Bevölkerungsentwicklung in Äthiopien

"Die Pille als beste Entwicklung?" oder "Entwicklung als beste Pille?"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Bevölkerungsentwicklung
2.1 Weltweite Bevölkerungsentwicklung im Rückblick und in Zukunft
2.2 Regional unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung
2.3 Bevölkerungsentwicklung Äthiopiens
2.3.1 Bevölkerungszahlen
2.3.2 Regionale Bevölkerungsverteilung
2.3.3 Altersstruktur in Äthiopien

3. Wie entsteht Bevölkerungswachstum?
3.1 Aktueller Trend: Fertilitätsrückgang
3.2 Fertilitätstrends in Äthiopien
3.2.1 Ursachen hoher Fertilitätsraten in Äthiopien
3.2.2 Kinderreichtum als Segen
3.2.3 Der Status der Frau in Äthiopien
3.2.4 Heiratsverhalten
3.3 Auswirkungen des Bevölkerungswachstums

4. Entwicklungspolitische Lösungsansätze
4.1 „Die Pille als beste Entwicklung“?
4.1.1 Staats- und auslandsfinanzierte „Pillen“
4.1.2 Reproductive Health Maßnahmen in Äthiopien
4.2 „Entwicklung als beste Pille“?

5. Pille oder Entwicklung?

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einführung

Das Weltbevölkerungsmodell der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung zählt in diesem Moment 6.936.041.557 Menschen (vgl. URL 1). Diese Zahl wird in der nächsten Minute um wahrscheinlich 158 steigen, wobei ein Zuwachs von 154 Menschen, und damit fast 98% des globalen Bevölkerungswachstums, allein auf die Entwicklungsländer.

Besonders im subsaharischen Afrika, einer der ärmsten Regionen der Welt, sehen sich viele bevölkerungsreiche Staaten ernsten Folgeerscheinungen des viel zu hohen Bevölkerungsdrucks auf eine begrenzte Kapazität von Ressourcen gegenüber. Durch Übernutzung werden natürliche Lebensgrundlagen zerstört, die für die nächste, womöglich zahlenmäßige noch viel größere Generation, nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Hungerkrisen, Umweltkatastrophen und Ressourcenkonflikte können die Folge sein. Die Armutsbekämpfung fällt in Anbetracht der Überlastung von medizinischer- und Bildungsinfrastruktur wenig effektiv aus und muss Rückschlage einkalkulieren.

In dieser Arbeit soll der Fokus auf der Bevölkerungsentwicklung Äthiopiens, eines unter vielen subsaharischen least developed countries, liegen. Dabei sollen wichtige demographische Trends thematisiert und deren ursächliche Hintergründe beleuchtet werden. Im Hinblick auf entwicklungspolitische Maßnahmen soll herausgestellt werden, wo man in diesem Teufelskreislauf aus Unterentwicklung und Überbevölkerung ansetzen sollte. Ist die Pille, d.h. bevölkerungspolitische Maßnahmen im weitesten Sinne, die beste Entwicklung? Oder ist Entwicklung, d.h. soziale und ökonomische Entwicklung der Bevölkerung, die beste Pille und damit treibende Kraft im Fertilitätsrückgang? Leider reicht der Umfang dieser Arbeit jedoch bei weitem nicht aus, um auf eine Vielzahl bevölkerungspolitischer und anderer entwicklungspolitischer Maßnahmen einzugehen. Es sollen hier exemplarische Wege aufgezeigt werden.

2. Bevölkerungsentwicklung

Zunächst sollen weltweite, regionale und letztendlich Äthiopiens nationale Bevölkerungsentwicklung thematisiert werden, um einen globalen Zusammenhang von bestimmten Trends ausmachen zu können.

2.1 Weltweite Bevölkerungsentwicklung im Rückblick und in Zukunft

Die Weltbevölkerung erreichte ihre erste Milliarde nach jahrtausendelangem nur geringfügigen Wachstum im Jahre 1804 (s. Abb.1), da eine starke Beschleunigung der Bevölkerungsprogression erst ab Ende des 18. Jahrhunderts mit Einsetzen der Industriellen Revolution in Europa stattfand. In nur noch weiteren 123 Jahren wuchs sie dann bis 1927 auf zwei Milliarden an. Die dritte Milliarde Erdenbürger wurde 1960 nach nur weiteren 33 Jahren erreicht. Die vierte Milliarde nahm nur noch 14 Jahre Wachstumszeit in Anspruch, die fünfte Milliarde 13 Jahre und die sechste und bisher jüngste Milliarde eine Rekordzeit von 12 Jahren. Noch in diesem Jahr wird aller Wahrscheinlichkeit nach die siebte Milliarde vervollständigt werden von innerhalb ebenfalls 12 Jahren. Der Abstand zur achten Milliarde wird sichbei anhaltendem rückläufigem Fertilitätstrend wieder auf 13 Jahre erhöhen (vgl. PRB (2010):3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Historische Entwicklung der Weltbevölkerung

Quelle: DEUTSCHE STIFTUNG WELTBEVÖLKERUNG (Hrsg.) (2005): Info DSW

Weltbevölkerung. Entwicklung und Projektionen. Hannover. S.1.

Die rasante Zunahme der absoluten Zahlen der Weltbevölkerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mag etwas darüber hinwegtäuschen, dass die höchste jährliche Wachstumsrate mit 2% bereits in der Vergangenheit, in den 1960er Jahren, zu verzeichnen war. Bis heute hat sich die relative Zunahme der Bevölkerung auf bis zu 1,2% im Jahr 2010 (DSW (2010): 6) verlangsamt.

Die absolute Bevölkerungszunahme blieb und bleibt bis auf Weiteres jedoch überaus hoch aufgrund des demographischen Trägheitseffektes. Durch frühere viel höhere Fertilität ist eine nun noch größere potentielle Elterngeneration entstanden ist. Selbst wenn diese sich für weniger Nachkommen als noch die vorige Generation entscheidet, nimmt die Bevölkerung in absoluten Zahlen weiterhin stark zu.

2.2 Regional unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung

Das Wachstum der Weltbevölkerung vollzog sich seit jeher regional sehr unterschiedlich, wobei Differenzierungen nicht nur zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nötig sind, auch unter den Entwicklungsländern selbst und zwischen Stadt und Land sind diese zu verzeichnen (vgl. NUSCHELER (2006): 284).

Während mit Beginn der großen Wachstumsperiode, die in etwa auf die Zeit der Industrialisierung zurückgeht, vor allem die Länder Europas einen starken Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen hatten, sind in der postkolonialen Zeit, das heißt, ungefähr nach dem Zweiten Weltkrieg, die neu unabhängig gewordenen Entwicklungsländer im Zuge ihrer nachholenden Entwicklung zum Großteil verantwortlich für die weltweite Beschleunigung des Bevölkerungswachstums. Auch im Jahre 2010 steuerten die „less developed countries“ mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,7 % (PRB (2010): 1, Angabe unter Ausrechnung Chinas) und die „least developed countries“ mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,3 % (ebd.) den überwältigenden Großteil zum globalen Bevölkerungsanstieg bei. Zukünftig wird damit gerechnet, dass bis zu 99% des Weltbevölkerungswachstums in den Entwicklungsländern stattfinden wird (vgl. NUSCHELER (2006): 284) und infolgedessen das „Demographische Gewicht“ (ebd.) der Entwicklungsländer weiter zunehmen wird. Die Bevölkerung Afrikas wird sich bis 2050 vermutlich auf zwei Milliarden verdoppeln (DSW (2010): 4).

2.3 Bevölkerungsentwicklung Äthiopiens

Im entwicklungspolitischen Kontext sind demographische Aspekte wie Bevölkerungszahlen und deren Verteilung im Raum, Schnelligkeit des Bevölkerungswachstums, sowie die vorherrschende Altersstruktur der Gesellschaft von Bedeutung.

2.3.1 Bevölkerungszahlen

Bis zur ersten landesweiten Stichprobenerhebung durch Äthiopiens Central Statistical Office (jetzt Central Statistical Agency (CSA)) im 1964/65 existierten über die Bevölkerungszahl und deren Verbreitung nur von Reisenden angestellte Schätzungen, die nicht nur methodisch sehr ungenau waren, sondern auch einige Gebiete wie die südlichen und südwestlichen Landesteile gar nicht mit einbezogen (vgl. TELLER (2007): 2). 1984 lieferte die erste Volkszählung Äthiopiens genauere Daten und befähigte die CSA dazu, frühere Bevölkerungszahlen schätzungsweise zu rekonstruieren (s. Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Angenäherte Bevölkerungsentwicklung Äthiopiens 1900-2030

Quelle:TELLER, Ch. H. et al.(2007): The lagging demographic and health transitions in rural Ethiopia: Socio-economic, agro-ecological and health service factors effecting fertility, mortality and nutrition trends.S.3.

Ersichtlich wird hierin, dass die Bevölkerung Äthiopiens, der weltweiten Bevölkerung ähnlich, seit Beginn der Menschheit nur geringfügig zunahm und somit bis Anfang des 20. Jahrhunderts etwa nur 12 Millionen zählte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Zuge der nachholenden Entwicklung vieler Entwicklungsländer, beschleunigte sich auch die Bevölkerungszunahme auch in Äthiopien. Bis 1960, in nur 60 Jahren, verdoppelten sich diese 12 Millionen. Das im Jahr 1960 mit einer jährlichen Rate von 2,2% bemessene Bevölkerungswachstum beschleunigte sich auf eine jährliche Wachstumsrate von 3% in den späten 1980er und den frühen 1990er Jahren. Seit diesem Höchststand des prozentualen jährlichen Zuwachses, nahm die Rate allmählich wieder ab (vgl. TELLER (2007): 3).

Entgegen Schätzungen der CSA von 1999, die für 2010 eine Bevölkerungszahl von 83,5 Millionen voraussagte, betrug diese im Jahr 2010 laut Datenreport der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung 85 Millionen (DSW (2010): 6), angewachsen bei einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 2,7% (ebd.), die nicht nur eine der höchsten der Welt, sondern gleichzeitig auch höher als der subsaharische Durchschnitt von 2,5% (ebd.) jährlichem Zuwachs ist. Schätzungen zufolge ist es wahrscheinlich, dass sich Äthiopiens Bevölkerung mit einer solchen Wachstumsrate bis 2050 nicht nur verdoppeln, sondern sich wahrscheinlich auch mit ca. 174 Millionen Einwohnern auf Platz 9 unter den bevölkerungsreichsten Ländern weltweit befinden wird (vgl. PRB (2010): 2).

2.3.2 Regionale Bevölkerungsverteilung

Da etwa 84% der äthiopischen Bevölkerung im ländlichen Raum lebt (vgl. DSW (2010):6) und überwiegend agrarisch wirtschaftet, ist ihre räumliche Verteilung auf die landwirtschaftlichen Gunsträume Äthiopiens konzentriert. Laut KLOOS und ADUGNA (1989: 33) sind „Climate, soil and land use […] strongly influenced by altitude in Ethiopa“, wobei die „tropical highlands“ von gemäßigten Klima, Bodengüte und regelmäßigen Niederschlagsereignissen profitieren. Diese landwirtschaftliche Nutzbarkeit und die weitgehende Unbetroffenheit der äthiopischen Hochplateaus von Vektor-Krankheiten wie z.B. Malaria und Tryposomiasis (vgl. ebd.) bewirken dort eine ausgeprägte Konzentration der Bevölkerung. Fast 70% der äthiopischen Gesamtbevölkerung lebt demnach in Gebieten zwischen 1.800 und 2.600m ü. NN (vgl. TELLER (2007): 4). Die Tiefländer unter 1000m ü. NN, die etwa 22% der Landesfläche ausmachen, sind lediglich mit 3% der Bevölkerung besiedelt (vgl. ebd.), da dort die aufgrund anderer Temperaturverhältnissen Dürrewahrscheinlichkeit und das Vorkommen von Vektor-Krankheiten ebenfalls ausgeprägter ist.

Fast 80% der äthiopischen Bevölkerung sind somit auf nur etwa 37% der Landesfläche verteilt (vgl. TELLER (2007): 4) und üben dort teils sehr hohen Druck auf die natürlichen Ressourcen aus. Die Karte in Abbildung 3 zeigt, dass vor allem Gebiete des „ Enset Belt“ (ebd.), welcher Regionen der Southern Region (auch SNNPR) einschließt, mit 340 bis 575 Einwohner pro km2 (ebd.) besonders dicht besiedelt sind. 80% der Bevölkerung verteilt sich auf drei der neun „regional states: Oromia (35,3%) Amhara (25,6%), and SNNP (19,8%)“ (WORLD BANK (2005): 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Bevölkerungsdichte in Äthiopien

Quelle: TELLER, Ch. H. et al.(2007): The lagging demographic and health transitions in rural Ethiopia: Socio-economic, agro-ecological and health service factors effecting fertility, mortality and nutrition trends. S.5.

Stadtbewohner machen 16% an der Gesamtbevölkerung in Äthiopien aus (DSW (2010): 6), was im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern weit unter dem Durchschnitt liegt. 40% von dieser Stadtbevölkerung entfallen dabei allein auf die Hauptstadt Addis Abeba (vgl. TELLER (2007): 6). Die jährliche Urbanisierungsrate beträgt mehr als 4% (UN/ECA (2009): 136).

2.3.3 Altersstruktur in Äthiopien

Die Altersstruktur Äthiopiens, wie sie auch geschlechtsspezifisch in Form einer Bevölkerungspyramide (s. Abb. 4) dargestellt ist, ist eine für Entwicklungsländer sehr typische Pagodenform. Tendenziell weist sie eine breite Basis auf, welche die hohen Geburtenraten widerspiegelt, gleichzeitig jedoch auch eine hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit, die im oberen Teil der Pyramide durch die eingebogenen Flanken ersichtlich werden. Derzeit sind etwa 44% der äthiopischen Bevölkerung jünger als 15 Jahre (vgl. PRB (2010): 6). Die Lebenserwartung liegt durchschnittlich bei 56,1 Jahren (UNDP (2010): 145).

Seit neuster Zeit lässt sich eine im Vergleich zu vorigen Generationen geringer werdende Bevölkerungsbasis feststellen, die auf eventuelle Fertilitätsänderungen hinweisen könnte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Bevölkerungspyramide Äthiopiens 2007

Quelle:[ETHIOPIA] (2008): Summary and Statistical Report of the 2007. Population and Housing Census Results.Addis Ababa. S.14.

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Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Bevölkerungsentwicklung in Äthiopien
Untertitel
"Die Pille als beste Entwicklung?" oder "Entwicklung als beste Pille?"
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Geographie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
26
Katalognummer
V538829
ISBN (eBook)
9783346151858
ISBN (Buch)
9783346151865
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demographie, Bevölkerungsentwicklung, Äthiopien, Fertilität, Entwicklungsländer, Bevölkerungswachstum, Reproductive Health
Arbeit zitieren
Jana Raue (Autor:in), 2011, Bevölkerungsentwicklung in Äthiopien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538829

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