Die Überschuldung privater Haushalte Gründe, Verfahren, Folgen


Diplomarbeit, 2005

51 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Vorwort

2. Von der Verschuldung zur Überschuldung
2.1. Definition „Verschuldung“ und „Überschuldung“
2.1.1 Definition „Verschuldung“
2.1.2. Definition „Überschuldung“
2.2. Die Ver- und Überschuldungssituation der privaten
Haushalte in Deutschland
2.2.1. Die Überschuldungssituation in Deutschland
2.2.2. Die Verschuldungssituation in Deutschland
2.2.3. Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen
2.3. Gründe für die Verschuldung
2.4. Gründe für die Überschuldung
2.5. Typologisierung von Schuldnern nach Reiter
2.6. Die Strukturen der verschuldeten Haushalte
2.6.1. Alter der Klientel der Schuldnerberatungsstellen
2.6.2. Familienstand und Einkommen der Klientel
der Schuldnerberatungsstellen

3. Verfahrensmöglichkeiten bei Ver- bzw.
Überschuldung
3.1. Die Eidesstattliche Versicherung
3.2. Exkurs: „Die alte Konkurs- und Vergleichsordnung“
3.3. Exkurs: „Die Insolvenzordnung“
3.4. Das Verbraucherinsolvenzverfahren
3.4.1. Verbraucher im Sinne der InsO
3.4.2. Prozesskostenhilfe
3.4.3 Die Insolvenzgründe
3.4.4. Der Ablauf des Verfahrens
3.4.4.1. Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan
3.4.4.2. Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan
3.4.4.3. Das Vereinfachte Insolvenzverfahren
3.5. Die Restschuldbefreiung
3.5.1. Voraussetzungen zur Restschuldbefreiung
3.5.2. Der Treuhänder
3.5.3. Versagensgründe der Restschuldbefreiung
3.5.4 Obliegenheiten des Schuldners während der Laufzeit
der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensperiode)
3.5.5 Die Entscheidung des Gerichts über die Restschuldbefreiung

4. Die Folgen der Überschuldung
4.1. Die Auswirkungen der Verbraucherinsolvenz und Rest-
schuldbefreiung für Gläubiger und Schuldner, Gegenüber-
stellung der unterschiedlichen Interessen und Ziele
4.1.1. Die Ziele und Interessen der Gläubiger
4.1.2. Die Auswirkungen der InsO für die Gläubiger
4.1.3. Die Ziele und Interessen der Schuldner
4.1.4. Die Auswirkungen der InsO für die Schuldner
4.2. Gesamtwirtschaftliche und soziale Betrachtung
4.2.1. Wirtschaftliche Folgen der Überschuldung
4.2.2. Soziale Folgen der Überschuldung

5. Abschließende Analyse
5.1. Kritikpunkte der InsO
5.2. Fazit und Ansatzpunkte bezüglich der Verbraucherver-
und Überschuldung in Deutschland

Anhang

Literatur-und Quellenverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

1. Einführung und Vorwort

Das Problem der Ver- und Überschuldung natürlicher Personen ist auch in der Bundesrepublik in das öffentliche Bewusstsein gerückt, denn finanzielle Notlagen, die früher eher ein Problem der ärmeren Bevölkerungsschichten Deutschlands oder der Obdachlosen waren, sind heutzutage keine Randerscheinung mehr. In Zeiten, in denen Kreditaufnahme und Verschuldung normale wirtschaftliche Vorgänge darstellen, aber gleichzeitig Arbeitslosigkeit, Reallohnverluste und Lebenshaltungskosten stetig ansteigen, geraten immer mehr Kredite in Not und Zahlungsverpflichtungen kann nicht nachgekommen werden. Die Grenze zwischen Verschuldung und Überschuldung wird dann leicht überschritten und die Haushalte geraten in Schuldnerverzug, was neben den finanziellen Problemen meist auch soziale und psychische Probleme mit sich bringt.

Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich mich sowohl mit der Ver- und Überschuldung an sich, als auch mit den Verfahrensmöglichkeiten und den Folgen beschäftigen, die sich aus der Ver- bzw. Überschuldung ergeben.

In Kapitel zwei meiner Arbeit betrachte ich zunächst die Ursachen der Ver- und Überschuldung in Deutschland. Ich werde einen Überblick geben, wie sich die Situation der privaten Haushalte zurzeit darstellt und unterschiedliche Definitionen zur Ver- und Überschuldung aufzeigen. Des Weiteren gibt die Arbeit eine Typologisierung der Schuldner und eine Untersuchung der Strukturen der betroffenen Haushalte wieder.

Im dritten Kapitel stelle ich die verschiedenen Verfahrensmöglichkeiten bei Überschuldung dar, gebe einen kurzen Exkurs zur alten Konkurs- und Vergleichsordnung (KO) sowie zur neuen Insolvenzordnung (InsO) mit ausführlichen Darstellungen zu den Themen Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich dann mit den Folgen der Ver- und Überschuldung, sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich und Umfeld der Betroffenen. Die Auswirkungen der InsO für Gläubiger und Schuldner und die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Interessen der beiden Gruppen sind ebenso Thema des Kapitels.

Die abschließende Analyse in Kapitel fünf enthält neben Resümee und Kritik bezüglich der Insolvenzordnung auch Fazit und Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen bezüglich der Ver- und Überschuldung in Deutschland.

2. Von der Verschuldung zur Überschuldung

Die Kreditaufnahme der privaten Haushalte ist zu einem wesentlichen Element der wirtschaftlichen Entwicklung geworden. Da sich konsumorientierte Lebensstile immer weiter ausbreiten, hat sich Verschuldung für breite Bevölkerungskreise zu einer akzeptierten und genutzten wirtschaftlichen Handlungsweise entwickelt[1]. Bei dem vertraglichen Verhältnis, das Schuldner und Gläubiger eines Kredites miteinander eingehen, gehen beide Parteien davon aus, dass der Kredit samt Zinsen ordnungsgemäß zurückgezahlt wird. Konstitutives Element dabei ist, dass die Schulden erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezahlt werden, was bei privater Verschuldung bedeutet, dass der Kreditgeber dem Kreditnehmer einen Kredit auf ein Arbeitseinkommen vergibt, welches der Kreditnehmer erst in Zukunft erwirtschaften wird. Solange das Arbeitseinkommen in Zukunft in gleicher Höhe erzielt wird und die Ausgaben des privaten Haushaltes nicht erheblich steigen, kann den Zahlungsverpflichtungen meist nachgekommen werden. Verändert sich jedoch die wirtschaftliche Lage des Haushaltes durch individuell kritische Einschnitte in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kreditnehmer wie etwa Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit oder sonstige unvorhersehbare Fremdeinflüsse, kann es leicht zu Zahlungsschwierigkeiten kommen. Die Kredite geraten in Not und die Maschinerie der diversen Inkassomaßnahmen der Gläubiger setzt ein. Der Schuldner befindet sich schnell im sogenannten „modernen Schuldenturm“[2] wieder und die Schuldenspirale beginnt sich zu drehen.

Der Übergang von Verschuldung zu Überschuldung ist meist fließend. Laut Reis[3] lässt sich dieser Prozess in fünf Phasen darstellen:

1. Phase: Kreditaufnahme

Im Moment der Kreditaufnahme verschulden sich die Haushalte. Bei den wenigsten ist jedoch in dem Moment bereits eine Überschuldung festzustellen. Vielmehr befinden sich die meisten Haushalte noch in überschaubaren finanziellen Verhältnissen („Krisenschuldner“). Nur eine Minderheit befindet sich in dieser Phase schon in latenter Überschuldung („Armutsschuldner“).

2. Phase: Finanzielle Belastung als Folge unvorhergesehener Ereignisse

Durch unvorhergesehene Ereignisse, die meist eine negative Veränderung der Einkommenslage mit sich bringen, gerät die bereits enge Kalkulation der Haushalte ins Schwanken.

Diese Phase stellt meistens den Auslöser für langwierige finanzielle Schwierigkeiten dar.

3. Phase: Versuch die finanziellen Schwierigkeiten mit eigenen Mitteln zu beheben

In dieser Phase werden Anstrengungen unternommen, die finanzielle Krise zu meistern. Es wird versucht, die Einkommensseite zu steigern und gleichzeitig die Ausgaben des Haushaltes zu minimieren. Oft werden neue Kredite zur Ablösung jener Kredite aufgenommen, bei denen es zu Störungen kam. Da die Aufnahme neuer Kredite oft mit erhöhten Kosten verbunden ist, wird die finanzielle Situation nur kurzfristig verbessert und langfristig sogar verschlimmert.

Meist treten in der Phase auch Probleme im sozialen Umfeld auf.

4. Phase: Zahlungsverzug

Scheitern die in Phase drei unternommenen Versuche die finanzielle Situation des Haushaltes zu verbessern und/oder treten neue Belastungen auf, kommt es zum Zahlungsverzug. Stundungen, Kreditkündigungen, Umschuldungen und Verzugszinsen bringen neue Kosten mit sich, welche die bereits angespannte finanzielle Lage noch weiter strapazieren.

Im ungünstigsten Fall droht den Schuldnern der „moderne Schuldenturm“, dann, wenn trotz Zahlungen nur noch Kosten und Verzugszinsen beglichen werden können, jedoch keinerlei Tilgung der Hauptforderung mehr erfolgt.

5. Phase: Kumulation von Schulden

Durch den Zahlungsverzug in Phase vier treten neue Verbindlichkeiten auf, oft können Miete und Energieschulden nicht mehr bezahlt werden. Der Haushalt hat keine Möglichkeiten mehr den Zahlungsforderungen nachzukommen und es kommt zur Kumulation von Schulden.

Diese Verschuldungssituation, die definitiv eine Überschuldung darstellt, können die Haushalte selten alleine bewältigen, sie benötigen professionelle Hilfe. Je nach Ausmaß der Überschuldung kann es zum Verlust des Giro-kontos und damit zum Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr kommen. Weitere Folgen können Energiesperre, familiäre und soziale Probleme bis hin zum Verlust der Wohnung sein.

2.1. Definition „Verschuldung“ und „Überschuldung“

Die beiden Begriffe sind seit den 90er Jahren verstärkt in die wissenschaftliche Diskussion geraten, weil es keine einheitliche Definition dazu gibt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat daher im Jahre 2003 der Forschungsgruppe GP in München den Auftrag erteilt, eine Literaturrecherche zur wissenschaftlichen Definition der beiden Begriffe durchzuführen. Diese wurde im April 2003 von Dr. Dieter Korczak veröffentlicht[4].

2.1.1. Definition „Verschuldung“

Ergebnisse der oben genannten Untersuchung waren u. a.:

„Eine Schuld oder Verschuldung ist das Ergebnis einer vertraglichen Beziehung zwischen einem Kreditgeber (Gläubiger) und einem Kreditnehmer (Schuldner), dessen Inhalt die zeitweilige Überlassung der Verfügungsmacht über eine bestimmte Geldsumme mit der Verpflichtung (dem Versprechen) der Rückzahlung ist.“[5]

„Ich bezeichne mit Verschuldung im Konsumentenkredit den Umstand, dass ein Haushalt Zahlungsverpflichtungen eingegangen ist, und zwar zur Tilgung von Krediten, die bei Banken zu Zwecken der Konsum-finanzierung aufgenommen wurden.“[6]

In den verschiedenen gesammelten Definitionen wird ersichtlich, dass Verschuldung:

Eingehen einer vertraglichen Beziehung ist,

in dieser Beziehung gegenseitige Leistungen definiert werden,

die Nichterfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen zu Sanktionen führt,

Schuldenaufnahme zur Befriedigung sozialer, konsumptiver oder investiver Bedürfnisse dient und

Verschuldung ein zeitlich begrenzter Vorgang ist.[7]

Allgemein kann man sagen, dass Verschulden das Eingehen von Zahlungsverpflichtungen und das Vorhandensein von Schulden darstellt.

2.1.2. Definition „Überschuldung“

Ergebnisse der unter Punkt 2.1. genannten Untersuchung zum Begriff „Überschuldung“ waren u. a.:

„Von Überschuldung kann man sprechen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, d. h., wegen eines andauernden, nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen Geldverbindlichkeiten im Wesentlichen nicht erfüllen kann.“[8]

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.“[9]

„Überschuldung ist die Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, die zu einer ökonomischen und psychosozialen Destabilisierung von Schuldnern führt. Überschuldung bedeutet daher nicht alleine, dass nach Abzug der fixen Lebenshaltungskosten der verbleibende Rest des monatlichen Einkommens für zu zahlende Raten nicht mehr ausreicht, sondern birgt auch massive soziale und psychische Konsequenzen in sich.“[10]

Das BMFSFJ selbst definiert „Überschuldung“ folgendermaßen:

„Ein Privathaushalt ist dann überschuldet, wenn Einkommen und Vermögen über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen.“[11]

Prof. Dr. Claus Reis definiert Überschuldung ähnlich. Für ihn ist ein Haushalt überschuldet, wenn er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, oder nur in der Weise nachkommen kann, dass er seinen Lebensstandard derart einschränken müsste, dass ein menschenwürdiges Leben nach den Kriterien der Sozialhilfe[12] nicht mehr möglich ist.[13]

Generell lässt sich sagen, dass Überschuldung immer dann vorliegt, wenn die Einnahmen nach Abzug der Ausgaben für den Lebensunterhalt nicht ausreichen, um die finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen.

2.2. Die Ver- und Überschuldungssituation der privaten Haushalte in Deutschland

Das BMFSFJ beschäftigt sich im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig mit der Armuts- und Verschuldungssituation der privaten Haushalte in Deutschland. So wurde zum einen im Jahre 2000 ein Gutachten durch das BMFSFJ in Auftrag gegeben um die Überschuldungssituation in Deutschland zwischen 1988 und 1999 durch die GP-Forschungsgruppe München näher zu betrachten. Zum anderen wurde die Bundesregierung im Jahre 2000 durch den Bundestag beauftragt, regelmäßig einen Armuts- und Reichtumsbericht, im Folgenden ARB genannt, zu erstatten. Diesem ist das BMFSFJ nun schon zum zweiten Mal nachgekommen und hat den zweiten ARB „Lebenslagen in Deutschland 2003“[14] in Auftrag gegeben, welcher am 2. März 2005 verabschiedet und veröffentlicht wurde.

2.2.1. Die Überschuldungssituation in Deutschland

Laut diesem zweiten ARB hat sich die Überschuldung der privaten Haushalte zwischen 1999 und 2002 erhöht. Die Gesamtzahl der überschuldeten Haushalte stieg mit 2,77 Millionen (1999) auf insgesamt 3,13 Millionen (2002) um 13% an. Im Jahr 2002 waren 8,1 % der insgesamt 38,7 Millionen deutschen Haushalte überschuldet.[15]

Weitere Ergebnisse des zweiten ARB bezüglich Ursachen und Auslöser der Überschuldung waren[16]:

Es ist zu erkennen, dass die Überschuldung vor allem ein Problem der Menschen im mittleren Lebensalter ist.

Die Betroffenen besitzen meist eher niedrige Bildungsabschlüsse und oft mangelnde berufliche Qualifikationen.

Außerdem sind die betroffenen Haushalte und Personen überdurchschnittlich häufig in den unteren Einkommensbereichen zu finden.

Das Erwerbseinkommen bildet in Westdeutschland bei 47 % der überschuldeten Haushalte die Haupteinkommensquelle, wogegen in Ostdeutschland mit 43 % das Arbeitslosengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe die Haupteinkommensquelle darstellen.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Überschuldeten meist immer mehrere Gläubiger haben, so sind das laut ARB: Kreditinstitute (70 %), Versandhandel (42 %), Behörden (42 %), Telefongesellschaften (27 %) und Mietschulden (Ost: 32 %, West: 18 %).

Die Höhe der Schulden ist in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich: Bis 10.000 € Schulden hatten in den neuen Bundesländern 52 % der Schuldner, in den alten dagegen nur 22 %. Schulden über 50.000 € hatten im Westen 25 % und im Osten 15 % der Schuldner.

Als Ursachen, die laut der Haushalte in die Überschuldung geführt haben, wurden verschiedene Gründe angegeben, u. a.: Unfall/Krankheit/Tod (13 %), gescheiterte Selbstständigkeit (21 %), Trennung/Scheidung (23 %), Arbeitslosigkeit (23 %), Niedrigeinkommen (8 %), überhöhter Konsum/unwirtschaftliche Haushaltsführung (21 %) und Sonstiges wie z. B. Bildungsdefizite/Unerfahrenheit, Sucht, gescheiterte Immobilienfinanzierung oder die Geburt eines (weiteren) Kindes (17 %).

2.2.2. Die Verschuldungssituation in Deutschland

Der Überschuldung geht zwangsläufig eine Verschuldung voraus. Laut der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank hat sich die Verschuldung der privaten Haushalte seit 1999 wie folgt entwickelt:[17]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als Konsumentenkredite gelten „sämtliche gewerbliche bereitgestellten Darlehen an Privatpersonen für den privaten Konsum mit einer befristeten Laufzeit sowie die eingeräumten Überziehungskredite (sog. Dispositionskredite) auf Lohn- und Gehaltskonten.“[18]

Anhand der o. g. Zahlen ist zu erkennen, dass die durchschnittliche Verschuldung der privaten Haushalte in den letzten Jahren stetig angestiegen ist.

Die Betrachtung der letzten 25 Jahre zeigt, dass das Konsumentenkreditgeschäft in den 80er Jahren relativ konstant gewachsen ist. Anfang der 90er erhöhte sich das Volumen besonders, vor allem durch die Nachfrage aus den neuen Bundesländern. Erst gegen Ende der 90er bewegten sich die Wachstumsraten wieder auf dem Niveau der 80er Jahre.[19] Laut der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank hat sich das Konsumentenkreditvolumen von 1981 (493 Mrd. DM » 252 Mrd. €) zu 2004 (932 Mrd. €) fast vervierfacht.[20]

2.2.3. Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen

Die Anzahl der Verbraucherinsolvenzen [21] hat seit ihrer Einführung 1999 stark zugenommen[22]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3. Gründe für die Verschuldung

Motive, warum Menschen sich verschulden, sind sehr vielfältig. Manche verschulden sich um in Immobilien zu investieren, andere um ihren Konsum zu steigern oder die Lebensqualität zu erhöhen. Bei bereits verschuldeten Haushalten ist die weitere Verschuldung oft aber auch ein Mittel alte Schulden zu begleichen. Private Verschuldung hat sehr viel unterschiedliche Verwendungen und volkswirtschaftlich gesehen ist die Verschuldung durch Konsumentenkredite durchaus gewünscht.

Laut dem in Punkt 2.2. erwähnten GP-Forschungsbericht von 2001 wurde als Verwendungszweck für Kredite Folgendes genannt (Mehrfachnennungen möglich)[23]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4. Gründe für die Überschuldung

So wie es unterschiedliche Gründe für die Kreditaufnahme gibt, sind es auch unterschiedliche Ursachen, die meist in einer Wechselwirkung zueinander stehen, aus der die Überschuldung hervorgeht. Generell kann man unterscheiden zwischen den „systematischen“ und den „unsystematischen“ Ursachen für die Überschuldung.

Der Eintritt eines unvorhergesehenen Ereignisses stellt die häufigste Ursache für den Weg in die Überschuldung dar. Diese individuell kritischen Lebensereignisse mit besonderem Bezug zur eigenen Lebenslage stellen die „unsystematischen“ Ursachen dar[24]. Tritt bei einem verschuldeten Haushalt eine zusätzliche finanzielle Belastung wie z. B. durch Scheidung oder die Geburt eines (weiteren) Kindes ein, oder ist ein Rückgang des Einkommens zu verzeichnen durch Arbeitslosigkeit, Unfall, Krankheit oder der Wegfall eines Einkommens durch die Geburt eines Kindes, setzt sich die Schuldenspirale leicht in Gang und der Weg zur Überschuldung ist geebnet.

Oft fehlen bei einem solchen Eintritt auch weitere ökonomische oder soziale Ressourcen. Sind keinerlei Unterstützungsleistungen durch Eltern oder Freunde möglich, kann ein Haushalt nur schwer die Überschuldung abwenden.

Aber nicht nur die Wechselfälle des Lebens können Faktoren für eine Überschuldung sein. Vielmehr sind es die „systematischen“ Ursachen, die den Weg in die Überschuldung ebnen, weil sie ihre Wirkung systematisch entfalten. Dazu zählen u. a. unzureichende Konsumkompetenz, bestimmte Konsumverhaltensweisen und mangelnde Erziehung in wirtschaftlichen Angelegenheiten[25]. Aber auch die Herkunft spielt eine wichtige Rolle für den Weg in die Überschuldung. So geraten Haushalte mit einer Sozialhilfevergangenheit oder mit Sozialisationsdefiziten im Finanzmanagement schneller in Überschuldungssituationen als solche, die aufgrund ihrer Sozialisation in diesem Bereich Handlungskompetenz erworben haben.[26] Ein wichtiger Punkt ist auch die Bildung, so sind die Erwerbschancen umso schlechter, je geringer die Bildung der Verschuldeten ist.

[...]


[1] Vgl. Korczak, Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 und 1999, 2001, S. XXII

[2] Vgl. Phase 4 – Zahlungsverzug, S. 3

[3] Vgl. Reis, Konsum, Kredit und Überschuldung, 1992, S. 11 ff.

[4] Vgl. Korczak, Definitionen der Verschuldung und Überschuldung im europäischen Raum, 2003,

http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=16254.html

[5] Aus Fußnote 3, S.7: Prognos, Untersuchung zur Verschuldung, Überschuldung und Schuldnerberatung in

NRW, 1993, S. 25

[6] Aus Fußnote 3, S.8: Reis, Verschuldung als Prozess, 1988, S. 56

[7] Vgl. Korczak, Definitionen der Verschuldung und Überschuldung im europäischen Raum, 2003, S. 9

http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=16254.html

[8] Aus Fußnote 3, S.17: Suter, Wagner, Schuldnerberatung und Schuldenregulierung in der sozialen Arbeit,

1986, S. 6

[9] Aus Fußnote 3, S.18: § 19 InsO

[10] Aus Fußnote 2, S.21: Korczak, Pfefferkorn, Forschungsvorhaben zur Überschuldungssituation und

Schuldnerberatung in der BRD, 1990, S. XII

[11] BMFSFJ-Pressemitteilung vom 02.03.2005: Überschuldung – Prävention und Bewältigung,

http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/familie,did=25592.html

[12] Die Kriterien der Sozialhilfe sind im § 20 SGB II geregelt:

Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung,

Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch

Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.

[13] Vgl. Reis, Soziale Arbeit und Schuldnerberatung, 1989, S. 89

[14] 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

http://www.bmgs.bund.de/download/broschueren/A332.pdf

[15] Vgl. 2. ARB der Bundesregierung, 2002, S. 27,

http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/familie,did=25702.html

[16] ebd., S. 27 ff.

[17] Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank, Zeitreihe pq3150: Sonstige Kredite an inländische,

wirtschaftlich unselbstständige und sonst. Privatpersonen / insgesamt / Alle Bankengruppen

http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?func=row&tr=pq3150

[18] Groth, Schuldnerberatung, 1986, S. 66

[19] Vgl. Korczak, Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 und 1999, 2001, S. 31

[20] Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank, Zeitreihe pq3150: Sonstige Kredite an inländische,

wirtschaftlich unselbstständige und sonst. Privatpersonen / insgesamt / Alle Bankengruppen

http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?func=row&tr=pq3150

[21] Zur näheren Erläuterung des Verbraucherinsolvenzverfahrens siehe Kapitel 3.4., S. 17

[22] http://www.creditreform.de/angebot/Downloads_Analysen/Wirtschaftsanalysen/Insolvenzen_Neugr_ndungen_L_schungen_1__Halbjahr_2005.pdf

[23] Vgl. Korczak, Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 und 1999, 2001, S. 27

[24] Vgl. Neuner, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, 2001, S. 118

[25] ebd.

[26] Vgl. Korczak, Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 und 1999, 2001, S. 52

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Die Überschuldung privater Haushalte Gründe, Verfahren, Folgen
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
51
Katalognummer
V53611
ISBN (eBook)
9783638490153
ISBN (Buch)
9783656772132
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Übergang von Ver- zur Überschuldung und typologisiert die verschuldeten Haushalte. Des Weiteren werden die verschiedenen Verfahrensmöglichkeiten (EV, Verbraucherinsolvenz, Restschuldbefreiung) näher dargestellt. Ebenso werden die sozialen und gesamtwirtschaftlichen Folgen der Ver- und Überschuldung beleuchtet, die abschließende Analyse beschäftigt sich mit den Kritikpunkten der InsO und gibt Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation in Deutschland.
Schlagworte
Haushalte, Gründe, Verfahren, Folgen
Arbeit zitieren
Manuela Krämer (Autor:in), 2005, Die Überschuldung privater Haushalte Gründe, Verfahren, Folgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53611

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