, weiters die Abwehrmechanismen, hier insbesondere Abwehr und Verdrängung, Übertragung und Gegenübertragung und schließlich Widerstand.

2.1 Die erste Topik nach Freud S.

Bei der Beschäftigung mit den Abwehrmechanismen ist eine Auseinandersetzung mit dem Bewussten und Unbewussten unabdingbar.

„Die Unterscheidung des Psychischen in Bewusstes und Unbewusstes ist die Grundvoraussetzung in der Psychoanalyse und gibt ihr allein die Möglichkeit, die ebenso häufigen als wichtigen pathologischen Vorgänge im Seelenleben zu verstehen, der Wissenschaft einzuordnen.“ (Freud, 2014a, 835)

So beschreibt Freud schon sehr früh die Notwendigkeit dies zu unterscheiden, um daraus auch weitere gültige Schlüsse zu ziehen, seine Studien zum Bewussten/Unbewussten stellen die erste Topik dar, die er 1915 verschriftlichte.

Für Mentzos braucht es Kenntnis über diese Begriffe, um auf den Gebiet der psychodynamischen Störungen überhaupt forschen zu können und ein Verständnis zu entwickeln. (2017, 24)

2.1.1 Das Bewusste

Das Bewusste ist für Freud eine Vorstellung, die man bewusst erinnern kann, die allerdings auch im nächsten Moment aus dem Bewusstsein entschwinden und nach einiger Zeit wieder auftauchen kann. Sie kommt aus der Erinnerung und nicht aus einer neuen Apperzeption (Sinneswahrnehmung). Wo sich diese Vorstellungen befinden, während wir sie nicht bewusst haben, darüber stellt er keine Mutmaßungen an. Wesentlich war für Freud aber, die zwei Begriffe „bewusst“ und „unbewusst“ festzuhalten und zu definieren.

Bewusst als eine Vorstellung, die in unserem Bewusstsein gegenwärtig ist und die wir wahrnehmen, während es sich bei einer unbewussten Vorstellung, um eine handelt, die wir nicht bemerken, deren Vorhandensein wir aber zuzugeben bereit sind, da es ja ausreichend Hinweise dafür gibt. Seiner Ansicht nach waren es vor allem hysterische Patientinnen und Patienten, die innerlich völlig in Anspruch genommen sind von unbewussten Gedanken, von denen jedoch alle Anzeichen der jeweiligen Krankheiten herrühren und die auch in einem Anfall nicht bewusst werden. Durch die analytische Arbeit können diese Wünsche, Ideen oder Szenen aus der Vergangenheit ins Bewusstsein gehoben werden und verlieren hierbei ihren neurotischen Charakter. Um etwas ins Bewusstsein zu bringen, muss es erst einmal vorbewusst gemacht werden. Dies gelingt durch die Verbindung von Wortvorstellungen, die Erinnerungsreste darstellen und über die unterschiedlichen Sinne wahrgenommen wurden. Es handelt sich um Wahrnehmungen, die einmal gemacht wurden, die dann zu „Erinnerungsresten“ werden und jederzeit wieder bewusst werden können.

Das Vorbewusste wiederum sind Gedanken, die latent vorhanden sind und bei Aufmerksamkeit ins Bewusstsein gebracht werden können, während es Gedanken gibt, die egal wie stark sie sein mögen, nicht ins Bewusstsein einströmen können. Diese nennt Freud dann unbewusst.

In späteren Schriften erweitert Freud 1923 diese Theorie des Bewussten, Unbewussten und Vorbewussten, die die erste Topik darstellt, um die These des Ichs, Es und Über-Ichs die als die zweite Topik bezeichnet wird. (Freud, 1948a, S40-261)

König beschreibt das Bewusstsein als eine Art von Bühne, auf der die jeweiligen Mitspielerinnen und Mitspieler kommen und gehen können. Jede und jeder kann auftreten, oder aber auch hinter der Bühne auf ihren und seinen Auftritt warten, bis sie und er ein „Stichwort“ erhält. Alles was einmal im Bewusstsein war, kann auch bewusstseinsfähig bleiben. Es kann leicht wieder ins Bewusstsein gehoben werden. „Was wir erleben und denken, bleibt nicht kontinuierlich im Bewußtsein“. (König, 2007, 18)

2.1.2 Das Unbewusste

In seiner ersten Schrift (1895) die Freud gemeinsam mit seinem Kollegen Breuer verfasst hat, beschreibt er die unbewussten Vorstellungen als etwas, das sich gar nicht oder nur schemenhaft zeigt, das aber dennoch einen Einfluss auf das Denken hat. Für ihn sind es Launen, die sich zeigen, Verstimmungen, die nicht erklärbar sind. Er nennt auch Situationen und Erlebnisse der Gegenwart, die an diesen unbewussten Inhalten rühren und in ihrer affektiven Kraft keine plausible Erklärung für den Moment zulassen. (1991, 255 u. 256)

In den späteren Ausführungen (1915) ist die Annahme des Unbewussten für Freud unabdingbar und auch beweisbar, da die Informationen aus dem Bewussten in hohem Maße unvollständig sind. Er meint sogar, dass der Psychoanalyse gar nichts anderes übrigbleibt, als davon auszugehen, dass seelische Vorgänge unbewusst sind und dass das Gewahr werden gleichzusetzen ist mit dem Prozess, durch den äußere Vorgänge mit den Sinnen wahrgenommen werden. Zum Unbewussten zählt Freud Geschehnisse, die nur latent bewusst sind, aber auch Geschichten, die verdrängt wurden und die sich extrem von den bewussten Erinnerungen und Geschichten unterscheiden. (1948a,119-124)

„Unseren Begriff des Unbewussten gewinnen wir also aus der Lehre von der Verdrängung.“ (Freud, S 836, 2014)

So muss ein physischer Akt zwei Phasen durchlaufen. Als erstes gehört er dem System des Unbewussten an. Wenn er den Übergang in die zweite Phase nicht schafft, bleibt er weiterhin verdrängt. Wenn er aber über diese Hürde kommt, kann er ins Bewusstsein, das zweite System, treten. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass er auch schon bewusst geworden ist, sondern nur, das er bewusstseinsfähig ist. So ist es wiederum vorbewusst. (Freud, 1948a, 119-127)

Jones beschreibt das Unbewusste so, dass Patientinnen und Patienten über die Kennzeichen ihrer Krankheit entweder gar nichts wissen oder aber sich ihnen gegenüber verschlossen verhalten, vor allem wenn die Aufforderung von außen gestellt wird, diese Charakteristika akzeptieren.

„Der Patient hat keine Ahnung von ihrem Vorhandensein, und setzt jedem Verfahren, das sie ihm zu enthüllen droht, einen starken instinktiven Widerstand entgegen.“ (Jones, 1921, 35)

Die Patientinnen und Patienten wissen nichts von ihrem unbewussten Antrieb und von den unbewussten Sehnsüchten, die aber vielfach für die Symptomatik einer Krankheit verantwortlich zeichnen. Auch die Motive, gegen die Therapie zu arbeiten, sind unbewusst. (Jones, 1921, 36)

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Unbewusstes bewusstzumachen einem tiefgreifenden Veränderungsprozess bei der Klientel nicht Genüge tut. Es sind auch andere Elemente entscheidend für eine erfolgreiche psychoanalytische Behandlung. Dazu gehören das Behandlungsbündnis, die Übertragung und die Widerstandsanalyse. Dazu in einem späteren Kapitel mehr. (Sandler et al, 1996, 195)

2.2 Tiefenpsychologische Strukturmodelle

Das Strukturmodell oder auch Drei-Instanzen-Modell von Freud beschreibt drei unterschiedliche Funktionen der menschlichen Psyche. Nach der Entwicklung der ersten Topik, dem Unbewussten/Bewussten/Vorbewussten, stellte er 1923 die Theorie vom Ich/Es/Über-Ich auf.

2.2.1 Das Es

„Das Unbewusste ist die alleinherrschende Qualität des Es“. (Freud, 2014b, S58)

Das Es beschreibt Freud (1940) als eine der ältesten Instanzen, die zum Inhalt alles hat, was wir geerbt haben, was wir als Eigenschaften mitbringen, aber vor allem die Triebe von Lust und Unlust. Freud, 2014b, 42)

„Wenn im Es ein Zustand von Ruhe und Befriedigung herrscht, in dem keine Triebregung Anlaß hat, zum Zwecke des Lusterwerbes ins Ich vorzustoßen und dort Spannungs- und Unlustgefühle zu erzeugen, so haben wir auch keine Möglichkeit, etwas über seine Inhalte zu erfahren. Das Es ist also, wenigstens theoretisch, der Beobachtung nicht unter allen Bedingungen zugänglich. (Freud A. 1964, 15)

Perls/Hefferline/Goodmann beschreiben das Es als eine von drei Formen des „Selbst“. Das Es ist im Grunde nicht bewusst. Für die klassische Analytikerin oder Analytiker ist das bewusst Erzählte nicht so interessant, da es dem Erzählten an Intensität fehlt und die Kraft und Stärke hauptsächlich in den unbewussten Inhalten zu finden seien. Die Autoren schreiben diese These aber auch der Therapiemethode zu, da sich Patienteninnen und Patienten in einem Zustand der Gelassenheit und Ruhe befinden während sie die freie Assoziation laufen lassen, die Interpretation dessen jedoch der Analytikerin oder dem Analytiker überlassen bleibt. Bei näherer Betrachtung dieses Vorgangs in der Therapie halten Perls/Hefferline/Goodman fest, dass sie möglich wird, weil in diesem entspannten Zustand das Selbst die Sinne entlässt. Dadurch wirkt das Es untätig, seine Auffassungen wirken wie Trugbilder, aber die Signale des Körpers werden intensiver. (Perls/Hefferline/Goodmann, 1995, 172)

Für Mentzos hat sich die Sichtweise des Es sehr stark weiterentwickelt. Es hat nicht nur die Triebe zum Inhalt, sondern auch wichtige Phantasien und Vorstellungen von früheren Bezugspersonen.

„…, also nicht nur die unorganisierten, chaotischen und nur nach Befriedigung drängenden Triebe, sondern auch viele andere verhaltens- und erlebensbestimmenden Tendenzen. (2017, 52)

So bekommt das Es eine größere Bedeutung als es zu Zeiten von Freud noch hatte, indem ihm mehr Inhalt gegeben wird.

2.2.2 Das Ich

Das Ich wiederum stellt eine Art Reizschutz zur Außenwelt dar. Seine Aufgabe ist es, die Reize der Außenwelt zu verarbeiten und in eine jeweilige Aktion umzuwandeln. Das kann passieren durch den Versuch zu entkommen, also Flucht, durch Anpassung, Speicherung von Erfahrungen und Erlebnissen, sowie auch durch Beeinflussung der Umwelt zu seinem eigenen Vorteil. Wichtig dabei ist, die Herrschaft über das Es mit seinen Trieben zu erlangen, indem es die Befriedigung ebendieser Triebe entweder lernt aufzuschieben oder ganz zu unterdrücken. Grundsätzlich kann man sagen, dass das Ich Lustempfinden anstrebt, während es bemüht ist, der Unlust zu entrinnen. Angstgefühle stellen sich dann ein, wenn eine erwartete, vorausgesehene Unluststeigerung bevorsteht. Ob das nun von außen oder innen kommt ist irrelevant für das Ich, jedoch bedeutet eine Unluststeigerung zumindest eine Bedrohung bis hin zur Gefahr. (Freud, 2014b, 42-43)

In Hemmung, Symptom und Angst beschreibt Freud des Weiteren, dass das Ich seine starke Wirkung über das Es deshalb gewinnt, weil es mit dem Wahrnehmungssystem in engem Kontakt steht, und diese Verbindung auch eine Zergliederung von Ich und Es überhaupt erst möglich macht. (Freud, 1948b, 38)

„Die Wahrnehmung spielt für das Ich die Rolle, welche im Es dem Trieb zufällt“. (Freud, 1948b 264)

Für Anna Freud sollte sich die Beobachtung ständig am Ich orientieren. Das Ich wirkt wie ein Medium, durch das das Es und das Über-Ich sich erschließen soll. Die Triebregungen schieben sich in das Ich. Das Ich ist im Normalfall auch einverstanden, nimmt wahr, wie sich die Spannung steigert und immer mehr Unlust einstellt, die sich löst, sobald das Ich für die Befriedung des Triebes gesorgt hat. Zu Konflikten kann es dann kommen, wenn das Es seine sogenannten Primärvorgänge einfordert. Für das Es ist Lustgewinn oberstes Prinzip, während die Vorgänge im Ich als Sekundärvorgänge bezeichnet werden. Das Ich, will Nachsicht auf ethische und moralische Gesetze erreichen, die vom Über-Ich ausgehend wirken.

Weiters hält Anna Freud fest, dass es die Analytikerin oder der Analytiker ist, die die Verantwortung dafür trägt, dass Unbewusstes bewusst gemacht wird. Dazu ist es notwendig, zu allen drei Instanzen den gleichen Abstand einzunehmen, auch wenn dies eine Herausforderung darstellt. Die Es-Regungen streben nicht danach, unbewusst zu bleiben, während das Ich um Verdrängung bemüht ist und die Person der Analytikerin oder des Analytikers eher als Störenfried betrachtet wird. So kann man sagen, dass die Arbeit in der Analyse zuwider den bis dahin bewährten Bewältigungsstrategien des Ichs läuft. Dadurch werden die Ziele in der Analyse als Bedrohung erlebt. So ist das Ich in dreifacher Form eingebunden. Einmal als Verbündeter, als Gegner und zuletzt auch selbst als Gegenstand der Analyse. (Freud A., 1964, 15-37)

2.2.3 Das Über-Ich

Sigmund Freud meint, wenn das Ich nur aus dem Es heraus beeinflusst wäre, so wäre das eine relativ schlichte Gegebenheit. Das Ich musste differenziert werden durch das Ideale Ich, oder Über-Ich. Das Über-Ich ist nicht einfach nur ein Restbestand der ersten Objektwahl, es hat auch die Bedeutsamkeit einer dynamischen Beziehung zu dieser Person. Die Beziehung zum Ich gestaltet sich nicht allein darin, wie man den Bezugspersonen entsprechen sollte, sondern auch, wie man auf keinen Fall sein sollte, in dem Sinne, man darf nicht alles tun was die Eltern tun. Je strenger die Eltern agiert haben, desto strenger wird auch das Über-Ich als Gewissen ebenso agieren. Es kann als unbewusstes Schuldgefühl das Ich beherrschen. (1948a, 267-273)

„Eine Handlung des Ichs ist dann korrekt, wenn sie gleichzeitig den Anforderungen des Es, des Über-Ichs und der Realität genügt“. (Freud, 2014b, 43)

Anna Freud stellt fest, dass die Gegenstände des Über-Ichs eher bewusst sind und somit viel leichter bewusst gemacht werden können.

„Die Inhalte des Über-Ichs sind zum größeren Teil bewusst, können also von der innerpsychischen Wahrnehmung direkt erreicht werden. Trotzdem entgleitet uns die Vorstellung des Über-Ichs, wo Ich und Über-Ich miteinander einig sind. Wir sagen dann: Ich und Über-Ich fallen zusammen, d. h. das Über-Ich als Einzelinstanz ist in diesem Augenblick für die Selbstwahrnehmung und den Beobachter nicht erkennbar. Es wird nur deutlich, wo sich das Über-Ich dem Ich feindlich oder wenigstens kritisch gegenüberstellt, das heißt auch hier wieder, wenn sich im Ich Folgezustände solcher Kritik, z. B. Schuldgefühle bemerkbar machen. (Freud, A, 1964 15)

Festgehalten werden kann, dass die Triebe nicht einfach nur mehr nach Lustbefriedigung streben können, sondern durch das Über-Ich Einfluss auf das Ich genommen wird und somit ethische wie auch moralische Werte mitbestimmen wollen. (Freud A., 1964, 16)

Sandler et al, fassen die Über-Ich Theorie von Freud wie folgt zusammen:

„Die dritte Instanz, das Über-Ich, entwickelt sich als eine Art innere Vorwegnahme oder Niederschlags der frühen Konflikte und Identifizierungen des Kindes, besonders aus der Beziehung zu den Eltern und anderen Autoritätsfiguren. Es ist Träger des Gewissens, auch des als unbewusst angesehenen Gewissens, denn ein großer Anteil des Über-Ichs wie des Ichs und das gesamte Es, wurden als unbewusst aufgefaßt. (1996, 19-20)

Das Ich hat eine Vermittlerrolle und muss, wie schon erwähnt, nicht nur die Ansprüche des Es handhaben, sondern auch die des Über-Ichs. (Sandler et al, 1997, 20)

Bei Fenichel findet sich die Aussage, dass das Über-Ich durch Verinnerlichung der Außenwelt entstanden ist und folglich eine innere Vorstellung bestimmter Facetten der äußeren Welt darstellt. Da es sich mit dem Ich gleich verhält, ist die Konstruktion des Über-Ichs eine Wiederholung, wie ein zweites Ich, dass aber auf Drohung und Versprechen, auf Bestrafung und Belohnung begrenzt bleibt. Da die Entwicklung des Über-Ichs erst spät geschieht, bleibt es mit der Außenwelt nahe verbunden. Viele Menschen sind nicht nur beeinflusst davon, wie sie sich verhalten, sondern auch davon, was andere von ihnen denken. Das Über-Ich kann sehr oft nicht getrennt von den Ansprüchen von außen betrachtet werden und dementsprechend werden seine Funktionen leicht auf Autoritätsfiguren, die jetzt erstmalig auftreten projiziert. (1974, 156-157)

Mentzos hat auch beim Über-Ich die Bedeutung verändert bzw. erweitert. Der Begriff wurde in den 1950er bis 1970er wenig verwendet, um dann in viel differenzierterer Gestalt und Funktion zurückzukommen, da die Konzepte, wie ich mir ein ideales Vorbild vorstelle und wie ich idealiter sein möchte hinzugenommen wurden. Grundlegend hat aber das Drei-Instanzen-Modell für ihn an Relevanz eingebüßt. (2017, 53)

2.3 Die Abwehrmechanismen

Das Ich versucht mit Abwehrmaßnahmen die Grenzen zu wahren, um die drängenden Triebe aus dem Es einzudämmen oder sogar blockieren zu können. Der analytischen Beobachtung ist es nun ein Anliegen, die unterschiedlichen Instanzen, die durch die Abwehrmaßnahmen des Ichs verändert und genutzt wurden, wieder in die jeweiligen Anteile des Ichs, des Es und auch des Über-Ichs zu zergliedern. In „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ beschreibt Freuds Tochter Anna Freud erst einmal 14 Abwehrmechanismen, wobei sie hier auf die zehn Begriffe zurückgreift, die schon von Freud S. beschrieben wurden. Hierbei handelt es sich um die Termini: Verdrängung, Regression, Reaktionsbildung, Isolierung, Ungeschehen machen, Projektion, Introjektion, Wendung gegen die eigene Person, Verkehrung ins Gegenteil und Sublimierung. Diese wurden später noch erweitert. (Freud A.,1964, 16ff.)

Seiffge-Krenke beschreibt Abwehr als einen „…Prozess, der gegen Schmerz, Gefahr, negative Affekte schützen und die Emotionen so herunterregulieren, so dass sie durch das Individuum habbar werden“. (2017, 16)

Des Weiteren betont Anna Freud, dass die Abwehrmechanismen durch Angst aktiviert werden, während das Ich die Bedrohung einschätzt. Das Ich kann alle Abwehrmechanismen als Widerstand verwenden, weshalb sich die Definition von diesen beiden Begriffen als schwierig erweist. Sie sind jedenfalls nicht gleichbedeutend zu verwenden, haben aber dieselbe Quelle, die in den aus heutiger Sicht, strukturellen Voraussetzungen begründet ist. Die verschiedenen Abwehrmechanismen behindern die therapeutische Arbeit. Zu den häufigsten zählt Freud A. Bagatellisierung, Intellektualisierung und die Verleugnung, aber vor allem Spaltungstendenzen, die in Institutionen, bei Patientinnen und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen auftreten, hält Anna Freud für bedenklich. Sie werden problematisch gesehen, weil sie für viele Therapeutinnen und Therapeuten eine Belastung darstellen, während Verleugnung der Anerkennung einer Krankheit oft hinderlich wirkt. (Seiffge-Krenke, 2017, 16-26)

König (2007) stellt fest, dass jeder Mensch in seinem Leben Abwehrmechanismen einsetzt, egal ob in der Therapie oder im normalen Lebe. So kann man das Management im Alltag von Abwehrmechanismen grundsätzlich als üblichen und allgemein gebräuchlichen Vorgang betrachten. (11)

Die Theorie der Abwehrmechanismen sieht Mentzos als eine der ergiebigsten und gebräuchlichsten, die auch außerhalb der Psychoanalyse am ehesten Zustimmung erlangt hat. Für ihn ist es wichtig, die Abwehrmechanismen einzuteilen. Die in erster Linie theoretische Einteilung hat mit Reife bzw. Unreife zu tun. Die Unreife zeigt sich im Grad des Rückfalls auf frühere Entwicklungsstufen. Unmittelbarer lässt es sich aber daran festmachen, was es eine Person kostet. Das bedeutet, welche Einbußen und Erschwernisse in Kauf genommen werden, um diese Abwehr aufrechtzuerhalten. Wichtig festzuhalten scheint Mentzos noch, dass es bei Abwehrmechanismen nicht nur um eine Abnahme von innerlichen Spannungen oder die Reduktion von Unlustgefühlen geht, sondern Abwehrmechanismen oft auch einer kompromisshaften Befriedigung dienen. Verdrängung, Verleugnung usw. können eine Zuflucht sein, sodass tabuisierte und schambehaftete Wünsche zumindest ab und zu einen gangbaren Weg möglich machen. (2017, 46-49)

Dies sind zwei sehr gängige Begriffe im Alltäglichen. In der Psychoanalyse haben sie eine innerpsychische Bedeutung bekommen und wurden ebenfalls mehrfach erforscht und festgehalten.

2.4 Die Abwehr

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Ausdruck Abwehr eine andere Bedeutung hat als Verdrängung: Abwehr als Terminus, der alle Tendenzen des Ichs gegen Triebansprüche aus dem Es skizziert, während der Begriff „Verdrängung“ dem Begriff „Abwehr“ unterzuordnen ist. (Freud S., 1948b105-106)

Freud A. stellte fest, dass die Aspekte, die zu einem Abwehrvorgang geführt haben, entdeckt werden können, sobald man diesen Vorgang entschlüsseln konnte. Die Intensität der Verdrängung ist auch immer ein Zeichen für die Vehemenz und Intensität des Widerstands, der sich in der Analyse zeigt, wenn an diesen Vorgängen gearbeitet wird. Außerdem wird auch der Grund anhand des Gemütszustands der Patientinnen und Patienten sichtbar, wenn der Inhalt des unbewussten Materials ins Bewusstsein gebracht wird. Wenn eine Therapeutin oder ein Therapeut einen Abwehrvorgang aufdeckt, dann wiederholt sich das Geschehene, nämlich die Angst vor der Stärke des Triebes und der damit verbundene Versuch des Ichs, die Es-Abkömmlinge nicht in seinen Bereich eintreten zu lassen. So ist es nach gelungener Analyse, wenn die verdrängten Inhalte ins Bewusstsein geholt wurden, dem Ich und dem Über-Ich überlassen, eine neue Umgangsform damit zu finden. Anna Freud meint, die erfolgversprechendsten Lösungen sind die, bei denen die Abwehr aus einer Über-Ich-Angst entstanden ist. Es ist eine Auseinandersetzung, die rein innerpsychisch ist, die sich zwischen dem Ich und dem Über-Ich beseitigen lässt. Die durch die Therapie entschlüsselten Identifikationen und Aggressionen ermöglichen einen anderen Zugang und helfen dem Ich, mit der Angst anders umzugehen. Die Angst wird weniger und verliert dadurch die Notwendigkeit über weitere Abwehrvorgänge, die destruktiven Muster, aufrechterhalten zu werden. In anderen Analysen konnte beobachtet und erkannt werden, dass Ängste, die zu Abwehrvorgängen geführt haben, zu einer Vergangenheit gehören. Das Ich kann dann einsehen, dass es sich vor dieser Vergangenheit nicht mehr zu fürchten braucht und somit auch Erinnerungen und Gedanken daran nicht mehr abwehren muss. (Freud A., 1964, 68-70)

Auch Körner erörtert, dass es bei der Abwehr darum geht, dass jemand sich verteidigen und schützen muss, damit eine innere Gefahr gebannt werden kann. Abwehr ist nicht besonders angenehm oder erfreulich. Außerdem ist es ein Vorgang der, um seinen Charakter voll entfalten zu können, unbewusst ablaufen muss.

„Indem sich die Abwehr gegen eigene Phantasien, Wünsche und Absichten richtet, scheint sie den Menschen von sich selbst zu entfremden – zugunsten einer blinden Anpassung an internalisierte, „triebfeindliche“ Verbote oder soziale und kulturelle Ansprüche.“ (2013,7)

Es ist Körner aber ein Anliegen festzuhalten, dass das „Subjekt“ nicht nur verliert, sondern auch gewinnen kann, es „…entwickelt über den Abwehrprozess seinen Charakter und bereichert seine Erlebens- und Genussmöglichkeiten um ein Vielfaches.“ (ebd.)

Greenson wiederum beschreibt Abwehr auch als Vorgang, der gegen Bedrohung und Leid bewahren will und der von den Drängen der Triebe nach Lust oder Abfuhr unterschieden werden muss. In der analytischen Therapie erscheinen Abwehrprozesse als Widerstand. Der Begriff „Widerstand“ hat mit allen Abwehrvorgängen zu tun, die in der Analyse hervorkommen. Weiters meint Greenson, dass der angewandte Abwehrmechanismus immer durch das Ich wirksam wird und dass im Laufe einer Analyse alle Mechanismen zum Zweck der Abwehr benutzt werden können, wie sie von Patientinnen und Patienten schon angewandt wurden. Per Definition ist ein Abwehrmechanismus immer unbewusst, allerdings können Patientinnen und Patienten das eine oder andere Zeichen der Abwehr wahrnehmen. (Greenson, 1973, 88-89)

Für Ehlers hat sich der Begriff „Abwehr“ gegenüber dem der „Verdrängung“ durchgesetzt. Er meint, dass er ihn ersetzt. Er beschreibt Abwehr als einen lebhaften Prozess, der das Bewusstsein behüten möchte vor den inneren Gefühlen und Drängen, aber auch vor äußerlichen Traumata.

„Jeglicher Einfluss auf das Indidividuum, der seine Integrität und die Konstanz des bio-psycho-sozialen Gleichgewichts gefährden kann, soll durch die Abwehr psychisch modifiziert, eingeschränkt oder unterdrückt werden.“ (Ehlers in Mertens, 2014,14)

Grundsätzlich geht es darum, die Angst zu meistern. Abgewehrt werden Vorstellungen von inneren wie auch äußerlichen Reize, sowie die damit verbundenen psychischen Funktionen. Hier führt er Bewusstsein, Gedächtnis, Vorstellungen und Impulse an, zudem noch korrektive körperliche Prozesse und psychische Struktur. Abwehrmechanismen sind Anteile des Ichs und können aus einem oder mehreren solcher Mechanismen bestehen. Sie sind dicht gekoppelt an den Entwicklungsstand, der damaligen Ich-Funktionen und für die Bewältigung von Stress, aber auch die gesunde Adaption an die Außenwelt wichtig, wie auch für die Regulierung von traumatischen Erlebnissen, z. B. Umweltkatastrophen. Würden diese Abwehrmechanismen nicht zum Einsatz kommen, würden sie als psychopathologische Phänomene imponieren oder als Persönlichkeitsstörung überdauern. (2014, 14-15)

2.5 Die Verdrängung

1915 beschreibt Freud, dass es die Bestimmung einer Triebregung werden kann, Gegenwehr wirkungslos machen zu wollen. Dieser Vorgang wird nun Verdrängung genannt. Da die Befriedung dieser inneren Verlangen immer mit einem angenehmen Gefühl einhergeht, kann das nicht der Ursprung von Verdrängung sein. Der Ursprung einer Verdrängung ist dann gegeben, wenn das Unlustmotiv größer ist als die Befriedigungslust. Ferner hält Freud fest, dass Verdrängung kein automatisch vorhandener Abwehrmechanismus ist, sondern er erst aus der Konfrontation von bewussten und unbewussten Inhalten entsteht. Die Merkmale der Verdrängung treten erst dann auf, wenn es darum geht Unbewusstes in Bewusstheit zu bringen. Dazu gibt es für Freud zwei Stufen der Verdrängung. Die erste mit der Urverdrängung entsteht sehr früh und stellt die Basis dar für jede weitere Verdrängung. Sie kommt zustande, weil es zu dieser Zeit nicht möglich ist, eine innere Vorstellung von einem Drang ins Bewusstsein zu bringen. In der zweiten Stufe sind es die inneren Deszendenten, die sich aus dieser Urverdrängung herausentwickelt haben und in Verbindung mit ihr stehen, sodass sie in denselben Umstand geraten wie eben das Urverdrängte. So lässt sich festhalten, dass die Verdrängung ein Geschehen ist, das sich an Repräsentanzen im Bewussten und Unbewussten realisiert. (Freud, 1948a,105-132)

Später (1926) schreibt Freud über den Begriff der Verdrängung folgendes:

„Die Verdrängung geht vom Ich aus. Eventuell im Auftrage des Über-Ichs eine im Es angerechte Triebbesetzung nicht mitmachen will. Das ich erreicht durch die Verdrängung, dass die Vorstellung, welche der Träger der unliebsamen Regung war, vom Bewusstwerden abgehalten wird.“ (Freud, 1948b, 38)

Weiters hält er fest, dass dieses Geschehen fortlaufend bearbeitet werden muss und immer wieder Aufmerksamkeit erfordert.

„Es ist ein wichtiges Stück der Theorie der Verdrängung, dass sie nicht einen einmaligen Vorgang darstellt, sondern einen dauernden Aufwand erfordert.“ (Freud, 1948b, 99)

Der Trieb, aus dem Es würde, wenn die Verdrängung nicht bewusst wird, immer in die ihm bekannten und gewohnten Verhaltensweise verfallen, das Ich ist aufgefordert, eine ständige Abwehrreaktion aufrechtzuerhalten. Dieser Vorgang, der zur Sicherheit der Verdrängung eingesetzt wird, wird im therapeutischen Setting als Widerstand bezeichnet. Die Voraussetzung dafür ist die Gegenbesetzung, die die Wahrnehmung von unangenehmen und bedrückenden Erlebnissen und Vorstellungen in eine entgegensetzte Richtung bringen. Hier führt Freud als Beispiele Mitleid, Gewissenhaftigkeit oder auch Reinlichkeit an. Bei histrionischen Persönlichkeiten stellt eher die Sorge oder übermäßige Zärtlichkeit diese Gegenbesetzung dar. Er hält aber auch fest, dass sich diese Reaktionsbildung nicht auf das gesamte Ich erstreckt, sondern sich eher an einem Objekt ausrichtet, wogegen bei den zwanghaften Persönlichkeitsstörungen gerade diese Lockerung der Objektbeziehungen eher typisch sind und eine Beruhigung bringen. Für das Ich stellt es eine große Herausforderung dar, Empfindungen und Wahrnehmungen, die es bisher erfolgreich weggeschoben hat, nun in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. (Freud, 1948b 36-100)

„Wenn wir dem Ich in der Analyse die Hilfe leisten, die es in den Stand setzten kann, seine Verdrängungen aufzuheben, bekommt es seine Macht über das verdrängte Es wieder und kann die Triebregungen so ablaufen lassen, als ob die alten Gefahrsituationen nicht mehr bestünden.“ (Freud, 1948b, 96)

In den Modifikationen ist es Freud noch einmal wichtig, die Begriffe „Abwehr“ und „Verdrängung“ zu differenzieren. Die ersten Forschungen wurden in Verbindung mit Hysterie gemacht. Hier wurde festgestellt, dass Inhalte belastender Natur so verdrängt werden, dass eine Wiedergabe und Erinnern nicht möglich ist. Davon ließ sich ein Hauptcharakter der Verdrängung bei hysterischen Patientinnen und Patienten ableiten. Bei Zwangsneurose dagegen werden diese Inhalte nicht vergessen, aber so isoliert, dass sie den hysterischen Symptomen sehr ähnlich sind. Bei Zwangsneurosen erzielte man über die Wirkung des Ichsträubens eine Regression der Triebregungen auf eine kindliche Phase, die es zwar nicht überflüssig macht, dass deren Inhalte verdrängt werden, aber zumindest im gleichen Maße wirkt wie eine Verdrängung. (1948b ,106)

Für König ist der Ausdruck „Verdrängung“ schon längst in den Alltag eingezogen, wobei der Begriff für ihn seinen Sinngehalt verwandelt hat. Wenn jemand feststellt, er habe etwas verdrängt, wird meistens davon ausgegangen, dass Vorstellungen aus dem Bewussten nicht erinnert werden wollen, um unbehaglichen Emotionen aus dem Weg gehen zu können. (König, 2007, 20)

Grande fasst Verdrängung in der Beschreibung des Zieles der Psychoanalyse zusammen, dass Patientinnen und Patienten durch die Auflösung der Verdrängung eine neue Perspektive auf ein Leben geschaffen wird, es selbstständiger und zur gleichen Zeit auch realistischer zu verwirklichen. (Grande in Mertens, 2014, 1103)

2.6 Interaktionsformen zwischen der Klientel und Therapeutinnen und Therapeuten

Übertragung und Gegenübertragung stellen ein wichtiges Werkzeug in der psychoanalytischen Arbeit dar und werden vielfach in der fachlichen Literatur dargelegt und diskutiert. Es hat immer wieder unterschiedliche Ansichten über die Wichtigkeit der Gegenübertragung gegeben. Hier wird aber die Aufmerksamkeit nur auf die Erklärung des Begriffes gelegt.

2.6.1 Die Übertragung

Freud beschreibt 1895 schon das Phänomen der Übertragung als eine falsche Verknüpfung, die sich entwickelt, wenn Patientinnen und Patienten eine unangenehme, ja peinliche Vorstellung auf Therapeutinnen oder Therapeuten übertragen. Es ist eine häufig vorkommende Begebenheit, ein Hindernis, das sich aus dem Inhalt eines Wunsches herausentwickelt, der nicht gleich mit der Vergangenheit in Verbindung gebracht werden kann, sondern zuerst auf die Person der Therapeutin oder des Therapeuten übertragen wird. Dies erschreckt aber die meisten Patientinnen bzw. Patienten und es kann zu einem Abbruch oder einer Verweigerung der Therapie bzw. Analyse kommen, „…es wacht derselbe Affekt auf, der seinerzeit die Kranke zur Verweisung dieses unerlaubten Wunsches gedrängt hat“. Die erste Aufgabe ist es dann Patientinnen und Patienten dieses Hindernis ins Bewusstsein zu holen und, was Freud als schwieriger empfunden hat, den Aspekt, der die persönliche Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten anbelangt verbalisieren zu lassen. Zu Beginn dieser Arbeit war Freud recht ärgerlich darüber, diesen Mehraufwand betreiben zu müssen, bis er erkannte, dass es ein wiederkehrendes Muster darstellt. Er stellt auch fest, dass es keinen Mehraufwand braucht, sondern die Arbeit die gleiche blieb. Die Patientinnen und Patienten müssen einen ihnen nahegehenden, intimen Wunsch nach außen bringen, dies ist ihnen peinlich und erfordert einen anderen Umgang. Mit der Zeit konnten seine Patientinnen und Patienten aber sehen, dass es sich um einen Zwang, eine Täuschung handelte, die sich, nachdem die Arbeit beendet wurde, auflöste. (Breuer/Freud, 1991, 316-321)

Für Anna Freud (1936) sind Übertragungen Empfindungen, die Patientinnen oder Patienten aus alten Objektbeziehungen heraus auf die Therapeutin oder den Therapeuten übertragen, die sich aus einem Wiederholungszwang ergeben und wiederbelebt werden, aber nicht neu entstanden sind. Weil diese Empfindungen und Affekte alt sind, geben sie gut Auskunft über das vergangene Erleben der Patientinnen oder Patienten. Bei der erotischen Regung, Liebe, Hass, Eifersucht, Angst usw. kann die Patientin oder der Patient meistens nur durch den Zwang der Aufrichtigkeit - der eine analytische Grundregel darstellt - dazu gebracht werden, eine bewusste Äußerung zu tätigen. Grundsätzlich geht es um die Erforschung der Empfindungen, die aus dem Es durchbrechen. Entstanden sind sie in alten Objektbeziehungen und sie müssen in der Analyse nun mit der kindlichen Vergangenheit verknüpft werden. Dadurch kann eine Kluft überwunden werden, in der es Erinnerungslücken gibt und es erklärt sich das kindliche Gefühls- und Triebleben. Da diese Gefühlsregungen der Therapeutin oder dem Therapeuten gegenüber als unangenehm empfunden werden, arbeiten Patientinnen oder Patienten meist von sich aus freiwillig mit. Durch die Verknüpfung mit der Vergangenheit erleben Patientinnen oder Patienten eine Befreiung des ich-dystonen Impuls im Hier und Jetzt. Diese Übertragung ist eine des ersten Typus, die ausschließlich vom Es ausgeht. (2016)

Die Übertragung vom zweiten Typus stellt sich komplexer dar. Da gibt es einen libidinösen oder aggressiven Anteil, der jeweils dem Es angehört und ebenfalls aus der alten Gefühlssituationen stammt. Dann kommt aber noch ein Abwehrmechanismus, der zum Ich gehört und zur gleichen Zeit entstanden ist, wie der Anteil im Es. Die Schwierigkeit hier ist, dass Patientinnen und Patienten diese Anteile als ich-synton empfinden. Dies erklärt sich aus dem starken Anteil, den das Ich dabei hat. Hier wehren sich Patientinnen und Patienten eher bei der Aufarbeitung. Da sich die Analyse auf die unbewussten Ich-Anteile richtet, sind Patientinnen oder Patienten eher Gegnerinnen oder Gegner der Deutungen. Die Art der Arbeit wurde damals als Charakteranalyse beschrieben. (Freud A., 2016, 27-30)

Greenson definiert Übertragung als eine außergewöhnliche Form der Beziehung zu einem Menschen. Wesentlich dabei ist, dass Emotionen gegenüber diesem Menschen erlebt werden, die entweder gar nicht auf diese Person passen oder aber sich auf jemanden ganz anderen beziehen. Im Grunde genommen wird im aktuellen Moment so auf einen Menschen reagiert, als wäre er der Mensch aus dem früheren Erleben. Somit ist Übertragung eine Wiederholung, eine Neuauflage der alten Objektbeziehungen. Da dies ein unbewusster Vorgang ist, können Betroffene die Gefühlsreaktion nicht als unwirklich einordnen. So sehr sie für diesen Moment als nicht angebracht gilt, so richtig wäre sie in der alten Situation gewesen. Ein weiteres Merkmal ist, dass sie einen inadäquaten und ungebührlichen Charakter hat. (2007, 163-166)

Greenson zählt weiters noch vier Grundannahmen für Übertragungsreaktionen auf:

1.) Übertragung ist eine Variante der Objektbeziehungen.
2.) Übertragungsphänomene wiederholen eine frühere Beziehung zu einem Objekt.
3.) Der Mechanismus der Verschiebung ist der wesentliche Vorgang bei Übertragungsreaktionen.
4.) Die Übertragung ist ein regressives Phänomen. (2007, 183)

Diese vier Kriterien sind für ihn die Voraussetzung, um von einer Übertragung zu sprechen, da jedes dieser Kriterien eine wichtige Relevanz für die klinische und theoretische Betrachtung hat. Zu erwähnen bleibt noch, dass nach seinem Dafürhalten die Psychoanalyse Übertragungsphänomene nicht neu erschafft, sie bringt sie lediglich ans Licht, indem sie ihre Entwicklung fördert. (2007, 183)

Sandler et al, beschreiben Übertragung als Realitätsentstellung:

„Der Analytiker erwartet, daß in dem vom Patienten produzierte Material früher oder später offene oder verhüllte Hinweise auf Gedanken und Gefühle über die Person des Analytikers auftauchen, die dann die Qualität einer Realitätsentstellung annehmen, die als „Übertragung“ bezeichnet wird.“ (Sandler et al, 1996, 26/27)

Diese Entstellungen ergeben sich aus Abwandlungen von Eindrücken und Vorstellungen, gekoppelt mit vergangenen Erinnerungen und unerfüllten Sehnsüchten. Differenziert wird zwischen Übertragungsphänomenen der therapeutischen Beziehung und solchen, die von den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten nach Gesundung und Beteiligung in der Arbeit abzuleiten sind. (Sandler et al, 1996, 26-27)

Kernberg definiert für die Arbeit mit Übertragung mehrere Schritte. Erst werden die Objektbeziehungen identifiziert und benannt, dann die Rollenwechsel, die sich zwischen Therapeutinnen bzw. Therapeuten und Patientinnen bzw. Patienten abspielen betrachtet und dritten Schritt Übertragungen, die positiv oder negativ, aber vor allem aufgespalten sind, verbunden, um abgespaltene Anteile integrieren zu können. In der übertragungsfokussierten Psychotherapie unterscheidet sich die Analyse der Übertragungen. Insofern, als die Interpretationen stark an die Außenwelt der Patientinnen und Patienten gekoppelt sind, um so eine Trennung von den therapeutischen Einheiten und der Welt der Patientinnen und Patienten zu vermeiden. Sie hat auch langfristige Behandlungsziele im Auge, was in anderen Psychotherapien kein Ziel darstellt. Und es werden Probleme und Konflikte, die gerade aktuell sind, thematisiert, auch wenn sie gegenwärtig nicht bestimmend für die Übertragung sind. Die Analyse der Übertragung beginnt bereits mit der ersten therapeutischen Einheit. Zudem ist es elementar, dass die Erforschungen, die Freud auch in Bezug auf Übertragungen gewonnen hat, ständig neu durchgearbeitet werden. (2014, 6-10 und 309)

In seinem Werk über „Borderline-Störungen und pathologischen Narzissmus“ erwähnt Kernberg noch, dass es für manche Patientinnen und Patienten auch nicht möglich ist die positive Übertragungsreaktionen zu konfrontieren, weil sie Sorge tragen, dass dadurch eine bedrohliche Nähe zur Therapeutin oder dem Therapeuten entstehen kann. Als bedrohlich wird Übertragung deshalb empfunden, weil eine solche enge Verbindung Aggression in der Übertragung zur Therapeutin oder dem Therapeuten entfachen könnte, wie auch umgekehrt Aggression, die projiziert ist, von der Therapeutin oder dem Therapeuten auf die Patientin oder den Patienten ausgelöst werden könnte. (2017, 125)

2.6.2 Die Gegenübertragung

In der Abhandlung über Übertragungsliebe (1915) stellt Freud fest, dass die Aufklärung dieser einen wertvollen Beitrag leistet und dass sie eine gute Warnung darstellt, mit welchen Gegenübertragungen bei Patientinnen und Patienten gerechnet werden soll. Außerdem sollte man beachten, dass wenn eine Gegenübertragung niedergehalten wird, sich Gleichmut und Teilnahmslosigkeit einstellen kann, die nicht geleugnet werden sollten. Wichtig sei es aber, dass Patientinnen und Patienten, die ihre Liebesbedürftigkeit auf die Analytikerin oder dem Analytiker übertragen, nicht nachgegeben wird. „Die Kur muss in der Abstinenz durchgeführt werden.“ (1946, 308-313)

Später (1937) erklärt er, dass manche Analytikerinnen und Analytiker es sich zu eigen machen, selbst Abwehrmechanismen anzuwenden, die es erlauben die „Folgerungen und Forderungen der Analyse von der eigenen Person abzulenken“, um so dem regulierenden und bemängelnden Einfluss der Analyse aus dem Weg zu gehen. Dazu sei es unabdingbar, sich selbst immer wieder in die Eigenanalyse zu begeben. (1950, 95 )

Hartmann meint, die Analytikerin oder der Analytiker sei ein wesentlicher Bestandteil der therapeutischen Arbeit, durch alle geäußerten und nicht geäußerten Reaktionen: was sie oder er thematisiert oder was sie oder er auch übersieht, worauf sie oder er ablehnend reagiert, oder was von ihnen goutiert wird. Auch Hartmann vertritt die Ansicht, dass Gegenübertragung ein durchaus förderliches Modell darstellt, das erhalten bleiben sollte. Für ihn ist Übertragung und die Gegenübertragung nicht gleichartig der Therapeutin oder dem Therapeuten. Es ist vielmehr eine spezielle Antwort auf ein spezielles Merkmal der Übertragung der Patientinnen und Patienten und sie sollte von der Unvoreingenommenheit der Therapeutin oder dem Therapeuten isoliert betrachtet werden. Gegenübertragungsreaktionen sind unbewusst, weshalb es wichtig ist, Wege zu finden, sie bewusst zu machen. Vor allem, weil durch Gegenübertragung auch immer wieder ausweglose Situationen entstehen können ist es bedeutsam, sie zu berücksichtigen. Hartmann findet, dass es wertvolle Momente der Selbstreflexion für die Therapeutinnen und Therapeuten sind, bei denen sie herausfinden, ob sie daran mitwirken, ob eine Therapie länger dauert, öfters unterbrochen wird oder es sogar zu einem früheren Ende kommt. (2001, 41-57)

Kernberg erklärt, dass Gegenübertragungstheorien wie eingangs erwähnt, sehr gegensätzlich diskutiert wurden, empfindet aber deren Handhabung als sehr essenziell in den psychodynamischen Psychotherapien. Er geht unter anderem auch der Frage nach, ob Gegenübertragungsreaktionen Patientinnen und Patienten mitgeteilt werden sollen. Grundsätzlich hält er fest, dass die momentane Sicht der Gegenübertragung „...als die gesamte emotionale Reaktion des Therapeuten auf den Patienten zu jedem Zeitpunkt“ zu verstehen ist. Diese Anschauung setzt voraus, dass die Therapeutin oder der Therapeut ständig ihre und seine Gegenübertragungen validiert, um das Gegenüber besser begreifen zu können. Zudem muss auch noch die Verbindung mit der Übertragungsentwicklung der Patientin oder des Patienten hergestellt werden. In Bezug auf die Neutralität der Therapeutin oder des Therapeuten schreibt er, dass diese oft falsch interpretiert wurde, nämlich als reflektierende Gleichgültigkeit. Für ihn bezieht sich diese Neutralität, die eine technische ist, vor allem auf die Interventionen der Therapeutin oder des Therapeuten. Sie bleiben unparteiisch und wertfrei gegenüber dem Es, Über-Ich und dem handelndem Ich und der Wirklichkeit der Patientinnen und Patienten.

„Technische Neutralität impliziert eine Haltung besorgter Objektivität, die durch deutende Interventionen gekennzeichnet ist. (2014, 201, 48)

In seiner Arbeit mit schwer psychopathologisch erkrankten Patienteninnen und Patienten hat Kernberg feststellen können, dass, je schwerer die Erkrankung ist, desto intensiver die Wirkung der Übertragung auf die Gegenübertragung ist. Somit wurde die Analyse der Gegenübertragungsphänomene ein wichtiges Werkzeug, um die Übertragungsentwicklung bei Borderline-Erkrankten tiefer begreifen zu können. Patientinnen und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen lösen schon sehr früh in der gemeinsamen Arbeit starke Gegenübertragungsreaktionen aus. Damit stellt die Intensität der Gegenübertragung ein wertvolles Instrument dar. Sie lässt einige Rückschlüsse auf das Verhalten der Erkrankten zu. Wenn es zu sehr heftigen, dynamischen Schwankungen in den emotionalen Reaktionen der Therapeutin oder des Therapeuten kommt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine schwere Persönlichkeitsstörung handelt. Sollte man aufgrund des Verständnisses der Gegenübertragung Interpretationen vornehmen, so gibt es einige Details, die grundsätzlich Vorbedingungen sind. Dazu gehört das Aufrechterhalten des therapeutischen Rahmens, Offenheit gegenüber allen Gegenübertragungsphantasien und auch Empfindungen. Die Rolle der Therapeutin oder des Therapeuten muss beständig eingehalten werden, und um eine passende Deutung der Übertragung zu formulieren, ist es ebenso wesentlich, die Bewandtnis der jeweiligen Gegenübertragungsreaktionen bemessen zu können. (2014, 48-56)

Bei König findet sich in der Literatur die Auffassung, dass viele Reaktionen von Therapeutinnen und Therapeuten auf Patientinnen und Patienten unbemerkt bleiben, da sie Handlungen von Therapeutinnen und Therapeuten entscheidend beeinflussen, ohne intensive Gefühle hervorzuholen. Auch in den Therapien werden starke und markante Gefühlsreaktionen bei Therapeutinnen und Therapeuten geweckt. Es gibt Emotionen, die rasch auftreten, und solche die sich erst mit der Zeit entwickeln. „Tatsächlich können in Therapien intensive ablehnende Gefühle auftreten, die nur mühsam zu beherrschen sind.“ Wie die jeweiligen Therapeutinnen und Therapeuten reagieren, hat für König mit der Persönlichkeitsstruktur der Therapeutinnen und Therapeuten zu tun, aber auch damit, aus welcher Kultur jemand stammt und führt hier als Beispiel Engländerinnen und Engländer an, die in ihrem Verhalten nach außen wenige Emotionen zeigen. Die Pflicht der Analytikerinnen und Analytiker, innerhalb des therapeutischen Leitgedankens, ist es aber, Dinge die von Patientinnen und Patienten gesagt oder getan werden, aufzunehmen, zu verwerten und im Anschluss passende Inventionen zu setzen. (2015, 52-55)

Thomä/Kächele merken an, dass Gegenübertragung über einen sehr langen Zeitraum ihr negatives Geburtsmerkmal behielt, während Übertragung recht rasch zu einem wertvollen Werkzeug wurde, ja sich sogar von einem Haupthindernis zum federführenden Instrument entwickelt hat. Gegenübertragung wurde zum Inbegriff von ungünstigen Entwicklungen, die vermieden werden wollten. Thomä/Kächele bezeichnen sie als Aschenbuttel der psychoanalytischen Technik. Sie sehen ebenfalls in den 50iger Jahren eine Wende. Festhalten wollen die beiden Autoren besonders, dass die Therapeutin oder der Therapeut durch Gegenübertragung von Patientinnen und Patienten angesteckt werden, sie aber ihre Aufgabe nur dann professionell erledigen können, wenn sie sich gleichzeitig als Regisseur und Zuschauer bewusst bleiben, dass ihre Handlungen, wie auch ihr Denken einen starken Einfluss haben. Auf die Frage, ob die Analytikerin oder der Analytiker Gegenübertragung zur Verfügung stellen soll, meinen sie, dass man aus der unerwünschten Situation erkennt, dass man berührt und betroffen sein könnte, und die Neutralität erst danach wiedereinsetzt. Sie halten es für entscheidend. Es kann eine Hilfe für Patientinnen und Patienten sein, wenn sie an diesen Vorgängen in Therapeutinnen oder den Therapeuten teilhaben können und klärt somit ihre Relation von Nähe und Distanz. (1998, 98-114)

2.7 Der Widerstand

Freud erklärt 1895 schon, dass eine Analyse nicht erfolgreich beendet werden kann, wenn der Widerstand nicht bearbeitet wurde. (Breuer/Freud, 1991, 320)

Das Arbeiten an unbewussten Inhalten geht nicht ohne Widerstand vonstatten. Wie schon bei der Verdrängung geht auch Widerstand mit Unlust einher. Unbewusste Inhalte, die hochkommen, lösen Unlustempfindungen aus. Wegen dieser unangenehmen Empfindungen werden diese immer wieder abgewehrt. Dieser Vorgang stellt einen innerpsychischen Konflikt dar, in dem die Therapeutin oder der Therapeut eingreift, mit dem Ziel, ein besseres Verständnis bei den Patientinnen und Patienten für diese Widerstände zu erreichen. Freud beschreibt es als Erziehungsarbeit, die hier von der Analytikerin oder dem Analytiker geleistet wird. Die psychoanalytische Arbeit sieht er grundlegend als eine Nacherziehung zur Überwindung innerer Widerstände. (Freud, 1942, 24-25)

Es ist die Arbeit, die in der Analyse geschieht, die Auffassung vom Ich, dass es ja mit den verdrängten Inhalten schwer hat, und dass es als seine Aufgabe betrachtet, diese Verdrängungen bzw. Widerstände aufrechtzuerhalten, zu durchbrechen .

„Wir machen den Widerstand bewußt, wo er, wie so häufig, infolge des Zusammenhanges mit dem Verdrängten selbst unbewußt ist, wir setzten ihm logische Argumente entgegen, wenn oder nachdem er bewußt geworden ist, versprechen dem Ich Nutzen und Prämien, wenn es auf den Widerstand verzichtet. (Freud, 1948b, 100)

So kann sich das Ich mvertrauensvoll in die Aufarbeitung der unverarbeiteten und verdrängten Wahrnehmungen begeben. Das es diesen Widerstand gibt, ist vollkommen verständlich, und sollte nicht in Frage gestellt werden.

„Das Verdrängte ist nur vom Ich durch die Verdrängungswiderstände scharf geschieden, durch das Es kann es mit ihm kommunizieren.“ (Freud, 1948a, 264)

Selbst wenn es gelungen ist, dass Ich als Kooperationspartner zu gewinnen, braucht es immer noch Zeit, um Verdrängungen vollständig aufzugeben. Das wiederum erfordert einen zeitlichen Abschnitt des Durcharbeitens, des sich Konfrontierens, mit eben diesen Inhalten und Themen. Freud ist es noch wichtig zu betonen, dass solches Geschehen eben nicht als Rückschritt betrachtet, sondern als Bereicherung gesehen werden sollte, um eine Erweiterung von Sichtweisen oder dessen Einschränkung möglich zu machen. (Freud, 1948b, 100-102)

Peters definiert im Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie Widerstand als „Abneigung gegen die Bewusstmachung unbewußter psychischer Inhalte und damit gegen die Besserung der Symptome und Heilung“ (Peters, 1997, 581)

Auch Jones beschreibt 1921 in seiner Abhandlung zur Hysterie Widerstand als eine körperliche Macht, die sich in Patientinnen oder Patienten einer Heilung widersetzt. Er geht noch weiter, nämlich, dass es von dieser These keine Ausnahme gibt, sondern auch bei Kranken, die versichern, an dem Heilungsprozess interessiert zu sein, ebenfalls einen Gegenwillen gibt, der sich den Anstrengungen der Ärztin oder des Arztes verschließt. (vgl. Jones, 1921, 30)

Allen unterschiedlichen Charaktertypen, Persönlichkeitsstörungen oder Erkrankungen gemein ist dieser Wille zur Krankheit. Patientinnen oder Patienten sind sich über den Krankheitsgewinn nur wenig bewusst und sie können noch nicht erkennen, warum diese Krankheit fortdauern soll, welchen Nutzen sie haben, wenn sie an der Krankheit festhalten. Eine Aufklärung über das Motiv einer Krankheit führt oft zu Entrüstung und Empörung und so entwickelt sich auch hier bei der Ärztin oder dem Arzt, der Therapeutin oder dem Therapeuten, ein zunehmendes Verständnis für das Motiv, das zu diesem Festhalten führt. Patientinnen oder Patienten, die sich über diesen Vorgang bewusst sind, sind Jones` Meinung nach in der Minderzahl. Er führt hier folgendes Beispiel einer seiner Patientinnen an: Eine Frau ist sich bewusst, dass sie ihr beschwerliches Leben mit ihrem alkoholkranken Mann wiederaufnehmen muss, sobald sie wieder gesund wird. Sie konnte aber während der Behandlung ihren Widerwillen ihrem Mann gegenüber zumindest so verändern, dass ein Leben miteinander wieder möglich wurde.

Daraus wird für Jones erklärbar, warum es für viele Patientinnen und Patienten so schwierig ist, den Anstrengungen der Ärztin oder des Arztes, der Therapeutin oder des Therapeuten nachzugeben. Da sie nicht nur implizieren, dass mit der Heilung alle Privilegien, die mit der Krankheit einhergehen, fallen, sondern auch, dass die Krankheit benutzt wurde, um diese Privilegien zu erhalten. So meint er, dass eine gute Ärztin oder ein guter Arzt eine „Friedensstörerin oder ein Friedensstörer“ sein muss, die oder der sich offener und versteckter Gegnerschaft der Patientinnen oder Patienten stellen muss. Durch ein ständiges Richten der Aufmerksamkeit auf die Triebfeder der Krankheit, ihrer oder seiner Nachsicht auf die Sichtweisen der Patientinnen oder Patienten, die sich erweitert und verdichtet, wird es ihr oder ihm leichter fallen, die Behandlungsstrategien so anzulegen, dass es den Patientinnen und Patienten ermöglicht wird, diese anzunehmen und zu integrieren. Das Wissen über Widerstände und deren Bedeutung verdeutlichen nicht nur die Wichtigkeit der Vorsicht, mit der sie oder er hier vorgehen muss, sondern ermuntern sie oder ihn auch, den Patientinnen oder Patienten bei der Meisterung hilfreich zur Seite zu stehen. Sie oder er soll ihre oder seine Bemühungen ganz den Motiven widmen, die die Patientin oder der Patient als Gründe anführt, warum eine Heilung doch erstrebenswert sein könnte. Ohne diese Motive hat eine therapeutische Intervention für Jones keinen Sinn und wird nach seiner Meinung auch keinen Erfolg haben. (vgl. Jones, 1921, 30-34)

Seiffge-Krenke ist zu der Sichtweise gekommen, dass es, um Abwehr und Widerstand erfolgreich arbeiten zu können, notwendig ist, bereits erlangte Fertigkeiten und Fähigkeiten zu aktivieren und reaktivieren. (2017, 41)

„Der Widerstand dagegen (im Vergleich zur Abwehr Anm.) verteidigt die Neurose, das Alte, das Infantile, das Vertraute gegen Aufdeckung und Veränderung.“ (Seiffge-Krenke, 2017, 16)

Widerstandsphänomene treten am Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung sehr häufig auf und die Bedeutung von Widerstand wie auch Abwehr gilt im klinischen Alltag als bewiesen. Diese Phänomene zeigen sich z. B. durch Stille, Schweigen aber auch durch einen Abbruch der Behandlung, die meistens in den ersten 15 Einheiten auftreten. Deshalb stellt der Beginn einer Therapie eine kritische Phase dar, die darauf ausgerichtet sein soll, den Widerstand eher niedrig zu halten, bis ausreichend Vertrauen aufgebaut werden konnte, damit sich die Patientin oder der Patient mit den qualvollen und unangenehmen Themen befassen kann. Widerstand widersetzt sich der Entwicklung einer Therapie (Seiffge-Krenke, 2017, 16-18)

„Die Abwehrmechanismen beschreiben kognitive, emotionale und motorische Reaktionen; der Widerstand kann sich unterschiedlichen Abwehrmechanismen bedienen, um das Alte, das Infantile, das Vertraute gegen die Aufdeckung und die Veränderung zu verteidigen. (Seiffge-Krenke, 2017, 41)

Seiffge-Krenke wiederum hebt zwei Eigenschaften in Bezug auf Widerstand hervor. Erstens den momentanen Zustand der Neurose, die dem Schutz dient und sich verstärkt, wenn man in die Nähe der Problematik kommt. Wodurch zweitens die Entfernung zur Therapeutin oder zum Therapeuten geregelt wird. Dazu rekonstruieren Patientinnen und Patienten alte Beziehungen, um den bekannten Zustand aufrechtzuerhalten. Da es aber in früheren Beziehungen sehr oft zu Problemen gekommen ist, werden diese in die Patienten-Therapeuten-Beziehung hineingetragen und der Therapeutin oder dem Therapeuten in der Übertragung vermittelt. So ist es verständlich, dass die Fähigkeit zu Vertrauen und Nähe herzustellen unmittelbar mit der Thematik der Patientinnen und Patienten zusammenhängt. Als Therapeutin oder Therapeut ist es wichtig, sich dieser zwei Dynamiken bewusst zu sein, entweder dem Wunsch sich mitzuteilen, oder dem Bedürfnis vom eigenen Schmerz zu erzählen. Seiffge-Krenke findet auch, dass die Psychoanalyse erst in dem Moment entstanden ist, als die Widerstände ernst genommen wurden und nicht mehr missachtet wurden. Auch jetzt noch betont sie die Wichtigkeit der Verbindung zwischen dem Widerstandsverhalten und den Objektbeziehungen. Hier wird deutlich, wie die Patientin bzw. der Patient Beziehung erlebt und gestaltet hat. Es wirft auch ein Licht auf momentane - wie auch im klinischen Bereich beobachtet werden kann - inszenierte Beziehungen, die eine Verbesserung der Symptome scheinbar unterwandern und die damit verbundenen Widerstandsphänomene. (2017, 46-47)

Greenson schreibt zu Widerständen das mit der Entdeckung dieses Phänomens die Geburt der Psychoanalyse überhaupt erst stattgefunden hat. Ohne die genaue Untersuchung von Widerständen ist die Psychoanalytische Technik nicht vorstellbar. Er definiert Widerstand nicht einfach nur als Gegner des Fortschrittes, es werden auch die Ich-Funktionen betrachtet, mit ihrer Problematik, Beziehungen zu den Bezugspersonen zu bilden. Das Fehlen von Widerständen kann ebenso bedeutsam sein, wie sehr heftige Widerstandsreaktionen. Sie können ein Zeichen für eine psychotischen Prozess sein. Deshalb ist es für Greenson die erste Aufgabe des Analytikerin oder des Analytikers herauszufinden, dass ein Widerstand am Werken ist. Das ist bei den subtileren Widerständen aber schwieriger. Wie können sie nun erkannt werden?

„Indem wir den Patienten auffordern, seine Einfälle aufsteigen zu lassen und sie ohne die übliche Zensur auszusprechen, versuchen wir, die bewußten Widerstände auszuschließen. Infolgedessen tritt der Kampf zwischen den stärker unbewussten Es-Abkömmlingen, die nach Abfuhr streben zutage.“ (2007, 115)

Wenn es nun gelungen ist, den Patientinnen und Patienten ihr Verhalten in Verbindung mit dem Widerstand verständlich zu machen, ist es wichtig, das Klärung stattfindet. Das geschieht, indem die Verhaltensmuster auf das reale Leben angewandt werden. Dafür wird versucht, herauszufinden, welche Historie es zu dem Verhaltensmuster gibt und welche Absicht mit diesem Verhalten verfolgt wurde. Zum Durcharbeiten der Widerstände hält Greenson fünf Maßnahmen fest. Als erstes muss der Widerstand erkannt werden, dann sollte er der Patientin oder dem Patienten demonstriert werden, danach müssen die Motive geklärt werden,. Anschließend muss der Widerstand gedeutet werden, um als nächstes den Widerstandsmodus zu klären und im Abschluss muss dann alles durchgearbeitet werden. (2007, 113-133)

2.7.1 Widerstandszeichen

Thomä/Kächele halten die „primären“ und „sekundären“ Widerstandszeichen fest, die in erster Linie in der Ärzte/Patienten-Beziehung auftreten, und im Besonderen in der zur Therapeutin oder zum Therapeuten. In zweiter Linie führen sie sie als Befürchtungen an, die auf jeden Fall zu einer Widerstandsreaktion führen. Hier sehen Thomä/Kächele vor allem die Störungen in der therapeutischen Beziehung, die in der Untersuchung und Forschung diese These untermauert haben. So können diese Phänomene auch nur in der Therapie und da hauptsächlich in der Beziehung zwischen Therapeutin oder Therapeut und Patientin oder Patient, bearbeitet werden. Daraus ergibt sich, dass sich Widerstand gleichzeitig auch gegen die gesuchte Übertragungsbeziehung richtet.

Weiters beschreiben Thomä/Kächele vier Aspekte des Widerstandes, die sich aus ihren Beobachtungen ergeben haben. (In verkürzter Form)

1. Er ist auf die bewusst angestrebte, aber aus unbewussten Gründen befürchtete Veränderung bezogen.
2. Der Widerstand ist Teil des therapeutischen Prozesses.
3. Es gibt keine Verhaltensweise, die nicht als Widerstand eingesetzt werden könnte. Wird ein gewisser Intensitätsgrad überschritten, leidet die Zusammenarbeit.
4. Bei der Einschätzung des Widerstandes werden also qualitative und quantitative Kriterien benützt. Positive und negative Übertragungen werden beispielsweise zum Widerstand, wenn sie eine Intensität erreichen, die ein nachdenkliches Zusammenarbeiten erschweren oder unmöglich machen.

(Thomä/Kächele, 2007, 130)

Für Sandler/Dare/Holder (1996) ist der Terminus des Widerstandes ein technischer. In der Psychoanalyse gibt es Begrifflichkeiten, die entweder auf die Therapie bezogen sind oder eben technischer Art. Widerstand stellt nun einen technischen Ausdruck dar, der im Allgemeinen therapieeigene Phänomene beschreibt, im Speziellen jedoch charakteristisch für seine Wirkungsweise der psychischen Abwehrmechanismen anerkannt wird. Widerstand wurde in der Psychoanalyse immer in Verbindung mit der freien Assoziation untersucht, aber jede und jeder, die mit Menschen in therapeutischer oder beratender Weise tätig ist, kennt dieses Phänomen, das sich auch außerhalb eines psychoanalytischen Settings bewegt. Sandler/Dare/Holder verweisen an dieser Stelle auch auf die Schwierigkeit einer einheitlichen Definition, vor allem dann, wenn ein Begriff in unterschiedlichen therapeutischen Richtungen verwendet wird. Es ist wichtig, wenn man Wörterbücher für eine genauere Beschreibung heranzieht, die Geschichte zu berücksichtigen, in welchen Zusammenhang der Begriff erforscht und dann beschrieben wurde. Die Autoren beschreiben Widerstand als ein Element, das sich im Gegensatz zum Ziel der Therapie zeigt und wirkt. (1996, 12-116)

Greenson stellt die Frage, wie ein Widerstand, der nicht klar aus dem Inhalt herauskommt, erkannt werden kann. Er kommt zum Schluss, dass er sich beim Zuhören der Ausführungen der Klientel zwei Dinge fragen muss. Erstens ob sich die Klientin oder der Klient von etwas Wichtigem wegbewegt oder darauf zugeht. Wird etwas Besonderes hinzugefügt, oder wird versucht, die Stunde einfach nur zu füllen. Grundsätzlich aber wartet er in beiden Fällen, entweder bis dieses Besondere klar wird oder aber auf die Wegbewegung. Wenn zweiteres eintritt, macht er den Widerstand zum Thema oder er formuliert, dass es ihm nicht möglich war, zu erkunden, worum es nun genau geht. (2007, 116)

Ehlers meint, dass die Grenze zwischen den Begriffen Abwehr und Widerstand eher aus dem Kontext gezogen werden kann.

„Während Abwehr eher als theoretisches und empirisches Konstrukt in der Personenbeurteilung verwendet wird, erfährt der Begriff des Widerstandes seine hauptsächliche Verwendung in der klinischen Theorie, die sich auf die Beschreibung der Analyse der dyadischen Interaktion zwischen Analysand und Psychoanalytiker konzentrieren. (Ehlers in Mertens, 2014, 15)

2.7.2 Unterschiedliche Arten des Widerstandes:

Freud beschreibt in „Hemmung, Symptom und Angst“ (1926) die fünf Arten des Widerstands, die jeweils aus dem Es, dem Ich und dem Über-Ich hervorgehen. Der Widerstand aus dem Ich lässt, sich in drei Dynamiken unterscheiden: Verdrängungswiderstand, Übertragungswiderstand und Krankheitsgewinn. Der Widerstand aus dem Es, der den vierten Widerstand darstellt, ist derjenige, der die Dringlichkeit der Bearbeitung hat. Und der fünfte Widerstand, der aus dem Über-Ich, ist einer der „dunkelsten“. Er kommt aus einem Gefühl von Schuld oder einem Bedürfnis nach bestraft werden, und lehnt sich oft sehr gegen eine erfolgreiche Behandlung auf, wie auch dem Heilungsprozess an sich. (Freud, 1948b, 102)

In der Analyse sind es hauptsächlich die Widerstände aus dem Ich, die überwunden werden müssen. (Freud, 1948b, 102)

„Beim Verdrängungswiderstand wird die schützende Funktion des Ichs deutlich („Das Nichtwissen ist ein Nichtwissen-Wollen“). Dadurch wird verhindert, dass belastende Erfahrungen ins Bewusstsein treten“. (Seiffge-Krenke, 2017, 23)

Beim Übertragungswiderstand dagegen ist es für die Klientel schwierig, sich auf eine Beziehung mit der Therapeutin oder Therapeut einzulassen. Es kann sich aber auch um einen Loyalitätskonflikt handeln, den man den früheren Objektbeziehungen gegenüber empfindet, den man der Therapeutin oder dem Therapeuten gegenüber nicht äußern kann. (Seiffge-Krenke, 2017, 23)

Sandler et al (1996) haben herausgefunden, dass sich Übertragungswiderstände während der Behandlungssituation nicht nur verändern können, sondern sich sogar auflösen oder aber in Übertragungsbindungen verwandeln können. Verdrängungswiderstände dagegen sind Widerstände, die ständig auftauchen können, und die der therapeutischen Absicht zuwider wirken. Sie variieren in der Intensität und sind stets vorhanden. Außerdem heben sie hervor, dass Ursache und Formen verschieden zu betrachten sind. Der Es-Widerstand ist eine Ausnahmeerscheinung zu dem üblichen Widerstand, es geht um das sich Lösen von bereits erprobten Auswegen und bringt die Herausforderung mit sich, diese alten Kenntnisse ablegen zu müssen. Hier ist es wesentlich, dass für das Erlernen von neuen Organisationen Rückverstärkung und Belohnung notwendig sind, um neue Lebensweisen integrieren zu können und alte Verhaltensmuster aufzugeben. (119-120 und 206)

Es lässt sich festhalten, dass Widerstand ein Phänomen ist, dass sich erstens sehr unterschiedlich zeigt, und das zweitens in der therapeutischen Arbeit einen entsprechenden Umgang damit braucht. Mehr noch, es ist notwendig, sich dieses psychischen Vorganges bewusst zu sein, da es kaum eine therapeutische Interaktion gibt, die nicht von Widerstand begleitet werden könnte. Die Auseinandersetzung kann sicherlich unterschiedlich gehandhabt werden und hängt vielleicht auch von der Persönlichkeit der Therapeutin oder des Therapeuten ab. Es ist sehr angeraten, dass Therapeutinnen und Therapeuten sich mit der Thematik beschäftigen. Die Praxiserfahrung wird auf alle Fälle zeigen, wie wesentlich ein Wissen über diese Übertragung ist.

[...]

Ende der Leseprobe aus 189 Seiten

Details

Titel
Widerstand. Ein blinder Fleck in der Kunsttherapie?
Hochschule
Sigmund Freud Privatuniversität Wien
Note
1,0 Österreich
Autor
Jahr
2019
Seiten
189
Katalognummer
V538868
ISBN (eBook)
9783346171184
ISBN (Buch)
9783346171191
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dozent war angetan über den kritischen Blick auf den Widerstand innerhalb der Kunsttherapie.
Schlagworte
Kunsttherapie
Arbeit zitieren
Barbara Güpner-Planner (Autor:in), 2019, Widerstand. Ein blinder Fleck in der Kunsttherapie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538868

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