Moderne Apokalyptik oder biblische Stilkopie

Musik- und Textanalyse von „Brighter Than A Thousand Suns” von Iron Maiden


Hausarbeit, 2019

19 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhalt

Einleitung und Fragestellung

1. Apokalyptik
1.1 Begriff
1.2 Grundpfeiler der Apokalyptik
1.3 Apokalyptische Literatur
1.3.1 Funktion
1.3.2 Merkmale
1.4 Gegenwärtige Apokalyptik

2. Iron Maiden - Brighter Than A Thousand Suns
2.1 Formale Analyse
2.2 Inhaltlich-sprachliche Analyse

Fazit

Literatur

Anhang
Formteile und Lyrics

Einleitung und Fragestellung

We are not the sons of god

We are not his chosen people now

We have crossed the paths he trod

We will feel the pain of his beginning1

Mit diesen schuldeingestehenden Zeilen beginnt das Lied „Brighter Than A Thousand Suns“ von Iron Maiden. Was dann folgt ist eine Beschreibung eines Atomkrieges, die, angereichert mit biblischem Vokabular, umgangssprachlich als apokalyptisch zu bezeichnen ist. Handelt es sich aber daher um eine „Apokalypse“ im literarisch-theologischen Sinne oder bedienen sich Iron Maiden nur einer apokalyptischen Rhetorik und spielen mit Assoziationen?

Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, muss im ersten Teil der Arbeit geklärt werden, was Apokalyptik ist und welche formellen und inhaltlichen Merkmale einen Text zu einer Apokalypse machen. Ist der Werkzeugkasten mit diesen Informationen gefüllt, wird im zweiten Teil der Arbeit der Text aufgebrochen und bewertet. Dabei dürfen auch musikalische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden, da eine reine Textanalyse einem musikalischen Kunstwerk nicht gerecht wird.

Um Gendergerechtigkeit und Lesbarkeit zu vereinen, habe ich mich entschieden, entsprechende Textstellen mit einem exemplarischen Femininum und einem generischen Maskulinum zu gestalten.

1. Apokalyptik

1.1 Begriff

Apokalyptik ist kein antikes Wort. Es handelt sich stattdessen um einen heuristischen Begriff ohne feststehende Bedeutung und bezieht sich auf die Apokalypse als Gattung der Literatur. Die Verfasser dieser Apokalypsen, aber auch die Gruppen und Individuen, die man als Trägerkreise oder Adressaten bezeichnen kann, werden Apokalyptiker genannt.2

Der Begriff Apokalypse stammt aus dem letzten biblischen Buch, der Offenbarung des Johannes. Dort heißt es in Apk 1,1 „ÄnoKaXu^i? ln°oü XpiOTOÖ (,..)“3 Dieses AnoKäAu^ig ist, genau wie das lateinische Pendant relevatio mit Aufdeckung, Enthüllung, Entschleierung, Entdeckung oder bei Martin Buber mit Entbergung zu übersetzen.4 Der Begriff Apokalypse in Apk 1,1 ist aber nicht als Buchüberschrift oder gar als Textgattung, sondern vielmehr als Inhaltsangabe zu verstehen. Die Begriffe Offenbarung oder offenbaren kommen an keiner anderen Stelle in diesem Buch vor.5 Überhaupt ist die Johannesoffenbarung im eigentlichen Sinne keine apokalyptische, sondern eine prophetische Schrift. Die Zuordnung zur literarischen Gattung Apokalypse ist Teil ihrerWirkungsgeschichte. Der Verfasser hingegen nimmt sich selbst als Prophet wahr.6

Insgesamt ist eine große Diskrepanz zwischen Apokalypse im biblischen Sinne und der heutigen Verwendungsweise festzustellen: „Keinesfalls bedeutet das altgriechische Wort nämlich ein endgültiges und alles vernichtendes Unglück (...) oder gar den drohenden Untergang der Zivilisation und der ganzen Welt.“7 Obwohl die Johannesoffenbarung letztlich nicht dazu zählt, ist der Begriff Apokalypse in der Theologie ein Gattungsbegriff, der „inhaltlich und formal mit dem letzten Buch der christlichen Bibel verwandt wirkende antike jüdische und christliche Offenbarungsschriften“8 einschließt.

1.2 Grundpfeiler der Apokalyptik

Apokalyptik entsteht aus dem Bedürfnis der Menschheit heraus, die ungewisse Zukunft zu kennen. Sie fußt auf dem Widerspruch unerträglicher Lebenssituationen religiöser Menschen und einer als ungerecht empfundenen Welt mit der Allmachts- und Allgütigkeitsvorstellung Gottes. Ausgangspunkt ist die Deutung der Gegenwart, der individuellen Existenz und der gesamten Welt als „heillos, gottlos und verloren“. Diese individuellen und subjektiven Ohnmachtserfahrungen führen zu einer Sicht auf die Welt als Unheilskontinuum. Die Apokalyptikerin erwartet kein Heil in innerweltlichen Ereignissen und Entwicklungen und hat eine pessimistische Grundüberzeugung für Geschichte, Gegenwart und Zukunft.[9] Dennoch ist die apokalyptische Eschatologie von spezifischen Zukunfts- und Endzeiterwartungen gekennzeichnet.[10]

Apokalyptisches Denkmodell

Das apokalyptische Denkmodell ist grundsätzlich dualistisch. Es geht einerseits davon aus, dass Gott sich in der immanenten Welt nicht mitteilt. Die Wege Gottes sind in der bösen diesseitigen Welt unergründlich und damit verliert die erfahrene Wirklichkeit ihre Maßstabsfunktion für Gottes Gerechtigkeit. Andererseits gehen Apokalyptiker von einer rein jenseitigen Heilverwirklichung und von Gott als einem in einer guten Gegenwelt planenden und handelnden aus. Die Welt ist also schlecht, aber Gott handelt noch immer planvoll und souverän auf einer transzendenten Ebene, die den Erfahrungen der Menschen verborgen ist. Auch in der apokalyptischen Vorstellungswelt tritt Gott, da er völlig transzendent ist, nie selbst in Erscheinung.[11] Stattdessen findet die göttliche Kommunikation und Offenbarung in der Regel über Mittlerwesen, wie Engel, statt. Zukunft und Jenseits werden so zur Projektionsfläche für Hoffnungen und Ängste. Dabei kommt Heil nur den Frommen zu, wenn die eschatologische Vorstellung von einem universellen Gerichtshandeln Gottes Wirklichkeit wird.[12]

Apokalyptisches Geschichtsverständnis

Apokalyptiker haben eine lineares Geschichtsverständnis. Das Schicksal der Welt ist vorherbestimmt und der Mensch kann nicht eingreifen. Dabei wird die Welt in verschiedene Äonen (Weltzeitalter) gegliedert, die einander ablösen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Apokalyptikerin sieht sich in einer verderbten Welt und wähnt sich nahe dem Wendepunkt, an dem die Heilszeit, der ewige Äon anbricht.13 Dieser Wendepunkt, das kommende Weltende, wird durch Chaos, Kriege und Naturkatastrophen angekündigt und hat seine Gründe im Abfall von Gott, in der Vergessenheit seiner Gebote und im Verfall der sittlichen und sozialen Ordnung.[14] Apokalyptiker hoffen nicht mehr auf Verbesserung der gottlosen Welt, sondern auf den nahen Untergang und damit auf „Erlösung durch das irreversible, unüberbietbare und endgültige Eingreifen Gottes in den geschichtlichen Ablauf“[15]. Dabei negieren sein fortwährendes Eingreifen in den Lauf der Geschichte. Der katastrophale Zusammenbruch allerdings ist immer nur ein Durchgangsstadium zu Erlösung und Heil.

1.3 Apokalyptische Literatur

Obwohl die Johannesoffenbarung der Gattung ihren Namen gegeben hat, beginnt die Geschichte apokalyptischer Literatur viel früher. Es handelt sich dabei immer um Texte, in denen die oben genannte „religiös-spekulative Welt- und Geschichtsauffassung“[16] zum Tragen kommt. Darin behaupten die Verfasser, authentische und exklusive Erkenntnisse aus der verborgenen Transzendenz zu besitzen, die ihnen allein durch Offenbarung zugänglich wurden. Apokalypsen deuten immer den Verlauf der Geschichte, indem sie Erinnerung konstruieren. In der Instrumentalisierung der Tradition finden sie wiederum die Möglichkeit, die Gegenwart zu deuten. Mit dieser Deutung der Gegenwart sind sie ein literarisches Symptom einer aktuellen Krise, sei sie subjektiv empfunden oder objektiv vorhanden.[17]

1.3.1 Funktion

Die Prognose kommender Entwicklungen und Ereignisse sind auf der Bedeutungsebene apokalyptischer Literatur nachrangig. Vor allem geht es um die Erschließung einer neuen Perspektive auf die Welt. Apokalyptische Schriften erklären die Geschichte und dienen damit der Bewältigung der Gegenwart.[18]

„In den apokalyptischen Texten geht es um die literarische Vermittlung von vergewissernden Offenbarungserfahrungen gerade in solchen Krisensituationen, deren theologische Interpretation durch die bekannten Modelle göttliche Heilshandelns nicht mehr möglich erscheint.“[19]

Damit dienen sie in erster Linie der Bewältigung der Theodizeefrage und damit der Legitimation der transzendenten Autorität Gottes. Katastrophen, Krisen und Kontingenz können das Credo der Christin erschüttern. Apokalyptische Texte hingegen ermöglichen das Festhalten an der Vorstellung von der Allmacht eines gerechten Gottes und sind hoffnungsstiftende Weltdeutungen angesichts eines pessimistischen Gegenwartsverständnisses.[20]

Das universelle Gericht Gottes ist nicht unumgänglich. Jeder Mensch kann durch die Gnade Gottes individuell verschont werden. Daraus ergibt sich für die Leserin eine Motivation zu ethischem Handeln.[21] Somit hat apokalyptische Literatur immer einen paränetischen und normativen Charakter und evoziert ebenjenes Verhalten, das im Weltgericht standhält.

1.3.2 Merkmale

Es gibt keinen eng definierten Kriterienkatalog, anhand dessen man einen Text ganz eindeutig als Apokalypse klassifizieren kann. Weiterhin kommen typisch apokalyptische Redeformen, Themen, Bilder, und Motive auch in anderen Texten vor, und unapokalyptische Schriften können in einen apokalyptischen Rahmen gefasst werden.[22] Dennoch benötigen wir für diese Arbeit formale und inhaltliche Kriterien, die dabei helfen, einen Text zumindest einordnen zu können.

[...]


1 Gesamter Text mit Formteilbestimmungen im Anhang

2 Vgl. Tilly, Michael: Apokalyptik. Tübingen, 2012. S.9

3 Aland et al. (Hrsg.): Novum Testamentum Graece. Stuttgart, 2012. S.735

4 Vgl. Tilly, 2012. Ebd.

5 Vgl. Tilly, 2012. S.10

6 Vgl. Tilly, 2012. S.108

7 Tilly, 2012. S.10

8 Tilly, 2012. S.11

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Moderne Apokalyptik oder biblische Stilkopie
Untertitel
Musik- und Textanalyse von „Brighter Than A Thousand Suns” von Iron Maiden
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für katholische Theologie)
Note
13
Autor
Jahr
2019
Seiten
19
Katalognummer
V537261
ISBN (eBook)
9783346136251
ISBN (Buch)
9783346136268
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Apokalypse, Iron Maiden, Heavy Metal, Bibel, Apokalyptik
Arbeit zitieren
Raimund Lippok (Autor:in), 2019, Moderne Apokalyptik oder biblische Stilkopie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537261

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