Going Public. Zur Finanzierung deutscher mittelständischer Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung geeigneter Börsensegmente am in- und ausländischen Kapitalmarkt


Diplomarbeit, 2006

81 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Gang der Arbeit

2 Entwicklungen und Abgrenzungen
2.1 Going Public
2.2 Deutscher Mittelstand
2.2.1 Begriffliche Abgrenzung
2.2.1.1 Nach quantitativen und qualitativen Kriterien
2.2.1.2 Abgrenzung in der vorliegenden Arbeit
2.2.2 Unternehmensfinanzierung im Wandel
2.2.2.1 Probleme der traditionellen Finanzierung
2.2.2.2 Basel II und die Folgen
2.3 Kapitalmarkt
2.3.1 Definition und begriffliche Abgrenzung
2.3.2 Börsenmarkt im Wandel

3 Mittelstandsspezifische Börsensegmente
3.1 Segmente an inländischen Börsenplätzen
3.1.1 Freiverkehr der FWB
3.1.1.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.1.1.2 Beurteilung
3.1.2 Entry Standard der FWB
3.1.2.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.1.2.2 Beurteilung
3.1.3 Gate-M der Stuttgarter Wertpapierbörse
3.1.3.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.1.3.2 Beurteilung
3.1.4 M:access der Münchner Wertpapierbörse
3.1.4.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.1.4.2 Beurteilung
3.2 Segmente an ausländischen Börsenplätzen
3.2.1 Alternative Investment Market der LSE
3.2.1.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.2.1.2 Beurteilung
3.2.2 Alternext der Wertpapierbörsenvereinigung Euronext
3.2.2.1 Anforderungen und Folgepflichten
3.2.2.2 Beurteilung
3.3 Kritische Würdigung

4 Going Public – Anforderungen und Möglichkeiten
4.1 Überblick und Abgrenzung
4.2 Planungsphase
4.2.1 Vor- und Nachteile einer Börsennotierung
4.2.2 Börsenreife des Unternehmens
4.2.2.1 Wirtschaftliche
4.2.2.2 Rechtliche
4.2.3 Kalkulierung der Emissionskosten
4.2.4 Auswahl der Emissionsbegleiter
4.3 Strukturierungsphase
4.3.1 Due Diligence
4.3.2 Equity Story
4.3.3 Unternehmensbewertung
4.3.4 Wertpapierverkaufsprospekt
4.4 Platzierungsphase
4.4.1 Bestimmung der Investorengruppen
4.4.2 Aktienmarketing
4.4.3 Bookbuilding und Erstnotierung
4.5 Nach dem Börsengang
4.5.1 Kursstabilisierung und Greenshoe
4.5.2 Investor Relations
4.6 Kritische Würdigung

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Mittelstandsdefinition nach quantitativen und qualitativen Merkmalen

Abb. 2: Vergleich der Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen

Abb. 3: Differenzierung des Kapitalmarktes

Abb. 4: Motive für einen Börsengang nach prozentualer Gewichtung

Abb. 5: Ablauf des Going Public-Prozesses

Abb. 6: Phasen des Bookbuilding

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Mittelstandsdefinition des ifm, Bonn

Tab. 2: Möglichkeiten des Rechtsformwechsels

1 Einleitung

Es geht darum, sich ein Kapital zu bilden, das nie ausgeht.

( Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832)

1.1 Problemstellung

Die Finanzierungsprobleme mittelständischer Unternehmen sind schon lange ein viel erörtertes Thema in der öffentlichen Diskussion. Die genauen Gründe für diese Misere lassen sich allerdings nicht genau bestimmen. Es ist vielmehr das Zusammenspiel mehrerer entscheidender Faktoren. Ein durch Globalisierung verschärfter Konkurrenzkampf auf den Produktion- und Absatzmärkten in Kombination mit fehlenden Geldern für Innovationen, die eine Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten würden. Das Geld fehlt, weil die Banken als wesentliche bisherige Finanzierungsquelle des Mittelstandes ihre Kreditvergabe restriktiv eingeschränkt haben. Durch zahlreiche Kreditausfälle aufgrund hoher Insolvenzahlen der letzten Jahre und im Zuge von Basel II haben sie die Anforderungen für Firmenkredite deutlich erhöht. So wirkt sich ein gutes Abschneiden im Rating der Banken auch positiv für die Kreditvergabe aus. Ein gutes Rating erhält das Unternehmen aber nur, wenn es eine gesunde Bilanz mit niedriger Verschuldung und hoher Eigenkapitalquote vorweisen kann. Aber gerade die Eigenkapitalquote ist im deutschen Mittelstand sehr niedrig oder gar nicht vorhanden, da die Unternehmen aufgrund ihrer engen, teilweise sogar abhängigen Beziehung zu den Banken schon immer eine ausgeprägte Fremdkapitalfinanzierung betrieben. In dieser Situation müssen die kleineren und mittleren Unternehmen eine neue Kultur der Unternehmensfinanzierung entwickeln. Weg von der einseitigen Ausrichtung auf Bankkredite und hin zu alternativen Formen der Unternehmensfinanzierung. Dabei dürfen sich die Unternehmen besonders den zahlreichen Finanzierungsformen des Kapitalmarktes gegenüber nicht verschließen. Die aktuelle Entwicklung sowohl am deutschen als auch am europäischen Kapitalmarkt, insbesondere den Wertpapierbörsen zeigt, dass nach der Emissionsflaute der letzten Jahre neues Potential für die Börseneinführung eines Unternehmens besteht. So gibt es alleine an den deutschen Börsenplätzen mittlerweile drei neue Handelssegmente, die nach eigenen Aussagen der Börsen speziell für kleinere und mittlere Betriebe konzipiert seien. Darüber hinaus existieren mit dem AIM an der Londoner Börse und dem Handelssegment Alternext der Börsenvereinigung Euronext zwei Kandidaten für eine ausländische Notierung mittelständischer Unternehmen.

1.2 Zielsetzung

Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es, das Going Public, d.h. die Börseneinführung eines Unternehmens als eine alternative Form der Finanzierungsmöglichkeit für einen Mittelständler vorzustellen und dabei die wesentlichen Schritte des Emissionsprozesses nach dem Kenntnisstand der Literatur konstruktiv kritisch zu beschreiben. In diesem Zusammenhang werden zusätzlich die zuvor erwähnten neuen Börsensegmente kritisch auf ihre mögliche Eignung für die Platzierung der Aktien eines mittelständischen Unternehmens überprüft.

1.3 Gang der Arbeit

Das zweite Kapitel gibt zunächst eine kurze Definition des Going Public. In der Folge werden die Begriffe Mittelstand und Kapitalmarkt begrifflich abgegrenzt und eine Darstellung der bisherigen Entwicklung in diesen Bereichen gegeben. Im anschließenden dritten Kapitel werden die mittelstandsspezifischen Börsensegmente des deutschen Börsenmarktes sowie ein entsprechendes an der Londoner Börse und eines der Börsenvereinigung Euronext analysiert und jeweils einzeln kritisch im Hinblick auf eine mögliche Emission eines mittelständischen Unternehmens beurteilt. Im letzten Kapitel wird der Prozess des Going Public in vier Phasen eingeteilt und die wichtigsten Punkte jeder Phase werden im Wesentlichen erklärt. Dabei werden die für einen Mittelständler wichtigen Vor- und Nachteile sowie die Kosten einer Börseneinführung genauer analysiert.

2 Entwicklungen und Abgrenzungen

2.1 Going Public

Mit dem Begriff des Going Public bezeichnet man im originären Sinne den reinen Rechtsformwechsel eines Unternehmens hin zu einer börsenfähigen Form wie z.B. der AG.[1] In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff für die Beschreibung desjenigen Prozesses verwendet, bei dem im Zuge einer Kapitalerhöhung eines bisher nicht-börsennotierten Unternehmens dessen Aktien zum öffentlichen Verkauf angeboten und danach erstmalig in einen Börsenhandel einbezogen werden. In der Öffentlichkeit werden häufig die Begriffe IPO (Initial Public Offering), Erstemission oder einfach nur Börseneinführung synonym verwendet.

2.2 Deutscher Mittelstand

Der Mittelstand ist ein Anker, der das manchmal schwerfällige Schiff unserer Volkswirtschaft in konjunkturellen Stürmen hält und ein Motor, der es zu neuen Ufern treibt.

(Norbert Lammert, CDU, MdB seit 1980)

2.2.1 Begriffliche Abgrenzung

Der Begriff „Mittelstand“ trat erstmalig in der Zeit des Mittelalters auf und kennzeichnete dort die Selbstständigen und Gewerbetreibenden des städtischen Bürgertums.[2]

Diese waren innerhalb der damals vorherrschenden Ständegesellschaft zwischen den oben stehenden Adligen und der unteren Landbevölkerung als „mittlerer Stand“ positioniert.[3] Diese Beschränkung auf die Gruppe der Selbstständigen und Kleingewerbetreibenden scheint zwar auch heute noch in der Vorstellung mancher Leute zu existieren, entspricht aber längst nicht mehr den realen Verhältnissen. Der Begriff des Mittelstands, international auch als SME (Small and Mid Size Enterprises) oder zu Deutsch KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) bezeichnet, umschreibt eine wesentlich über den Bereich der kleineren Betriebe hinausreichende Gruppe von Unternehmen, die in der deutschen Volkswirtschaft eine zentrale Rolle einnehmen und von Politiker auch oft „das Rückrat der gesamtem Wirtschaft“ genannt werden.[4]

Dessen ungeachtet ist es allerdings bis heute trotz vieler Forschungsarbeiten zu diesem Thema nicht gelungen, eine allgemeingültige Definition bzw. genaue Abgrenzung zu Großunternehmen in der Fachliteratur zu etablieren.[5] Aus statistischen Gründen erscheint die Bewertung nach rein quantitativen Kriterien durchaus sinnvoll. Es werden dabei bestimmte, leicht zu erfassende Kennzahlen der Unternehmensgröße, wie z.B. der Mitarbeiterzahl verwendet, um Definitionsgrenzen festzulegen.[6] Für viele Fachleute ist diese Methode allein allerdings zu ungenau[7], da mittelständische Unternehmen auch Unterschiede qualitativer Art gegenüber Großunternehmen aufweisen, wie z.B. die des Führungsstiles, die für eine Definitionsfindung ebenso berücksichtigt werden müssen.[8]

2.2.1.1 Nach quantitativen und qualitativen Kriterien

Quantitative Merkmale haben den Vorteil der einfachen Erhebungsmöglichkeit für statistische Auswertungen. Hierbei haben sich in der Vergangenheit die Verwendung der Anzahl von Mitarbeitern und die Höhe des Jahresumsatzes als Kennzahlen betrieblicher Unternehmensgröße durchgesetzt.[9] Allgemein anerkannt ist mittlerweile die Definition des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an: http://www.ifm-bonn.org

Tab. 1: Mittelstandsdefinition des IfM, Bonn

Statistische Erhebungen nach dieser Definition unter Beachtung der zusätzlichen Prämisse eines steuerpflichtigen Jahresumsatzes von mind. 17.500 EUR ergaben für das Jahr 2003 eine Existenz von ca. 3 Mio. Unternehmen in Deutschland.

Die Gruppe der Betriebe kleiner und mittlerer Größe hatten daran einen Anteil von 99,7% und beschäftigten 70,2% der gesamten Arbeitnehmer.[10] Dies bestätigt die bereits erwähnte Bedeutung des Mittelstandes innerhalb der Wirtschaft.

Die Verwendung rein quantitativer Merkmale reicht allerdings wie bereits erwähnt nicht aus, den Mittelstand in seinen wesentlichen Zügen von Großunternehmen abzugrenzen. So weist Pfohl darauf hin, dass Unternehmen des mittelständischen Sektors gegenüber Großunternehmen in nahezu allen betrieblichen Funktionsbereichen besondere qualitative Eigenschaften aufweisen[11], wie z.B. Einheit von Eigentum, Haftung und Leitung und damit wirtschaftlicher Existenz des Betriebes in einer Person.[12]

Diese Merkmale messbar zu erfassen, wird jedoch häufig kritisch betrachtet. So zeigen WOLTER/HAUSER und KRAMER, dass die Rechtsform des Unternehmens die Haftung des Eigentümers per Gesetz beschränken kann oder dass auch kleinere Unternehmen angestellte Manager beschäftigen, die nicht finanziell am Unternehmen beteiligt sind.[13]

Nebenstehende Abbildung verdeutlicht die genannten Ungenauigkeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an: Wallau, F. (2001), S. 23

Abb. 1: Mittelstandsdefinition nach quantitativen und qualitativen Merkmalen

Es zeigt sich also, dass eine Abgrenzung unter Berücksichtigung beider Kriterien zwar sinnvoll ist, dass die Definitionsmerkmale selbst jedoch nicht als rein statisch gesehen werden dürfen. Sie müssen also immer wieder an die sich ändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Begebenheiten angepasst werden.

2.2.1.2 Abgrenzung in der vorliegenden Arbeit

Die folgenden Ausführungen werden sich auf mittelständische Unternehmen beziehen, die quantitativ gesehen bis zu 500 Mitarbeiter beschäftigen, ihre Gründungsphase bereits durchlaufen und sich in ihrem jeweiligen Marktumfeld etabliert haben. Im Hinblick auf qualitative Aspekte sind die Unternehmen rechtlich und wirtschaftlich selbstständig, wodurch Tochtergesellschaften und Konzernunternehmen ausgeschlossen werden. Die Unternehmensleitung liegt in den Händen eines Alleineigentümers oder geschäftsführenden Gesellschafters, der offen gegenüber alternativen Formen der Finanzierung und einer damit einhergehenden aktiven Informationspolitik ist. In der Studie „mind“ aus dem Jahre 2003 wird ein solcher Unternehmertyp als „der Kreative“ bezeichnet und sein Anteil in der gesamtem Gruppe deutscher, mittelständischer Unternehmer mit ca. 25% beziffert.[14] Ebenso verfügen die Unternehmen über ein gut funktionierendes Rechnungswesen und Controlling als Grundlage eines effizienten Informationssystems.[15]

2.2.2 Unternehmensfinanzierung im Wandel

2.2.2.1 Probleme der traditionellen Finanzierung

Eine Hauptursache für die grundlegende Schwäche in den finanziellen Strukturen des Mittelstandes ist die geringe Eigenkapitalquote[16], d.h. die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals im Vergleich zur gesamten Bilanzsumme. So zeigt eine aktuelle Studie der Creditreform, dass über 60% der mittelständischen Unternehmen eine Eigenkapitalquote von weniger als 20% und gerade einmal ca. 22% der Unternehmen eine solidere Quote von mehr als 30% aufweisen.[17] Signifikant ist hierbei auch die relativ hohe Anzahl von Betrieben mit äußerst geringer Eigenkapitalausstattung von unter 10%, die vor allem im kleineren Sektor mit bis zu 9 Beschäftigten anzutreffen sind. Im Vergleich dazu liegen international die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten mittelständischer Unternehmen zum Teil wesentlich höher, so z.B. in Frankreich bei 32%, in Spanien bei ca. 38% und in den USA sogar bei ca. 45%.[18]

Küffer sieht die hohe Substanzbesteuerung und den fehlenden bzw. erschwerten Kapitalmarktzugang als Hauptgründe für diese Entwicklung.[19] Ist einem Unternehmen die externe Beschaffung von Eigenkapital nicht möglich, muss es dieses durch Innenfinanzierung, d.h. durch das Einbehalten der Gewinne, selbst generieren.[20] Durch die in Deutschland allerdings relativ hohe Unternehmensbesteuerung kann dies nur in geringem Maße erfolgen.[21] Das ist insofern beunruhigend, da die Eigenkapitalbasis von fundamentaler Bedeutung für jedes Unternehmen ist[22], denn das Eigenkapital steht dem Unternehmen i.d.R. unbefristet zur Verfügung und trägt somit zur Dauerfinanzierung bei.[23] Im Falle einer niedrigen Eigenkapitalquote ist diese Funktion beeinträchtigt.

Deutsche mittelständische Unternehmen bedienen sich neben der Innenfinanzierung daher traditionell der Fremdkapitalfinanzierung, zum größten Teil in Form von Bankkrediten, um eine dauerhafte Liquidität zu erreichen.[24] Diese typische Hausbankfinanzierung[25] deutscher Mittelständler funktionierte, solange die Banken[26] durch hohe Margen am Kreditgeschäft verdienen konnten. Ausgelöst durch weltweite Veränderungen im Finanzsektor nahmen diese jedoch stetig ab[27] und die lange konjunkturelle Stagnation seit Anfang des Jahrzehnts bewirkte einen Umbruch des bisherigen Hausbankprinzips.[28] Durch viele Unternehmensinsolvenzen[29] stieg die Zahl der Kreditausfälle enorm an. Allein im Jahr 2000 verminderten diese Ausfälle die Teilbetriebsergebnisse aller inländischen Kreditinstitute um fast 60%.[30] Zudem hatten viele Institute hohe Verluste im Anlagegeschäft zu verzeichnen, so dass die Gesamtergebnisse deutlich geringer ausfielen.[31] Die Kreditinstitute mussten ihr Kreditgeschäft grundlegend reformieren und im Gegensatz zur früheren Pauschalabsicherung die Risikopotentiale eines jeden Kreditengagements einzeln überprüfen und bewerten. In der Folge stieg die Zahl der Kreditverweigerungen an Unternehmen aufgrund fehlender Haftungssubstanz z.B. in Form von ausreichendem Eigenkapital.[32]

In der Öffentlichkeit wurde fälschlicherweise die etwa zeitgleiche Diskussion über die Einführung einer neuen internationalen Eigenkapitalvereinbarung für Banken, kurz als `Basel II´ bezeichnet, als alleiniger Grund für dieses restriktivere Verhalten angesehen. Sie forcierte in Deutschland jedoch lediglich die bereits laufenden Planungen der Banken über die Einführung einer risikodifferenzierteren Gestaltung der Konditionen für Unternehmenskredite.[33]

2.2.2.2 Basel II und die Folgen

Der 1974 in Basel gegründete Ausschuss für Bankenaufsicht, in dem Vertreter der Bankaufsichtsbehörden und Zentralbanken der G-10-Staaten[34] sowie Luxemburg sitzen, zeichnet sich für die Erarbeitung von `Basel II´ verantwortlich.[35] Dabei handelt es sich um Vorgaben an Kreditinstitute, die von der EU in Richtlinien übernommen und damit in die nationale Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten eingeführt werden. Diese sollen primär die Stabilität der weltweiten Finanzsysteme durch einheitliche Standards gewährleisten.

Die erstmalig im Jahre 1999 vorgelegte und seitdem aufgrund vieler Kritikpunkte mehrfach überarbeitete neue Eigenkapitalvereinbarung ist eine Weiterentwicklung der derzeit noch geltenden ersten Eigenkapitalvereinbarung von 1988 und wird ab dem Jahre 2006 offiziell in Deutschland eingeführt.[36] Ausschlaggebend für die Überarbeitung waren die ineffiziente Risikogewichtung und daraus resultierende, zu knapp kalkulierte Standardrisikokosten für Firmenkredite.[37] Dies bewirkte eine unökonomische Verteilung der Eigenkapitalressourcen der Kreditinstitute und hatte den zusätzlichen Effekt, dass Unternehmen besserer Bonität aufgrund der standardisierten Risikoprämien relativ höhere Zinsen zahlten als Unternehmen schlechterer Bonität.[38]

Eine der wichtigsten Neuerungen ist daher die nach individuellem Risiko und Bonität des Kreditnehmers gewichtete Eigenkapitalunterlegung von Krediten.[39] Eine zentralere Rolle in der Risikomessung als bisher nimmt hierbei zukünftig das Rating ein, d.h. die Beurteilung und Bewertung des Unternehmens und dessen wirtschaftlicher Insolvenzgefährdung[40]. Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapital muss die Bank hinterlegen, desto höher sind ihre Kapitalkosten, die in Form eines höheren Zinssatzes an den Kreditnehmer, d.h. das Unternehmen weitergegeben werden. Für die durch das Rating zu ermittelnde Risikoziffer sind nicht nur quantitative Größen, wie z.B. typische finanzwirtschaftliche Kennzahlen aus der Unternehmensbilanz, ausschlaggebend.

Vermehrt werden auch unternehmensübergreifende, qualitative Kriterien, wie z.B. Unternehmensleitung, Controlling- und Risikomanagementsysteme, Branchenumfeld und Wettbewerbssituation betrachtet, die als Indikator für dessen zukünftige Entwicklung entscheidend sind.[41] Die Unternehmen werden demnach die Informations- und Kommunikationspolitik gegenüber ihren Kapitalgebern besonders im Hinblick auf ihr Rating wesentlich transparenter gestalten müssen.[42]

AHRWEILER/BÖRNER sehen im Rating für einen Mittelständler aber auch die Chance, sowohl die Schwachpunkte innerhalb seines Betriebes aufzudecken und zu beheben als auch die Möglichkeit, sich aufgrund eines positiven Urteils neue finanzielle Ressourcen zu erschließen.[43] Diese Frage der alternativen Finanzierung und gerade die externe Beschaffung von Eigenkapital ist hierbei ein wichtiger Aspekt, zumal eine ausreichend hohe Eigenkapitalquote das Rating überaus positiv beeinflusst.[44]

Für die in obiger Abgrenzung vorgestellte Gruppe der größeren Mittelständler ist besonders die Finanzierung über den organisierten Kapitalmarkt in Form einer Kapitalerhöhung durch die erstmalige Emission neuer Aktien nicht nur aufgrund aktueller Entwicklungen[45] sondern auch in Hinblick auf die in nachfolgender Darstellung gezeigte höhere durchschnittliche Eigenkapitalquote börsennotierter Aktiengesellschaften eine attraktive Alternative.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Entnommen aus: DAI Factbook 2004

Abb. 2: Vergleich der Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen

2.3 Kapitalmarkt

2.3.1 Definition und begriffliche Abgrenzung

Auf dem Finanzmarkt treffen gesamtwirtschaftliches Kapitalangebot und –nachfrage aufeinander und werden nach ihren jeweiligen Präferenzen, wie z.B. Anlage- und Investitionsdauer, zusammengeführt.[46] Der Finanzmarkt wird generell anhand des Kriteriums der Fristigkeiten der in ihm stattfindenden Geschäfte in zwei Untermärkte differenziert: den Geldmarkt, auf dem Finanztransaktionen kurzfristiger Art, d.h. unter einem Jahr Laufzeit, abgewickelt werden, und den Kapitalmarkt i.w.S. der sämtliche Transaktionen mittel- und langfristiger Dauer umfasst.[47]

Für eine genauere Darstellung lässt sich der Kapitalmarkt ferner weiter in einen organisierten und nichtorganisierten sowie einen Primär- und Sekundärmarkt unterteilen. Der organisierte Kapitalmarkt ist im Gegensatz zum nichtorganisierten durch die Existenz gesetzlicher oder privatrechtlicher Regelungen gekennzeichnet und i.d.R. von dauerhafter Art. Als Indikator für den Organisationsgrad bedient man sich der, dem jeweiligen Finanzgeschäft zugrunde liegenden Transaktionskosten, wobei der Grad der Marktorganisation umso höher ausfällt je niedriger diese sind.[48]

Der Wertpapiermarkt[49] ist das Kernstück des organisierten Kapitalmarktes und wird zusammen mit dem darauf stattfindenden Handel als Kapitalmarkt i.e.S. bezeichnet.[50] Dieser Handel kann innerhalb oder außerhalb öffentlicher Börsenplätze stattfinden. Öffentliche Börsenplätze, die einen wesentlich höheren Organisationsgrad aufweisen, lassen sich des Weiteren in den Primär- und Sekundärmarkt aufgegliedern.[51] Auf dem Primärmarkt, auch Emissionsmarkt genannt, findet die eigentliche Kapitalaufnahme statt, indem das jeweilige Unternehmen erstmalig oder wiederholt Wertpapiere zum direkten Kauf ausgibt. Diese werden danach auf dem Sekundär- oder auch Zirkulationsmarkt gehandelt.[52]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehung an: Perridon, L., Steiner, M. (2002), S. 169

Abb. 3: Differenzierung des Kapitalmarktes

Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass die Beschaffenheit und Organisation des jeweiligen Sekundärmarktes den Primärmarkt entscheidend beeinflusst. Je höher die Liquidität des Sekundärmarkthandels ist, d.h. je schneller ein Investor seine Wertpapiere zu marktkonformen Preisen wieder veräußern kann, desto attraktiver erscheint das Wertpapier der jeweiligen Investorengruppe. Aufgrund dessen kann das emittierende Unternehmen am Primärmarkt einen höheren Ausgabekurs für seine Wertpapiere festlegen und dadurch seine durch die Emission entstehenden Kapitalkosten entscheidend senken.[53]

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird abgrenzend nur Bezug auf den Kapitalmarkt i.e.S. und dessen Unterform des öffentlichen Börsenhandels mit seinen Ausprägungen des Primär- und Sekundärmarktes genommen.

2.3.2 Börsenmarkt im Wandel

In der Politik und Wirtschaft besteht nicht erst seit kurzer Zeit ein Interesse, kleineren und mittelständischen Unternehmen aus Gründen der vielfältigeren Finanzierungsmöglichkeiten den Zugang zum organisierten Kapitalmarkt zu ermöglichen.[54]

Aus diesen Überlegungen heraus entstand bereits 1987 der Geregelte Markt als zweites, gesetzlich geregeltes Marktsegment neben dem Amtlichen Handel. Die im Vergleich zum Amtlichen Handel geringeren, gegenüber dem privatrechtlich geregelten Freiverkehr jedoch deutlich höheren Publizitätsanforderungen an eine Notierungsaufnahme sollten dieses neue Segment besonders für mittelständische Unternehmen und deren potentielle Investoren attraktiv machen. Trotz des ausbleibenden Erfolgs hat sich diese Dreiteilung des Börsenhandels bis heute erhalten.[55]

Angeregt durch den Erfolg technologischer Werte in eigens dafür gebildeten Segmenten an internationalen Börsenplätzen, schuf die FWB 1997 mit dem Neuen Markt ein spezielles Handelssegment für kleinere Unternehmen.[56] Dieses Segment wurde bereits nach kurzer Zeit von Werten der TMT-Branche (Technologie, Medien, Telekommunikation) dominiert. Diese befanden sich überwiegend noch in der Gründungsphase und waren somit zwar völlig unrentabel, doch durch das allgemein bekannte Phänomen der sog. `New-Economy-Blase´ und die dadurch verursachte Masseneuphorie an den Kapitalmärkten erreichte der Neue Markt zeitweise ein extrem überdurchschnittliches Wachstum.[57] Nach dem Platzen dieser Blase und dem Bekannt werden vermehrter Betrugsfälle im Management zahlreicher im Neuen Markt gelisteter Unternehmen erlebte das Segment einen nahezu zwei Jahre andauernden Kurssturz, bis es schließlich im März 2003 von der FWB geschlossen wurde.[58] Die Folgen waren neben einem enormen Vertrauensverlust seitens der Investoren, besonders der Privatanleger, ein starker Rückgang der Neuemissionen und im Jahr 2003 sogar ein Erliegen der Emissionstätigkeit.

[...]


[1] Vgl. Zacharias, E. (2000), S. 34

[2] Vgl. Rauen, P. (1999), S. 14

[3] Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 13

[4] Vgl. Krimphove, D., Tytko, D. (2002), S. 4; Rauen, P. (1999), S. 15

[5] Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 14; Wallau, F. (2001), S. 17; Wolter, H.-J., Hauser, H.-E. (2001), S. 29

[6] Vgl. Wallau, F. (2001), S. 17

[7] Vgl. Perlitz, M. et al. (1998), S. 3

[8] Vgl. Scherer, H.-W. (2003), S. 144 f.

[9] Vgl. Krimphove, D., Tytko, D. (2002), S. 4

[10] Vgl. Wallau, F. (2005), S. 3 ff.

[11] Vgl. Pfohl, H.-C. (1997), S. 19 ff.

[12] Vgl. Kayser, G. (2003), S. 6; Wolter, H.-J., Hauser, H.-E. (2001), S. 30

[13] Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 17; Wolter, H.-J., Hauser, H.-E. (2001), S. 30 ff.

[14] Vgl. Impulse Magazin (2003), S. 34 ff.

[15] Vgl. Schröder, G. A. (2003), S. 58

[16] Vgl. Fentz, V. (2004), S. 13; Geisel, B. R. (2004), S. 8,

[17] Vgl. Creditreform (2005b), S. 19 ff.

[18] Vgl. Bankenverband (2005), S. 10

[19] Vgl. Küffer, K. (1992), S. 28 ff.

[20] Vgl. Rasch, S. (1996), S. 35

[21] Vgl. Köster, T. (2003), S. 9 f.; Zacharias, E. (2000), S. 50 ff.

[22] Vgl. Küffer, K. (1992), S. 28

[23] Vgl. Fentz, V. (2004), S. 21

[24] Vgl. Audretsch, D., Elston, J. (1997), S. 97; Gerke, W. (1997), S. 99 f.; Kramer, K.-H. (1999), S. 85

[25] Anm.: Als Hausbankbeziehung, -finanzierung, o.ä. wird im Allgemeinen eine langfristige und stabile Geschäftsbeziehung eines Unternehmens zu einer präferierten Bank bezeichnet, die durch eine hohe Zahl an Transaktionen und die vertrauliche Weitergabe von internen Firmeninformationen an die betreuende Bank gekennzeichnet ist. Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 86

[26] Anm.: Die Begriffe Bank und Kreditinstitut werden im weiteren Verlauf synonym verwendet

[27] Vgl. Paul, S., Stein, S. (2002); S. 53, Schöning, S. (2004), S. 132

[28] Vgl. Rudolf, S. (2005), S. 18 ff.

[29] Vgl. Creditreform (2005a), S. 2 ff.

[30] Vgl. Paul, S., Stein, S. (2002), S. 27

[31] Vgl.Fischer, T. R. (2003), S. 119 f.; Wambach, M., Wunderlich, D. (2004), S.8

[32] Vgl. Creditreform (2005b), S. 28 f.; Hofmann, N. (2004), S. 30; Hommel, U., Schneider, H. (2004), S. 580

[33] Vgl. Hofmann, G. (2004), S. 1204; Köster, T. (2003), S. 17 f.; Rudolf, S. (2005), S. 22; Schöning, S. (2004), S. 134

[34] Anm.: Mitgliedsländer der G-10-Gruppe sind: USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien, Niederlande, Schweden, Japan und die Schweiz (trat 1983 bei, der Name wurde trotz 11 Staaten beibehalten).

[35] Vgl. Paul, S., Stein, S. (2002), S. 29

[36] Vgl. Hofmann, G. (2004), S. 1202

[37] Vgl. Schöning, S. (2004), S. 133

[38] Vgl. Paul, S., Stein, S. (2002), S. 33; Schöning, S. (2004), S. 133

[39] Vgl. Fischer, T. R. (2003), S. 123

[40] Vgl. Hofmann, N. (2003), S. 120; Kley, C. R. (2004), S. 515,

[41] Vgl. Ahrweiler, S., Börner, C. J. (2003), S. 27 f.; Geisel, B. R. (2004), S. 13; Hofmann, N. (2003), S. 121; Küting, K., Ranker, D., Wohlgemuth, F. (2004)

[42] Vgl. Schöning, S. (2004), S. 134

[43] Vgl. Ahrweiler, S., Börner, C. J.(2003), S. 31; Fischer, T. R. (2003), S. 129

[44] Vgl. Geisel, B. R. (2004), S. 9

[45] Vgl. Scherer, H.-W. (2003), S. 160 f.; Steinbach, M. (2005), S. 45

[46] Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 89 f.; Rasch, S. (1996), S. 26

[47] Vgl. Beck, H., Seitz, J. (2001), S. 33

[48] Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 88 f.

[49] Anm.: Auf dem Wertpapiermarkt werden sowohl Fremdkapitaltitel (Schuldverschreibungen) als auch Eigenkapitaltitel (Aktien) und deren Mischformen gehandelt.

[50] Vgl. Gerke, W. et al.(1995), S. 14 f.; Kramer, K.-H. (1999), S. 88 f.; Rasch, S. (1996), S. 26,

[51] Vgl. Perridon, L., Steiner, M. (2002), S. 169

[52] Vgl. Beck, H., Seitz, J. (2001), S. 39; Gerke, W. et al.(1995), S. 14 f.

[53] Vgl. Gerke, W. (1995), S. 15; Perridon, L., Steiner, M. (2002), S. 170; Rasch, S. (1996), S. 26 f.

[54] Vgl. Rasch, S. (1996), S. 21

[55] Vgl. Ders., S. 114

[56] Vgl. Bessler, W., Kurth, A. (2004), S. 59; Weiler, L. (1999), S. 26 f.

[57] Vgl. Bessler, W., Kurth, A. (2004), S. 60; Matejka, W. (2001), S. 1072 f.

[58] Vgl. Bessler, W., Kurth, A. (2004), S. 69; Krimphove, D. (2005), S. 38

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Going Public. Zur Finanzierung deutscher mittelständischer Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung geeigneter Börsensegmente am in- und ausländischen Kapitalmarkt
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
81
Katalognummer
V53615
ISBN (eBook)
9783638490177
ISBN (Buch)
9783640256211
Dateigröße
871 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Going, Public, Finanzierung, Unternehmen, Berücksichtigung, Börsensegmente, Mittelstand, Börse, Kapitalmarkt, IPO, Börsengang, Aktien, Unternehmensfinanzierung, Initial Public Offering, Going Public, Börsennotierung
Arbeit zitieren
Markus Jansen (Autor:in), 2006, Going Public. Zur Finanzierung deutscher mittelständischer Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung geeigneter Börsensegmente am in- und ausländischen Kapitalmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53615

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Going Public. Zur Finanzierung deutscher mittelständischer Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung geeigneter Börsensegmente am in- und ausländischen Kapitalmarkt



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden