Bulgarisch vs. Deutsch. Ein kontrastiver Vergleich im Bereich der Phonologie


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Sprachhistorische Betrachtungen

2. Das Phonemsystem der bulgarischen Sprache
2.1 Vokale des Bulgarischen
2.1.1 Klassifizierung der Vokale des Bulgarischen
2.1.2 Diphthonge im Bulgarischen
2.1.3 Doppelvokale im Bulgarischen
2.1.4 Reduktion der Vokale
2.2 Konsonanten des Bulgarischen
2.2.1. Palatalität der Konsonanten
2.2.2 Klassifikation der Konsonanten nach der Stimmbeteiligung
2.2.3 Doppelkonsonanten im Bulgarischen
2.2.4 Elision der Konsonanten

3. Wortakzent im Bulgarischen

4. Zusammenfassung: Gegenüberstellung der beiden Sprachen

5. Mögliche Probleme beim Erlernen des Deutschen

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

Einleitung

Die Sprache ist eins der ältesten Kommunikationsmittel der Menschen und spielt in unserer globalisierten Welt eine herausragende Rolle. Durch die Osterweiterung der Europäischen Union und die Eröffnung des europäischen Arbeitsmarktes ist Bulgarien aus der Peripherie in den Mittelpunkt gerückt. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie der nach Deutschland zunehmenden Zuwanderung bulgarischer Bürger gewann die bulgarische Sprache an Bedeutung. Aufgrund der Zugehörigkeit der beiden Sprachen zu verschiedenen Sprachfamilien, ist ein kontrastiver Charakter zu erwarten, folgedessen beim Erlernen der deutschen Sprache Abweichungen und fehlerhafte Äußerungen entstehen können.

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Fragestellung:

Welche kontrastiven Aspekte im phonologischen System der bulgarischen und der deutschen Sprache führen zu Lern- und Ausspracheproblemen?

Das Ziel dieser Arbeit ist, die Besonderheiten des Bulgarischen sowohl für nicht slavische Muttersprachler, welche die bulgarische Sprache an deutschsprachigen Universitäten studieren, als auch für bulgarische Muttersprachler, die die deutsche Sprache erlernen wollen, systematisch darzustellen. Die Arbeit ist folgendermaßen strukturiert:

Zu Beginn wird eine historische Einführung zur Entstehung des kyrillischen Alphabets und der Zuordnung der bulgarischen Sprache präsentiert. Danach wird auf das Phonemsystem der bulgarischen Sprache eingegangen und eine ausführliche Beschreibung der charakteristischen Eigenschaften der Vokal- und Konsonantenphoneme dargestellt. Auf dieser Grundlage werden die phonologischen und prosodischen Prozesse erläutert, um das bessere Verständnis für Interferenzerscheinungen zu ermöglichen.

Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung und der Ausarbeitung des kontrastiven Charakters sowie der Erklärung der Besonderheiten im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der bulgarischen und deutschen Sprache. Anschließend wird eine tabellarische Gegenüberstellung vorgenommen, die ein möglichst vollständiges Bild über die Kontrastivität einiger phonologischen, phonetischen und prosodischen Prozessen in den beiden Sprachen verschafft.

Schließlich werden die möglichen Ursachen für auftretende Fehler und Abweichungen anhand diverser Beispiele analysiert.

1. Sprachhistorische Betrachtungen

Die slavischen Sprachen stellen einen Sprachzweig innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie dar. Innerhalb der slavischen Sprachen werden drei große Untergruppen unterschieden: ostslavische (Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch), westslavische (Polnisch, Tschechisch und Slovakisch) und südslavische Sprachen (Bulgarisch, Kroatisch, Bosnisch, Serbisch, Slovenisch, Mazedonisch) (Heinz 2007:51) (vgl. Anhang, Tabelle 1).

Aufgrund seiner geographischen Lage und bestimmter phonetischer und grammatischer Merkmale wird Bulgarisch den südslavischen Sprachen zugeordnet. Nach der typologischen oder strukturellen Einteilung gehören die meisten slavischen Sprachen zu den flektierenden Sprachen. Bulgarisch ist auch stark flektierend, das heißt, dass die Wörter ihre Form verändern und zwar einerseits durch das Hinzufügen von Affixen (schwache oder äußere Flexion) und andererseits durch die Veränderung des Wortstammes (starke oder innere Flexion). Charakteristisch für die flektierenden Sprachen ist, dass die Flexionsendungen in der Regel mehr als nur eine grammatische Kategorie auf einmal ausdrücken (z. B. < -m> im Verb <виждам> [vıʒdαm]1 dt. <sehen> drückt 1. Person, Singular, Präsens, Indikativ, und Aktiv aus) (Heinz 2007: 28).

Die Entstehung des bulgarischen Alphabets ist das Ergebnis politischer und kirchlich-religiöser Konstellationen. Die Mönche Konstantin-Kyrill und Methodij entwickelten im 9. Jahrhundert die glagolitische Schrift Glagolica. Der Nachfolger Kliment Ochridski entwickelte die Schrift weiter, indem er griechische Buchstaben mit glagolitischen Zeichen verband. Das slavische Alphabet wurde zu Ehren von Konstantin-Kyrill Kyrillica benannt (Radeva 2003: 3).

Im Laufe der historischen Entwicklung hat sich die bulgarische Sprache nicht nur zu einer analytisch strukturierten Sprache entwickelt, sondern auch durch zahlreiche Lehnwörter aus anderen Fremdsprachen bereichert. Heute verfügt die moderne bulgarische Sprache über einen gut erhaltenen altbulgarischen Bestand, dennoch sind noch bedeutende Einflüsse aus der russischen Sprache und Lehnwörter aus der griechischen und türkischen Sprache zu verzeichnen. Dieses Faktum kann mit der Besatzung des bulgarischen Territoriums und mit der Herrschaft des byzantinischen (1018 - 1185) und osmanischen Reichs (1396-1878) erklärt werden. Bulgarisch ist die Amtssprache der Republik Bulgarien und wird von etwa 7,5 Millionen Muttersprachlern gesprochen. Das Bulgarische ist auch in einigen Gebieten Serbiens, Mazedoniens, Griechenlands, Rumäniens, der Türkei, Ungarns und der Ukraine verbreitet (Schmidt, Simeonova 2003: 2).

2. Das Phonemsystem der bulgarischen Sprache

Die phonetische Struktur der modernen bulgarischen Standartsprache besteht aus 45 Phonemen, die sich in sechs Vokale und 39 Konsonante aufteilen lassen. Das bulgarische Alphabet wurde so aufgebaut, dass zu jedem Graphem nur ein Phonem zugeordnet werden kann. Dieses Prinzip erleichtert den Schreibprozess im Bulgarischen, im Gegensatz zum Deutschen, wo meistens ein Lexikon benötigt wird. Das umfangreiche Phoneminventar des Bulgarischen kann mit der Eigenschaft Palatalität, die bei den slavischen Sprachen repräsentativ ist, begründet werden. Die palatalen Konsonanten werden mit den gleichen Schriftzeichen wie die nicht palatalen geschrieben, zusätzlich wird die Palatalität mit einem Apostroph markiert. Auf diese Weise ergibt sich die Differenz zwischen der Anzahl der Grapheme und der Anzahl der Phoneme im Bulgarischen. Allerdings stellt dieser Unterschied keine Hindernisse für die genaue Abbildung der Phoneme des Bulgarischen dar (Tilkov 1998).

2.1 Vokale des Bulgarischen

Das bulgarische Vokalsystem umfasst sechs Phoneme: [α], [ǝ], [ɔ], [u], [ε] und [ı].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vokale der bulgarischen Sprache (Radeva 2003:8)

Es zeichnet sich mit einer besonderen Erscheinung aus: dеm Vokal <ъ> [ǝ], [ʌ], der sowohl in betonnter als auch in unbetonter Position auftreten kann. Im Bulgarischen existiert ein zentraler Mittelzungenvokal, der als Murmelvokal (Schwa-Laut) bezeichnet wird. Im Deutschen tritt dieser bei unbetonten Silben wie be-, ver-, zer- etc. auf, im Bulgarischen dagegen kann er auch in unbetonten Silben vorkommen (Heinz 2007: 40). Das bulgarische Vokalsystem ist in Abhängigkeit von der Betonung aufgebaut. Alle sechs Vokale können unter Akzent stehen und haben eine mittlere Länge. In akzentloser Position gibt es nur drei Vokale [a], [u] und [ı], die etwas kürzer ausgesprochen werden. Weiterhin haben die deutschen Vokale einen höheren Spannungsgrad bei der Artikulation am Wortanfang. Demzufolge fehlt bei den bulgarischen Vokalen der für deutsche Sprache typische feste Vokaleinsatz (Knacklaut). Das wichtigste Merkmal der Vokale im Deutschen ist die Quantität. Die Dauer eines Vokals ist von großer Relevanz für die Bedeutung eines Wortes. Im Gegensatz dazu ist die Vokallänge im Bulgarischen kein distinktives Merkmal (Radeva 2003: 8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vokaltrapez des Bulgarischen (Onlinequelle2 ) und Deutschen (Alber2018:4)

Die Abbildung 3 zeigt eine eindeutige Differenz zwischen den beiden Vokaltrapezen. Die bulgarische Sprache verfügt über acht Vokalphoneme gegenüber den 17 im Deutschen. Es ist ersichtlich, dass im Vokalsystem des Bulgarischen die deutschen gespannten und ungespannten Vokale und die gerundeten Vorderzungenvokale fehlen. Deshalb ist die Sprechspannung im Bulgarischen nicht besonders ausgeprägt.

2.1.1 Klassifizierung der Vokale des Bulgarischen

Nach Abbildung 3 lassen sich die bulgarischen Vokale durch die distinktiven Merkmale im Folgenden klassifizieren:

a) Artikulationsstellen: [vorne, zentral, hinten]
b) Zungenlage: [niedrig, mittel, hoch]
c) Abstand zwischen dem Gaumen und Zunge: [offene (weite) und geschlossene (enge)]
d) Lippenrundung: [labial (gerundet) und nicht labial (nicht gerundet)]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Klassifizierung der Vokale des Bulgarischen (In Anlehnung an Radeva 2003:8)

Bei den slavischen Sprachen besteht eine feste Korrelation: Hintere Vokale kommen nur gerundet vor, vordere Vokale sind ungerundet. Im Gegenteil dazu können im Deutschen auch vordere Vokale gerundet sein: die Umlaute ü (hoch-vorn) und ö (mittel-vorn).

Nasalvokale gab es im Urslavischen, diese wurden jedoch in den meisten slavischen Sprachen durch die Oralvokale ersetzt. Auch das Bulgarische verfügt über keine Nasalvokale. Phonologisch hat dieses Merkmal keine Relevanz, weil es kein distinktives Merkmal ist.

Bei den bulgarischen Vokalen ist das Auftreten der prosodischen Merkmale Betonung und Reduktion relevant, weil sie zur Bedeutungsdifferenzierung dienen. Die Merkmale Quantität und Tonhöhe sind zwar akustische Eigenschaften, aber keine phonologischen Merkmale und tragen somit keine bedeutungsunterscheidende Funktion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Vokale des Bulgarischen in Beispielen

2.1.2 Diphthonge im Bulgarischen

Der Diphthong ist ein Phänomen, bei dem zwei unterschiedliche Vokale nebeneinanderstehen, jedoch als eine Silbe ausgesprochen werden und bei der Worttrennung verbunden bleiben. Im Vergleich zu den drei Diphthongen im Deutschen hat das Bulgarische Einige mehr in seinem Lautinventar. Alle Vokale außer dem Schwa-Laut bilden im Bulgarischen in beliebiger Reihenfolge verschiedene Diphthonge. Hier einige Beispiele:

<ае> [αε] игр а́е [ıgr άε ] er spielt (13)

<аи> [αı] ст а́и [st άı ] Zimmer Pl. (14)

<аo> [αɔ] ао́ рта [ αɔ́ rtα] Aorta (15)

<ау> [αu] а́у ла [ άu lα] Aula (16)

<ая> [αjα] гад а́я [gαd άjα ] raten (17)

Weitere Diphthonge können in dieser Reihenfolge im Bulgarischen auftreten:

<оа> [ɔα] <ои> [ɔı] <ея> [εjα] <иа> [ıα]

<оу> [ɔu] <oя> [ɔjα] <еи> [εı] <уe> [uε]

Einige besondere Diphthonge werden mit dem Halbvokal [j] gebildet. Es können folgende positionelle Varianten entstehen: [aj], [εj], [ıj], [ɔj], [uj] und [ǝj].

Beispiele: <ай> [aj] т а́й на [t άj nα] Geheimnis (18)

<ей> [εj] п е́й ка ['p έj kα] Sitzbank (19)

2.1.3 Doppelvokale im Bulgarischen

In der bulgarischen Sprache treten auch Doppelvokale wie im Deutschen auf. An dieser Stelle sollte erklärt werden, dass die Doppelvokale im Bulgarischen nicht die Dauer des Vokals bestimmen. Die doppelten Vokalgrapheme stehen durchaus für zwei gleiche Vokale, von denen nur einer die Betonung trägt (Radeva 2003: 18). Die häufigste Kombination bei den Vokalen ist [ ıı ] und [ ee ], den doppelten Vokalgraphemen [ αα ] und [ uu ] begegnet man meistens in Fremd- und Lehnwörtern (Radeva 2003: 18).

Beipsiele: <л е́ кции> ['lekts ii ] Vorlesungen (20)

а́ куум> ['vak uu m] Vakuum (21)

<гръмоотв о́ д> [grǝm oo t'vot] Blitzableiter (22)

2.1.4 Reduktion der Vokale

Die Reduktion der Vokale steht im Zusammenhang mit der Betonung. Meistens werden die unbetonten Vokale reduziert. Das heißt, bei den weiten Vokalen [α], [ɔ] und [ε] wird die Artikulationsspannung abgeschwächt und die Länge durch die entsprechenden engen Vokale verringert. Diese Eigenschaft ist meistens bei den folgenden Vokalen zu beobachten:

Beispiele: [α] > [ǝ] <Балк а́ н> <Bàlkan> [b α lkan] ~ [b ʌ lkán] (23)

[ɔ] > [u] <гор а́ > <Wald> [g o rα] ~ [g u rά] (24)

[ε] > [ı] <зел е́ н> <grün> [z ε lεn] ~[z ı lέn] (25)

2.2 Konsonanten des Bulgarischen

Aus den beiden Tabellen ist zu entnehmen, dass das Bulgarische genauso wie das Deutsche über Plosive, Frikative, Affrikaten, Laterale, Vibranten, Nasale und Gleitlaute verfügt. Allerdings fehlen sechs Konsonanten im Bulgarischen, die im Deutschen präsent sind: [ʀ], [ʁ], [ŋ], [ç], [h] und [ʔ].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Konsonanten im Bulgarischen (Onlinequelle)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Konsonanten im Deutschen (Alber 2018:2)

Im Gegensatz zum Deutschen sind die bulgarischen Verschluss- und Reibelaute nicht behaucht. Außerdem tritt das Merkmal Aspiration bei den deutschen stimmlosen Plosiven (pʰ, tʰ, kʰ) auf und diese werden am Wortanfang behaucht. In den slavischen Sprachen ist die Behauchung nicht vorhanden und deswegen werden die stimmlosen mit den stimmhaften Plosiven meistens verwechselt (Heinz 2007:47).

2.2.1. Palatalität der Konsonanten

Beim Vergleich des Konsonantensystems der beiden Sprachen ist ein augenfälliger Unterschied zu verzeichnen: die bulgarische Sprache enthält eine hohe Anzahl an Konsonanten im Gegensatz zum Deutschen. Diese Differenz ergibt sich aus dem distinktiven Merkmal Palatalität. Je nach Beteiligung des Gaumens können palatale und nicht palatale Konsonanten entstehen. Die palatalen Konsonanten unterscheiden sich von ihren nicht palatalen Entsprechungen durch eine bei ihrer Artikulation obligatorische Hebung des Zungenrückens zum harten Gaumen. Dadurch erhalten die palatalisierten Konsonanten einen „hellen“ Klang und werden hier mit dem Zeichen ['] markiert (Radeva 2003:10).

[...]


1 Siehe Anhang 7.2 – Das bulgarische Alphabet mit entsprechenden IPA-Zeichen

2 http://www.coli.uni-saarland.de/elaut/Languages_Sites/sampaBulgarisch.htm (10.09.2018)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Bulgarisch vs. Deutsch. Ein kontrastiver Vergleich im Bereich der Phonologie
Hochschule
Universität Bielefeld
Veranstaltung
Phonologie des Deutschen - kontrastiv (S)
Note
1.3
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V538197
ISBN (eBook)
9783346150004
ISBN (Buch)
9783346150011
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bulgarisch, deutsch, vergleich, bereich, phonologie
Arbeit zitieren
Temenuzhka Traycheva-Reineke (Autor:in), 2018, Bulgarisch vs. Deutsch. Ein kontrastiver Vergleich im Bereich der Phonologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538197

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