Der störende Nachbarbaum. Ein juristischer Ratgeber für die den Baum auf dem Nachbargrundstück betreffenden Rechtsfragen


Fachbuch, 2020

43 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

Schrifttum

1 Einleitung

2 Der Nachbarschaftsstreit

3 Kann der Nachbar die Beseitigung des Baumes verlangen
3.1 Neu angepflanzte Bäume
3.2 Baumbestand
3.3 Lebende Hecken

4 Artikel 14 und 20a GG gewährleisten den Baumschutz
4.1 Artikel 14 und 20a GG in Strafverfahren
4.2 Artikel 14 und 20a GG in Zivilprozessen

5 Wie die Beseitigung eines Baumes erreicht werden kann
5.1 Kein außergerichtliches Schlichtungsverfahren

6 Die Straftaten des Nachbarn
6.1 Die „einfache“ Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
6.2 Die gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 StGB)
6.3 Der Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
6.4 Die Dienstaufsichtsbeschwerde: öffentliches Interesse
6.5 Das Strafverfahren
6.6 Das Strafmaß

7 Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 1004 BGB
7.1 Die Umkehr der Beweislast
7.2 Die Aussetzung des Zivilprozesses
7.3 Die Wiederaufnahme des Zivilprozesses

8 Der nach § 263 StGB strafbare Prozessbetrug
8.1 Die Wahrheitspflicht in gerichtlichen Verfahren
8.2 Die Wahrheitspflicht der Prozessparteien
8.3 Die Wahrheitspflicht der Prozessbevollmächtigten
8.4 Die Strafanzeige wegen eines Prozeßbetrugs

9 Zusammenfassung

Nachtrag

Abkürzungen

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Schrifttum

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1 Einleitung

Die meisten Bürger sind froh darüber, wenn sich auf ihrem oder dem Nachbargrundstück ein oder mehrere Bäume und Sträucher befinden. Sie sind nicht nur optisch reizvoll, weil sie einen Blick ins Grüne ermög-lichen, sondern tragen auch zum Schutz der Umwelt bei. Neben klima-tischen Auswirkungen wie Schattenwurf und Kühlung an heißen Tagen beeinflussen die Bäume auch die Luftfeuchtigkeit. Bäume nehmen, wie alle Pflanzen, Kohlendioxyd aus der Atmosphäre auf. Kohlendioxyd ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Die Bäume benutzen das unbrennbare und farblose Gas Kohlendioxyd aus der Luft, um den für sie lebensnotwendigen Traubenzucker herzustellen, der zum Wachstum und Aufbau neuer Holzmasse verwendet wird. Als Abfall-produkt dieses, als Fotosynthese bezeichneten Vorgangs setzen die Bäume Sauerstoff frei, den alle Lebewesen zum Atmen benötigen. Auch die Bäume atmen und verbrauchen hierfür Sauerstoff, aber weniger als sie herstellen. Die Bäume bieten außerdem Lebensraum für eine Viel-zahl von Lebewesen, die ein Teil unseres Ökosystems sind.

Da die Bäume somit eine herausragende Bedeutung für das Klima und die Reinhaltung der Luft haben (VGH Mannheim, 5 S 3072/83, NuR 1985, 242) sind sie zu erhalten und vor Beschädigungen zu schützen; denn ohne sie wäre ein Leben auf der Erde nicht möglich.

Es gibt jedoch Menschen, die die Bäume des Nachbarn stören, sei es, dass ihre Äste auf ihr Grundstück hineinragen, dass sie ihre Aussicht beeinträchtigen oder wegen des Laubfalls oder Samenflugs zusätzliche Reinigungsarbeit verursachen. Wenn keine Einigung mit dem Eigentüm-er des Nachbargrundstücks zu erreichen ist, bleibt nur die Klärung durch das dafür zuständige Zivilgericht. Es gibt auch Nachbarn, die auf straf-bare Weise ihre Wünsche durchzusetzen versuchen; sie beschädigen den sie störenden Baum, damit er eingeht und vom Eigentümer beseitigt werden muss.

Mit diesen Streitfragen beschäftigt sich dieser Ratgeber, der die neuere Rechtsprechung und die Literatur berücksichtigt. Er richtet sich bevor-zugt an die streitenden Nachbarn, kann aber auch deren Rechtsberatern und den Gerichten eine Hilfe sein, die mit einem Streit um einen Baum auf dem Nachbargrundstück befasst sind.

Anlass für diesen Ratgeber ist ein vor einem Amtsgericht anhängiger Rechtsstreit, dessen Sachverhalt im folgenden Kapitel dargestellt wird.

2 Der Nachbarschaftsstreit

Die Parteien des Rechtsstreits sind Nachbarn, deren Gemeinde keine Baumschutzsatzung erlassen hat. Auf dem Grundstück des Klägers stehen 1975 gepflanzte Kiefern, die den Beklagten und seine Ange-hörigen stören. Bereits vor Jahren hat der Beklagte die Beseitigung des seinem Grundstück am nächsten stehenden Baumes gewünscht, dem der Kläger entsprochen hat. Einige Jahre darauf wurde unter der nächst stehenden Kiefer Streusalz ausgebracht und später der Baum ange-bohrt. In einige der Bohrlöcher waren Äste eingesetzt, sodass sie nicht auf den ersten Blick aufgefallen sind. Nach einiger Zeit hat das Harz des Baumes die Äste herausgedrückt, worauf am Stamm eine blaue Flüs-sigkeit ausgetreten ist, was darauf schließen ließ, dass der Täter in die Bohrlöcher eine Chemikalie eingebracht hat. Ein Forstwirt hat vermutet, dass es sich um das Pflanzenvernichtungsmittel Roundup gehandelt hat und dass der Baum innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre absterben wird.

Da der Kläger vermutete, der Beklagte habe das Salz unter der Kiefer ausgestreut und den Baum angebohrt, hat er Klage auf Zahlung der zur Beseitigung der Kiefer erforderlichen Kosten erhoben. Der Beklagte hat bestritten, für die zuvor beschriebenen Taten verantwortlich zu sein, worauf sich der Kläger mit der Begründung auf die Umkehr der Beweis-last berufen hat, dass der Beklagte nicht nur auf seinem Grundstück einen Nussbaum gepflanzt, sondern an seiner Kiefer auch zwei Nist-kästen aufgehängt sowie zwei Baumfällunternehmer an ihn verwiesen hat. Diesen Klagevortrag hat der Beklagte eingeräumt. Dagegen hat er bestritten, dass er zweimal das Grundstück des Klägers über den Garten -zaun betreten und ihn zur Beseitigung der angebohrten Kiefer aufge-fordert hat, da sie ihn und seine Angehörigen störe.

Auf den folgenden Seiten sind Bilder abgedruckt, die die Beschädigung-en an der angebohrten Kiefer zeigen.

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3 Kann der Nachbar die Beseitigung des Baumes verlangen

Die rechtlichen Verhältnisse von Grundstücksnachbarn untereinander unterliegen gem. Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzge-bungskompetenz des Bundes; denn dabei handelt es sich um bürger-liches Recht, das die Ordnung des Individualrechts umfaßt (BVerfG, 1 BvR 355/67, NJW 1976 1835 = BVerfGE 42, 20; Jarass-Pieroth, GG, Art 74, RNr. 2). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Bundesländer gem. Art 72 Abs 1 GG nur dann die Befugnis zur Gesetz-gebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszustän-digkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Ein Gebrauchmachen liegt vor, wenn ein Bundesgesetz bestimmte Fragen ausdrücklich regelt. Diese Voraussetzungen sind bei den rechtlichen Verhältnissen von Grundstücksnachbarn gegeben, die den §§ 903-924 BGB zu ent-nehmen sind. Die Bundesländer haben gem. Art 1 Abs. 2, Art 124 EG BGB das Recht, das Eigentum an Grundstücken anderen Beschränkun-gen zu unterwerfen als solchen, die bereits in den Vorschriften des BGB enthalten sind. Lediglich Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben auf den Erlass eigener Nachbarrechtsgesetze verzichtet. In den Landes-gesetzen der anderen Länder sind die Grenzabstände für Anpflanzungen geregelt, die sich sehr ähneln, zum Teil sogar übereinstimmen (Lemke, Bäume auf Nachbargrundstücken - Zündstoff für Ärger, ZAP 2016, 1071)

Grundsätzlich kann jeder Eigentümer gem. § 903 BGB sein Grundstück so nutzen, wie er will (positive Eigentümerbefugnis); andererseits hat er das Recht, jede beliebige Einwirkung abzuwehren (Lemke, Bäume auf Nachbargrundstücken - Zündstoff für Ärger, a.a.O.).

Bei der Frage, ob ein Nachbar die Beseitigung eines Baumes verlangen kann, ist zwischen neu angepflanzten und schon länger stehenden Bäu-men zu unterscheiden.

3.1 Neu angepflanzte Bäume

Die Landesnachbarrechtsgesetze regeln, welchen Abstand Bäume und Sträucher von der Grundstücksgrenze einhalten müssen, wobei der Grenzabstand von der Höhe der Gehölze abhängig ist; je niedriger sie sind, desto näher dürfen sie an der Grenze stehen.

In Hessen gilt das Nachbarrechtsgesetz vom 24.09.1962 (GVBl 1962, 417) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10.12.2009 (GVBl 2009, 631). § 38 Hess NRG regelt die Grenzabstände für Bäume und Sträucher. Nach § 38 Abs. 1 haben der Eigentümer und die Nutzungs-berechtigten eines Grundstücks bei der Anpflanzung von Allee- und Park -bäumen die folgenden Abstände einzuhalten:

§ 38 Abs. 1, Ziff. 1 a) Hess NRG

sehr stark wachsende Allee- und Parkbäume, insbesondere dem Eschenahorn, sämtlichen Lindenarten, der Platane, der Rosskastanie, der Rotbuche, der Stieleiche, der Zeder, der Douglasfichte, der Eibe und der österreichischen Schwarzkiefer:

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§ 38 Abs. 1, Ziff. 1 b) Hess NRG

stark wachsende Allee- und Parkbäume, insbesondere der Mehl- beere, der Weißbirke, der Weißerle, der Fichte oder Rottanne, der gemeinen Kiefer oder Föhre und dem Lebensbaum

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§ 38 Abs. 1, Ziff. 1 c) Hess NRG

alle übrigen Allee- und Parkbäume

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Nach § 41 Hess NRG wird der Abstand von der Mitte des Baumes (bzw des Strauches) bis zur Grenzlinie gemessen, und zwar an der Stelle, an der der Baum (bzw der Strauch) aus dem Boden austritt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Hess NRG in der Fassung des Änderungsge-setzes vom 10.12.2009 (GVBl 2009, 631) sind Bäume, die den Grenz-abstand des § 38 nicht einhalten, auf Verlangen des Nachbarn zu be-seitigen. Jedoch ist der Anspruch des Nachbarn ausgeschlossen, wenn er nicht bis zum Ablauf des dritten (früher fünften) auf das Anpflanzen folgende Jahr Klage auf Beseitigung des ihn störenden Baums erhoben hat. Wenn das Eigentum an dem beeinträchtigten Grundstück auf einen anderen übergeht, beginnt für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB keine neue Verjährungsfrist (BGH, V ZR 109/71, NJW 1973, 703 = BGHZ 60, 235; AG Berlin-Wedding, 15 a C 331/16, IMR 2018, 1043).

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3.2 Baumbestand

Ein Nachbar kann die Beseitigung eines zu nahe an seinem Grundstück stehenden Baumes grundsätzlich nicht mehr verlangen, wenn die dafür vorgesehene, zuvor beschriebene Frist abgelaufen ist. Eine Beseitigung eines Baumes kann vom Nachbarn dann nicht verlangt werden, wenn er unter Einhaltung des landesrechtlichen Grenzabstands gepflanzt wurde (BGH, V ZR 218/18, NJW 2020, 607 = NZM 2019, 890 = BGHZ vorge-sehen). Dies gilt besonders dann, wenn die Äste eines Baumes nicht in das Grundstück des Nachbarn hineinragen (OLG Frankfurt, 15 U 118/ 99, NJW-RR 2000, 1542; Palandt, BGB, § 903 RNr. 9).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gilt der Entzug von Licht und der Schattenwurf von Bäumen rechtlich nicht als Einwirkung auf das Grundstück und muss deshalb vom Nachbarn geduldet werden (BGH, V ZR 102/03, NJW 2004 1037 = BGHZ 157,33; BGH, V ZR 249/03, NJW 2004, 1666 = BGHZ 158, 37; BGH, V ZR 99/03, NJW 2004, 603; BGH, V ZR 93/91, NJW 1992, 2569). Zudem hat der BGH (V ZR 229/14, NJW-RR 2015, 1425) erst kürzlich darauf hingewiesen, dass auch große Bäume erhaltenswert sind, da die von ihnen ausgehende Beschattung Ausdruck der Situationsgebundenheit jedes Nachbargrundstücks ist. Ein Baum dient zudem zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaus-halts und der Verbesserung des Kleinklimas (OVG Lüneburg, 3 L 3798/ 94, NJW 1996, 3225; Grziwotz-Lüke-Saller, Praxishandbuch Nachbar-schaftsrecht, 2. Teil, RNr. 360) und ist auch deshalb zu erhalten und vor Beschädigungen zu schützen (VGH Mannheim, 5 S 3072/83, NuR 1985, 242). Schatten, die benachbarte Bäume werfen, müssen die Eigentümer von Nachbargärten als „naturgegeben“ hinnehmen (OLG Frankfurt, 21 U 57/86, NJW 1988, 2618; LG Nürnberg, 23.05.2000, 13 S 10117/99); denn wer die Vorteile des Wohnens im Grünen nutzt, muss auch mit den Schattenseiten leben (OLG Hamm, 5 U 67/98, MDR 1999, 930).

3.3 Lebende Hecken

Für lebende Hecken sind nach § 39 Abs. 1 Hess NRG folgende Abstän-de einzuhalten:

§ 39 Abs. 1, Ziff. 1 Hess NRG

bei Hecken über 2 Meter Höhe

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§ 39 Abs. 1, Ziff. 2 Hess NRG

bei Hecken bis zu 2 Meter Höhe

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§ 39 Abs. 1, Ziff. 3 Hess NRG

bei Hecken bis zu 1.2 Meter Höhe

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§ 39 Abs. 1 Hess NRG gilt nicht für Hecken, die das öffentliche Recht als Einfriedung vorschreibt.

Bei lebenden Hecken richtet sich der Abstand nicht nach der möglichen, sondern der vom Grundstückseigentümer beabsichtigten Höhe. Dabei ist eine Hecke nur eine solche Anpflanzung, bei der die Sträucher in dichter Reihe angepflanzt sind, somit der Einfriedung des Grundstücks dienen und im Allgemeinen - mindestens zur Grenze hin - beschnitten werden oder beschnitten werden sollen (LG Limburg, 3 S 188/84, NJW 1986, 595). Für in Reihe gepflanzte und nicht zurück geschnittene Bäume und Sträucher kommen nicht die Heckenabstände in Betracht, sondern die des § 38 Abs. 1 Hess NRG für Bäume und Sträucher. Deshalb haben das LG Zweibrücken (3 S 80/97, MDR 1997, 1119) und das LG Saar-brücken (17 S 79/87, MDR 1988, 777) einer meterhoch gewachsenen Fichtenreihe den Charakter einer Hecke abgesprochen (Füglein-Perpe-litz, Das Nachbarrecht in Hessen, S. 168).

Nach § 43 Abs. 2 Hess NRG sind Hecken, die den Grenzabstand nach § 39 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 nicht einhalten, auf Verlangen des Nachbarn auf die zur Einhaltung des Grenzabstandes erforderliche Höhe zurück zu schneiden. Die Verpflichtung zum Rückschnitt muss nur in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 15. März eines Jahres erfüllt werden. Dies beruht auf § 39 Abs. 5 Ziff. 2 BNatSchG, nach dem die Sommerruhe einzuhalten ist, da in dieser Zeit in den Bäumen und Sträuchern Vögel nisten oder andere Tiere leben können.

Die Klage auf Rückschnitt kann nur bis zum Ablauf des dritten Kal-enderjahres von dem Zeitpunkt ab erhoben werden, zu dem die Hecke den erforderlichen Abstand unterschreitet. Einer Klage muss gem. § 1 Abs. 1 Ziff 1 Buchstabe e) des Hess. Gesetzes zur Regelung der außer-gerichtlichen Streitschlichtung (Hess GVBl 2001, 98) ein erfolgloser außergerichtlicher Schlichtungsversuch vorausgegangen sein.

4 Artikel 14 und 20a GG gewährleisten den Baumschutz

Das Eigentum an einem Baum steht dem Grundstückseigentümer zu, auf dessen Grundstück er verwurzelt und damit als wesentlicher Bestand -teil im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 2 BGB verbunden ist (BGH, V ZR 46/05, NJW 2006, 1424). Das Eigentum an einem Baum wird durch Art 14 Abs 1 GG gewährleistet. Wesentliches Element der Eigentumsgaran-tie ist der den Bestand des Eigentums sichernde Rechtsschutz (BVerfG, 1 BvR 638/14 ua, NJW 1969, 309 = BVerfGE 24, 367). Deshalb sind auch Beeinträchtigungen eines Baumes geschützt, insbesondere seine Beschädigung oder Zerstörung (BVerwG, IV C 07.74, NJW 1976, 1987 = BVerwGE 50, 282; Jarass-Pieroth, GG, Art 14 RNr. 28; Palandt, BGB, § 903, RNr. 6). Beschädigungen eines Baumes können somit eine scha-densersatzpflichtige Eigentumsverletzung gem. §§ 903, 823 BGB dar-stellen (BGH, V ZR 46/05, NJW 2006, 1424; BGH, VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061).

Bei Streitigkeiten über die Beschädigung eines Baumes ist auch Art 20a GG zu beachten, der am 27.10.1994 mit dem Staatsziel Umweltschutz in das GG aufgenommen wurde (BGBl 1994, 3146). Seitdem sind die natür -lichen Lebensgrundlagen nach Maßgabe von Gesetz und Recht so zu schützen, dass sie auch künftigen Generationen erhalten bleiben (BVerfG, 1 BvR 2821/11, NJW 2017, 217 = BVerfGE 143, 246; Jarass-Pieroth, GG, Art 20a, RNr. 6). Die natürlichen Lebensgrundlagen sollen vor zerstörerischen Eingriffen und Gefahren geschützt werden. Der Schutz der Umwelt bedeutet das Unterlassen schädigender Eingriffe, die Abwehr akuter Gefahren für die Umwelt und schließlich die Vorsorge gegenüber künftigen Risiken.

Mit den natürlichen Lebensgrundlagen wird die gesamte natürliche Um-welt des Menschen umfasst, wozu auch Pflanzen, Klima und Landschaft gehören (Murswiek, Staatsziel Umweltschutz (Art 20a GG) Bedeutung für Rechtsetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 1996, 222; Kloepfer, Umweltschutz als Verfassungsrecht: zum neuen Art 20a GG, DVBl 1996, 73). Art 20a GG schützt Gattungen und ökologische Funktionen (Jarass-Pieroth, GG, Art 20a, RNr.3). Da Pflanzen und damit auch Bäume als Gattungsbegriff zu verstehen ist, gehören sie zur Umwelt und genießen den Schutz des Art 20a GG (Wienecke, Natur- und Baumschutz in Deutschland, Seite 34). Dass die Vorschrift auch einzelne Bäume schützt, entspricht Sinn und Zweck der Art 14 und 20a GG und zwar auch in den Städten und Gemeinden, die keine Baumschutzsatzung erlassen haben; denn Bäume haben eine herausragende Bedeutung für das Klima und die Reinhaltung der Luft (VGH Mannheim, 5 S 3072/83, NuR 1985, 242) und sind deshalb zu erhalten und vor Beschä-digungen zu schützen.

Art 20a GG ist eine Staatszielbestimmung, die sich von den in den Artikeln 1 bis 19 GG genannten Grundrechten dadurch unterscheidet, dass sie kein subjektives Recht begründet und somit nicht einklagbar ist (Maunz-Dürig, GG, Art 20a, RNr. 45; OLG Naumburg, 2 Rv 157/17, NJW 2018, 2064). Anders als bei Grundrechten eröffnet daher Art 20a GG grundsätzlich keine Klagebefugnis (Maunz-Dürig, GG. Art 20a RNr. 33). Etwas anderes gilt bei beschädigten Bäumen, da Art 20a GG den das Eigentum gewährleistenden Art 14 Abs. 1 GG verstärkt und somit die Klagebefugnis nach Art 14 GG erweitert (Sachs, GG, Art 20a, RNr. 74).

Art 20a GG ist kein bloßer Programmsatz; denn er bindet alle drei Staats -gewalten, also an die dort beschriebenen Schutzpflichten des Staates. Staatszielbestim-mungen sind somit Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung des Ziels vorschreiben (Sachs, GG, Art. 20a, RNr.13). Die Anhebung des Schutzniveaus für die Umwelt besteht darin, dass jeweils Abwägungs-belange von Verfassungsrang begründet werden, die der Gesetzgeber, die Verwaltung und die Gerichte berücksichtigen müssen (BVerfG, 1 BvR 1778/01, NVwZ 2004, 597 = BVerfGE 110, 141; BVerwG 3 C 30.05 NVwZ 2007, 461). In erster Linie richtet sich Art 20a GG an den Gesetz-geber; denn er enthält einen Gestaltungsauftrag an ihn, sodass der Umweltschutz bei sämtlichen gesetzgeberischen Maßnahmen und Tätig-keiten berücksichtigt werden muss (Maunz-Dürig, GG, Art 20a, RNr. 46-49; Sachs, GG, Art 20a RNr. 57). Den Gesetzgeber trifft damit eine be-sondere Sorgfaltspflicht, bei der er den in Art 20a GG enthaltenen Auf-trag zu beachten hat, auch in Verantwortung für die künftigen Genera-tionen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (BVerfG, 1 BvF 02/05, NJW 2011, 441 = NVwZ 2011, 94 = BVerfGE 128, 01).

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Darüber hinaus steuert Art 20a GG auch das Handeln von Verwaltung und Rechtsprechung und bindet sie unmittelbar, woran auch der Vorbe-halt von Gesetz und Recht nichts ändert (Mangoldt-Klein, GG, Art 20a, RNr. 90). Inwieweit Art 20a GG von der Verwaltung und Rechtsprechung zu beachten ist, wird im Schrifttum nur allgemein behandelt. Zum Bei-spiel heißt es, dass Art 20a GG im Bereich der Verwaltung und der Rechtsprechung erhebliche Steuerungsmöglichkeiten beinhaltet (Maunz-Dürig, GG, Art 20a RNr. 46; Becker, Die Berücksichtigung des Staats-ziels Umweltschutz beim Gesetzesvollzug; DVBl 1995, 713; Henneke, Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Art 20a GG, NuR 1995, 325). Nach Uhle (Das Staatsziel Umweltschutz im System der grundge-setzlichen Ordnung, DöV 1993, 947) sind bei der Rechtsanwendung die Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen. Art 20a GG entfaltet seine Steuerungswirkung insbesondere als Auslegungs- und Abwägungs -maßstab, sodass der Vorschrift eine „gewichtsverschaffende Funktion“ zukommt (Mangoldt-Klein, GG, Art 20a, RNr. 90; Groß, Welche Klima-schutzpflichten ergeben sich aus Art 20a GG ?; Bernsdorff, Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz, NuR 1997, 328). Eine Missach-tung der Belange der natürlichen Lebensgrundlagen ist nach Maunz-Dürig (GG, Art 20a, RNr. 46) bei Abwägungen und Ermessensentschei-dungen nicht mehr zulässig und führt dann zur Rechtswidrigkeit der Ver-waltungs- oder Gerichtsentscheidung.

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4.1 Artikel 14 und 20a GG in Strafverfahren

Die Staatsanwaltschaft hat - wie unten näher ausgeführt ist - bei der Beschädigung eines Baumes gem. Artikel 14 und 20a GG das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen und Anklage wegen Sach-beschädigung (§ 303 StGB) gegen den Täter zu erheben, da diese Artikel im Sinne des Umweltschutzes weit auszulegen sind (OLG Naum-burg, 2 Rv 157/17, NJW 2018, 2064). Der Strafrichter wird strafver-schärfend berücksichtigen, wenn jemand einen Baum in der Absicht be-schädigt hat, dass er abstirbt und vom Grundstückseigentümer beseitigt werden muss. Dies gilt erst Recht, wenn er in den Baum eine Chemikalie eingebracht hat, die nach ihrem Austreten die Gesundheit der sich im Umfeld aufhaltenden Personen und Tiere gefährdet und das Grund-wasser verunreinigen kann.

4.2 Artikel 14 und 20a GG in Zivilprozessen

Wenn bei einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 1004 BGB der Beklagte die Beschädigung des Baumes bestreitet, muss der Zivilrichter Artikel 14 und 20a GG beachten, da andernfalls der Naturschutz unberücksichtigt bliebe. Bäume lassen sich vor Beschädigungen durch heimlich handeln-de Täter nur schützen, wenn die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweishilfe beachtet werden (BGH, I ZR 210/84, BGHZ 100, 31 = NJW 1987, 2876; BGH, VIII ZR 283/05, NJW 2006, 2262; Palandt, BGB, § 823, RNr. 80; Thomas-Putzo, ZPO, § 286, RNr. 12 ff). Dies muss zu einer Umkehr der Beweislast führen, indem von unstreitigen und von bewiesenen auf die Richtigkeit bestrittener Tatsachen geschlossen wird (Rosenberg, Zivilprozessrecht, Seite 539). Gerade hat der BGH (18.12.2019, XII ZR 13/19) diese Grundsätze der sekundären Darlegungslast bestätigt, indem er es unter bestimmten Vor-aussetzungen nicht genügen lässt, wenn der Beklagte den Klagevortrag „nur“ bestreitet. Deshalb hat dem Gericht im entschiedenen Fall ein pauschales Bestreiten des Klagevortrags nicht genügt, sondern es hat den dortigen Beklagten verpflichtet, die Person zu benennen, die der Kläger in Anspruch nimmt, sofern ihm dies ohne weiteres möglich und zumutbar ist. Diese nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Umkehr der Beweislast führenden Voraussetzungen sind jeden -falls dann gegeben, wenn ein Nachbar bereits einmal die Beseitigung eines ihn störenden Baumes erreicht und nunmehr die Beseitigung des Nachbarbaumes verlangt oder die Rechte des Grundstückseigentümers auf andere Weise verletzt hat. Beispiele aus der Praxis sind: unbefugtes Betreten des Nachbargrundstücks, Pflanzen eines Baumes auf dem Nachbargrundstück, Anbringen von Nistkästen an einem Nachbarbaum, Entsorgen von Steinen und Grillresten über den Gartenzaun usw. In diesen Fällen muss der Nachbar beweisen, dass nicht er, sondern ein anderer den Baum beschädigt hat. Wenn er diesen Beweis nicht antritt oder nicht führen kann, haftet er für den Ersatz des Baumwerts und der Kosten seiner Beseitigung (BGH, VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061).

5 Wie die Beseitigung eines Baumes erreicht werden kann

Wenn der Eigentümer eines den Nachbarn störenden Baum diesen nicht beseitigt, kann sich der Nachbar nicht auf das Recht der Selbsthilfe berufen und den Baum selbst fällen oder einen Unternehmer damit be-auftragen. Wenn er der Ansicht ist, er könne die Fällung des Baumes verlangen, muss er dies gem. §§ 229 BGB, 13 GVG von den Zivilge-richten klären lassen (Grziwotz-Lüke-Saller, Praxishandbuch Nachbar-schaftsrecht, 5.Teil, RNr. 117 ff). Bei einem Streitwert bis 5.000 Euro sind gem. § 23 Nr. 1 GVG die Amtsgerichte, bei höheren Streitwerten gem. § 71 Abs. 1 GVG die Landgerichte zuständig; dort müssen sich die Parteien gem. § 78 Abs. 1 ZPO durch einen Rechtsanwalt vertreten las-sen. Örtlich zuständig ist das Gericht, an dem der Beklagte seinen allge-meinen Gerichtsstand hat, der gem. § 13 ZPO durch seinen Wohnsitz bestimmt wird.

Der Wert eines beschädigten und nicht mehr lebensfähigen Baumes lässt sich überschlägig berechnen, indem der durch einen Verkauf an einen Holzhändler zu erzielende Erlös um die Kosten erhöht wird, die durch die Rodung und die Beseitigung des Baumes zuzüglich der MWSt entstehen. Diese Kosten lassen sich durch Kostenvoranschläge der ent-sprechenden Unternehmer ermitteln.

Wenn jemand auf Schadensersatz für die Beschädigung eines Baumes in Anspruch genommen wird, muß berücksichtigt werden, dass es sich bei dem Baum gem. § 94 Abs. 1 BGB um einen wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks handelt (BGH, V ZR 46/05, NJW 2006, 1424). Der Schadensersatzpflichtige hat gem. § 249 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Gem. § 251 BGB hat der Ersatzpflichtige den Gläubi-ger in Geld zu entschädigen, soweit die Wiederherstellung des beschä-digten Baumes nicht möglich ist. Der Geschädigte hat in solchen Fällen einen Anspruch auf die Pflanzung eines jungen Baumes; außerdem ist für die verbleibende Wertminderung des Grundstücks Wertersatz in Geld zu leisten. Den Wert eines beschädigten Baumes hat der BGH seit seinem Kastanienbaumurteil (BGH, VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061) in ständiger Rechtsprechung (zuletzt: BGH, V ZR 77/99, NJW 2000, 512 = BGHZ 143, 01) nach der „Gehölzwertmethode Koch“ berechnet. Diese Methode beschreibt eine Möglichkeit, den Wert eines einzelnen Baumes zu bestimmen, indem die Kosten für die Neuanpflanzung bis zum aktu-ellen Baumalter und die Entsorgung des alten Baumes zusammenge- rechnet werden Dazu gehören der Kauf des neuen Baumes gleicher Größe und Baumart, die Kosten für die Pflanzung nebst Anfahrt sowie die Pflegekosten des Baums bis er angewachsen ist. Da die Baumwert-ermittlung nach der „Gehölzwertmethode Koch“ eine besondere Sach-kunde voraussetzt, kann der geschädigte Eigentümer des Grundstücks damit einen Sachverständigen beauftragen, für dessen Kosten der Er-stattungspflichtige aufzukommen hat.

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5.1 Kein außergerichtliches Schlichtungsverfahren

In einigen Bundesländern, zum Beispiel in Hessen, muss zur Entlastung der Gerichte bei privaten Nachbarschaftsstreitigkeiten ein außergericht-liches Schlichtungsverfahren stattfinden (Hess Gesetz vom 06.02.2001; GVBl 2001, 98; geändert durch Hess Gesetz vom 01.12.2005, GVBl 2005, 782). Dieses Verfahren ist für einen Streit über die Beseitigung eines Baumes nicht erforderlich; denn der sachliche Geltungsbereich er-streckt sich nach § 1 Abs. 1 des Hess Gesetzes nur auf Streitigkeiten über § 906 BGB (auf die Zuführung unwägbarer Stoffe = Immissionen), über § 910 BGB (auf einen Überhang) über § 911 BGB (auf den Überfall von Früchten), über § 923 BGB (auf einen Grenzbaum) sowie auf die im Hess NRG geregelten Nachbarrechte.

Ein Schlichtungsverfahren ist auch dann entbehrlich, wenn dem die Be-seitigung eines Baumes verlangenden Nachbar eine gütliche Einigung vorgeschlagen wurde, die er abgelehnt hat (Grziwotz-Lüke-Saller, Praxis -handbuch Nachbarrecht, 5. Teil RNr 261).

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6 Die Straftaten des Nachbarn

Wenn ein Nachbar das zuvor beschriebene Klageverfahren vor dem Zivilgericht nicht einhält, sondern eigenmächtig tätig wird, um einen ihn störenden Baum zu entfernen, findet er dazu Anregungen im Internet. Zum Beispiel wird dort geraten, unter dem Baum Salz zu verteilen, das im Winter zum Streuen der Gehwege und Straßen verwendet wird. Nach einem anderen Rat soll jeder Baum absterben, in dessen Rinde Löcher gebohrt und dort eine den Baum schädigende Chemikalie eingebracht wird. Das Gift verteilt sich im gesamten Baum und verhindert die Foto-synthese, wodurch der Ernährungskreislauf des Baumes gestört wird mit der Folge, dass er alsbald abstirbt.

Ein Nachbar, der sich an solche Empfehlungen hält, kann sich wegen einer „einfachen“ Sachbeschädigung (§ 303 StGB) einer gemeinschäd-lichen Sachbeschädigung (§ 304 StGB) und wegen eines Hausfriedens-bruchs (§ 123 StGB) strafbar machen.

Hinweis:

Dirk Dujesiefken - Rolf Kehr - Monika Heupel

haben im

Jahrbuch der Baumpflege 2015

(Seite 78 ff)

in ihrem Beitrag

„Die Baummörder und ihre Methoden und wie man ihnen auf die Spur kommt“ einen Überblick über die möglichen Gründe, die häufigsten Methoden, wie mechanische Zerstörung (durch Einschneiden oder Bohren) oder chemische Abtötung (durch Breitbandherbizide oder Pflanzenhormone) und die jeweiligen Erkennungsmerkmale gegeben.

Hinweis

Die „einfache“ Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und der Hausfriedens-bruch (§ 123 StGB) werden nur auf Antrag des Verletzten verfolgt. Sie gehören außerdem zu den in § 374 StPO erwähnten Straftaten, die von den Betroffenen im Wege der Privatklage verfolgt werden können, ohne dass es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft be-darf. Bevor der Verletzte Privatklage erhebt, muss gem. § 374 Abs. 1 StPO ein Sühneversuch stattgefunden haben; denn die Privatklage ist zur Entlastung der Gerichte gem. § 380 Abs. 1 StPO erst zulässig, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung bezeichneten Vergleichsbehörde eine Sühne erfolglos versucht wurde, was durch eine Bescheinigung über das Scheitern des Sühneversuchs nachzu-weisen ist. Der Sühneversuch ist darauf gerichtet, einen Vergleich zu schließen, der das durch die Straftat entstandene Spannungsverhält-nis zwischen dem Verletzten und dem Straftäter beilegt.

Privatklagen werden wegen des erforderlichen Sühneverfahrens und wegen des den Antragsteller treffenden Kostenrisikos selten erhoben, zumal sie nur in sechs Prozent der Fälle zu einer Verurteilung des An-geklagten führen. Deshalb wird häufig versucht, wegen öffentlichen Interesses eine Übernahme des Strafverfahrens durch die Staatsan-waltschaft zu erreichen.

6.1 Die „einfache“ Sachbeschädigung (§ 303 StGB)

Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt, wird nach § 303 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, die gem. § 40 Abs. 1 StGB zwischen fünf und 360 Tagessätzen beträgt. Auf deren Berechnung ist unter „das Strafmaß“ näher eingegangen. Nach § 303 Abs. 2 StGB ist auch der Versuch strafbar. Gem. § 303c StGB wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Straf-verfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amtswegen für geboten hält. Sobald ein Staatsanwalt von einer Straftat erfährt, die der Verletzte gem. § 374 StPO auch mit der Privatklage verfolgen kann, prüft er nach Ab-schnitt 86 (1) RiStBV, ob ein öffentliches Interesse an der Verfolgung von Amtswegen besteht. Nach Abschnitt 86 (2) RiStBV liegt ein öffent-liches Interesse in der Regel vor, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, zum Beispiel wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung oder der Gefährlichkeit der Tat. Bei der Entscheidung, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gege-ben ist, muss der Staatsanwalt das GG beachten; denn nach Art 14 Abs. 1 GG ist das Eigentum an einem Baum und dessen Unversehrtheit ge-schützt und durch Art 20a GG ist der Naturschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen. Auf Grund beider Artikel ist das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Verfassungswegen zu bejahen und in der Regel gegen den Baumschädiger wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu ermitteln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Baum derart beschädigt wurde, dass er abstirbt, weil der Täter in den Baum eine Chemikalie eingebracht hat, die nach ihrem Austreten die Gesundheit der sich im Umfeld aufhaltenden Personen und Tiere gefährden und das Grundwasser verunreinigen kann.

Wenn der Staatsanwalt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint und den Baumeigentümer gem. §§ 374, 376 StPO auf den Weg der Privatklage verweist, kann der Anzeiger die unten beschriebene Dienstaufsichtsbeschwerde mit dem Antrag einreichen, den Staatsanwalt zur Erhebung der öffentlichen Anklage zu verpflichten.

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Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Der störende Nachbarbaum. Ein juristischer Ratgeber für die den Baum auf dem Nachbargrundstück betreffenden Rechtsfragen
Autor
Jahr
2020
Seiten
43
Katalognummer
V537252
ISBN (eBook)
9783346130440
ISBN (Buch)
9783346130457
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nachbarbaum, ratgeber, baum, nachbargrundstück, rechtsfragen
Arbeit zitieren
Dr. Wigo Müller (Autor:in), 2020, Der störende Nachbarbaum. Ein juristischer Ratgeber für die den Baum auf dem Nachbargrundstück betreffenden Rechtsfragen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537252

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