Der Zusammenhang von akademischem Selbstkonzept, Prokrastination und Studienerfolg bei Fernstudierenden


Thèse de Bachelor, 2019

55 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Prokrastination
2.1.1 Verortung von Prokrastination im Rubikonmodell von Heckhausen und Gollwitzer (1989)
2.1.2 Akademische Prokrastination
2.1.3 Erfassung von Prokrastination
2.2 Selbstkonzept
2.2.1 Definition und Abgrenzung
2.2.2 Historischer Rückblick
2.2.3 Akademisches Selbstkonzept
2.2.4 Erfassung des akademischen Selbstkonzepts
2.3 Studienerfolg
2.3.1 Determinanten von Studienerfolg
2.3.2 Erf as sung von Studienerfolg
2.4 Erwartungs-mal-Wert-Modell von Wigfield und Eccles (2000)
2.5 Ableitung der Hypothesen
2.5.1 Hypothese 1
2.5.2 Hypothese 2
2.5.3 Hypothesen 3a und 3b
2.5.4 Hypothese 4
2.5.5 Hypothese 5

3. Methode
3.1 Stichprobe
3.2 Durchführung
3.3 Instrumente
3.4 Statistische Analysen

4. Ergebnisse
4.1 Überprüfung der Voraussetzungen
4.2 Deskriptive Statistiken und Interkorrel ationen der relevanten Merkmale
4.3 Hypothesentests
4.3.1 Ergebnisse der Überprüfung von Hypothese 1
4.3.2 Ergebnisse der Überprüfung von Hypothese 2
4.3.3 Ergebnisse der Überprüfung von Hypothesen 3a und 3b
4.3.4 Ergebnisse der Überprüfung von Hypothese 4
4.3.5 Ergebnisse der Überprüfung von Hypothese 5

5. Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Interpretation der Ergebnisse
5.3 Limitationen der vorliegenden Arbeit und Ausblick auf weitere Forschung

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Von den mannigfaltigen Faktoren die den akademischen Erfolg von Studierenden beeinflussen, stehen akademisches Selbstkonzept und Prokrastination im Fokus der vorliegenden Arbeit. Prokrastination ist ein weitverbreitetes Problem, das nicht nur zu Leistungsminderung sondern auch zu hohem, subjektivem Leidensdruck führen kann. In einer Vielzahl von Studien wurde Prokrastinationsverhalten in Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartungen und anderen motivationalen und volitionalen Faktoren untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, in Anlehnung an das Erwartungs-mal-Wert Modell von Wigfield und Eccles (2000) das akademische Selbstkonzept in Zusammenhang mit Prokrastination zu untersuchen sowie ihr Effekt auf Studienerfolg. Wie erwartet konnte ein positiver Effekt von akademischem Selbstkonzept auf den Studienerfolg in Übereinstimmung mit der Literatur und mehreren theoretischen Modellen nachgewiesen werden. Ein negativer Effekt von akademischem Selbstkonzept auf Prokrastinationsverhalten sowie von Prokrastinationsverhalten auf Studienerfolg wurde mit Hilfe von Regressionsanalysen gezeigt. Dabei wurde die mediierende Rolle von Prokrastination belegt. Die moderierende Rolle des akademischen Selbstkonzepts auf den Effekt von Prokrastination auf Studienerfolg konnte nicht belegt werden. Geschlechtsunterschiede im Prokrastinationsverhalten konnten ausgeschlossen werden. Im Anschluss wurden Interventionsmaßnahmen zur Reduktion von Prokrastinationsverhalten diskutiert.

Schlüsselwörter: akademisches Selbstkonzept, Prokrastination, Studienerfolg, Erwartungs-mal-Wert-Modell, Rubikonmodell

Abstract

Among the many factors influencing academic success, this study sets a focus on academic self-concept and procrastination. Procrastination is a wide spread phenomenon that may lead to reduced performance and even to a strong subjective psychological strain. Many previous studies analysed procrastination in relation with self-efficacy and other motivational and volitional factors. The aim of the present study was to look at procrastination in relation with the academic self-concept and their effect on academic outcomes, refering to the expectancy-value model by Wigfield and Eccles (2000). As expected, in accordance with many studies and theoretical models, a positive effect of academic self-concept on academic success was found. Regression analyses showed also a negative effect of self-concept on procrastination as well as a negative effect of procrastination on academic success. Furthermore, a small mediating effect of procrastination could be found. A moderating effect of self-concept on the effect of procrastination on academic success was not detected. Gender effects regarding procrastination could be excluded. To conclude, possible implications for procrastination therapy were discussed.

Keywords: academic self-concept, procrastination, academic success, expectancy-value model, Rubicon model

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ergebnisse der Überprüfungen auf Normalverteilung der Residuen, Un- korreliertheit der Residuen und Varianzhomogenität

Tabelle 2: Interkorrelationen der hypothesenrelevanten Variablen

Tabelle 3: Effekt von Prokrastination auf Studienerfolg

Tabelle 4: Effekt von akademischem Selbstkonzept auf Prokrastination

Tabelle 5: Effekt von akademischem Selbstkonzept auf Studienerfolg

Tabelle 6: Mediation des Effekts von akademischem Selbstkonzept auf Studien erfolg durch Prokrastination

Tabelle 7: Moderation des Effekts von Prokrastination auf Studienerfolg durch das akademische Selbstkonzept

Tabelle 8: Vergleich der gefundenen Korrelationskoeffizienten mit der Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Verortung von Prokrastination im Rubikonmodell (in Anlehnung an Heckhausen & Gollwitzer, 1987)

Abbildung 2: Drei-Komponenten-Modell des Selbstkonzepts (in Anlehnung an Mummendey, 2006)

Abbildung 3: Integration der beschriebenen Befunde zu akademischem Selbst
konzept und akademischer Prokrastination im Erwartungs-mal- Wert-Modell (eigene Darstellung, angelehnt an Wigfield & Eccles, 2000)

Abbildung 4: Streudiagramme zur Überprüfung der Linearitätsannahme zwischen aSk, Prokund AkDn

Abbildung 5: Prokrastination als Mediator zwischen akademischem Selbstkonzept und Studienerfolg

Abbildung 6: Effekt der Interaktion von Prokrastination und Selbstkonzept auf Studienerfolg

Abbildung 7: Akademisches Selbstkonzept als Mediator zwischen Prokrastination
und Studienerfolg, bzw. Akademisches Selbstkonzept als Mediator zwischen Studienerfolg und Prokrastination

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

You cannot escape the re sponsibility of tomorrow by avoiding it today.

Abraham Lincoln

1. Einleitung

Im Gegensatz zu vielen Ländern in denen Abstammung und Beziehungen den Menschen zu Erfolg verhelfen, sollte bei uns jeder die Möglichkeit haben, durch persönliche Leistung zu akademischem und/oder beruflichem Erfolg zu gelangen. Doch Leistung ist mit Anstrengung verbunden und so mancher zieht es vor eine unangenehme Tätigkeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Bei manchen Personen führt dieses Aufschiebeverhalten zu gravierenden, negativen Folgen und einem hohen Leidensdruck. In diesem Fall spricht man von Prokrastination, einem dysfunktionalen Aufschieb everhalten, das in der Folge zu subjektivem Unwohlsein und Leistungseinbußen führen kann (Steel, 2007). Obwohl Prokrastination in allen Lebensbereichen vorkommt, macht der Ausdruck Studentenkrankheit (Kohler, 2018, S. 7) deutlich, dass sie prävalent im akademischen Bereich wahrgenommen wird. Um dem entgegenzuwirken, hat beispielsweise die Universität Münster eigens eine Prokrastinationsambulanz eingerichtet (Engberding, Höcker, & Rist, 2017).

In der Gesamtpopulation sind Studien zu Folge 20 - 25% der Personen betroffen (Ferrari, Diaz-Morales, O'Callaghan, Diaz, & Argumedo, 2007). Schouwenburg (2004) berichtete von ungefähr 70% Studierenden, die angaben häufig zu prokrastinieren. Dies macht deutlich, welch hoher Anteil an Studierenden das Schreiben von Arbeiten oder das Lernen für anstehende Klausuren, wider besseres Wissen, auf später verschieben und bewusst, negative Folgen in Kauf nehmen. Dazu gibt es unterschiedliche Angaben in Bezug auf Geschlechtseffekte.

Die psychologische Forschung beschäftigt sich seit rund 40 Jahren mit dem Thema, allerdings liegt bis heute keine allgemeingültige Theorie zur Prokrastination vor. Das Rubikonmodell der Handlungsphasen (Heckhausen & Gollwitzer, 1987) erlaubt eine theoretische Verortung des Prokrastinationsverhaltens. Trotz gefasstem Entschluss, die anstehenden Aufgaben zu erledigen, kommt es nicht zur praktischen Umsetzung. Die Mehrzahl der empirischen Studien wurde im akademischen Kontext durchgeführt. Neben dem Studium der negativen Folgen von prokrastinierendem Verhalten und deren Bewältigung (Rustemeyer & Rausch, 2007) wurde Prokrastination häufig im Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartungen (Wäschle, Allgaier, Lachner, Fink, & Nückles, 2014), intrisischer Motivation oder Interesse (Lohbeck, Ha-genauer, Mühlig, Moschner, & Gläser-Zikuda, 2017) und Selbregulation (Rakes & Dunn, 2010) untersucht. Bäulke, Eckerlein und Dresel (2018) berichteten von negativen Effekten von Prokrastination auf Leistung, was in der Folge bis zum Studienabbruch führen konnte. Klingsieck (2013) berichtete von erhöhter Ängstlichkeit und höherem Stresserleben in Zusammenhang mit Prokrastination. So stellten Rustemeyer und Rausch (2007) einen negativen Zusammenhang zwischen Prokrastination und Selbstkonzept eigener Fähigkeiten fest.

Im Zuge der kognitiven Wende wurde die Aufmerksamkeit wieder vermehrt den inneren psychischen Prozessen zugewandt. Es galt fortan als Erziehungsziel, bei Kindern und Menschen allgemein ein starkes Selbstkonzept zu fördern, da es in Zusammenhang mit schulischer Leistung gesehen wurde (Pajares & Schunk, 2001). In vielen Studien konnte ein positiver Zusammenhang zwischen akademischem Selbstkonzept und Leistung nachgewiesen werden (Marsh & Martin, 2011; Trautwein, Lüdtke, Koller, & Baumert, 2006). Marsh und Craven (2006) lieferten empirische Belege für eine gegenseitige positive Beeinflussung von akademischem Selbstkonzept und Leistung. Ein Modell, das Selbstkonzept als proximaler Einflussfaktor für Leistung und somit Erfolg postuliert, ist das Erwartungs-mal-Wert-Modell (EWM) von Wigfield und Eccles (2000). Im Modell sind Erwartungen definiert als der Glaube der Person daran, wie gut sie eine zukünftige Aufgabe bewältigen kann. Der Wert bezieht sich auf Merkmale der Aufgabe und darauf wie diese den Wunsch, die Aufgabe zu erledigen, beeinflussen. Viele Studien zu Prokrastination untersuchten den Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartungen. Wenn auch seltener als für Selbstwirksamkeitserwartungen, konnten jedoch auch negative Zusammenhänge zwischen dem Selbstkonzept eigener akademischer Fähigkeiten und Prokrastination nachgewiesen werden (Rustemeyer & Rausch, 2007).

Es steht außer Frage, dass besonders in unserer modernen technologisierten Informationsgesellschaft, die mannigfaltige Ablenkungsmöglichkeiten bietet, prokrasti-nierendem Verhalten auch oder besonders im akademischen Bereich gegengesteuert werden muss. Neben Trainings zu Selbstregulationskompetenzen oder zum Zeitmanagement stellt sich die Frage, inwieweit auch die Stärkung des akademischen Selbstkonzepts einen Weg bietet prokrastinierendes Verhalten zu verringern. Ist die Stärkung des Selbstkonzepts also eine zusätzliche Maßnahme, prokrastinierendes Verhalten abzubauen?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Prokrastination in Anlehnung an das EWM von Wigfield und Eccles (2000) zu untersuchen und den Zusammenhang von akademischem Selbstkonzept und Prokrastination sowie deren Einfluss auf Studienerfolg zu überprüfen. Des Weiteren ist es Anliegen dieser Arbeit zu untersuchen, ob Prokrastination als Mediator zwischen akademischem Selbstkonzept und Studienerfolg vermittelt und ob es zu einem Interaktionseffekt zwischen akademischem Selbstkonzept und Prokrastination in Bezug auf Studienerfolg kommt. Dabei wird zunächst untersucht, ob es einen Geschlechtseffekt in Bezug auf Prokrastination gibt.

Im nächsten Kapitel werden zunächst die für diese Arbeit wichtigen Modelle und Theorien vorgestellt sowie Konzepte definiert und voneinander abgegrenzt. In Kapitel 3 werden die Stichprobe und die Erhebungsinstrumente beschrieben sowie die geplanten statistischen Auswertungen erläutert bevor in Kapitel 4 die Ergebnisse dargestellt werden. Dafür werden zunächst die Datenaufbereitung und die deskriptiven Statistiken berichtet sowie die Testvoraussetzungen überprüft. Im Anschluss werden die Ergebnisse der t-Tests, bzw der Mann-Whitney-U-Tests und der Regressionsanalysen angegeben. Abschließend werden in Kapitel 5 die Ergebnisse interpretiert und kritisch diskutiert sowie Einschränkungen der vorliegenden Arbeit und Implikationen für zukünftige Forschung dargestellt.

2. Theoretischer Hintergrund

In diesem Abschnitt werden zunächst die für diese Arbeit relevanten Modelle und Konzepte erläutert, sowie von benachbarten Konzepten abgegrenzt. Abschließend werden die Hypothesen aus diesem theoretischen Hintergrund abgeleitet.

2.1 Prokrastination

Solomon und Rothblum (1984) verstanden unter Prokrastination einen sinnlosen Akt des Aufschiebens von Aufgaben bis hin zu subjektivem Unwohlsein. Personen schieben zu erledigende Aufgaben wider besseres Wissen auf. Die Aufgabe bleibt unerledigt und es entsteht bei der betroffenen Person ein starkes Gefühl der Unzufriedenheit. Steel (2007) definierte Prokrastination als eine beabsichtigte, irrationale Hinauszögerung einer Tätigkeit, trotz hoher Nachteile bedingt durch das Aufschieben. Nach Kling-sieck (2013) wird einfaches Aufschiebeverhalten erst dann zur Prokrastination, wenn die auszuführende Tätigkeit notwendig oder subjektiv relevant ist und wenn das Aufschieben freiwillig geschieht. Dieses Aufschieben führt dann zu negativen Konsequenzen und/oder subjektivem Unwohlsein. Prokrastination ist dysfunktional und die negativen Konsequenzen übersteigen die positiven Konsequenzen, die kurzfristig durch die Beschäftigung mit anderen Tätigkeiten entstehen. Dabei müssen diese Ersatzhandlungen nicht unbedingt positiv besetzt sein (Auto waschen, Keller aufräumen), sie werden aber zu dem Zeitpunkt als attraktiver erachtet als die eigentliche Aufgabe und versprechen eine kurzfristige Bedürfnisbefriedigung (Höcker, Engberding, & Rist, 2017). Davon abzugrenzen ist eine funktionale Form des Aufschiebens, die geplant ist, wenn die Person z. B. erfahrungsgemäß weiß, dass sie unter Zeitdruck besonders produktiv ist. Man kann in diesem Fall auch von strategischem Aufschieben sprechen, was in bestimmten Situationen als Stärke gelten kann, z.B. durch die Demonstration von Geduld und Ausdauer (Helmke & Schrader, 2000). Ferrari (1992b) unterschied zwischen diesem Arousal-Typ, der prokrastiniert, weil er eine bestimmte positive Erregung erlebt, wenn er unter Druck arbeiten muss und dem Avoidant-Typ, dem es an Selbstvertrauen fehlt und die Beschäftigung mit der vorgegebenen Tätigkeit hinausschiebt, um sein Selbstwertgefühl zu schützen. Eine andere Unterteilung nahmen Rist, Engberding, Patzelt und Beißner (2006) vor, indem sie zwischen Prokrastinationstendenz und Prokras-tinationsprozess unterschieden. Sie konzipierten Prokrastinationstendenz als eine Verhaltensdisposition, also als Persönlichkeitsmerkmal analog zu Extraversion, Ängstlichkeit oder Impulsivität. Laut Steel (2007) zeigt Prokrastination ausreichend zeitliche und transsituationale Stabilität, um als Trait angesehen werden zu können. Unter Prokrasti-nationsprozess verstanden sie das Aufschiebeverhalten, also die Unterbrechung zwischen Handlungsintention und Handlungsausführung, bzw. zwischen Zielsetzung und Zielrealisierung. In solchen Konfliktsituationen bedarf es besonderer motivationaler und volitionaler Strategien, um Prokrastinationsverhalten in einem sozial akzeptablen Rahmen zu halten.

2.1.1 Verortung von Prokrastination im Rubikonmodell der Handlungsphasen (Heckhausen & Gollwitzer, 1987)

Im Rubikonmodell werden Handlungen als eine Abfolge von vier Phasen dargestellt: Abwägen, Planen, Handeln und Bewerten. Für Prokrastinierende ist es genau so wichtig wie für nicht Prokrastinierende ihr Ziel zu erreichen. Jedoch schaffen sie den Schritt von der Intention zur Ausführung nicht. Darüber hinaus können bei prokrastinie- renden Personen die vier Handlungsphasen betroffen sein (Höcker et al., 2017), denn, wird Prokrastinationstendenz als Persönlichkeitsmerkmal konzipiert, muss man davon ausgehen, dass sie wie alle Persönlichkeitsmerkmale zu einem großen Teil mitbestimmt, wie eine Situation wahrgenommen und eingeschätzt wird.

Die Abwägungsphase, in welcher im Sinne eines Erwartungs-mal-Wert-Modells alternative Ziele gegeneinander abgewogen werden, schließt mit einer Intentionsbildung ab. Zurückliegende Erfahrungen mit prokrastinierendem Verhalten können hier mit in die Waagschale geworfen werden und als lernhinderliche Anreize die Entscheidung beeinflussen (Gollwitzer, 1996). In der Planungsphase wird die Handlung in einzelne Schritte zerlegt und es wird überlegt, wie etwaigen Schwierigkeiten begegnet werden könnte. Laut Dewitte und Lens (2000) können prokrastinierende Personen hier Schwierigkeiten haben, die Handlung im Gesamtzusammenhang zu sehen. Ebenso sehen Helmke und Schrader (2000) in dieser Phase die Gefahr eines zu detaillierten Zeitplans.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Verortung von Prokrastination im Rubikonmodell (in Anlehnung an Heckhausen & Gollwitzer, 1987).

Beim Übergang zur Handlungsphase tritt prokrastinierende s Verhalten auf. Die Initiierung einer auszuführenden Tätigkeit wird hinausgeschoben und es werden stattdessen Alternativhandlungen ausgeführt. Laut Rubikonmodell müssten in der Handlungsphase volitionale Kontrollprozesse mobilisiert werden, um die Tätigkeit auszuführen. Viele Studien belegten jedoch einen mittleren negativen Zusammenhang (r = -.38) zwischen Prokrastination und Selbstregulation (Rakes & Dunn, 2010), sodass es nicht zur nötigen Bereitschaft kommt, um mit der geplanten Handlung zu beginnen. In der Bewertungsphase wird nach Ursachen für den Erfolg, bzw. Misserfolg gesucht, womit hier Attribu- tionsstile ins Spiel kommen. G. C. Rakes, Dunn und Rakes (2013) konnten nachweisen, dass Personen, die prokrastinieren ihren Misserfolg häufig auf internale, stabile, nicht kontrollierbare Ursachen („Ich bin eben so und kann es nicht ändern.") oder auf exter-nale, instabile, nicht kontrollierbare Ursachen, wie Aufgabenschwierigkeit, attribuieren. Es ist klar, dass dies nicht ohne negative Folgen für das Selbstkonzept der betroffenen Person bleibt. In der Folge entstehen starke negative Emotionen, wenn erneut zu erledigende Aufgaben anstehen, welche die Bearbeitung dieser Aufgabe wiederum negativ beeinflussen. So bildet sich, wie in Abbildung 3 dargestellt ein Teufelskreis aus Misserfolg und Prokrastination (Höcker et al., 2017).

Zusammenfassend macht die oben angeführte Darstellung deutlich, dass Prokrastination deutlich mehr ist als eine Unterbrechung im Handlungsverlauf zwischen Intention und Ausführung, sondern dass die vier Phasen des Handlungsmodells betroffen sind.

2.1.2 Akademische Prokrastination

Wenn eine Person Prokrastinationstendenzen aufweist, so tut sie das in der Regel sowohl im akademischen/beruflichen als auch im privaten Bereich (Höcker et al., 2017). Die meisten Studien zur Prokrastination wurden im akademischen Bereich durchgeführt. Akademische Prokrastination bezieht sich auf das dysfunktionale Aufschieben von akademischen Aufgaben, wie das Verfassen von Texten oder das Vorbereiten auf Klausuren. Wie bereits erwähnt gaben bis zu 70% der Studierenden an gelegentlich zu prokrastinieren. Sehr häufig wurde Prokrastination im Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartungen (Balkis, 2011), Selbstregulation (Rakes & Dunn, 2010) und der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan, also intrinsischer und extrinsi-scher Motivation (Grund & Fries, 2017) untersucht. Bandura (1997) konnte zeigen, dass Selbstwirksamkeitserwartungen einen direkten Effekt auf Prokrastination und Leistung haben. Balkis (2011) berichtete einen starken negativen Zusammenhang (r = -.47) zwischen Selbstwirksamkeit und akademischer Prokrastination. Auf der Prozessebene kann Prokrastination als Selbstregulationsdefizit angesehen werden (Steel, 2007). Auch wenn Studierende die Absicht haben eine Aufgabe in einem gegebenen Zeitrahmen zu erledigen, gelingt es ihnen nicht sich dazu ausreichend zu motivieren. Grund und Fries (2017) fanden, dass Menschen besonders dann zu prokrastinierendem Handeln neigen, wenn die auszuführende Tätigkeit als fremdbestimmt erachtet wird und dadurch eine Diskrepanz entsteht zwischen dem was sie eigentlich tun wollen und dem was sie tun müssen.

Man kann davon ausgehen, dass dies im akademischen Bereich, in dem die meisten Tätigkeiten aufgegeben, also fremdbestimmt sind, besonders häufig der Fall ist. Andere Studien untersuchten den Zusammenhang zwischen Prokrastination und Persönlichkeitsmerkmalen. Die stärksten Zusammenhänge wurden mit Gewissenhaftigkeit (r = -.62), Selbstkontrolle (r = -.58) und Impulsivität (r = .41) gefunden (Steel, 2007). Er stellte einen positiven Zusammenhang (r = .46) zwischen Prokrastination und self-handicapping fest. Unter self-handicapping versteht man Handlungen, die bei Misserfolg erlauben, diesen mit der vollzogenen Handlung zu erklären. So könnte ein Studierender die ganze Nacht vor einer Klausur beabsichtigt mit Freunden verbringen, und den Misserfolg auf diese Gegebenheit zurückführen, im Sinne eines Selbstschutzes. Es konnte ebenfalls eine mittlere Korrelation (r = .40) mit Aufgabenaver si tat belegt werden. Im akademischen Umfeld konnte van Eerde (2003) nachweisen, dass Prokrastination mit niedriger akademischer Leistung zusammenhängt. Der Zusammenhang zwischen Prokrastination und Durchschnittsnote betrug r = -.28. Ebenso für das akademische Selbstkonzept konnten Rustemeyer und Rausch (2007) enge negative Zusammenhänge mit Prokrastination nachweisen (r = -.37 für State-Prokrastination und r = -.27 für Trait-Prokrastination). Je höher das akademische Selbstkonzept von Studierenden war, desto weniger neigten sie zu Prokrastination. Steel (2007) konnte eine leicht höhere Rate für Männer feststellen, während z. B. Ferrari und Diaz-Morales (2007) keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen fanden. Beutel et al. (2016) konnten diesen Widerspruch klären indem sie ihre Stichprobe in unterschiedliche Kohorten aufteilten. Dabei fanden sie nur in der Kohorte der jüngsten Teilnehmer (14 - 29 Jahre) einen Geschlechtseffekt, nicht in den anderen Kohorten. Junge Männer prokrastinierten mehr als junge Frauen (t = 2.5, p <.05, d= 0.25). Außerdem war die Prokrastinationsrate in dieser Gruppe am höchsten.

Da akademische Prokrastination leistungsmotiviertes Handeln beeinflusst und zudem in Zusammenhang mit dem akademischen Selbstkonzept steht, bietet das EWM von Wigfield und Eccles (2000) ein interessantes Rahmenmodell zur Untersuchung von Prokrastination. Sowohl Erwartungsvariablen als auch Wertvariablen sollten einen Einfluss auf Prokrastination haben. Das EWM von Wigfield und Eccles (2000) wird in Abschnitt 2.4 ausführlicher dargestellt.

2.1.3 Erfassung von Prokrastination

Obwohl, wie erwähnt, Prokrastination auch im beruflichen und privaten Leben mit ebenso negativen Konsequenzen vorkommt wie im akademischen Bereich, so wird sie doch meistens im akademischen Bereich untersucht. In der Regel sind bei Prokrasti-nierenden alle Bereiche betroffen. Laut Höcker, Engberding et al. (2017) können demzufolge Studienergebnisse aus dem akademischen Bereich problemlos auf andere Lebenssituationen übertragen werden. Erfasst wird Prokrastination meistens mit Selbstbeurteilungsverfahren, wie die Aitken Procrastination Scale (APS) auch Aitken Procrasti nation Inventory (API) die 1982 für Studierende entwickelt wurde. Die Itemformulierung erlaubt allerdings auch einen Einsatz in anderen Lebensbereichen. Helmke und Schrader übersetzten 2000 die APS ins Deutsche, APS-d (Höcker, Engberding, Beißner, & Rist, 2008). Der Academic Procrastination State Inventory (APSI) von Schouwen-berg (1995) misst situative Prokrastination. Helmke und Schrader (2000) übersetzten auch diesen Fragebogen ins Deutsche. Ein oft verwendeter Fragebogen ist die Procrastination Assessment Scale for Students (PASS) von Solomon und Rothblum (1984). McCown und Johnson entwickelten 1989 den Adult Inventory of Procrastination (AIP) (Ferrari, 1992a). Die General Procrastination Scale (GPS) von Lay (1986) wurde von Klingsieck und Fries (2012) in eine deutsche Kurzform übersetzt die mit neun Items zur Erfassung von akademischer Prokrastination dient. Die Tuckman Procrastination Scale (TPS) von Tuckman (1991) misst die Prokrastinationstendenz bei Studierenden mit Hilfe von 16 Items. Gelegentlich werden auch behaviorale Maße verwendet, wie die Anzahl von Abwesenheitsstunden oder die Frequenz, mit der Arbeiten verspätet eingereicht werden (You, 2015).

2.2 Selbstkonzept

Im folgenden Unterabschnitt wird der Begriff Selbstkonzept zuerst definiert und von verwandten Konzepten abgegrenzt. Danach wird spezifisch auf das akademische Selbstkonzept eingegangen und es werden einige, für diese Arbeit, relevante Forschungsergebnisse berichtet.

2.2.1 Definition und Abgrenzung

Unter Selbstkonzept versteht man subjektive Vorstellungen, Einschätzungen und Bewertungen bezüglich der eigenen Person (Moschner, 2001). Es beinhaltet Vorstellungen über die eigenen Charakteristika und Merkmale, wie Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen. Dabei korrelieren diese subjektiven Vorstellungen nicht unbedingt mit objektiven Leistungsmaßen oder objektiv gemessenem Potenzial (Trautwein & Möller, 2016). Das Selbstkonzept einer Person spielt eine bedeutende Rolle, denn es gibt dieser Person Struktur, Kohärenz und Sinnhaftigkeit (Coppersmith & Feldman, 1974). Filipp (1979, zitiert nach Möller und Trautwein, 2015) konzipierte das Selbstkonzept als eine Wissensstruktur bezüglich der eigenen Person. Dies macht den kognitiven Charakter des Selbstkonzepts deutlich. Dem gegenüber werden affektiv-evaluative Aspekte der Selbstbetrachtung dem Selbstwert zugeordnet und konative Aspekte den Selbstwirksamkeitserwartungen (Mummendey, 2006).

Der Selbstwert einer Person resultiert aus den Bewertungen ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen. Die Aussage „Ich bin gut in Mathematik." ist also dem Selbstkonzept zuzurechnen, wohingegen die Aussage „Ich bin stolz, dass ich in Mathematik so gut bin." dem Selbstwert zugeschrieben wird. Verfügt eine Person über ein hohes Selbstwertgefühl, so nimmt sie sich als wertvoll an und respektiert sich selbst. Im anderen Fall ist sie unzufrieden und weist sich selbst zurück (Rosenberg, 1965, zitiert nach Koychev, 2013).

Ebenfalls zu unterscheiden vom Selbstkonzept einer Person sind ihre Selbstwirksamkeitserwartungen (Bandura, 1997). Siebeziehen sich auf die Annahme, spezifische, zukünftige Aufgaben auf Grund der eigenen Fähigkeiten erfolgreich erledigen zu können. Dabei ist es wichtig, dass diese Fähigkeiten internal, stabil attribuiert wurden. Die Aussage „Ich werde die nächste Mathematikklausur erfolgreich bestehen." ist den Selbstwirksamkeitserwartungen einer Person zuzuschreiben. Während das Selbstkonzept eigener Fähigkeiten sich eher an sozialen Normen orientiert, richten die Selbstwirksamkeitserwartungen sich an konkrete, zukünftige Aufgaben.

Mummendey (2006) integrierte die drei Konzepte in einem Drei-Komponenten-Modell des Selbstkonzepts. Demnach kann das allgemeine, globale Selbstkonzept in drei Komponenten zergliedert werden (Abbildung 2). Bezogen auf Prokrastination würde die kognitive Komponente der Wahrnehmung entsprechen, dass man eine Person ist, die häufig prokrastiniert und schlechte Erfahrung mit der Erledigung von Arbeitsaufträgen hat. Die affektiv-evaluative Komponente würde diese Selbsteinschätzung mit negativen Emotionen verbinden und die konative Komponente würde bewirken, dass man mit wenig Zuversicht einer kommenden Aufgabe entgegenblickt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Drei-Komponenten-Modell des Selbstkonzepts (in Anlehnung an Mummendey, 2006).

2.2.2 Historischer R ückblick

Die Forschung zum Selbstkonzept hat eine lange Tradition. Ende des 19. Jahrhunderts unterschied William James zwischen dem „/", als dem Betrachter, und dem „Me", als dem Betrachteten, welches dem Selbstkonzept entspricht. James erkannte bereits, dass neben den eigenen Wahrnehmungen die wahrgenommene Fremdwahrnehmung eine entscheidende Rolle bei der Genese des Selbstkonzepts spielt (Möller und Trautwein, 2015). Im Symbolischen Interaktionismus wurde der Einfluss der sozialen Umwelt auf die Entwicklung des Selbstkonzepts betont. So sprach Cooley (zitiert nach Möller und Trautwein, 2015) in Bezug auf die wahrgenommene Fremdwahrnehmung vom Jooking-glas-self'. Andere Personen spiegeln einer Person ihre Einstellungen und Bewertungen ihr gegenüber wider, und dieses Spiegelbild geht in die Entwicklung ihres Selbstkonzepts ein. Mead (1934) erweiterte diese Sicht und betonte den Einfluss von sozialen Gruppen. Die Betonung der sozialen Einflüsse auf die Genese des Selbstkonzepts spielt auch in moderneren Modellen eine wichtige Rolle, wie im „work ing self-concept (Markus & Kunda, 1986). Hier spielen neben stabilen Aspekten des Selbstkonzepts situative und soziale Aspekte eine Rolle. Es handelt sich um eine vorübergehende Struktur die aus verschiedenen Teilen aller Selbstbilder einer Person besteht und deren Organisation vom aktuellen sozialen Umfeld abhängt.

Während in der Sozialpsychologie typischerweise der globale Selbstwert im Mittelpunkt der Forschung steht, untersuchen Bildungspsychologen hauptsächlich bereichsspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte oder akademische Selbstkonzepte.

2.2.3 Akademisches Selbstkonzept

Shavelson, Hubner und Stanton (1976) entwickelten ein multidimensionales und hierarchisches Modell des Selbstkonzepts. Sie unterschieden zwischen einem akademischen und einem nicht-akademischen Selbstkonzept, bestehend aus dem sozialen, emotionalen und physischen Selbstkonzept. Akademische Selbstkonzepte bezeichnen die subjektiven Annahmen bezüglich der eigenen Fähigkeiten, Eigenschaften und Merkmale im schulischen oder akademischen Bereich. Das akademische Selbstkonzept zergliedert sich weiter in fächerspezifischere Facetten, die situationsabhängiger sind und somit weniger stabil als Selbstkonzepte die in der Hierarchie höher angesiedelt sind. Shavel-sons Modell ging von einem engen Zusammenhang zwischen diesen Facetten aus, somit auch zwischen dem mathematischen und dem sprachlichen Bereich. Schließlich wurden zwischen den Leistungen in diesen Bereichen ebenfalls hohe Korrelationen gefunden (Koychev, 2013). Andererseits wurden in vielen Studien jedoch nur sehr geringe Korrelationen zwischen einzelnen Facetten des akademischen Selbstkonzepts gefunden, insbesondere zwischen dem mathematischen und dem verbalen Selbstkonzept. 1988 revidierten Marsh, Byrne und Shavelson das Shavelson-Modell und postulierten zwei getrennte akademische Fähigkeitskonzepte, ein mathematisches Selbstkonzept der Begabung und ein verbales Selbstkonzept der Begabung. Wenn auch die Leistungen zwischen diesen Bereichen zusammenhängen, so korrelieren die fächerspezifischen Selbstkonzepte nicht.

Das akademische Selbstkonzept wird durch eine Reihe von Faktoren bedingt. So spielen nach Trautwein und Möller (2016) soziale, dimensionale und temporale Vergleiche eine bedeutende Rolle für die Genese des Selbstkonzepts.

Schüler, Schülerinnen und Studierende vergleichen sich ständig mit anderen und integrieren diese Informationen in ihr Selbstkonzept. Dabei führen sogenannte soziale Aufwärtsvergleiche, also Vergleiche mit leistungsstärkeren Lernenden, zu negativeren Selbstkonzepten, während soziale Abwärtsvergleiche, mit leistungsschwächeren Lernenden, zu positiveren Selbstkonzepten führen. Nach Möller und Pohlmann (2010) sind die positiven Effekte der Abwärtsvergleiche auf des akademische Selbstkonzept, leicht stärker als die negativen Effekte der Aufwärtsvergleiche. Im Kontext dieser sozialen Vergleiche sprach Marsh (1987) vom „Big-Fish-Little-Pond Effect" . Lernende, die eine mittlere Leistung aufweisen, entwickeln ein relativ hohes akademisches Selbstkonzept, wenn sie in einer leistungsschwachen Klasse sind, wohingegen sie ein relativ schwaches akademisches Selbstkonzept entwickeln würden, wenn sie in einer leistungsstarken Klasse wären. Eine leistungsschwache Klasse ermöglicht mehr Abwärtsvergleiche mit positiven Folgen für das Fähigkeitsselbstkonzept.

Möller und Koller (2004) sprachen von dimensionalen Vergleichen im Zusammenhang mit intrapersonalen Vergleichen zwischen unterschiedlichen Domänen. Studierende vergleichen ihre Leistung in einem Fach nicht nur mit anderen Studierenden, sondern auch mit ihren eigenen Leistungen in anderen Fächern. Dimensionale Vergleiche führen dazu, dass die Leistung in einem Fach das Selbstkonzept im anderen Fach gegenteilig beeinflusst. So schwächen z. B. Erfolge in Mathematik das verbale Selbstkonzept und umgekehrt.

Der gleichzeitige Einfluss von sozialen und dimensionalen Vergleichen auf das akademische Selbstkonzept wird im „Internal/External Frame of Reference Model" (I/E Model) von Marsh (1986) dargestellt. Dieses Modell gilt als empirisch gut bestätigt in Bezug auf Zusammenhänge von fachspezifischen Selbstkonzepten und fachspezifischem akademischem Erfolg. Dabei haben die sozialen Vergleiche einen stärkeren Einfluss auf die fachspezifischen Selbstkonzepte als die dimensionalen.

Akademisches Selbstkonzept und Leistung zeigen einen mittleren Zusammenhang. Die Korrelationen zwischen domänspezifischen Selbstkonzepten und entsprechenden Leistungen in Schultests und Leistungstests liegen bei r = .40 (Trautwein & Möller, 2016). Das Skill-Development-Model (Calsyn & Kenny, 1977) betont, dass Leistung das akademische Selbstkonzept beeinflusst und das Self-Enhancement-Model (Calsyn & Kenny, 1977) geht davon aus, dass das Selbstkonzept zukünftige Leistung beeinflusst. Dabei ist der Effekt auf die Leistung stärker, wenn bereichsspezifische Selbstkonzepte, anstelle vom globalen Selbstkonzept, in die Untersuchen einbezogen werden. Da es für beide Modelle empirische Belege gibt, wurden sie im Reciprocal-Effects-Model (Marsh & Craven, 2006) zusammengefasst. Möller, Reteisdorf, Koller und Marsh (2011) kombinierten das I/E Modell mit dem Reciprocal-Effects-Modell im Reciprocal I/E Modell. Es zeigte sich, dass fachspezifische Selbstkonzepte nur die Leistungen im selben Fach beeinflussten, nicht jedoch im anderen Fach.

Neben den dimensionalen beziehen temporale Vergleiche sich ebenfalls auf einen intraindividuellen Bezugsrahmen. Eine Person vergleicht ihre aktuellen Leistungen mit früheren. Genau wie soziale und dimensionale, können temporale Vergleiche auch positive oder negative Effekte auf das Selbstkonzept haben (Albert, 1977) und dieses entsprechend stärken oder schwächen. Ein wichtiger Punkt, sowohl für die Theorie als auch für die Praxis, ist diese angenommene Malleabilität des Selbstkonzepts (Trautwein & Möller, 2016). Diese Formbarkeit gibt pädagogischen und therapeutischen Interventionen einen Sinn. Viele Programme wie Selbstkonzepttrainings, outward-bound-Programme oder Attributionstrainings zielen auf eine Stärkung des Selbstkonzepts ab.

2.2.4 Erfassung des akademischen Selbstkonzepts

Es gibt eine große Anzahl an unterschiedlichen Fragebögen, um das akademische Selbstkonzept zu erfassen. Neben vielen ad hoc konstruierten Instrumenten, gibt es standardisierte Fragebögen, die das Fähigkeitsselbstkonzept messen (Möller & Trautwein, 2015). Die Uneinigkeit einiger Forscher, ob nur die kognitive Komponente oder auch die affektive gemessen werden soll, spiegelt sich in den verschiedenen Instrumenten wider. Der Self Description Questionnaire (SDQ) von Marsh (1990) erfasst beide Komponenten. Er existiert in drei Versionen, eine für Grundschulkinder (SDQI), eine für Sekundär schul er und -Schülerinnen (SDQII) und eine für junge Erwachsene (SDQIII). Nachteilig ist die große Anzahl der Items, so hat der SDQII beispielsweise 102 Items (Ellis, Marsh, & Richards, 2015). Aus diesem Grund entwickelten Ellis et al. (2015) eine Kurzform, den Self Description Questionnaire II short (SDQII-S). Die Academic Self-Concept Scale (ASCS) von Reynolds (1988) besteht aus 44 Items, die das akademische Selbstkonzept mit vierstufigen Likertskalen messen. Ein neueres Instrument ist das Selbstkonzept Inventar (SKI) von Von Georgi und Beckmann (2004). Mit 40 bipolar formulierten Items misst es fünf Dimensionen. Die Skalen zum akademischen Selbstkonzepts (SASK) von Dickhäuser, Schöne, Spinath und Stiensmeier-Pelster (2002) bestehen aus vier Skalen zur Messung des individuellen Selbstkonzepts, des kri-terialen Selbstkonzepts, des sozialen Selbstkonzepts und des absoluten Selbstkonzepts. Während die ersten drei Skalen sich auf die entsprechende Bezugsnorm beziehen, misst die Skala zum absoluten Selbstkonzept die Fähigkeitsurteile der Teilnehmenden ohne Bezugsnorm. Die SASK bestehen aus 22 Items zum akademischen Selbstkonzept. Es besteht eine Version für Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse sowie eine Studierendenversion. Neben diesen Fragebögen zur Selbsteinschätzung kann das Selbstkonzept aber auch mit Hilfe eines Impliziten Assoziationstests gemessen werden (Greenwald & Farnham, 2000).

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Fin de l'extrait de 55 pages

Résumé des informations

Titre
Der Zusammenhang von akademischem Selbstkonzept, Prokrastination und Studienerfolg bei Fernstudierenden
Université
University of Hagen
Note
1,3
Auteur
Année
2019
Pages
55
N° de catalogue
V535913
ISBN (ebook)
9783346142450
ISBN (Livre)
9783346142467
Langue
allemand
Mots clés
Prokrastination, Selbstkonzept, Studienerfolg, Rubikonmodell, Erwartungs-mal-Wert-Modell
Citation du texte
Pierrot Wecker (Auteur), 2019, Der Zusammenhang von akademischem Selbstkonzept, Prokrastination und Studienerfolg bei Fernstudierenden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535913

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