Die Thematisierung von "schön" und "hässlich" im Ethikunterricht


Examensarbeit, 2018

109 Seiten, Note: 13,0


Leseprobe


Inhalt

Danksagung

1. Einleitung

2. Schönheit
2.1 Das Schöne - von Grund auf gut?
2.2 Über Geschmack lässt sich nicht streiten - oder doch?
2.3 Die Berechnung der Schönheitsformel
2.4 Schönheit bedeutet Macht
2.5 Die Schattenseite der Schönheit

3 Schönheitsideale
3.1 Schönheitsnormen im Wandel der Zeit
3.2 Die Hautfarbe im Wandel der Zeit
3.3 Der Kampf gegen die weibliche Behaarung
3.4 Die weiblichen Genitalien im Fokus der Gesellschaft
3.5 Schlank, schlanker - am schönsten
3.6 Männliche Schönheitsideale
3.7. Aktuelle Schönheitstrends

4. Der Einfluss der Massenmedien
4.1 Digital Natives - Von Geburt an digitalisiert
4.2. Wie wirken sich Massenmedien auf uns aus?
4.3 Manipulierte Scheinwelten
4.3 .und ihre Folgen

5 Schönheitschirurgie - ganz schön hässlich?
5.1 Zur Schönheit gezwungen?
5.2 Faltenfrei und glücklich
5.3 Auf der Suche nach der perfekten Vulva

6. Hungern für die Schönheit
6.1 Arten von Essstörungen
6.2 Die Ursachen von Essstörungen
6.3 Wenn Schlankheit Diskriminierung erzeugt

7. Einordnung der Thematik in den Ethik-Unterricht
7.1 Warum das Thema „Schön und Hässlich“ im Ethikunterricht behandelt werden muss
7.2 Hessische Bildungsstandards und Kerncurricula

8. Unterrichtseinheit
8.1 Erste Doppelstunde
8.2 Zweite Doppelstunde
8.3 Dritte Doppelstunde
8.4 Vierte Doppelstunde
8.4 Geförderte Kompetenzen
8.5 Zusätzliche Anknüpfungspunkte

9. Fazit

10. Anhang
Material 1:
Material 2:
Material 3:
Abbildung 1:
Material 4: Schlagwörter
Abbildung 2: Buchcover
Material 5: Zusammenfassung des Romans
Abbildung 3: Meme
Material 6: Textstellen
Material 7: Begriffserklärungen
Material 8: Interview
Material 10: Werbefilm von Dove

Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis

Danksagung

Aufgrund der Tatsache, dass die vorliegende Arbeit ein bedeutendes Zwischenziel meines Studiums darstellt und somit von emotionalem Wert für mich ist, möchte ich mich an dieser Stelle bei einigen Menschen bedanken.

Beginnen würde ich gerne bei meiner Erstgutachterin Dr. Anita Rösch. Ich bedanke mich sehr für ihre motivierende und freundliche Art, für ihr Bemühen, stets für ihre Studierenden erreichbar und hilfreich zu sein und vor allem dafür, dass sie vom ersten Semester an dank ihrer Didaktikmodule ein Grund für mich war, am Philosophiestudium festzuhalten.

Des Weiteren bedanke ich mich bei meinen Eltern, und habe deshalb diesen Teil auf meiner Muttersprache Türkisch verfasst. Annem ve babam, bize en iyi imkanlari sunabilmek i?in, en ?ok da benim yüzümden, gurbette ya§amak zorunda kaldiniz. Baba; yemek molasinda sol bacagini sürekli me§gul etmemin, bizi en güzel §artlarda yeti§tirmek i?in gerekirse ü? i§e birden ko§turmanin ve sa^larinin sol tarafindaki beyazlarin sebebi oldugum i?in senin hakkini ödeyemem. Anne; benim yüzümden yapmak zorunda kaldigin tarti§malari, di§arida kaldigim i?in ge?irdigin uykusuz gecelerini ve sebep oldugum endi§elerini telafi edemem. Yapabilecegim tek bir §ey var. O da bu §ekilde size te§ekkür etmek. Te§ekkür ederim, bana kendi ayaklarim üzerinde durmayi ögrettiginiz i?in. Te§ekkür ederim, dünyanin en iyi anne-babasi oldugunuz i?in. Te§ekkür ederim, hep yanimda oldugunuz i?in

Besonderer Dank geht zudem an meine Brüder: Unter anderem ihrer Hilfe und Geduld ist es zu verdanken, dass diese drei Monate so reibungslos verlaufen sind. Danke außerdem dafür, dass ich durch euch immer etwas zu Lachen und Ablenkung hatte, wenn ich sie brauchte. Zudem ein riesiges Dankeschön an meine beiden Tanten dafür, dass ihr so motivierende und liebevolle Menschen und die besten Tanten seid, die man sich vorstellen kann. Auch meinem Schwesterherz möchte ich an dieser Stelle danken, weil wir immer aufeinander zählen können und du unersetzlich bist. Des Weiteren Dankeschön an meine Cousinen, die sich meine Monologe über die Unterrichtseinheiten angehört haben.

Im Anschluss ein riesiges Dankeschön an alle meine Freunde, die mich in dieser Phase unterstützt und wieder beruhigt haben, wenn ich mal wieder am Rande des Nervenzusammenbruchs stand. Liebe Kirsten, Alina, Jule, Carina, Helena, Sirin, Birgit und Gabby: Dankeschön dafür, dass ihr eine Truppe seid, auf die man immer zählen kann, dass ihr mir immer wieder Mut gemacht und mir eingebläut habt, dass ich das sowieso schaffe. Sei es auch nur hier eine Nachricht, dort eine Tasse Kaffee oder ein High Five: Ihr seid großartig.

Zu guter Letzt möchte ich mich bei dem Mann an meiner Seite bedanken. Danke, dass du mich auf dem Weg zu meinen Zielen immer unterstützt, mich motivierst und mir an der Stelle die Kraft und Lebensfreude gibst weiterzumachen, wenn ich sie am meisten brauche. Danke für dein Verständnis, wenn ich Dutzende Bücher gewälzt, mehrere Seiten gelöscht und neu geschrieben habe. Danke für deine Geduld, wenn ich mal wieder am Jammern war oder die Nerven verloren habe. Aber vor allem Danke dafür, dass du bist, wie du bist: Hartnäckig und mit einem unglaublich perfekten Timing. Kurz: Danke dafür, dass du bei mir bist.

1. Einleitung

Im Fach Ethik soll kritisches Verständnis für die in der Gesellschaft wirksamen Wertvorstellungen und Normen sowie der Zugang zu philosophischen, weltanschaulichen und religiösen Fragestellungen eröffnet werden. [...] Ziel des Ethikunterrichtes ist die Vermittlung einer ethischen Grundbildung und die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zu begründeter Urteilsbildung und zu verantwortlichem Handeln.

(KMK,2008: S. 8)

Die steigende Anzahl der Schülerinnen und Schüler (SuS), die keinen Religionsunterricht besuchen, lenkte in den letzten Jahren vermehrt die Aufmerksamkeit auf das Fach Ethik, welches seit 1998 als Ersatzfach für diejenigen dient, die weder der katholischen noch der evangelischen Konfession zugeordnet sind, beziehungsweise den Religionsunterricht nicht besuchen möchten. Inzwischen ist Ethik - bundesweit unter abweichenden Bezeichnungen - nicht nur als Ersatzfach, sondern auch als Wahlpflichtfach, in Berlin seit 2006 für die siebte bis zehnte Klasse sogar als Pflichtfach vertreten (vgl. KMK,2008:S. 23).Im Mai 2018 verlangte SPD-Bildungsexperte Born zudem, der Ethikunterricht solle ab der ersten Klasse angeboten werden, um die Pluralität des Landes widerzuspiegeln (vgl. SPD Baden-Württemberg, 2018: o.S.)

Das Fach Ethik erfreut sich aber nicht nur aufgrund der steigenden Heterogenität der Gesellschaft an wachsendem Interesse, sondern vor allem, weil es als einziges Schulfach die Möglichkeit bietet, die von Lehrkräften erforderte moralische Erziehung im Curriculum unterzubringen. Schon längst hat sich der Erziehungsauftrag vom Elternhaus viel stärker auf die Schule verlagert. Dies ist nicht nur in der Berufsordnung von Lehrern verankert, sondern auch klar erkennbar in der Erwartungshaltung von Politik und Gesellschaft: SuS besuchen die Schule inzwischen nicht nur, um fachliches Wissen zu erwerben, sondern auch, um alltägliches Miteinander in der Gesellschaft zu erlernen. Hierzu gehören Grundwerte wie Respekt und Toleranz gegenüber Andersartigkeit und Verständnis für die Pluralität unserer Sozialstruktur. Dieser Erwartungshaltung steht entgegen, dass kein Zeitraum außer dem Ethikunterricht besteht, um ebendiese Thematik zu behandeln, da Fachlehrer gänzlich mit ihren Unterrichtsfächern in Anspruch genommen werden. Wie im Einführungszitat beschrieben, erläuterte die Kultusministerkonferenz (KMK) 2008 die Ziele des Ethikunterrichts genauer und legte fest, dass das Hauptziel die Vermittlung einer ethischen Basis sei, auf deren Grundlage die SuS reifen können (vgl. KMK, 2008: S. 8).

Eines der ältesten, gleichzeitig aktuellsten und weitreichendsten Problematiken jugendlicher SuS ist die Thematik der Schönheit, bzw. was als „schön“ und „hässlich“ wahrgenommen wird. Schönheitsideale waren schon immer insbesondere für Jugendliche von großer Wichtigkeit, jedoch erreicht der Schönheitswahn durch Massenmedien, vorzeitiger Pubertät und sich stetig verbreitenden Idealvorstellungen immer mehr und immer jüngere Rezipienten. Folglich entwickelte sich die Thematik zu einer, mit der sich Lehrkräfte intensiv befassen müssen, da sie sich auf die Schülerpsyche auswirkt. Von Essstörungen, Mobbing, illegalem Medikamentenkonsum bis hin zu Schönheits- Challenges reichen die Auswirkungen des in den Vordergrund getretenen Schönheitskults. Entgegen des Irrglaubens, dass sich diese nur auf die weiblichen Jugendlichen auswirkt, steht die Fitnesssucht, welche nach dem Schlankheitswahn der Frauen in den letzten Jahren nun auch Männer eingeholt hat.

Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung, Essstörungen, Sportwahn und Mobbing erkennen und damit umgehen zu müssen. Geschult oder ausgebildet werden sie hierfür nicht. Lediglich der Ethikunterricht bietet die Chance, über Schönheitsideale, Andersartigkeit und Vielfalt zu sprechen und diese Themen eingehend zu behandeln. Die folgende Ausarbeitung soll zunächst dazu dienen, Schönheit zu definieren und ihre Folgen darzulegen, zudem soll der Einfluss von sozialen Medien und Werbung auf Jugendliche hinsichtlich der Thematik Schönheit und die damit einhergehen Risiken für ebendiese aufgrund von gefährlichen und unerreichbaren Schönheitsnormen hervorgehoben werden. Außerdem sollen die Folgen des steigenden Schönheitswahnes dargelegt werden, um verständlich zu machen, welche Herausforderungen im Ethikunterricht gemeistert werden müssen, wenn über „schön“ und „hässlich“ geredet wird. Hierbei wird die Notwendigkeit der Thematisierung begründet und mögliche didaktische Vorgehensweisen geschildert, woraufhin als Abschluss eine Unterrichtseinheit exemplifiziert wird. Die Ausarbeitung bezieht sich auf Schönheitsideale des 21. Jahrhunderts und fokussiert auf aktuellen Trends, die didaktische Vorgehensweise ist eingebettet in den Ethikunterricht für das Bundesland Hessen, kann aber ebenso im Philosophieunterricht und in anderen Bundesländern angewandt werden.

2. Schönheit

Schön, kann man also sagen, ist eine Form, die keine Erklärung fordert, oder auch eine solche, die sich ohne Begriff erklärt.

(Schiller, 1793: o.S.)

Seit Jahrtausenden gilt sie als ein positives, erstrebenswertes Gut und hat bis heute ihre Signifikanz nicht eingebüßt: Schönheit ist ein weltbekannter Begriff, und trotz der Schwierigkeit, sie zu definieren oder zu beschreiben, hat jede Person bei der Erwähnung des Wortes bestimmte Merkmale vor Augen. Diese variieren und sind abhängig von der Person, denn der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Alles in unserem Alltag besitzt das Potenzial, schön sein zu können. Landschaften, Tiere, Personen, Gegenstände, nichts ist gefreit von der Möglichkeit, als „schön“ tituliert zu werden. Die Konsequenzen, die das Schön- oder eben auch Nicht-Schön-Sein mit sich bringen, sind heutzutage allgegenwärtiger denn je. Forscher unterscheiden an dieser Stelle aber zwischen Attraktivität und Schönheit und betonen, dass diese keine Synonyme seien (vgl. Görtler, 2012: S. 24). Beide Eigenschaften hätten zwar gemeinsam, dass sie eine gewisse äußerliche Anziehungskraft beinhalten, subjektiv und nicht übertragbar seien, aber Attraktivität sei darüber hinaus noch charisma­abhängig und nicht gänzlich an Äußerlichkeiten gebunden (vgl. ebd.). De facto kann man die Überlegung anstellen, dass die äußerlichen Reize, im Folgenden schlicht als „Schönheit“ tituliert, möglicherweise weniger beachtet werden, sofern die Person nur genügend Charisma besitzt, um von fehlenden äußerlichen Reizen abzulenken.

Die folgende Arbeit wird sich aber insbesondere auf die optische Schönheit der Menschen in der heutigen Zeit beziehen, da ausschließlich ebendiese für den weiteren Verlauf von Relevanz sein wird und Charisma für Schönheitsideale und die Thematik der Arbeit nicht erstrangig ist. Aus diesem Grund soll zuvor eine allgemeine Definition von Schönheit dargelegt werden, wobei auf diverse Philosophen und Wissenschaftler Bezug genommen wird, um die Komplexität des Schönheitsbegriffes exemplifizieren zu können.

2.1 Das Schöne - von Grund auf gut?

Wer schön ist, ist gut. Und wer gut ist, wird bald schön sein. (Sappho von Lesbos, o.D.: o.S.)

Der Duden definiert Schönheit entweder als „etwas, was [an einer Sache] schön ist; das Schöne“ (Duden.de, ,Schönheit‘, Stand: 18.11.18), oder als Adjektiv in Bezug auf eine Person, also als „schöner Mensch“ (ebd.). Als Synonyme werden genannt Anmut, Attraktivität, Ausstrahlung, Charisma, Bann, Liebreiz, Chic, Eleganz, Feinheit, Stil, Vornehmheit, Noblesse und Beauté (vgl. Duden.de, ,Schönheit‘, Stand: 18.11.18). Unschwer zu erkennen ist die enorme Positivität der Synonyme und der Konnotationen, wodurch uns vermittelt wird, dass es sich bei Schönheit um etwas Wünschenswertes handeln muss. In dem Wörterbuch von Wahrig wird sie beschrieben als „das Schönsein, schönes Aussehen“ (Wahrig-Burfeind, 2004: S. 765) und bezieht sich auf Personen, Kunstwerke oder Landschaften. Das Adjektiv „schön“ wird mit „hübsch, bewundernswert, angenehm, wohlgefällig [...] gut, sauber, ordentlich [.] tüchtig“ in Verbindung gebracht (ebd.).

Um zu bemerken, dass es sich bei dem Schönen um etwas Positives und Erstrebenswertes handelt, muss man jedoch keine Wörterbücher wälzen, ein kurzer Einblick in unseren täglichen Sprachgebrauch genügt. „Das hast du aber schön gemacht“ steht synonym für „Das hast du aber gut gemacht“. Dem komme hinzu, dass auch in der Literatur das Schöne seit Jahren mit Güte und Heldentum in Verbindung gebracht werde (vgl. Zöbinger, 2003: S. 41). Während Helden, gute Feen und Prinzessinnen stets von bemerkenswerter Anmut und Schönheit seien, entweder jung und energiegeladen oder aber alt und liebenswürdig, würden Hexen und Bösewichte als alt, hässlich, pessimistisch und klein beschrieben (vgl. ebd.). Auch Etcoff weist darauf hin, dass Hässlichkeit gleichgesetzt werde mit Wahnsinn, Gefahr und Bosheit (vgl. Etcoff 2001: S. 50). Zudem sei früher angenommen worden, dass Hässlichkeit Gottes Strafe für die Menschen sei, die ihn erzürnt hatten (vgl. ebd.). Grundsätzlich werde Schönheit als „ein fragloses Gut“ (Akashe-Böhme, 1992: S. 15) beschrieben, und würde „nach den höchsten Gütern der Menschheit gefragt, dann wird wohl die klassische Dreiheit des Wahren, Guten und Schönen unter ihnen sein“ (ebd.). Sozialpsychologisch wird das Phänomen, von der Schönheit einer Person auf ihre potenziellen guten Eigenschaften zu schließen, als „Heiligenschein-Effekt“ beschrieben, welcher die Fehlannahme darstelle, schön und gut als Synonyme zu sehen (vgl. Leber, 2016: S. 2). Somit kommen wir zu dem Schluss, dass Schönheit ein Gut zu sein scheint, stets wünschenswert und begehrt. Von dieser Annahme ausgehend stellt sich die nächste Frage, die weitaus schwieriger zu beantworten ist: Was ist Schönheit?

2.2 Über Geschmack lässt sich nicht streiten - oder doch?

Die Bedeutung des Wortes Schönheit ist ein Rätsel geblieben und das, nachdem tausende Gelehrte Menschen 150 Jahre lang über die Bedeutung dieses Wortes diskutiert haben.

(Tolstoi, o.D.: o.S.)

Schon Dostojewski behauptete „Die Schönheit ist etwas Schreckliches und Erschreckendes... schrecklich, weil sie unbestimmt ist“ (vgl. Akashe-Böhme, 1992: S. 15) und er scheint Recht zu behalten. Auch Wolf betont in ihrem bekannten Werk „Der Mythos Schönheit“, es gebe kein allgemeingültiges Schönheitsideal (vgl. Wolf 1990: S. 14), der Aussage schließt sich auch Feß an und erläutert, Schönheit sei subjektiv und keineswegs universell:

Schönheit ist epochaltypisch und kulturabhängig. Sie ist eine hegemoniale Norm und wird massenmedial verbreitet, wodurch sie hohe Alltagsrelevanz erfährt. Sie kann durch verschiedene Schönheitshandlungen künstlich herbeigeführt oder natürlich begründet sein. Schönheit steht im Kontext subjektiver Darstellung der Person und sozialer Anerkennung und Interaktion. (Feß, 2016: S. 4).

Die Ansicht, dass Schönheit nicht spezifiziert und anhand bestimmter Kriterien festgehalten werden kann, vertritt auch Autor Liessmann und betont, dass Schönheit anhand subjektiver Vorlieben jedes Einzelnen wahrgenommen werde und somit alles als schön tituliert werden könne, was dem Individuum als solches erscheine (vgl. Liessmann, 2009: S. 30). Laut Wache sei die Wahrnehmung von Schönheit abhängig vom individuellen Geschmack und sich stets wandelnden und weiterentwickelnden sozio-kulturellen Wirkungen, die wiederum von Medien und Gesellschaft geprägt würden (vgl. Wache, 2018: S. 14). Die vorangegangenen Positionen könnte man also zusammenfassen mit dem Sprichwort „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Vor allem Sozialwissenschaftler sind der Meinung, dass Schönheitsideale aus kulturellen und zeitlichen Faktoren resultieren, die nicht universell oder objektiv sein könnten, sondern stetigen Umbrüchen unterliegen würden (vgl. Zöbinger, 2003: S. 14).

Auch in dem Werk „Tätowierung: Zur Soziogenese von Schönheitsnormen“ wird argumentiert, sämtliche Bevorzugungen und Ablehnungen hinsichtlich Geschmacks, ob bezüglich Möbel, Musik oder körperlicher Merkmale, seien keine autonomen Handlungen, sondern angelernt und geprägt durch Normen, welche sich aus der Kollektivnorm heraus bilden (vgl. Vandekerckhove, 2006: S. 41). Der Autor schließt seine Argumentation schlicht mit dem Satz „[d]ass der Geschmack eine rein ,persönliche‘ Angelegenheit wäre, außerhalb der Reichweite gesellschaftlicher Einmischung, kommt einer falschen Darstellung gleich“ (Vandekerckhove, 2006: S. 42) ab.

In der Tat behaupten jedoch zahlreiche Evolutionsforscher und Sozialwissenschaftler, eine Formel für die Schönheit des Menschen aufstellen zu können, und ziehen als Beweise Experimente und deren Ergebnisse heran. Jahrtausende zuvor hatte Aristoteles eine bestimmte Beschreibung des schönen Körpers vorzuweisen, diese sei abhängig von der „Harmonie seiner Teile und einer gewissen, angenehmen Farbe“ und der „Ordnung, Symmetrie und Eindeutigkeit“ (vgl. Zöbinger, 2003: 14). Auch Plotin schloss sich der Vorliebe für Symmetrie an und legte fest, das Schöne sei stimmig sowohl im Einzelnen als auch im Ganzen, da nicht ein Teil des Schönen hässlich sein dürfe, schlichtweg weil aus Hässlichem nichts Schönes entstehen könne (vgl. ebd.). Ebenso äußert sich Hunger 2010 zu der Thematik und beschreibt Schönheit als

eine positive ästhetische Eigenschaft, die in einer besonderen Strukturiertheit des zugrundeliegenden Objektes besteht, die eine einheitliche Geschlossenheit vielfältiger Elemente in gegenseitiger Stimmigkeit bedeutet. Diese Strukturiertheit ist dabei ein prominent und deutlich wahrnehmbarer Aspekt des Objekts; die Stimmigkeit der Elemente untereinander bewirkt ein Gefühl von Richtigkeit (Hunger, 2010: S. 265).

Die Unstimmigkeiten bezüglich der Thematik liegen auf der Hand, und hat auch nahezu jeder eine Begründung für seine Position, so tendiert man dennoch zu demselben Schluss wie Gründl im Vorwort zu dem Buch „Bodytalk: Der riskante Kult um Körper und Schönheit“, nämlich dass jegliche Theorien hinsichtlich Schönheit nicht nur unverständlich, sondern auch praxisfern seien und man im Endeffekt dennoch nicht immer verlässlich bestimmen könne, warum jemand schön sei (vgl. Gründl, 2004: S. 9).

Einen Kompromiss stellen Positionen wie die Hassebraucks dar, welcher argumentiert, dass Schönheit aus zwei Elementen bestehe: Aus objektiven, in Forschungsergebnissen nachgewiesenen Eigenschaften, sowie aus subjektiven Faktoren, die jede Person für sich selbst vorziehe (vgl. Hassebrauck, 2004: 36). Ähnlich hat es schon Dichter Baudelaire formuliert, laut dem sich Schönheit zusammensetze aus einem zeitlosen und invariablen Faktor sowie einem Aspekt, der sich nach dem Zeitalter und der damit einhergehenden Moral und Emotionen sowie der Mode richte (vgl. Etcoff, 2001: S. 31). Leber stellt in seinem Artikel „Die Bevorzugung der Schönen“ die Positionen der Forscher und Psychologen dar, und kommt zu dem Schluss, dass die realistischste Antwort auf die Frage, wie Schönheitsnormen entstehen, diejenige sei, die beiderlei Ansätze kombiniere (vgl. Leber, 2016: S. 1). Die generelle Uneinigkeit der Forscher, Autoren und Philosophen ist offensichtlich, dennoch soll im folgenden Kapitel die Frage behandelt werden, ob Schönheit berechenbar ist und wie sich die Schönheitsnormen, die wir (zu) haben (glauben), entstehen.

2.3 Die Berechnung der Schönheitsformel

Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt, das reizt nicht mehr, und was nicht reizt, ist tot. (Goethe, 1807: S. 32)

Da es noch keine längerfristigen und verlässlichen Studien hinsichtlich männlicher Schönheitsideale gibt, beziehen sich folgende Ausführungen zum größten Teil auf das Schönheitsempfinden heterosexueller Männer in Bezug auf Frauen.

Der Psychologe und Attraktivitätsforscher Gründl fasst in seinem Essay „Attraktivitätsforschung: Auf der Suche nach der Formel der Schönheit“ die Position einiger Vertreter der „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“-Theorie zusammen, indem er voraussetzt, dass seine Leser davon ausgehen, man könne keine allgemeingültige Schönheitsformel aufstellen oder einschätzen, ob eine Person aufgrund ihrer geschlechtstypischen Merkmale oder aber ihrer symmetrischen Einheitlichkeit als attraktiv wahrgenommen werde. Ebendiese Voraussetzungen falsifiziert er jedoch und stellt die Behauptung auf, es sei zwar äußerst schwierig, die Gründe hierfür zu filtern und darzulegen, doch es sei es in der Tat möglich, Schönheitsmerkmale zu analysieren und sie seien alles, jedoch nicht subjektiv. (vgl. Gründl, 2007: S. 60)

Dies behaupten auch zahlreiche Studien der Evolutionsbiologie, Ethnologie und Neuropsychologie, laut denen Schönheitsideale Verbleibnisse der sexuellen Selektion seien (vgl. Görtler, 2012: S. 13). Durch Analysen von Experimenten und Vermessungen kommen sie zu dem Schluss, dass das Schönheitsempfinden von Menschen unabhängig von sozio-kulturellen und zeitlichen Einflüssen sei, da der Fokus auf vorbestimmten körperlichen Faktoren liege (vgl. ebd.). Entscheidend sei ausschließlich der potenzielle Fortpflanzungserfolg der betrachteten Person (vgl. Zöbinger, 2003: S. 14).

Grundlage für viele Experimente der Attraktivitätsforschung ist die Methode Galtons, welcher seinerzeit diverse Fotografien miteinander verglich und durch Mehrfachbelichtung die Abbildungen so miteinander morphte, also miteinander vermischte und übereinanderlegte, dass im Endeffekt eine Fotografie entstand (vgl. Galton.org, ,composite portraiture‘, Stand: 10.11.18). Ebendiese Methode machten sich Forscher zu eigen und kombinierten sie mit Analysen an Computern, um zu untersuchen, was Frauen, die als attraktiv wahrgenommen werden, gemeinsam haben. So haben Attraktivitätsforscher nach jahrelangen Experimenten herauskristallisieren können, dass es drei Hauptzwecke gebe, um eine Frau zu verschönern. Diese sei zum einen, die Person jünger aussehen zu lassen, dem komme hinzu, die Person gesund wirken zu lassen (vgl. Gründl, 2004: S. 28). Schlussendlich gebe es noch den Zweck, sexuelle Erregung vorzutäuschen (vgl. ebd.). Auf diese drei Aspekte werden wir im folgenden Verlauf nochmals zurückkommen.

Davor gilt es auf ein Experiment hinzuweisen, in welchem zwei Frauengesichter miteinander verglichen und anschließend Merkmale gefiltert wurden, die als typisch für eine attraktive Frau gelten. Zu diesen würden braunere Haut, ein schmaleres Gesicht, weniger sichtbarer Fettansatz im Gesicht, dafür aber vollere und gepflegtere Lippen, ein weiterer Augenabstand, dunkle, schmalere Augenbrauen und ebenso dunkle, dichte und lange Wimpern zählen. Außerdem mache eine schmalere Nase, höhere Wangenknochen, keine Augenringe und dünnere Augenlider eine schöne Frau aus. Das seien die Ergebnisse, über die sich mehrere Probanden unabhängig voneinander einig geworden sind. (vgl. Gründl, 2004: S. 12) Am bedeutendsten sei das Merkmal des sogenannten Kindchenschemas, auch Babishness genannt (vgl. Zons, 2007: S. 20). Die 1943 von Lorenz aufgestellte Theorie des Kindchenschemas beinhaltet einen großen Kopf, eine hohe Stirn und große runde Augen (vgl. Gründl, 2004: S. 12). Die Gesichtsmerkmale sind relativ weit unten im Gesicht angesetzt, Nase und Kinn sind klein, die Wangen rund (vgl. ebd.). Diese Merkmale könnten, laut Untersuchungen aus dem Jahr 2001, selbst als attraktiv eingestufte Frauen noch verschönern, wenn man deren Gesichtsproportionen durch Bearbeitungsprogramme kindlicher mache; dies zeigte das Experiment in einem Regensburger Einkaufszentrum, in welchem 90% der Befragten unabhängig von deren Geschlecht Gesichter mit dem Kindchenschema als deutlich attraktiver einstuften (vgl. Zons, 2007: S. 20). Auch ein 1993 durchgeführtes Experiment mit Studenten kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Durch ein Computerprogramm sollte ein virtuelles Frauengesicht zusammengestellt werden, das Ergebnis war das „Idealgesicht“ einer Frau, jedoch mit deutlich erkennbaren kindlichen Gesichtszügen (vgl. Zöbinger, 2003: S. 13). Gleichermaßen stach das Kindchenschema bei einer Analyse der Miss Germany Teilnehmerrinnen aus dem Jahre 2002 hervor: Forscher morphten die Gesichter der Endfinalistinnen nach dem Galtonschen Prinzip miteinander und es entstand eine virtuelle Miss Germany - ebenfalls mit den typischen kindlichen Zügen (vgl. Gründl, 2004: S. 13).

Die Erklärung für diese Vorliebe liegt laut Evolutionsbiologen darin, dass das Kindchenschema Frauen jünger wirken lasse und mit ebendiesen eine erfolgreiche Fortpflanzung wahrscheinlicher sei - die Ursache, warum die kindlichen Merkmale also als attraktiv wahrgenommen werden, sei die sexuelle Selektion (vgl. Gründl, 2004: S. 16). Diese These belegen die Forscher nicht nur durch zuvor beschriebene Experimente, sondern auch mit dem Hinweis, dass Frauen, die als besonders schön wahrgenommen werden, schon seit Jahrhunderten kindliche Gesichtszüge vorweisen würden, und nennen als Beispiele das Madonnenbildnis oder auch Boticellis Darstellung der Venus (vgl. Gründl, 2004: S. 14). Die zuvor erwähnten Studien belegen zwar auch, dass statt den für das Kindchenschema typischen runden Wangen hohe, ausgeprägte Wangenknochen vorgezogen werden, doch Evolutionsforscher rechtfertigen diese Ergebnisse mit dem Verweis darauf, dass sie eine Kombination aus den kindlichen Zügen und dem Fraulichen präsentieren würden (vgl. Gründl, 2004: S. 17). Somit würden einerseits die Jugendlichkeit und die Annahme, noch sehr viele Kinder gebären zu können, andererseits aber auch die Reife, fruchtbar und gebärfreudig zu sein, kombiniert und stellen die evolutionstheoretisch perfekten Voraussetzungen für die sexuelle Selektion dar (vgl. ebd.)

Ein weiteres Schönheitsmerkmal, welches von Evolutionsbiologen als Beweis für ihre These herangezogen wird, ist die Berechnung des Taillen-Hüft-Verhältnisses. Das perfekte Verhältnis betrage laut Attraktivitätsforschern 0,7, und ebendiesen Wert haben nicht nur Schönheitsikonen wie Marilyn Monroe und Kate Moss vorzuweisen - die übrigens komplett unterschiedliche Typen Frau darstellen -, sondern es ist auch der Wert, der bei künstlichen Befruchtungen die größte Erfolgsrate hat (vgl. Gründl, 2004: S. 25). Auch Wickler und Seibt bestätigen die Annahme und betonen, dass das allgemeine Gewicht der Frau nicht beachtet werde, solange nur das Taille-Hüft-Verhältnis stimme (vgl. Wickler, Seibt, 1998: S. 208).

Im Kontrast hierzu stehen die spärlichen Untersuchungsergebnisse hinsichtlich weiblicher Schönheitspräferenzen. Laut diesen ziehen Frauen das Gegenteil des Kindchenschemas vor, denn als attraktiv eingestufte Männer haben in der Regel nicht nur einen breiten, starken Unterkiefer, sondern auch ein markantes Kinn (vgl. Gründl, 2004: S. 12). Evolutionsbiologen rechtfertigen diese Ergebnisse, indem sie darauf hinweisen, dass die Fortpflanzungspotenz bei Männern nicht so stark vom Alter eingeschränkt wird (vgl. Gründl, 2004: S. 16).

Schlussendlich werden zudem auch noch Forschungsergebnisse hinsichtlich Kleinkinder herangezogen, um die Theorie der intrinsischen Schönheitspräferenzen zu stützen. Etcoff weist auf Untersuchungen hin, die beweisen, dass Babys im Alter von drei Monaten anscheinend attraktive Gesichter von weniger attraktiven unterscheiden können, da erstere durchschnittlich länger von ihnen betrachtet werden und schlussfolgert daraus, „dass die Bevorzugung von Schönheit nichts Erlerntes ist“ (Etcoff, 2001: S. 33). So unmöglich es auch erscheint, die Debatte hinsichtlich der intrinsischen oder angelernten Schönheitsnormen aufzuschlüsseln, wird dennoch in späteren Kapiteln die Frage erörtert, ob aktuelle Schönheitstrends mit den evolutionsbiologischen Ergebnissen übereinstimmen. Die Intention ist jedoch nicht, zu einem Schluss zu kommen, woher Schönheitsideale stammen, sondern ausschließlich zu erläutern, wie sie sich auf unseren Alltag und insbesondere auf SuS auswirken.

2.4 Schönheit bedeutet Macht

Wer schön ist, lächelt und schon ist der anscheinende Erfolg da! (Keilhofer, 2015: S. 301)

Wie signifikant Schönheit insbesondere heutzutage geworden ist, beweisen umfangreiche Studien hinsichtlich der Korrelation von Selbstwertgefühl und der Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen. Zudem würde ein schöner Körper inzwischen nicht nur als unverzichtbare Anlage betrachtet, sondern auch als begrenztes Gut, dases unbedingt zu erreichen gelte (Bieger, 2008: S. 57). Der Grund dafür sei, dass das Äußere jedes Menschen in solchem Maße öffentlich und für alle sichtbar ist, dass die Gesellschaft als Konsequenz daraus schließe, der Charakter eines Menschen würde in dessen Aussehen gespiegelt (vgl. Etcoff, 2001: S. 13). Etcoff räumt zwar ein, dass diese Annahme als ungerecht und unmoralisch empfunden werden könne, aber sie steht zu ihrer Aussage und betont zudem: „Schönheit hat Konsequenzen, die sich nicht verleugnen lassen“ (Etcoff, 2001: S. 13). Auch Liessmann verweist auf die immense Signifikanz von Schönheit im Alltag, indem er daran erinnert, dass sie stets in jeglichen Werbeversprechen auftritt und insbesondere für die konsumorientiere Gesellschaft, die tagtäglich mit Mode, Kosmetik und Lifestyletipps konfrontiert werde, omnipräsent sei (vgl. Liessmann, 2009: S. 81). Zudem habe sich Schönheit zu einem solchen Kapital entwickelt, dass man dazu neige anzunehmen, man könne sie als Tauschobjekt nutzen und von ihr profitieren (vgl. Görtler, 2012: S. 36).

Die Vorteile des Schön-Seins seien allgegenwärtig und alltäglich, da allein schon die Betrachtung eines Gesichts bewirken könne, dass der Betrachter Emotionen empfindet oder auf eine bestimmte Weise reagiert (vgl. Görtler, 2012: S. 14). Forscher nennen dieses Phänomen Lookismus: Die Bevorzugung der Schönen und die Diskriminierung der Unattraktiven (vgl. Leber, 2016: S. 1). Grundsätzlich sei bewiesen, dass Schönheit einhergehe mit der Fähigkeit, leichter und schneller Aufmerksamkeit zu erregen, schlicht aufgrund der Tatsache, dass man sich dadurch von Personen durchschnittlichen Aussehens abgrenze und somit eher auffalle (vgl. Görtler, 2012: S. 12). Schöne Menschen würden meist als professioneller, aufrichtiger und sympathischer wahrgenommen, zudem stehe man ihren Aussagen deutlich aufgeschlossener und positiver gegenüber (vgl. Görtler, 2012: S. 17). Man würde prinzipiell besser behandelt und vorgezogen, und in sozialen Situationen, in denen man sich persönlich gegenübersteht, könne Schönheit sogar manipulative Auswirkungen haben (vgl. ebd.). Hübschere Menschen bekämen bessere Tische in Restaurants und schneller Hilfe in Notfallsituationen, zudem würden gutaussehende Vorsitzende besser bei ihren Angestellten ankommen, attraktivere Fußballer hätten einen höheren Marktwert und hübschere Kellnerinnen verdienen auch mehr Trinkgeld (vgl. Leber, 2016: S. 1). Diese Bevorzugung reiche so weit, dass als schön wahrgenommene Straftäter mildere Urteile ausgesprochen bekämen oder ungestraft blieben, weil man öfter von einer Anzeige absehe (vgl. Zöbinger, 2003: S. 45).

Zudem wirke sich ein schönes Äußeres nicht nur positiv auf die als attraktiv wahrgenommene Person aus, sondern könne sich auch zum Vorteil der Personen in deren Umfeld entwickeln. So zeigen beispielsweise Studien, dass eine durchschnittliche Person, die so dargestellt wird, als habe sie einen außerordentlich attraktiven Partner, als attraktiver wahrgenommen wird als zuvor. Stehen die beiden jedoch ohne eine sichtbare Beziehung nebeneinander, so wird die weniger attraktive Person im Kontrast zu der schöneren Person wahrgenommen und wirkt dadurch umso unattraktiver. Derselbe Effekt liegt des Weiteren auch vor, wenn eine durchschnittlich aussehende Person einen unattraktiven Partner zu haben scheint: Automatisch wird die zuvor als durchschnittlich eingeordnete Person unattraktiver wahrgenommen. (vgl. Hassebrauck, 2004: S. 41)

Die positiven Auswirkungen eines als schön wahrgenommenen Äußeren seien insbesondere für Jugendliche wichtig, da sie sich in einer Phase befinden, in der ihre Persönlichkeit am intensivsten beeinflusst werde (vgl. Görtler, 2012: S. 18). Doch schon direkt nach der Geburt beginne die Bevorzugung schöner Kinder, denn ebendiese erhalten bewiesenermaßen von ihren Müttern mehr Aufmerksamkeit und Liebe, außerdem sei die Wahrscheinlichkeit, misshandelt zu werden, bei hübscheren Kindern geringer (vgl. Leber, 2016: S. 2).

Besonders während des Schulalters und der Pubertät seien SuS beeinflussbar von Gleichaltrigen und Lehrpersonen, dies wiederum wirke sich auf das Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl der Jugendlichen aus, die zu dieser Zeit die größten Fortschritte in ihrer Identitätsentwicklung vollziehen würden (vgl. Langer, 2016: S. 59). Ein attraktives Äußeres vereinfache die Aneignung von Eigenschaften wie Offenheit und Kontaktfreude, resultierend aus der Selbstsicherheit, die mit gutem Aussehen einherzugehen scheint (vgl. Görtler, 2012: S. 18). Zudem sei es auch bewiesen, dass Lehrer - ob unbeabsichtigt oder nicht - hübscheren SuS bessere Schulnoten geben (vgl. Leber, 2016: S. 2). Somit liegt die Theorie nahe, dass ein als schön wahrgenommenes Äußeres ausschließlich Vorteile mit sich bringt - doch wie steht es um diejenigen, die nicht als schön eingestuft werden? Dies und auch die Frage, ob Schönheit nicht auch negative Konsequenzen haben kann, soll im folgenden Kapitel erörtert werden.

2.5 Die Schattenseite der Schönheit

Wer nicht attraktiv ist, hat es schwer im Leben. [...] Es ist die vielleicht meist unterschätzte aller Diskriminierungen.

(Leber, 2016: S. 1)

Wie zuvor erläutert wird Schönheit in der Regel und meist unbewusst, aber dennoch konsequent, sowohl in unserem Sprachgebrauch als auch in der Literatur als etwas Positives eingestuft. Nichtsdestotrotz gilt es zu beachten, dass die die Debatte um das Schön-Sein Schattenseiten haben kann, die insbesondere Jugendliche stark beeinflussen. Selbst Personen, die in das gängige Schönheitsideal passen, sehen sich laut Görtler mit Nachteilen konfrontiert, und an erster Stelle stehen hier Vorurteile und eine generelle Sexualisierung der als schön eingestuften Person (vgl. Görtler, 2012: S. 16). Basierend auf den Forschungsergebnissen, welche die Bevorzugung von schönen Menschen belegen, behauptet Görtler, dass in jeglichen Fällen des Alltags, in denen Personen anhand ihres Aussehens beurteilt werden, insbesondere Frauen nur begrenzt die Möglichkeit hätten, ihre Qualitäten zu beweisen, da sie ohnehin nur hinsichtlich des geltenden Schönheitsideals beachtet und eingeschätzt würden (vgl. Görtler, 2012: S. 25). Des Weiteren könnte es auch sein, dass schöne Personen in Bewerbungsgesprächen nicht aufgrund ihrer Unattraktivität, sondern wegen ihrer Schönheit diskriminiert würden, falls der Personalmanager die Befürchtung habe, Konkurrenz gegen sich selbst einzustellen (vgl. Leber, 2016: S. 3). Neid gegenüber attraktiven Menschen und die Annahme, sie hätten ohnehin schon genug Vorteile aufgrund ihres Aussehens, führen laut Leber dazu, dass sie im Verkehr öfter bedrängt und im Büro ausgeschlossen würden, zudem hätten überdurchschnittlich schöne Frauen weniger Partner, da sie einschüchternd wirken würden (vgl. ebd.).

Problematisch an der Bevorzugung schöner Menschen ist jedoch vor allem, dass wenn es jemanden gibt, der als schön tituliert wird, es im Umkehrschluss auch jemanden geben muss, der als hässlich eingeordnet wird, weil er nicht in das gängige Schönheitsideal passt. Die Vorteile, die im vorangegangenen Kapitel elaboriert wurden, wirken sich zum Nachteil derjenigen aus, die nicht als schön wahrgenommen werden, also als durchschnittlich oder hässlich. Dadurch, dass eben Schönheit eine solche Entscheidungskraft bezüglich unseres sozialen Lebens besitzt, würde die Wichtigkeit eines attraktiven Äußeren nochmals betont (vgl. Görtler, 2012: S. 30). Auch Etcoff erinnert daran, dass nicht nur Schönheit zu Bevorzugung führe, sondern folglich auch Hässlichkeit zu Ausschließung und sogar Diskriminierung (vgl. Etcoff, 2001: S. 34). Langer bezieht dieses Risiko insbesondere auf die Idealvorstellung des Körpers, welches vorausgesetzt wird, und erklärt dass der politisch korrekte Körper leistungsfähig, gesund, perfekt und schön sein soll. Wer diesem Ideal nicht entspricht, läuft in unserer - nur scheinbar toleranten - Gesellschaft Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden, wie alte, kranke oder übergewichtige Menschen, oder gänzlich aus ihr herauszufallen, wie z.B. behinderte Kinder durch Schwangerschaftsabbruch nach einem positiven pränataldiagnostischen Befund (Langer, 2016: S. 58).

Auch Leber verweist auf die Konsequenzen des Lookismus und behauptet, die Bevorzugung der Schönen habe zur Folge, dass eine Diskriminierung entstehe, die von allen unterschätzt werde, aber allgegenwärtig sei (vgl. Leber, 2016: S. 1). Diese reiche so weit, dass laut dem Wirtschaftswissenschaftler Hamermesh ein unattraktiver Erwachsener aufgrund der Benachteiligungen, die er erfährt, einen Schaden von durchschnittlich 300000 Dollar habe (vgl. Leber, 2016: S. 2). Die Aussagen der Autoren werden gestützt durch Umfragen mit Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren, die hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen ihrem Aussehen und ihrem Wohlbefinden befragt wurden (vgl. Müller, 2011: S. 252). Eines der eindeutigsten Ergebnisse der Studie war, dass die Jugendlichen, unabhängig von deren Geschlecht, die Meinung vertreten, gutes Aussehen habe einen großen Einfluss darauf, ob man positiv von seinem Umfeld aufgenommen werde (vgl. ebd.). Vondiesen Ergebnissen ausgehend behauptet Müller zudem, dass es für die gesunde Entwicklung des Selbstkonzepts von Jugendlichen eines gesunden und als schön wahrgenommenen Körpers bedürfe (vgl. Müller, 2011: S. 253). Auch Görtler stützt die These und weist darauf hin, dass sich unattraktive Teenager nach schlechten Erfahrungen in sozialen Situationen abkapseln und ein negatives Selbstkonzept entwickeln (vgl. Görtler 2012, S. 18).

Die Selbstwahrnehmung würde in vielen Fällen, vor allem bei weiblichen Jugendlichen, davon beeinflusst, wie deren Umfeld auf sie reagiert und sie wahrnimmt. Insbesondere Mobbing und negative Äußerungen über das eigene Aussehen würden die Jugendlichen nicht nur kurzfristig, sondern auch über Jahre hinweg bezüglich ihres Selbstbildes und somit ihres Selbstbewusstseins beeinflussen. Müller erläutert, dass Studien mit Studierenden belegen, dass sich Kritik aus der Jugendzeit in die Selbstwahrnehmung festsetzen und auch im Erwachsenenalter präsent sein könne. (vgl. Müller, 2011: S. 253)

Auch eine der Studien der Kosmetikmarke Dove aus dem Jahr 2004 belegt, dass vor allem für Frauen ein schönes Aussehen entscheidend für ihr Selbstbewusstsein und ihre Zufriedenheit sei, da 48% aussagten, sie fühlten sich generell schlechter, wenn sie sich als weniger hübsch empfinden (vgl. Fehling, 2010: S. 357). Im folgenden Jahr wurden 3300 Frauen zwischen 15 und 64 Jahren aus Brasilien, Kanada, China, Deutschland, Italien, Japan, Mexiko, Saudi-Arabien, Großbritannien und USA befragt, und die Ergebnisse stimmen mit den vorigen Annahmen überein: 67% der Befragten kapseln sich ab und ziehen sich aus dem sozialen Raum zurück, falls sie sich nicht schön fühlen (vgl. Fehling, 2010: S. 366). Dem kommt hinzu, dass 87% aller Probandinnen aus Deutschland mindestens ein körperliches Merkmal optimieren würden, wenn sie könnten und über ein Drittel sich gewünscht hätte, sich früher öfter mit ihrer Mutter über Schönheitsideale und Selbstwahrnehmung unterhalten zu haben (vgl. ebd.).

Ein weiterer Kritikpunkt hinsichtlich der Schönheitsthematik ist, dass es inzwischen üblich sei, Schönheit als obligatorische Eigenschaft von Weiblichkeit vorauszusetzen (vgl. Görtler, 2012: S. 22). Völlig selbstverständlich würde Frauen, die nicht in das aktuelle Schönheitsideal passen, unterstellt, sie verlören einen Teil ihrer geschlechtlichen Identität und könnten folglich keine Wirkung auf Männer haben (vgl. Görtler, 2012: S. 51). Des Weiteren würde ebendiesen Frauen auch Tätigkeiten in höheren Ämtern erschwert; so verunglimpfe man beispielsweise weibliche Politikerinnen sehr viel öfter und respektloser hinsichtlich ihres Aussehens (vgl. ebd.).

Die signifikanteste Entwicklung hinsichtlich der Problematik des Schön-Seins scheint gemeinhin zu sein, dass Schönheit nicht mehr als zufälliger biologischer Vorteil angesehen wird, sondern als etwas, das man beeinflussen, erreichen oder sich erarbeiten kann. Folglich werden Personen, die die geltenden Schönheitsideale nicht erfüllen, nicht nur als hässlich, sondern auch als antriebslos betrachtet. Dies bestätigt auch Bieger, indem sie hervorhebt, dass das Erreichen eines Schönheitsideals gleichgesetzt werden könne mit einem sozialen Aufstieg. Sie erläutert, dass die grundsätzliche Annahme sich etabliert habe, dass mit genug Ehrgeiz, Motivation und Disziplin jede selbstständige Person auch das Ideal des schönen Körpers erreichen könne. Aus dieser Theorie resultiere zudem, dass denjenigen, die keinen schönen Körper vorweisen können, unterstellt werde, sie hätten schlichtweg nicht genug Energie investiert, um diesen zu erreichen, und seien somit nicht nur unattraktiv, sondern auch noch unsozial, weil sie sich für einen als ungewöhnlich und ungepflegt kategorisierten Körper entschieden hätten. (vgl. Bieger, 2008: S. 57)

Auch Duve bestätigt dieses Phänomen und macht darauf aufmerksam, dass unperfektes Aussehen nicht mehr akzeptiert und als biologisch vorgegeben hingenommen würde, sondern die Gesellschaft dazu neige, fehlende Schönheit der persönlichen Inkompetenz der betroffenen Person zuzuschreiben (vgl. Duve, 2004: S. 62). Vor allem hinsichtlich des Schönheitsmerkmals der Schlankheit seien in den letzten Jahren Vorwürfe dieser Art entstanden: Außenstehende würden dickere oder übergewichtige Frauen beschuldigen, selbst Schuld an ihrem Äußeren zu tragen und nicht genug Zeit und Fleiß darin zu investieren, abzunehmen (vgl. Götte, 2015: S. 23). Infolgedessen würden ebendiese Frauen zusätzlich zu der Benachteiligung aufgrund ihres Äußeren auch noch hinsichtlich ihres Charakters stigmatisiert, da ihnen Faulheit und Charakterschwäche unterstellt werde - denn schließlich gelte Schlankheit als ein Gut, dass man sich verdienen muss und setzte somit Zielstrebigkeit und Ehrgeiz voraus (vgl. ebd.). Somit kann man daraus schließen, dass die Einstellung, Schönheitsideale könnten mit genug Energie und Willenskraft erreicht werden, die Gesellschaft unter Druck setzt, ununterbrochen nach den vorgegebenen Idealen zu streben, ohne sie zu hinterfragen und diejenigen auszuschließen, die dies nicht tun wollen oder es auch schlichtweg nicht schaffen.

Überdies sieht sich die Gesellschaft durch die Kommerzialisierung der Schönheit und den allgegenwärtigen Medien, die ständig schönes Aussehen präsentieren, überall und pausenlos mit der Thematik konfrontiert. Die Konsequenzen dessen sind insofern immens, da die Gesellschaft nicht nur Schönheit als Kapital betrachtet und unattraktive Menschen stigmatisiert und diskriminiert, sondern auch, weil ein konstanter Vergleich stattfindet. Eine Studie der englischen Wohltätigkeitsorganisation Royal Society for Public Health (RSPH) zeigt, dass beispielsweise Probandinnen nach der Nutzung der App Facebook - und somit nach dem Betrachten schöner Personen, die auf der Plattform präsentiert werden - ein negativeres Selbstbild haben als diejenigen, die die App nicht nutzten (vgl. RSPH, 2013: S. 10). Man kann also schlussfolgern, dass die omnipräsente Thematik der Schönheit insbesondere Frauen unter Druck setzt, sich dem dargestellten und scheinbar von den Meisten erfüllten Schönheitsideal anzupassen, wobei im Falle fehlenden Erfolges deren Selbstwertgefühl leide (vgl. Wache, 2018: S. 25). Ebendiese Problematik fasst Wolf schon 1990 auf und führt sie fort, indem sie erläutert, dass man in den meisten Fällen den wahren Konfliktpunkt nicht zu erkennen vermag: Dieser sei nicht die Frage, ob eine Frau sich dafür entscheide, Schmuck oder Make-Up zu verwenden, ab- oder zuzunehmen oder die Möglichkeiten der Schönheitschirurgie zu nutzen, sondern schlichtweg, dass sie sich nicht freiwillig dazu entscheiden könne und stattdessen den gesellschaftlichen Zwängen unterliege, dies zu tun. Wolf fasst ohne Umschweife zusammen: „Kosmetik wird erst dann zum Problem, wenn Frauen sich ohne sie nicht wahrgenommen fühlen“ (Wolf, 1990: S. 387).

3. Schönheitsideale

Als Prototyp gegenwärtiger Schönheit gilt ein Fotomodell mit der Körpergröße eines Mannes, der Taille eines Kindes und dem Gewicht einer Unterernährten.

(Langer, 2016: S. 57)

Nachdem in den vorigen Kapiteln diskutiert wurde, ob und wie Schönheit definiert werden kann, soll nun die Thematik der gängigen Schönheitsideale thematisiert werden. Unschwer zu erkennen ist die Kritik in dem einleitenden Zitat Langers, welche die in der Modebranche erwünschten Proportionen kritisiert.

3.1 Schönheitsnormen im Wandel der Zeit

Früher versprach die Schönheitsindustrie vor allem, den Alterungsprozess zu verhindern oder wenigstens aufzuhalten. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke kommt noch eine Dimension hinzu: Jeder, der die richtige Makeup­Palette, die richtige Schmink-Technik und ein Smartphone besitzt, kann aussehen wie ein Star.

(Braun, 2018: o.S.)

Bevor im Detail die aktuell als „schön“ titulierten Merkmale erläutert werden, sollte nochmals darauf verwiesen werden, dass es zahlreiche Vertreter der Theorie gibt, es sei keine intrinsische und unveränderliche Motivation, bestimmte Merkmale als schön zu empfinden. Damit gehen wir nochmals auf die Thematik des Kapitels „Über Geschmack lässt sich nicht streiten - oder doch?“, ein, doch beziehen die Fragestellung auf konkrete Schönheitsnormen. Deutlich kritisiert wird die Theorie der evolutionsbedingten Schönheitsideale von Wolf, welche betont, dass es eine Illusion der westlichen Gesellschaft sei zu glauben, es gebe die einzige richtige Form von Schönheit und nur Frauen seien dieser unterlegen (vgl. Wolf, 1990: S. 14). Als Gegenbeweis zählt sie sowohl das Volk der Maori auf, die eine dicke Vulva als die schönste wahrnehmen, als auch die Padung, welche wiederum hängende Brüste vorziehen würden (vgl. ebd.). An dieser Stelle gilt es, auf Gründl zu verweisen, der in Kapitel 2.3 als Befürworter der evolutionsbedingten und berechenbaren Schönheitsformel zitiert wird: Laut diesem habe über die Jahre hinweg die bevorzugte Brustgröße von Frauen zwar variiert, jedoch seien hängende und schlaffe Busen schon immer unerwünscht gewesen (vgl. Gründl, 2004: 31). Hier wird deutlich, dass seine schlüssig erscheinende Theorie Lücken und Fehler hat, denn wie auch Wolf erwähnt, gibt es in der Tat Kulturkreise, in denen hängende Brüste vorgezogen werden, auch wenn es in unserer westlichen Gesellschaft schwer vorstellbar ist, da sich das Schönheitsideal fester, straffer Brüste seit Jahren tief verwurzelt hat. Eine ähnliche evolutionsbiologische Ursache vermutet Gründl hinter dem Schönheitsideal der künstlichen Brüste und erklärt dieses damit, dass sie als übersteigerte Reize dienen würden (vgl. Gründl, 2004: S. 32).

Auch das Verwenden von Lippenstift und Rouge ordnet er dem Zweck zu, männliche Aufmerksamkeit zu erregen, da beides sexuelle Erregung vortäusche (vgl. Gründl, 2004: S. 29). Ferner sei der gängige Trend der augenvergrößernden Schminktipps Ergebnis des Kindchenschemas, das man zu erfüllen versuche und auch der Jugendwahn sei immer noch präsent (vgl. Gründl, 2004: S. 30). Eine glatte, faltenfreie Haut gehört heute noch zur Schönheitsnorm, doch die ausgeprägte Abneigung gegen Zeichen des Alters soll nochmals in den folgenden Kapiteln genauer thematisiert werden.

Obwohl einige der aktuellen Schönheitsideale die evolutionsbiologische Formel der Schönheitsrechnung bestätigen - schmale Gesichter, hohe Wangenknochen, kleine Nasen und Kinnpartien, gesunde und volle Lippen - so gibt es dennoch Fälle, in denen Schönheitsnormen und -ikonen aus dem Raster fallen. Laut der Taillen-Hüft Theorie Seibts und Wicklers müsste die Hüfte der idealen Frau ein Drittel mehr Umfang haben als ihre Taille (vgl. Wickler, Seibt, 1998: S. 208) - doch wie können dann Frauen wie Naomi Campell oder Kate Moss zu internationalen Sexsymbolen werden? Wie können die Berechnungen, auf die Gründl Bezug nimmt, stimmen, laut derer braune Haut als Statussymbol gilt (vgl. Gründl, 2004: S. 12), während weltweit immer noch hautaufhellende Cremes trotz gesundheitlicher Risiken in Massen verkauft werden (vgl. Patalong, 2013: o.S.)? Vollkommen selbstsicher schreibt Gründl noch 2004 darüber, dass Schönheit berechenbar sei und die Schönheitsideale eine biologische Ursache hätten, in den meisten Fällen mit dem Kindchenschema erklärbar (vgl. Gründl, 2004: S. 12). Er behauptete zudem:

Darüber, welche Haarfarbe am schönsten ist, kann man sich streiten. Doch in einem sind sich alle einig - graue Haare sind es nicht, denn auch sie sind ein Zeichen des Alters. Wohl kaum jemand käme auf die Idee, sich seine Haare grau zu färben, um seine Attraktivität zu steigern. (Gründl, 2004: S. 16).

Er konnte nicht voraussehen, dass im Oktober 2016 ein neuer Trend von Haarfarben auftauchen, in der Frauenzeitschrift Brigitte für Überschriften sorgen würde wie „Graue Haare sind das neue blond!“ (Brigitte.de, 2016: o.S.) und sogar bis Oktober 2018 in der Zeitschrift Vogue ankommen würde unter dem Titel „Graue Haare sind der Klassiker der Zukunft“ (Vogue.de, 2018: o.S.).

Wolf hingegen betont, es könne gar nicht sein, dass Schönheitsideale evolutionsbedingt sind, da sie sich zu rasch weiterentwickeln würden (vgl. Wolf, 1990: S. 14). Auch Zöbinger verweist auf die zahlreichen Methoden in diversen Kulturen, die zur Verschönerung des Körpers angewandt wurden und auch teilweise heute noch werden, die aber absolut nicht in das Schönheitsideal passen, das wir heutzutage zu haben glauben. Dazu zählen vor allem schmerzhafte Prozeduren wie die eingebundenen Lotusfüße in Japan, die Verlängerung von Frauenhälsen durch Ringe in Burma oder die Dehnung von Ohr- und Lippenlöchern in Südamerika (vgl. Zöbinger, 2003: S. 4). Geiger macht zudem darauf aufmerksam, dass das Bemühen, bestimmte Schönheitsmerkmale zu erreichen, nicht nur kultur- sondern auch schon immer zeitspannenübergreifend präsent gewesen sei und schließt daraus, dass dies wohl eine menschentypische Eigenschaft sein müsse (vgl. Geiger, 2008: S. 18). Nichtsdestotrotz wird sich die folgende Ausarbeitung vorzugsweise mit den Schönheitsidealen beschäftigen, die zurzeit vorherrschen und sich auf die SuS auswirken.

Den wohl bedeutendsten Wandel habe die Schönheit insofern vollzogen, dass sie inzwischen nicht mehr als biologisch vorgegebenes Schicksal angesehen wird, sondern als ein Kapital, das man sich erarbeiten und optimieren könne (vgl. Götte, 2015: S. 1). Das Problem hierbei ist laut Geiger, dass das Streben nach Schönheit zum Scheitern verurteilt sei (vgl. Geiger, 2008: S. 15). Sie vergleicht die Bemühungen, sich selbst zu verschönern, indem man sich frisiert, ab- oder zunimmt oder schminkt mit dem Versuch, ein besserer Künstler zu werden, indem man sich am Malen nach Zahlen versucht (vgl. ebd.).

Dennoch spielt das Erreichen bestimmter Schönheitsideale im Alltag der SuS eine große Rolle, da die Erinnerung daran allgegenwärtig ist. Laut den Zahlen der Frankfurter Neuen Presse vom 02.12.2017 gaben deutsche Bürger in dem Jahr 2016 13,6 Millionen Euro für Kosmetikartikel aus (vgl. Balk, 2017: o.S.). Am meisten investiert worden seiin die Haut-, Gesichts- und Haarpflege, auch die Zahnhygiene und Bartpflege rücke immer weiter in den Fokus (vgl. ebd.). Schlussendlich sei es bemerkenswert, dass junge Frauen früher lediglich ein Basiskönnen in Bezug auf Make-Up vorweisen konnten, es inzwischen jedoch üblich sei zu lernen, „wie man einen Menschen transformiert, also die Gesichtszüge durch die richtige Technik markanter oder weicher erscheinen lässt, die Augenform ändert oder die Lippen voluminöser gestaltet“ (Braun, 2018: o.S.).

3.2 Die Hautfarbe im Wandel der Zeit

Eine gebräunte Haut wird paradoxerweise mit Gesundheit und Glück assoziiert - der vielleicht wichtigsten Währung in hochindividualisierten Gesellschaften.

(Bruckner, 2017: o.S.)

Ein Schönheitsideal, das definitiv dem Wandel der Zeit zum Opfer gefallen ist, ist das der weißen, hellen Haut. Ausgehend von dem Sprichwort „der Adel war schon immer blass“, war es früher eine kollektive Annahme, dass helle Haut Wohlstand, eine gute Herkunft und einen hohen sozialen Standard symbolisiert. Auch Wickler und Seibt verweisen auf die Veränderung der vorgezogenen Hautfarbe und erinnern daran, dass braun gebrannte Haut harte Arbeit repräsentiert, und hellere Haut Freizeit und Entspannung verkörpert habe (vgl. Wickler, Seibt, 1998: S. 209). Inzwischen habe sich die Annahme umgekehrt und blasse Haut symbolisiere längere Arbeitszeiten in Büros, während man aus brauner Haut schließe, der Betroffene hätte reichlich Zeit für Urlaub am Strand (vgl. ebd.). Auch Gründl nimmt Bezug auf das Schönheitsideal der braun gebrannten Haut und erläutert dieses, indem er es als Statussymbol interpretiert, da es Reichtum, Gesundheit und Jugend symbolisiere (vgl. Gründl, 2004: S. 24).

3.3 Der Kampf gegen die weibliche Behaarung

Das weibliche Schönheitsideal will es so: Haare an Achseln, Beinen und Co. müssen weg.

(Janning, o.D.: o.S.)

In ähnlicher Weise hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz bezüglich weiblicher Körperbehaarung immens gewandelt. Prof. Dr. med. Wolff berichtet 2011 in einem Interview mit der Zeitschrift Gynäkologie, dass sich immer mehr Patientinnen nach dem Ideal voller und gesunder Haare sehnen, jedoch ausschließlich auf dem Kopf - jegliche restliche Körperbehaarung abwärts der Wimpern sei unerwünscht (vgl. Wolff, 2011: o.S.). In den meisten Fällen liege auch keine Krankheit oder Hormonstörung vor, die Patientinnen seien nur enorm unter Druck gesetzt und suchten somit eine Lösung beim Gynäkologen (vgl. ebd.). Auch Posch stellt fest, dass sich Körperbehaarung inzwischen zu einem Tabuthema entwickelt habe und für Scham bei Betroffenen sorge, da es als unweiblich wahrgenommen werde (vgl. Posch, 2009: S. 121). Sie vergleicht die Thematik mit Essstörungen und Medikamentenabhängigkeit und betont, dass insbesondere Gesichtsbehaarung für ausgeprägte Schamgefühle sorge (vgl. ebd.). Gründl erklärt sich das Schönheitsideal rasierter Frauen - insbesondere rasierter Achseln - damit, dass sie ein Zeichen von Jugendlichkeit seien und somit in die evolutionsbiologisch bedingte Schönheitstheorie passen würden (vgl. Gründl, 2004: S. 31). Eine glatte, haarfreie Haut ist aber inzwischen nicht nur an den Beinen, unter den Achseln und an den Armen vorausgesetzt, sondern vor allem im weiblichen Genitalbereich.

In ihrem Essay „Der Kampf um die Vulva hat begonnen“ erläutert Meßmer das in den letzten Jahren aufgekommene Ideal des weiblichen Genitals. An dieser Stelle berichtet sie über die Veröffentlichung eines deutschsprachigen Wikipedia -Artikels, welches die Vulva thematisiert und als Anzeigebild eine geöffnete, behaarte Vulva zeigt. Die Reaktion hierauf sei unerwartet und übermäßig gewesen, zahlreiche Beschwerden seien eingegangen mit der Aufforderung, das verwendete Bild durch ein dezenteres, unauffälligeres zu ersetzen. Auffällig sind an dieser Stelle einige Aspekte. Erstens hatte es noch nie eine solche Diskussion aufgrund einer Abbildung der männlichen Geschlechtsteile gegeben. Des Weiteren habe das Bild vor allem aus zwei Gründen Aufsehen erregt: Einerseits, weil es keine geschlossene Vulva ist, die abgebildet wird, und andererseits, weil sie nicht rasiert ist. Im Zuge der Diskussion belächeln einige Internetuser die Beschwerden und verweisen darauf, dass dies eben der natürliche Normalzustand eines weiblichen Genitals sei. An dieser Stelle wird uns der Wandel der Schönheitsideale und der außerordentliche Einfluss derer auf unsere Gesellschaft deutlich, denn auf dieses Argument antwortet ein Nutzer, dass das Bild möglicherweise den Naturzustand einer Vulva darstelle, dies aber heutzutage kein Normalzustand mehr sei. (vgl. Meßmer, 2012: S. 126)

[...]

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Die Thematisierung von "schön" und "hässlich" im Ethikunterricht
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
13,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
109
Katalognummer
V536571
ISBN (eBook)
9783346134875
ISBN (Buch)
9783346134882
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethik, Philosophie, Unterrichtsentwurf, Schönheitsideale, Schönheit
Arbeit zitieren
Talia Baskaya (Autor:in), 2018, Die Thematisierung von "schön" und "hässlich" im Ethikunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/536571

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