Zur Regelkenntnis von Fugenelementen bei GrundschülerInnen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

43 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Abstract

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Die Komposition
2.2. Die Nomen+Nomen-Kompositon
2.3. Fugenelemente
2.4. Die Fugenelemente -s-, -(e)n-, -e- und die Nullfuge

3. Forschungsstand

4. Eigene Untersuchung
4.1. Fragestellung und Hypothesen
4.2. Proband*innen
4.3. Methode und Material
4.4. Durchführung
4.5. Ergebnisse

5. Diskussion

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

I. Protokoll

II. Bildmaterial

III. Testresultate (Kinder und Erwachsene)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mögliche Verarbeitungsformen von Komposita im mentalen Lexikon

Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der im Deutschen vorkommenden Fugenelemente

Abbildung 3: Einige Zweifelsfälle der s -Verfugung.

Abbildung 4: Die Abhängigkeit der s -Fugensetzung von der phonologischen Wortqualität des Erstglieds

Abbildung 5: Darstellung akzeptabler und inakzeptabler Testitems

Abbildung 6: Verteilung der Fugenelemente bei den Zehnjährigen

Abbildung 7: Kategorienübergreifende Verteilung der erwarteten und unerwarteten Antworten bei den Erwachsenen bei insgesamt 252 Antworten.

Abbildung 8: Kategorienübergreifende Verteilung der erwarteten und unerwarteten Antworten bei den Kindern bei insgesamt 252 Antworten.

Abbildung 9: Verteilung der erwarteten und unerwarteten Antworten pro Item-Kategorie mit 63 vorliegenden Antworten pro Kategorie (Erwachsene)

Abbildung 10: Verteilung der erwarteten und unerwarteten Antworten pro Item-Kategorie mit 63 vorliegenden Antworten pro Kategorie (Kinder).

Abbildung 11: Verteilung der erwarteten (E) und unerwarteten (A) Antwortmöglichkeiten pro Item bei den Erwachsenen.

Abbildung 12: Verteilung der erwarteten (E) und unerwarteten (A) Antwortmöglichkeiten pro Item bei den Kindern

Abbildung 13: Item: Topfmann

Abbildung 14: Item: Geburtstagsschrei

Abbildung 15: Item: Elefantenball

Abbildung 16: Item: Verkehrseis

Abbildung 17: Item: Graskopf

Abbildung 18: Item: Prinzenstein

Abbildung 19: Item: Schweinestiefel.

Abbildung 20: Item: Frühlingsboot

Abbildung 21: Item: Briefhund

Abbildung 22: Item: Tagedorf

Abbildung 23: Item: Lampenzweig

Abbildung 24: Item: Hundebaum

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Haupttypen der Nomen-Komposition

Tabelle 2: Fugentypen

Tabelle 3: Unterscheidung der Fugenelemente

Tabelle 4: Auflistung der Fantasiewörter

Tabelle 5: Anzahl der Verstöße mit Null-, s-, (e)n - und e -Fuge

Tabelle 6: Verteilung der Verstöße gegen die s -Fuge nach Häufigkeit

Tabelle 7: Verteilung der Verstöße gegen die Nullfuge nach Häufigkeit

1. Abstract

Die Nomen+Nomen-Komposition gilt als der älteste und der am häufigsten vorkommende Kompositionstyp im Deutschen. Typisch für diese Wortbildungsart ist das Auftreten sogenannter Fugenelemente, wobei deutsche Muttersprachler*innen für gewöhnlich intuitiv wissen, wann welches Fugenelement gesetzt wird. Vor diesem Hintergrund behandelt die vorliegende Arbeit, inwieweit auch Grundschüler*innen diese Kenntnis bereits erworben haben und hinterfragt, ob sie die zu erwartenden Fugenelemente intuitiv auch bei Fantasiewörtern in Form von Nomen+Nomen-Komposita präferieren. In Anbetracht dessen wurden insgesamt 21 Grundschüler*innen im Alter von acht bis elf Jahren einer Judgement Task in Form eines Sprachspiels unterzogen. Neben den Schüler*innen nahmen auch 21 Erwachsene als Kontrollgruppe an der Erhebung teil. Einzuräumen ist, dass das Forschungsdesign lediglich die Null-, s -, (e)n - und e -Fuge inkludiert und resultierend daraus nur Aussagen über diese Fugenelemente trifft. Mitunter stellt die durchgeführte Untersuchung fest, dass die Proband*innen die Regelkenntnis von Fugenelementen nahezu vollständig erworben haben und mehrheitlich dazu in der Lage sind, diese auf Fantasiewörter zu übertragen. Nichtsdestotrotz bestehen vereinzelt noch Unsicherheiten bei den Grundschüler*innen; bspw. was die Wahl der s - und der Nullfuge oder aber auch den Umgang mit der e -Fuge betrifft. Zusammenfassend gelingt es diesem Beitrag zwar, sich der zugrundeliegenden Thematik anzunähern, allerdings werfen die vorliegenden Befunde auch Fragen auf, die nicht beantwortet werden konnten. Dementsprechend soll diese Untersuchung allem voran als Anlass dazu dienen, auch fortan auf diesem Gebiet zu forschen.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1. Die Komposition

Neue Lexeme werden durch den Prozess der Wortbildung gebildet. Sie werden für gewöhnlich nicht neu erfunden, sondern entstehen aus bereits vorhandenen Morphemen, welche auf unterschiedliche Art und Weise verändert werden. Die Veränderung bereits vorhandener Lexeme kann durch verschiedene Wortbildungsarten erfolgen. Zu den produktivsten Wortbildungsarten im Deutschen zählen die Komposition, die Derivation und die Konversion, wobei sich die vorliegende Arbeit explizit der Komposition und im Speziellen dem Kompositionstyp der Nomen+Nomen-Komposition widmet (Sahel & Vogel, 2013).

Unter einer Komposition versteht man eben jene Wortbildungsart, bei der zwei oder mehrere bereits vorhandene Wörter und/oder Konfixe zu einem komplexen Wort zusammengefügt werden (Donalies, 2005). Als Beispiel können Komposita wie dunkel+rot, Lehrer+zimmer oder Donau+dampf+schiff angeführt werden (Meibauer, 2015). Da Komposita sowohl Ähnlichkeiten zu morphologisch einfachen Wörtern als auch zu Sätzen aufweisen, gelten sie als Schnittstelle zwischen Syntax und Lexikon. Mit morphologisch einfachen Wörtern haben Komposita gemein, dass ihre Form und ihre Bedeutung in vielen Fällen nur über lexikalisches Wissen abrufbar sind (bspw. beim Begriff Schildkröte); mit Sätzen, dass Komposita hochproduktiv sind und dass auch Neubildungen wie etwa Ameisen+bär+bettchen in aller Regel spontan verstanden werden können. In Anbetracht dessen bleibt allerdings offen, ob Komposita im mentalen Lexikon wie morphologisch einfache Wörter und demnach als Ganzworteinträge erfasst werden oder ob sie bei der Wortverarbeitung in Konstituenten zerteilt und nur diese im mentalen Lexikon gespeichert werden (vgl. Abbildung 1) (Costard, 2002).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Mögliche Verarbeitungsformen von Komposita im mentalen Lexikon (Costard, 2002).

Unterschieden wird typischerweise zwischen Kopulativ- und Determinativkomposita. Unter Kopulativkomposita werden jegliche Komposita erfasst, welche (wie bspw. süß+sauer) aus einander gleichgeordneten Konstituenten bestehen. Diese müssen derselben Wortkategorie angehören und demselben Bedeutungsfeld zuzuordnen sein. Die Bedeutung eines Kopulativkompositums setzt sich folglich aus der Bedeutung seiner einzelnen, gleichberechtigten Konstituenten zusammen. Demgegenüber werden Determinativkomposita durch das Unterordnungsverhältnis ihrer Komponenten charakterisiert, wobei die zweite Konstituente den dominierenden Teil des Kompositums einnimmt. Als Beispiel dient der Begriff Groß+stadt, bei welchem die erste Konstituente der zweiten Konstituente untergeordnet ist und in diesem Fall dazu dient, den übergeordneten Teil des Kompositums zu spezifizieren (Groß+stadt = eine große Stadt) (Sahel & Vogel, 2013).

Ansonsten unterscheidet man auch, ob der semantische Kern eines Kompositums endooder exozentrisch ist. Endozentrisch bedeutet, dass der semantische Kern des Kompositums wie bei den Determinativkomposita auf dem Zweitglied oder wie bei den Kopulativkomposita gleichermaßen auf dem Erst- und dem Zweitglied liegt. Ist der semantische Kern exozentrisch, so hat dies zur Folge, dass die Grundsemantik eines Kompositums (wie bei den Begriffen Rot+kehlchen und Nach+tisch) in keinem der beiden Glieder enthalten ist (Kopf, 2018).

2.2. Die Nomen+Nomen-Kompositon

Die Vielfalt an morphologischen Kompositionsmöglichkeiten gilt als eine typologische Eigenheit des Deutschen. Entsprechend charakterisiert Donalies (2005, S. 60) die Komposition als eine „leicht handhabbare Wortbildungsart“, welche in erster Linie zur Erweiterung des Wortschatzes der Nomina (und Adjektive) beiträgt. Dies ist mitunter darauf zurückzuführen, dass Nomen (wie Tabelle 1 verdeutlicht) mit verschiedenen Ersteinheiten wie zum Beispiel Nomen, Adjektiven, Verben oder Präpositionen kombiniert werden können (Meibauer, 2015):

Tabelle 1: Haupttypen der Nomen-Komposition (eigene Darstellung verändert nach Meibauer, 2015).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der im Deutschen älteste und häufigste Kompositionstyp ist die Nomen+Nomen-Komposition, welche als das semantisch und morphologisch variationsreichste Wortbildungsprodukt gilt und als solches nahezu uneingeschränkt produktiv ist (Donalies, 2005; Kopf, 2018; Meibauer, 2015). Diese Eigenart spiegelt sich mitunter in der Länge sowie in der Komplexität einiger deutscher Komposita wider, wie Meibauer (2015) mit dem Beispiel Steuererhöhungsbeschlussvorlagensitzungsprotokoll eindrucksvoll beweist.

2.3. Fugenelemente

Typisch für Komposita ist weiterhin das Auftreten von Fugenelementen, welche insbesondere bei der Nomen-Komposition einen hohen Stellenwert einnehmen und als solche einen Untersuchungsgegenstand der Morphologie darstellen. Selbstverständlich ist das Auftreten von Fugenelementen nicht ausschließlich auf Komposita beschränkt. Fugenelemente treten auch in Derivationen auf (Meibauer, 2015).

Als Fugenelemente werden die semantisch leeren Verbindungsstücke zwischen Morphemen bezeichnet; also die Verbindungsbzw. Nahtstellen zwischen zwei unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums (Meibauer, 2015; Sahel & Vogel, 2013). Obwohl Fugenelemente häufig mit Flexionselementen verwechselt werden – und einige Fugenelemente sprachhistorisch tatsächlich auf Flexionselemente zurückzuführen sind –, sind Fugenelemente keinesfalls mit Flexionselementen zu verwechseln. Im Gegensatz zu diesen markieren Fugenelemente nämlich die Grenzen zwischen zwei unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums, weshalb deren zentrale Funktion der morphologischen Gliederung eines Wortes zukommt (Meibauer, 2015).

Wie Tabelle 2 resümiert, wird zwischen drei verschiedenen Fugentypen unterschieden: der Nullfuge, der additiven Fuge und der subtraktiven Fuge (Sahel & Vogel, 2013).

Tabelle 2: Fugentypen (eigene Darstellung nach Sahel & Vogel, 2013).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fugenelemente als solche können darüber hinaus wie in Tabelle 3 differenziert werden, wobei sich die Verteilung der im Deutschen vorkommenden Fugenelemente nach Nübling und Szczepaniak (2010) wie in Abbildung 2 verhält.

Tabelle 3: Unterscheidung der Fugenelemente (eigene Darstellung nach Meibauer, 2015).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der im Deutschen vorkommenden Fugenelemente (eigene Darstellung nach Nübling & Szczepaniak, 2010).

Da eine enge Beziehung zwischen dem Fugenelement und dessen Erstglied besteht, werden Fugenelemente teilweise durch ihr Erstglied determiniert (Meibauer, 2015). Dass dies allerdings nicht ausschließlich der Fall sein muss, argumentieren Sahel und Vogel (2013), welche sowohl phonologische als auch flexionsmorphologische Ansätze ausführen, die versuchen, das Auftreten von Fugenelementen zu erklären.

Da alle Fugenelemente außer - s - und - n silbisch sind (wobei - n nur in unbetonten Schwa-Silben vorkommt), gehen phonologische Erklärungsansätze davon aus, dass das Auftreten von Fugenelementen mitunter prosodisch motiviert ist. Das heißt, dass Fugenelemente auftreten, um die direkte Folge mehrerer betonter Silben in einem Wort zu vermeiden und somit versuchen, die Prosodie der ersten Konstituente zu verbessern bzw. zu konservieren. Exemplarisch können die Fugenelemente - es -, - en -, - er -, - e -, und -ens angeführt werden, welche primär nach einsilbigen Substantiven auftreten und als silbische Fugen zusammen mit dem Substantiv einen trochäischen Fuß bilden, um so die ideale prosodische Struktur deutscher Wörter zu ermöglichen (beispielhaft kann auf die Komposita Frauentag und Kinderwagen verwiesen werden). Obwohl die s -Fuge nicht silbisch ist, trägt auch diese zur Konservierung der prosodischen Struktur ihrer Erstkonstituente bei, indem sie durch ihr Auftreten den rechten Wortrand der ersten Konstituente stärkt bzw. hervorhebt (Sahel & Vogel, 2013).

Eine andere Perspektive vertreten flexionsmorphologische Erklärungsansätze, welche davon ausgehen, dass das Auftreten eines Fugenelements entweder paradigmisch oder unparadigmisch ist. Ein Fugenelement gilt dann als paradigmisch, wenn es zusammen mit der ersten Konstituente eine Flexionsform bildet (dies trifft bspw. bei der s -Fuge in Rind+s+leder zu) und als unparadigmisch, wenn das Fugenelement mit der ersten Konstituente keine Flexionsform bildet (dies trifft bspw. bei der s -Fuge in Liebe+s+kummer zu). Bis auf die Fugenelemente -er - und - es -, die ausschließlich paradigmisch auftreten, kommen alle Fugenelemente sowohl paradigmisch als auch unparadigmisch vor (Sahel & Vogel, 2013).

2.4. Die Fugenelemente -s-, -(e)n-, -e- und die Nullfuge

Da sich diese Arbeit im Speziellen der -s -, der -(e)n -, der - e - und der Nullfuge widmet, sollen diese Fugenelemente im Folgenden in wenigen Worten umrissen werden.

Die Nichtverfugung in Form der Nullfuge gilt, wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, als der statistische Normalfall. Insbesondere entlehnte Erstglieder verfugen fast nie (Kopf, 2018). Gleich nach der Nullfuge gilt die s -Fuge als das am häufigsten vorkommende Fugenelement. Nübling und Szczepaniak (2010) zufolge entfallen 25% aller Fugenelemente auf -s (nach Sahel und Vogel (2013) kommt der s- Fuge sogar ein Anteil von 60% zu), womit das Fugen- s als äußerst produktiv abschneidet. Auffällig ist, dass in jüngerer Zeit häufig Schwankungen zwischen der Null- und der s -Fuge auftreten. Nübling und Szczepaniak (2010) stellen tendenziell eine Abkehr von der Nullfuge hin zur s -Fuge fest. Resultierend daraus wechseln derzeit zahlreiche, bereits existierende Komposita von der Nullfuge zum Fugen- s, wodurch eine Vielzahl sogenannter Zweifelsfälle entsteht. Als solche versteht man „eine sprachliche Einheit (Wort/Wortform/Satz), bei der kompetente Sprecher (a.) im Blick auf (mindestens) zwei Varianten (a, b…) in Zweifel geraten (b.) können, welche der beiden Formen (standardsprachlich) (c.) korrekt ist“ (Klein, 2003, S. 2, zit. nach Nübling & Szczepaniak, 2010, S. 205). Als Beispiele führen Nübling und Szczepaniak (2010) eine Reihe solcher Zweifelsfälle mit s -Fuge an, welche in Abbildung 3 tabellarisch aufgelistet sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Einige Zweifelsfälle der s-Verfugung (eigene Darstellung nach Nübling & Szczepaniak, 2010).

Anhand einer Korpusrecherche konnten Nübling und Szczepaniak (2010) überdies herausstellen, dass es nicht die morphologische Komplexität des Erstgliedes ist, welche dieses derzeitige Fugenphänomen bedingt, sondern vielmehr dessen phonologische Komplexität. Je schlechter die phonologische Qualität der ersten Konstituente (je größer deren Distanz zum Trochäus mit Reduktionssilbe also), desto eher erfolgt eine Verfugung mit - s -. Das Fugen- s nimmt somit zweierlei Funktionen ein: zum einen dient es als Indikator für phonologisch ‚schlechte‘ Wörter, zum anderen stellt es eine Art Maßnahme zur Herstellung bzw. zur Verstärkung derselben dar, da es den rechten Wortrand des Erstgliedes stärkt und dessen Ende exponiert. Wörter, die besonders stark vom Trochäus mit Reduktionssilbe abweichen, werden bereits obligatorisch mit - s verfugt, weswegen in solchen Instanzen kaum Zweifelsfälle auftreten. Zu diesen Fällen gehören vor allem Derivate mit unbetontem Präfix wie bspw. Gebrauch+s+anweisung. Der Großteil der aktuellen Fugenschwankungen geht entsprechend Abbildung 4 vornehmlich auf Derivate mit betontem Präfix, auf Komposita und auf zahlreiche Fremdwörter zurück (Nübling & Szczepaniak, 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Abhängigkeit der s-Fugensetzung von der phonologischen Wortqualität des Erstglieds (Nübling und Szczepaniak, 2010).

Die (e)n -Fuge gilt grundsätzlich dem Erhalt bzw. der Erzeugung von Trochäen und ist auf Basis der Flexionsklasse fast vollständig voraussagbar (Kopf, 2018; Nübling & Szczepaniak, 2010). Für gewöhnlich tritt die (e)n -Fuge an:

- schwache Maskulina ( bspw . Fink+en+nest),
- gemischte Maskulina (bspw. Ohr+en+krankheit) und
- gemischte Feminina (bspw. Dame+n+schuh) (Kopf, 2018).

Die Ausprägung der (e)n- Fuge ist darüber hinaus phonologisch bedingt, sodass auf die Reduktionssilbe auf -er, zweisilbige Erstglieder oder den Schwa-Auslaut die n -Fuge folgt (bspw.: Dame+n+schuh), während ansonsten die en -Fuge an einsilbige bzw. finalbetonte Erstglieder anknüpft (bspw.: Frau+en+schuh) (Kopf, 2018; Nübling & Szczepaniak, 2010) .

Während das Verhalten der (e)n -Fuge somit relativ gut erfasst ist, wird die niederfrequente e -Fuge konträr dazu in vielen Darstellungen nur beiläufig berücksichtigt. Aus diesem Grund wird sie häufig nicht ausgewiesen. Sie entspricht formal beinahe immer dem Plural, was heißt, dass die Erstglieder der starken Flexion aller drei Genera entstammen. Die e -Fuge nimmt somit nur minimale Anteile am Gesamtsystem ein, wobei zahlreiche Fälle der Pluralkomposition zuzurechnen sind (Kopf, 2018).

3. Forschungsstand

Anknüpfend an den theoretischen Hintergrund soll im Folgenden der aktueller Forschungsstand umrissen werden. In diesem Sinne werden exemplarisch drei Untersuchungen vorgestellt, welche sich dem Forschungsobjekt auf je unterschiedliche Art und Weise annehmen.

Zunächst soll auf Libben et al. (2009) eingegangen werden, welche eine Studie zur Akzeptabilität von Fugenelementen durchführten. Ziel war es, zu determinieren, welche Faktoren für deutsche Muttersprachler*innen ausschlaggebend dafür sind, ein Fugenelement innerhalb eines Kompositums als akzeptabel oder inakzeptabel zu bewerten. Hierzu führten die Autor*innen eine Online Judgement Task mit 22 Student*innen im Alter von 19 bis 31 Jahren durch, welchen computergestützt nacheinander verschiedene Komposita mit jeweils akzeptablen bzw. inakzeptablen Fugenelementen präsentiert wurden (aus technischen Gründen wurden lediglich die Ergebnisse von 20 der 22 Teilnehmenden gewertet). Die Proband*innen sollten nun so schnell wie möglich entscheiden, ob es sich bei den angezeigten Komposita um wohlgeformte deutsche Wörter handelt oder nicht. Welche Begriffe als akzeptabel und welche als nicht akzeptabel galten, wurde a priori festgelegt. Insgesamt wurden die Teilnehmer*innen mit 144 Items konfrontiert, wovon 72 Items als akzeptabel und 72 Items als inakzeptabel galten. Die Item-Menge wurde zu gleichen Teilen in fünf Gruppen unterteilt, sodass Komposita mit verschiedenen Fugenelementen überprüft werden konnten (vgl. Abbildung 5). Bei diesen Fugenelementen handelte es sich um die Nullfuge, die n -Fuge, die e -Fuge, die er -Fuge und die Subtraktionsfuge. Die s -Fuge wurde bewusst nicht inkludiert, da Libben et al. (2009) befürchteten, die Proband*innen könnten das Fugenelement mit einem Flexionssuffix verwechseln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Darstellung akzeptabler und inakzeptabler Testitems (Libben et al., 2009).

Als Faktoren, die sich auf die Akzeptabilität von Fugenelementen auswirken, stellten Libben et al. (2009, S. 149) schlussendlich die „compound frequency as well as the positional family size of the initial constituent and the number of compounds sharing the exact interfixation pattern for that constituent“ heraus. Weiterhin gelang es den Forschenden auszumachen, dass in erster Linie die Nichtverfugung sowie die n -Fuge von deutschen Muttersprachler*innen am wahrscheinlichsten als akzeptabel eingestuft werden (Libben et al., 2009). Diese Erkenntnis weist Parallelen zu einer Studie von Zorn et al. (o.J.) auf, welche sich allerdings einer gänzlich anderen Zielgruppe widmeten und ein Experiment zu Fugenelementen bei Komposita mit Kindern im Alter von bis zu sechs Jahren durchführten. Auch Zorn et al. (o.J.) schrieben der Nichtverfugung eine bedeutende Rolle zu und nahmen resultierend daraus an, dass die sechs teilnehmenden Kinder bei der Bildung von unbekannten Komposita in 80% der Fälle kein Fugenelement verwenden würden. Vor diesem Hintergrund wurden den Heranwachsenden im Zuge eines Sprachspiels pro Runde zwei Bildkarten präsentiert. Für jedes Kind galt es, die dort abgebildeten Begriffe zu einem Wort zusammenfügen (welches Bild die erste Konstituente des Kompositums bildete, wurde vorgegeben). Insgesamt gab es 48 Spielkarten, aus welchen 12 existierende und 12 nicht existierende Komposita generiert werden konnten. Die Autorinnen kamen zu dem Ergebnis, dass Kinder bei nicht existierenden Komposita bei fast 70% aller Begriffe kein Fugenelement bildeten. Darüber hinaus konnten die Autorinnen beobachten, dass sich die Kinder bei der Bildung von Komposita ähnlich wie die erwachsene Kontrollgruppe (über deren Größe keine Auskunft gegeben wird) verhielt und sich entweder an bestehenden Vorbildern (Analogiebildungen) oder an Default-Strategien orientierten, wobei Zorn et al (o.J.) davon ausgehen, dass Vorschüler*innen vermehrt auf Default-Strategien zurückgreifen, da sie im Gegensatz zu Erwachsenen über weniger Vorbilder im mentalen Lexikon verfügen (Zorn et al., o.J.).

Im Gegensatz zu Zorn et al. (o.J.) schreibt Plank (1976) der Analogiebildung bei der Kompositabildung einen deutlich höheren Stellenwert zu. Dieser untersuchte die morphologischen Aspekte von Nomen+Nomen-Komposita und derer Fugenelemente im Deutschen und widmete sich im Speziellen dem Erwerb und der Regelhaftigkeit dieser. Hierzu führte Plank (1976) zwei Experimente durch: Zunächst wurden 33 sieben- und 64 zehnjährige Schüler*innen getestet. Diesen wurden Fragebögen mit je 40 und 80 Komposita ausgeteilt. Die Schüler*innen sollten nun die richtigen Fugenelemente ergänzen und darüber hinaus angeben, ob ihnen die aufgeführten Komposita wie bspw.: Bahn__damm, Schachtel__macher oder Mannschaft__führer bereits bekannt waren. Um die intra-individuelle Variation zu überprüfen, wurde dasselbe Experiment mit den Zehnjährigen nach sieben Wochen wiederholt. Im Anschluss wurden die Ergebnisse mit sechs Erwachsenen geteilt, welche die morphologische Wohlgeformtheit der durch die Sieben- und Zehnjährigen gegebenen Antworten evaluieren sollten. Hierbei stellte sich heraus, dass die Intuition der Erwachsenen keinesfalls einheitlich war, da bei fast jedem Kompositum tendenziell zwei oder mehr Alternativen als morphologisch wohlgeformt erachtet wurden. Diese Variation konnte auch anhand des Wiederholungstests bei den Zehnjährigen herausgestellt werden, deren Antworten sich beim ersten und zweiten Durchgang teilweise unterschieden. Beispielsweise änderte sich das ursprünglich gewählte Fugenelement mitunter bei den Begriffen Schachtel__macher und Anstalt__leiter (vgl. Abbildung 6) (Plank, 1976).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Verteilung der Fugenelemente bei den Zehnjährigen (Plank, 1976).

Plank (1976) konkludiert, dass die Proband*innen bei der Wahl des Fugenelements (und insbesondere bei unbekannten Komposita) Analogien zu bereits bekannten Begriffen bildeten, die eine morphologische Ähnlichkeit zum vorliegenden Ausdruck aufwiesen. Als Beispiel führt er den Begriff Schwanensee an, dessen Form Plank (1976) zufolge als Ganzes im Lexikon gespeichert wird. Würde ein Kind nun mit dem Begriff Schwan__tümpel konfrontiert werden, so würde es diesem – soweit es den Begriff Schwanensee bereits kennt – relativ leichtfallen, die passende Fuge aufgrund dieser Analogie zu wählen. Die Variabilität zwischen dem ersten und dem zweiten Durchlauf führt Plank (1976) darauf zurück, dass zu verschiedenen Zeitpunkten auf verschiedene Referenzen im Lexikon zurückgegriffen wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Zur Regelkenntnis von Fugenelementen bei GrundschülerInnen
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
43
Katalognummer
V537289
ISBN (eBook)
9783346147516
ISBN (Buch)
9783346147523
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fugenelemente, Spracherwerb, Empirik, Komposita, Grundschüler, Nomen+Nomen-Komposition, Judgement Task
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Zur Regelkenntnis von Fugenelementen bei GrundschülerInnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537289

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