Von allen guten Geistern verlassen?

Nachdenken über den Geist Gottes im Kontext von Alfred North Whiteheads Prozessdenken


Akademische Arbeit, 2019

103 Seiten, Note: 6,0 (CH)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1: Der Geist Gottes in Whiteheads organismischer Philosophie
A. Whiteheads organismische Philosophie
A.1. Grundlagen und Entwicklung der organismischen Philosophie
Methodischer Startpunkt: Mathematik Erweiterung durch methodische Spekulation

A.2. Begriffe, Prinzipien und Themen
Begriffe und Prinzipien Themen Emotionale Verfasstheit, Wertintensität und Relationalität

B. Der Geist Gottes in der organismischen Philosophie
B.1. Whiteheads reformierte Erkenntnistheorie
Wahrnehmung als symbolische Bezugnahme Einbezug der körperlichen Wahrnehmung
B.2. Whiteheads Gottesbild als Vermittlung zweier Naturen
Überwindung der Trennung Gott und Welt: Ermöglichung und Aufbewahrung Fortschreitende Überwindung dualistischer Getrenntheit
B.3. Kritische Anmerkungen
C. Anregungen für die Rede vom Geist Gottes

Kapitel 2: Der Geist Gottes in Cobbs Prozesstheologie
A. Die Prozesstheologie von John B. Cobb jr
A.1. Kurze Einführung in Cobbs Prozesstheologie
A.2. Begriffe und Themen: Prozess, Relationalität, präreflexives Erleben
B. Der Geist Gottes in Cobbs Prozesstheologie
B.1. Cobbs reformierte Gottes- und Schöpfungslehre
Gott als schöpferische und erwidernde Liebe
Gottes Immanenz in Christus und Heiligem Geist
B.2. Schöpferische Transformation und freiwillige Gemeinschaft
Schöpferische Transformation durch Öffnung für die christliche Existenz
Hinwendung zur Gemeinschaft
B.3. Kritische Anmerkungen
C. Anregungen für die Rede vom Geist Gottes

Kapitel 3: Der Geist Gottes in Welkers realistischer Theologie
A. Welkers realistische Theologie und Whiteheads Prozessdenken
A.1. Einführung in Welkers Universalität Gottes und Relativität der Welt

A.2. Begriffe und Themen: realistische Theologie

B. Der Geist Gottes in Welkers Pneumatologie
B.1. Wirken des Geistes als Kraftfeld, Emergenz und Resonanz
B.2. Zur Unterscheidung der Geister: Gottes Geist und der Geist der Welt
Gottes Geist und Geist der WeltUnterscheidung der Geister
B.3. Kritische Anmerkungen
C. Anregungen für die Rede vom Geist Gottes

Kapitel 4: Zusammenführung der Ergebnisse
A. Erfahrbarkeit
B. Verständlichkeit
C. Neugier
D. Interdisziplinärer Austausch

Schlussbemerkungen

Anhang
Anhang 1: Überblick über den Prozess
Anhang 2: Überblick pneumatologische Ansätze in verschiedenen Prozesstheologien

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur

Einleitung

Erlösung, Freude, Freiheit, Gemeinschaft, dies sind alles in zahllosen Quellen beschriebene Erfahrungen, die der Geist Gottes im Menschen schon in diesem Leben wirken kann. Calvin bezeichnet den Heiligen Geist als fons vitae. Frère Roger verbindet das Gefühl „überströ­mender Freude“ mit dem Geistwirken. Der Geist des Lebens ist es, der für Moltmann „den lähmenden Bann der Apathie“ durchbricht und die Menschen das Leben wieder mit einer Leidenschaft lieben lehrt, die nur ein Schöpfer für das Leben seiner Geschöpfe empfinden kann. Über überströmende Freude und Freiheit des Einzelnen hinaus wirkt der Geist Gottes Beziehungsreichtum und freiere Lebenssysteme. Tätige Gelassenheit im Angesicht einer scheinbar unaufhaltsamen Beschleunigung des Weltgeschehens ist eine weitere dem Geist zugeschriebene Wirkung. Zusammengefasst, die ars spiritualis, die Kunst eines Lebens aus dem Geist Gottes, wirkt in ganz wundersamer Weise eine veränderte innere und äußere Lebenseinstellung.1

Doch trotz der beschriebenen beeindruckenden Wirkungen, die der Geist Gottes auf Einzelne und ganze Gesellschaftsgruppen ausüben kann, zählt seine Anrufung nicht zum Repertoire der Maßnahmen, die von den meisten in den Krisen der Gegenwart bemüht werden. Ganz im Gegenteil: Diejenige, die einen solchen Vorschlag machte, würde sich dem Vorwurf aussetzen, von allen guten Geistern verlassen zu sein. Dies ist nicht verwunderlich, denn ein breiter, scheinbar unüberbrückbarer Graben liegt gegenwärtig zwischen säkularen und theologischen Weltbildern. Dieser Graben steht exemplarisch für die vielen seit Anbruch der Neuzeit zunehmend empfundenen Getrenntheiten, deren Ursachen tiefer reichen, als Symptome wie globale Klima- und Migrationskrisen oder individuelle Sinnkrisen vermuten lassen.

„Since a babe was born in a manger, it may be doubted whether so great a thing has happened with so little stir“ ist ein Zitat Whiteheads, mit dem dieser Galileis empirische, instrumentegestützte Naturforschung als Markierung des Anbruchs der Neuzeit be­schreibt. Hannah Arendt stellt es an den Beginn ihrer Analyse der Ereignisse, die den Anbruch der Neuzeit kennzeichnen, neben der Verbreitung der experimentellen Naturforschung u.a. die europäische Inbesitznahme der Kontinente und Reformationsbewegungen. Jahrhundertealte Weltbilder und Selbstverständnisse werden erschüttert und ein geistiger Umbruch eingeläutet, der – getragen von Erkennt­nissen zahlreicher Wissenschaftler, wie Descartes, Kepler, Newton, Locke u.a. – schließlich in das postmoderne, relativistische Weltbild der Gegenwart mündet.2

Seit der Antike hatten Philosophen und Theologen über einen Wahrheitsbegriff ge­stritten, der sich auf die Sinneskraft, das Vernunftvermögen oder die göttliche Offen­barung beruft, und implizit unterstellt, dass das Wahre sich zeigen will und der Mensch grundsätzlich zu seiner Erkenntnis, durch Sinne, Vernunft oder Glaube, in der Lage ist. Die Existenz der Wahrheit wurde jedoch nicht in Frage gestellt und durch religiöse, gesellschaftliche Kohäsion stärkende Rituale und Gesetze in die Alltags­erfahrung eingebettet. So konnten sich auch bei begrenztem direktem Zugang zum Göttlichen – sinnbildlich steht hier der innere Bereich des alten jüdischen Tempels – doch alle von der Evidenz der Wahrheit überzeugen.

Seit dem Anbruch der Neuzeit verschwinden diese Überzeugungen u.a. durch die Erschütterung der Sicherheiten hinsichtlich Sinnes-, Vernunft- und Glaubensver­mögen. Dies mündet vor allem mit Anbruch der industriellen Moderne in das ver­zweifelt anmutende menschliche Streben, neue Sicherheit und Heilsgewissheit zu erlangen.3 Diese Rückgewinnung geschieht – zumindest im Rückspiegel der Ge­schichte – in Form zweier rationaler, eng verzahnter Antworten auf die Sinnkrise. In einem ersten Schritt wird in mehreren Stufen – als deren Anfang René Descartes mit der Analyse der res extensa und res cogitans und als Abschluss Immanuel Kant und seine Kritiken genannt werden können – der Erkenntnishorizont auf eine Größe zusammengeschrumpft, die dem menschlichen Erkenntnisvermögen entsprechen soll.4 Dabei wird in einem gleichzeitig ablaufenden, zweiten Schritt das metaphysische Spekulieren zu einer Exotendisziplin und der frei gewordene Forscherdrang auf zwei neue Ziele gerichtet: Erstens auf Aktivitäten, die auf wissenschaftlichen Fortschritt oder weltliche Bewährung innerhalb dieses Horizonts gelenkt sind; die naturwissen­schaftliche Forschung und ihre empirischen Methoden rücken in das Zentrum des Interesses. Wissenschaftlich mess- und objektivierbaren Erfahrungen wird ein höherer Wert beigemessen; dem Alltag entstammende, subjektive Erfahrungen gelten zunehmend als unzuverlässig und minderwertig. Das menschliche, alltägliche Wirk­lichkeitserleben wird abgewertet und zu einem „verzerrten Sonderfall“ einer eigentlich ganz anders zu begreifenden Natur-Wirklichkeit degradiert. Zweitens wurde durch den Verlust der Erkenntnissicherheit in den Geisteswissenschaften die Richtung der Erkenntnissuche umgekehrt: der Blick richtet sich nicht länger nach außen, sondern nach innen, hin zum erkennenden Subjekt und der Dynamik des Erkenntnisprozes­ses. Die Geburtsstunde des Subjektivismus, der verschiedene existentialistische Philo­sophien und Theologien sowie diverse anthropologische, psychologische, neuro­logische und andere Wissenschaften begründete, war eingeläutet.5

Parallelen zeigen sich im Denken der Theologen der Neuzeit: Im Kulturprotestan­tismus und der religionsgeschichtlichen Schule setzt sich mit der Verbreitung der im 19. Jahrhundert entwickelten historisch-kritischen Methode ein Methodenverständnis durch, das den exakten Wissenschaften entlehnt ist. Eine wissenschaftlich unangreifbare Basis des christlichen Glaubens soll entwickelt werden. In der damit verbundenen Wendung zur subjektiven Glau­bensgewissheit kündigt sich der Subjekti­vismus an, der sich in den kommenden Jahrzehnten auch zum theologischen Existentialismus auswachsen wird. Die dialektische Theologie ist als Reaktion auf diese zweigleisige Anthropozentrierung zu lesen: Sie rückt mit der Offen­barungstheologie Gott wieder in das theologische Zentrum, sucht aber durch die christologische Schwerpunktsetzung den Anschluss an das anthropozentrische Kulturumfeld.

Angesichts dieser geistesgeschichtlichen Hintergründe ist es wenig überraschend, dass der Geist Gottes, unverfügbar auch als Gegenstand wissenschaftlicher Analyse oder subjektiver Introspektion, in dieser Welt schwer Anerkennung findet.6

Der Geist Gottes kann, so meine These, sowohl den beschriebenen Graben zwischen säkularen und theologischen Weltbildern als auch grundsätzlicher die empfundenen menschlichen und gesellschaftlichen Getrenntheiten der relativistischen Postmoderne überwinden und Be­ziehungen wiederherstellen. Eine wichtige theologische Aufgabe ist deshalb – vergleichbar mit Eli im 1. Samuelbuch –, auf den Geist Gottes als wirkungsvolle Alternative zum Streben des menschlichen Geistes hinzuweisen.

Mit dieser Arbeit möchte ich das Bewusstsein für das Wirken des Geistes Gottes wecken und dazu dem Vorwurf begegnen, dieser sei unvernünftig, er widerspreche dem gesunden Men­schenverstand, und ja, der Glaube an einen Geist Gottes sei geradezu ein Zeichen dafür, von allen guten Geistern verlassen zu sein. Das Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung einer ‚Rede‘7 vom Geist Gottes mit Menschen, die in der vom skizzierten naturwissenschaftlichen und subjektivistischen Denken geprägten Wirklichkeitswahrnehmung gegründet sind. Ich möchte darüber nachdenken, wie vom Geist Gottes gesprochen werden kann, so dass (a) die befreiende und Verbindung schaffende Wirkung des Geistes im weltlich geschulten Ohr denkbar und (b) die Neugier auf sein Wirken geweckt wird; mit Bonhoeffers Worten, in einer Weise sprechen, „die nicht die Religion als Bedingung des Glaubens […] voraussetzt“8.

Nach angelsächsischem Brauch mache ich in wenigen hermeneutischen Vorbe­merkungen meine Arbeits-Voraussetzungen explizit: Als Ökonomin ist mir das analy­tische, methodisch geleitete Arbeiten vertraut; nicht rationalisierbare Geistwirkungen sind mir suspekt. Latent warnt die Vernunft vor autopoietischen Tricks. Whitehead formuliert diese Skepsis pointiert: „Many a worshipper obtains his purpose of spiritual consolation by bowing towards the sunrise and muttering an incantation; but he may be totally unable to render any coherent account of the grounds, metaphysical or pragmatic, which render his procedure effective.“9 Gleichzeitig bin ich nach zahlreichen Exerzitien- und Meditationsretreats von der verändernden Wirkung des Geistes Gottes überzeugt, der auf Vertrauen und Freiheit und nicht auf Ratio und Kontrolle, der auf kontinuierliches Wirken und weniger auf göttliche Überfälle à la Paulus‘ Sturz vom Pferd, Augustinus‘ „Tolle, lege!“-Erlebnis, Luthers Gewittereinschlag oder Kierkegaards Glaubenssprung setzt.

Die organismische Philosophie („Philosophy of Organism“10 ) von Alfred North Whitehead bietet einen Ansatz für meine Arbeit, denn die Frage, die ihn durch die Jahrzehnte begleitete, war, wie dem Auseinanderfallen von gesundem Menschen­verstand und naturwissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt begegnet werden kann. Analog formuliert sich meine oben beschriebene Frage, wie kann dem Aus­einanderfallen von gesundem Menschenverstand und dem Rechnen mit dem Geist Gottes begegnet werden?

Etwa ein Jahrhundert nach Hegel wagt Whitehead – renommierter Mathematiker und Physiker – eine neue Metaphysik, eine Kosmologie11, die das Erbe der in der Antike entstandenen, dualistischen Substanz-Ontologie durch eine Ereignis-Ontologie und adjustierte Erkenntnistheorie überwinden will.12 Schrittweise entwickelt er ein kohären­tes und adäquates Modell, in dem der Erfahrungsgehalt neuer naturwissenschaftlicher Theorien, zunächst der Elektro­dynamik, später der Raum-Zeit-Relativität, in den Erfahrungshorizont der Gegenwart eingebettet, und durch gemeinsame, Fachdisziplin-übergreifende Abstraktionen ausgedrückt wird. Für Whitehead entzieht der Durchbruch der Einsteinschen Relativitätstheorie auch Kants Argumentation die Grundlage: Kant hatte sich auf eine Erfahrungsgewissheit gestützt, die auf den alten Gesetzen Newtons sowie der klassischen Logik basierte und die gegenwärtig beide keine Gültigkeit mehr haben.13 Für die Frage nach dem Wirken des Geistes Gottes ist Whiteheads Vorschlag einer reformierten Erkenntnistheorie besonders interessant. Jürgen Moltmann und Michael Welker nehmen beide in ihren bekannten Pneumatologien Bezug auf ihn und haben mich neugierig gemacht.

Mein Ziel ist, zunächst mit Whiteheads Erkenntnissen meinen eigenen Blick zu irritieren und daraus Anregungen für eine Rede vom Geist Gottes zu gewinnen (Kapitel 1). Der möglichen Gefahr einer unklaren Theorie-Vermischung, die in jeder Öffnung für und Querbezügen zu anderen Fachrichtungen liegt, und der Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung mit Whiteheads Theorie begegne ich, indem ich im Anschluss an Whiteheads Arbeit und den für mich möglichen Anregungen die Arbeiten von John B. Cobb jr. und Michael Welker vorstelle. Beide haben Whitehead in unterschiedlicher Weise kritisiert, adaptiert und selektiv weitergedacht: Cobb als führender Prozesstheologe hat Whitehead für die Theologie adaptiert (Kapitel 2); Welker – als vermutlich profundester Kenner Whiteheads im deutschsprachigen Raum – verwendet Whitehead, um „vor allem ‚vormoderne‘ Erfahrungen unter behutsamer Verwendung ‚nachmoderner‘ relativistischer Denkformen, neu“14 zu erschließen (Kapitel 3). Dieser Aufbau der Arbeit reflektiert methodisch auch zwei wichtige Themen Whiteheads, Multiperspektivität und Relationalität. Er selbst hat die „fallacy of misplaced concreteness“15 – gemeinsam mit der Überschätzung der Logik – als einen der beiden großen Irrtümer des Philosophierens bezeichnet; das Nebeneinander­stellen der drei Ansätze soll der unvermeidbar selektiven Darstellung begegnen. Im Kapitel 4 werden die gewonnenen Anregungen vorgestellt.

Kapitel 1: Der Geist Gottes in Whiteheads organismischer Philosophie

Alfred North Whitehead (1861-1947) gilt in weiten philosophischen Kreisen nicht nur aufgrund seines beruflichen Werdegangs als Exot:16 Er hatte während fast 40 Jahren die Fächer theoretische und angewandte Mathematik – bis 1910 am Trinity College in Cambridge und bis kurz vor seiner Emeritierung 1924 am Imperial College for Science and Technology in London – unterrichtet. Erst mit der Antrittsvorlesung an der Harvard Universität startete im Alter von 63 Jahren Whiteheads Karriere als Philosoph.17 Neben der professionellen Her­kunft war es vor allem Whiteheads spekulative Philosophie, der Entwurf einer Kosmologie, mit der er sich außerhalb des Kreises der Anfang des 20. Jahrhunderts etablierten Philo­sophenschulen, wie Positivismus, Existentialismus, Sprachanalyse und Marxismus stellte.18

Whitehead entwirft eine Kosmologie, die als spekulative Philosophie 19 etablierte Denk­grundlagen wie die von Substanz-Akzidenz, Subjekt-Objekt oder Raum-Zeit angesichts der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterdenkt und dabei radikal reformiert. Sein Relativitätsdenken ist nicht nur im Inhalt, sondern auch im Aufbau der Arbeiten und im Schreibstil reflektiert; beispielsweise wehrt er der Verfestigung dualistischer Subjekt-Objekt-Denkgewohnheiten dadurch, dass er sich nicht der üblichen Subjekt-Prädikat-Satzstruktur bedient und neue Begriffe prägt: „[…] first of all technical Whiteheadian terms, […] concepts, their meaning cannot be elucidated right away, […] you need some slowing down and learning what they demand and how they behave.“20

Der eigentliche Beitrag Whiteheads für meine Fragestellung liegt weniger in seiner Konzeption Gottes, sondern im veränderten Bewusstsein für den Wahrnehmungs­horizont, innerhalb dessen sich die Wirklichkeit des Geistes und des menschlichen Lebens konstituieren.

A. Whiteheads organismische Philosophie

Zu Beginn ein paar skizzenhafte Bemerkungen zur Persönlichkeit Whiteheads: In seinem wohl bekanntestes Zitat „The exactness is a fake“21 klingt das Wissen um die Notwendigkeit, aber auch die Beschränktheit des wissenschaftlichen Strebens an; Freiheit und Genauigkeit, Kreativität und Disziplin sind Stichworte, die sein Wirken charakterisieren; ebenso wie Mul­tiperspektivität und Verbindung, Konkretheit und Abstraktion. Er stand im Ruf einer großen Geduld mit seinen Schülern und gleichermaßen großen Sturheit im Hinblick auf seine Vorle­sungsgestaltung.22 Er erlebte beide Weltkriege, verlor im ersten eines seiner drei Kinder und begründete eine nicht-nihilistische Philosophie in dieser von Relativismus und Kriegen ge­prägten Zeit. Lange vor der #MeToo-Debatte setzte er sich für die Gleichstellung von Frauen in der Prüfungsordnung von Cambridge ein.23 Whitehead war Sohn eines englischen pro­testantischen Pastors. Er erscheint als Universalgelehrter, verfügte über großes sprachliches Feingefühl und Freude am sprachlichen Spiel, galt als umgänglich und geistig offen im Stil; er konnte aber auch sehr klar im Ausdruck sein: „The notion of the unqualified stability of particular laws of nature and of particular moral codes is a primary illusion which has vitiated much philosophy.“24

Zumeist wird die Entwicklung von Whiteheads spekulativer Philosophie in drei Phasen dar­gestellt, die mit seinen Wirkstätten, Cambridge, London und Harvard, verbunden und durch die Themenschwerpunkte Mathematik, Panphysik und Metaphysik unterschieden sind.25 Es geht ihm – wie eingangs angedeutet – um eine Philosophie „[that does not exclude] itself from the relevance to the ordinary stubborn facts of daily life.”26 Beides, Whiteheads starke Verankerung in der Mathematik und die von ihm maßgeblich geprägte Wiederbelebung der seit Kant tot geglaubten Metaphysik hängen eng zusammen; seine Verbindung von mathematischer und spekulativer Methode ist für das Verständnis von Whiteheads Philosophie zentral, dem folgt daher auch die Gliederung des folgenden Kapitels.

A.1. Grundlagen und Entwicklung der organismischen Philosophie

Methodischer Startpunkt: Mathematik

Mathematisch versierte Denker wie Whitehead, Russell, Peirce oder Wittgenstein erkannten in den Innovationen im logisch-mathematischen Denken der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts die Chance zur Erneuerung der theoretischen Philosophie, besonders in der Falsifikation der über viele Jahrtausende unhinterfragten Theorie vom drei-dimensionalen Raum, die mit der Geometrie Euklids verbunden war.27 Es waren die Jahre der dammbruchartigen natur­wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Namen wie Helmholtz, Pasteur, Darwin und Clerk-Maxwell gekennzeichnet waren. Als Mathematiker arbeitete Whitehead zunächst – wie auch andere bekannte Außenseiter der Philosophie wie Grassmann, Boole, Frege, Peirce – an der Entwicklung einer logischen Universalsprache, um so Leibniz Programm der characteristica universalis fortzuführen.28

Das Staunen und der Optimismus, die den durch die neu­en Theorien gewährten Ein­blick in eine sehr viel größere Vielfalt mathematischer Strukturen als bislang gedacht begleiten, scheinen auch noch ein halbes Menschenleben später durch:

„For example, this absurdly limited number of three dimensions of space is a sign that you have got something characteristic of a special order. We can see the universe pass­ing on to a triviality. […] That does not mean that there are not some other types of order of which you and I have not the faintest notion, unless perchance they are to be found in our highest mentality and are unperceived by us in their true relevance to the future.”29

Mathematik sucht nach Mustern der Abstraktion vom Konkreten; zumeist gerät dabei der Hintergrund, vor dem und aus dem heraus sich die unendlichen Erfahrungsdetails konstruieren, d.h. Bedeutungen zugewiesen werden und Abstraktionen stattfinden, aus dem Blick. Die Erkenntnis, dass seit Newton Generationen von Mathematikern wenn auch nicht einer ‚falschen‘, so aber doch nur einer unter vielen möglichen Ab­straktionen aufgesessen waren, verschärfte sich mit dem Fortschreiten der von Ein­stein und Planck angeführten Revolution. Traditionellen philosophischen Konzepten, wie dem Substanzbegriff und Raum-Zeit-Denken, wurde endgültig das theoretische Fundament entzogen.30 Die Naturwissenschaftler fanden sich in einer methodischen Verunsicherung wieder, vergleichbar mit der der Philosophen:

„Damit ist auch endlich die merkwürdige Diskrepanz verschwunden, die so lange zwischen dem unbekümmerten Optimismus der modernen Naturwissenschaften und der vorwiegend pessimistischen Grundstimmung der modernen Philosophie bestand. Von Unbekümmertheit ist hüben und drüben nicht mehr sehr viel die Rede.“31.

Ohne seine Wertschätzung der Mathematik als Ausdruck höchster menschlicher Krea­tivität zu vermindern32, ändert Whitehead radikal seine Methode: Erstens stellt er der Abstraktion durch die reine Mathematik, die als ein „Instrument des Denkens, das die Konsequenzen, die in einem Begriffssystem liegen, systematisch zu entfalten gestattet“, die Spekulation an die Seite, die „die Begriffsmuster, die die Erfahrung in den Einzelwissenschaften und in den verschiedenen Bereichen, wo sich menschliche Erfahrung materialisiert, wie Sprachen, Institutionen und Religionen, von Fixierung befreit und aufeinander bezieht.“33. Zweitens geht er zurück zu der empirischen Basis, den unendlichen konkreten Details der Sinneserfahrungen in der Natur, welche die Grundlage für alle Abstraktion konstituieren; wobei er zunächst den Erkenntnisprozess selbst hinterfragt und später die empirische Datenbasis über die Naturerfahrungen hinaus erweitert.34 Die methodische Verbindung von Präzision und Spekulation, von Konkretem und Abstraktem ist grundlegend für sein weiteres Werk.

Erweiterung durch methodische Spekulation

Konsequenterweise strebt Whitehead spätestens ab der zweiten Hälfte der 1910er Jahre keine mathematisch fundierte characteristica universalis mehr an; ein selbst­ständiges Schließen des Grabens zwischen Alltags- und Wissenschaftserfahrung, das am Anfang von Whiteheads Mathematikerkarriere vielleicht noch möglich schien, war mit den Erkenntnissen der Relativitätstheorie gänzlich unmöglich geworden.35 Wenn jegliches Verstehen ungewiss und der Erkenntnisprozess selbst bedingt ist, dann bedarf es eines spekulativen Schemas, um über­haupt eine Vorstellung von Wirklichkeit zu entwickeln36:

„[Dieses] ist deshalb erforderlich, weil es weder in der Sprache (Satz), noch in der Erfahrung, noch in einem Subjekt, noch in irgendeiner Form von Gegen­ständlichkeit einen sicheren, abgegrenzten Ruhepunkt für die Fundierung der Erkenntnis gibt. Die Idee des spekulativen Schemas ist die, anstelle einer derartigen Letztbegründung der Erkenntnis aufgrund begrenzter Erfahrung ein Schema des Ganzen des Erfahrungszusammen­hanges, das als solches nicht Gegenstand der Erkenntnis werden kann, zu entwerfen. Dieser spekulative Entwurf wird durch methodologische Regeln begrenzt.“37

Mit seinen ersten philosophischen Arbeiten setzt Whitehead an dem spekulativen Defizit der neuzeitlichen Wissenschaften und Philosophie an und entwickelt ein Modell, das die Notwendigkeit von methodisch kontrollierter Spekulation als Korrektur der im Zusammenspiel von Tatsache und Theorie, Konkretem und Abstraktion begrenzten Wirklichkeitswahrnehmung erklärt.38 So sind Descartes‘ res extensa und res cogitans nur Abstraktionen von konkreten Ereignissen, die nicht in ihrer Konkretheit, sondern nur auf spekulativem Weg erkannt werden können. Materie, Raum oder Zeit sind folglich als Abstraktionen von konkreten Ereignissen für Whitehead nicht in einem ontologischen Sinn wirklich und so weist er die mit Substanz, Akzidenz und Raum-Zeit-Vorstellungen verbundene Ontologie, die bisher zur Beschreibung von Wirklich­keit diente, zurück. Diesen Komplex falscher oder einseitiger Abstraktionen vom Konkreten, diesen falschen Reduktionismus, fasst er mit den Ausdrücken „fallacy of simple location“ oder „fallacy of misplaced concreteness“ zusammen.39 Ich komme in Teil B.1. darauf zurück.

Zur genauen Beschreibung der Abstraktionen und Interpretationen fehlten Whitehead Anfang der 1920er Jahre noch eine Theorie der Symbolisierung, eine Subjektivitäts- und Erfahrungstheorie und offen ist auch die Formulierung der Teleologie. Aber die Grundzüge der Whiteheadschen Kosmologie, die er Ende der 20er Jahre mit Process and Reality vorstellt, sind mit den Begriffspaaren Abstraktion und Konkretion, Einheit und Vielheit, Absolutheit und Relativität beschrieben.

Anders als die meisten der Vorgänger und Kollegen liest Whitehead die Begriffe aber nicht mit der Brille von „entweder-oder“, sondern in der Perspektive von „sowohl-als auch“: „Wherever a vicious dualism appears, it is by reason of mistaking an abstraction for a final concrete fact.“40 Das für Whiteheads Kosmologie zentrale ultimative meta­physische Prinzip, das den Prozess fortschreitender Kreativität im Zusammen­spiel von Einem und Vielem beschreibt und nachfolgend vorgestellt wird, zeigt sich: Er räumt mit den „Irrtümern“ Descartes‘, Aristoteles‘ und Platons auf; aber er stellt auch den großen Beitrag dieser Philosophen heraus, welche die Entwicklung von Whiteheads Kosmologie erst möglich machten und in ihrem jeweiligen Beitrag mit der neuen Kosmologie verwoben sind.

A.2. Begriffe, Prinzipien und Themen

Der Name „Philosophy of Organism“ leitet sich vom von Whitehead 1927 vorge­schlagenen Titel für die Gifford Lectures „The Concept of Organism“ ab, die überarbeitet als Process and Reality (PR) publiziert wurden.41 Seine Kosmologie entwirft Whitehead auf wenigen Seiten als axiomatisch formuliertes Kategorien­schema42 und exemplifiziert sie auf den folgenden 350 Seiten von PR, indem er immer wieder Aspekte des substanzontologischen Weltbilds aufnimmt und zeigt, dass diese die Totalität nur partiell beleuchten.43

Begriffe und Prinzipien

An den Anfang seiner Kosmologie stellt Whitehead dieKategorie des Ultimativen(„The Category of the Ultimate“). Sie enthält die Vorstellungen („notion“) von Eins, Vieles und Kreativität, wobei letztere innerhalb der Kategorie des Ultimativen als das ultimative Prinzip („universal of universals“) herausgestellt wird:

„It is that ultimate principle by which the many, which are the universe disjunctively, become the one actual occasion, which is the universe conjunctively. It lies in the nature of things that the many enter into complex unity.”44

Oder noch konzentrierter formuliert: Wirklichkeit ist, wenn die Vielen eins werden und um eins vermehrt werden.45 Die Erklärung dieses offensichtlich komplexen Vermitt­lungsprozesses zwischen Vielen und Eins ist die Aufgabe von Process and Reality. 46

In Whiteheads Kosmologie ist alles das wirklich, was einaktuales Ereignis(„actual entity“, „actual occasion“, „aktuale Entität“, „wirkliches Ereignis“, „wirkliches Gescheh­nis“)47 ist. Die Vielen, von denen Whitehead in der ultimativen metaphysischen Kate­gorie spricht, sind genau diese „actual entities“. Es ist der zentrale Begriff von White­heads Metaphysik:

„‘Actual entities‘ – also termed ’actual occasions‘ – are the final real things of which the world is made up. [...] The final facts are, all alike, actual entities; and these actual enti­ties are drops of experience, complex and interdependent.”48

An die Stelle von Substanz setzt er Relation, an die von statischem, durch äußeren Anstoß bewegtem Sein den dynamischen Prozess. Infolge der starken Vorprägung des Denkens durch den substanzontologischen Dualismus, der die bipolare Getrennt­heit und nicht Verbundenheit betont, ist hervorzuheben, dass die aktualen Entitäten keine unveränderlichen Teilchen (Materiepartikel) sind, sondern Vermittlungs­prozesse:49

„It is fundamental to the metaphysical doctrine of the philosophy of organism, that the notion of an actual entity as the unchanging subject of change is completely abandoned. An actual entity is at once the subject experiencing and the superject of its experiences. It is subject-superject, and neither half of this description can for a moment be lost sight of.“50

Gemeinsam mit den wirklichen Ereignissen stellen die „eternal objects“51 („pure potentials“, „ewige Form“, „ewige Objekte“) die fundamentalen Typen von „entities“ dar: Ewige Objekte beschreiben keine aktuale, sondern nur potentiale Existenz; sie sind vollkommen unveränderlich, an kein spezifisches aktuales Ereignis gebunden und können wiederholt in solche eingehen, bei­spielsweise als Farbe oder Form. Die ewige Form bestimmt, sofern die von ihr angebotene Möglichkeit in den Prozess des Werdens des wirklichen Ereignisses eingeht, den definitiven Charakter der Wirklichkeit.52

Das wirkliche Ereignis als Werden-Sein-Prozess wird zur Beschreibung in die Aspekte Zusammenwachsen („concrescence“) und Übergang („transition“) unterschieden.53 „Con­crescence“ bezeichnet den über mehrere Stufen stattfindenden Prozess des Konkret-Werdens eines wirklichen Ereignisses.54 Wie das Werden abläuft, erklärt das ontologische Prinzip55, das wichtigste Prinzip nach dem ultimativen metaphysischen Prinzip der Kreativi­tät:

„This ontological principle means that actual entities are the only reasons; so that to search for a reason is to search for one or more actual entities. It follows that any condi­tion to be satisfied by one actual entity in its process expresses a fact either about the ‚real internal constitutions‘ of some other actual entities, or about the ‚subjective aim‘ conditioning that process.“56

Demnach können nur wirkliche Ereignisse das Werden wirklicher Ereignisse bedingen, d.h. die Ursachen für das Werden liegen entweder in der realen inneren Beschaffenheit der wirk­lichen Ereignisse, die an der neuen Konkretisierung beteiligt sind, oder in dem subjektiven Ziel des gerade werdenden Ereignisses. Dassubjektive Ziel(„subjective aim“) beschreibt die Reflexivität des werdenden Ereignisses und wie es sich zu den es bedingenden Faktoren verhält. Das ontologische Prinzip wird auch als „Prinzip der Wirk- und Zweckverursachung“ bezeichnet; die determinierenden anderen wirklichen Ereignisse sind die Wirkursachen („causa efficiens“), das vom wirklichen Ereignis selbst entwickelte subjektive Ziel die Zielursache („causa finalis“). Beide Ursachen können nicht isoliert voneinander wirken:

„Die kausale Wirksamkeit wirkt nie streng deterministisch. Strenge Determination erhält die Vergangenheit erst durch die Konstitution einer neuen Entität, die das potentiale Gefüge der vergangenen Entitäten zu einem aktualen macht.“57

Am Anfang der „concrescence“ muss ein „primary feeling“ stehen, eine Art Initialzündung;58 den Abschluss findet das Zusammenwachsen in der Erfüllung („satisfaction“). Dann hat das wirkliche Ereignis seine Bestimmung als vollkommen determinierteEmpfindung(„feeling“) erreicht. Im Streben nach möglichst hoher Erfüllung drückt sich das ultimative Prinzip der Kreativität aus. Die Begriffe werden nachfolgend erläutert.

Die bisher vorgestellte Seite des Prozessgeschehens, die „concrescence“, hat eine Seite im Vermittlungsprozess beleuchtet und die durch Wirkursachen determinierte und auf Zielursa­chen gerichtete formale Beschaffenheit des wirklichen Ereignisses in den Vordergrund gestellt.59 Die andere Seite des Prozessgeschehens, „transition“, beschreibt die Prozess­phase, in der ein wirkliches Ereignis seinen eigenen Werdens-Prozess abgeschlossen hat und nun als vollständig determiniertes Objekt in andere Formationsprozesse eingehen kann. Die objektiv gewordene aktuale Entität ist nun selbst zur Potentialität geworden und kann als solche die Aktualität anderer aktualer Entitäten determinieren; durch die Bezeichnung „superject“ soll die „Vergangenheit“ als ehemaliges Subjekt des Werdens-Prozesses nicht vergessen werden.60 In ihrer Potentialität erscheint die Vielfalt der potentiellen aktualen Entitäten zwar als Kontinuum aufgrund der externen Relationen, die sie zu anderen potentiellen „aktualen Entitäten“ haben, nicht aufgrund der wirklichen Existenz eines Kontinuums.

Die Beschreibung der aktualen Entität unterliegt sprachlichen Grenzen: Whitehead möchte Wirklichkeit in den sie konstituierenden Beziehungen, Veränderungen, Streben und Verharren, Misslingen und Gelingen, Agieren und Reagieren u.v.m. formulieren. Dazu bedient er sich moderner subjektivitätstheoretischer Begriffe: Emotionen, Empfindungen, Selbst-Interesse und Erfüllung werden ohne Konnotation von menschlichem Bewusstsein als theo­retische Begriffe, die in verschiedenen Kontexten – Ästhetik, Kultur, Religion oder Naturwis­senschaft – gelten, angewendet.61 Drei wichtige Themen bei der Beschreibung der Wirklich­keit sind emotionale Verfasstheit der Wirklichkeit, Streben nach Wertintensität und Relationalität.

Themen Emotionale Verfasstheit, Wertintensität und Relationalität

Whiteheads These lautet: Die gesamte Wirklichkeit ist emotional verfasst, d.h. alles, was wirklich ist, verfolgt subjektive Ziele und Werte und strebt nach Erfahrung von Wertintensität; das Prinzip von Wirk- und Zweckursächlichkeit und das Prinzip des Prozesses, die konsti­tutiv im Werden des wirklichen Ereignisses sind, erklären dies. Whitehead stellt damit die Behauptung in Frage,

„daß die Wirklichkeit auf ihrer fundamentalen Ebene zweckfrei sei. Die materialistische Voraussetzung, daß wir, je weiter wir Naturprozesse analysieren, zu immer weniger komplexen Einheiten vordringen, die in dem Sinne ‚leer‘ sind, daß für sie Werte und Zwecke keine Rolle spielen, hält Whitehead für falsch.“62

Die angenommene Wert- und Zweckfreiheit, die „Leerheit“, hat nichts mit der wirklichen Qualität der Ereignisse zu tun, sondern ist vor allem auf Defizite in der menschlichen Wahrnehmung zurückzuführen (vgl. Teil B.1.). Ganz im Gegenteil gilt:

„Die meisten Phänomene der Subjektivität, vor allem Bewertungs- und Zweck­setzungsphänomene, sind nach Whitehead universal und fundamental für Wirklichkeit überhaupt.“63

Bewertungs- und Zwecksetzungsphänomene treten u.a. auf, weil jedes wirkliche Ereignis mit anderen wirklichen Ereignissen in mehr oder weniger engen, sich verän­dernden Beziehungen steht. Die Beziehungen sind nicht einfach neutral, sondern dadurch emotional geprägt, dass jedes wirkliche Ereignis an seinem Werden subjektiv beteiligt ist: Es reflektiert, mit welchen anderen wirklichen Ereignissen es Beziehungen eingehen möchte, und bewertet gemäß der eigenen subjektiven Form. Whitehead ver­wendet den BegriffErfassung(„prehension“64 ), um Beziehungs-Vektoren zu be­schreiben, in denen ein wirkliches Ereignis andere objektivier­te wirkliche Ereignisse und ewige Objekte gemäß seiner subjektiven Form erfasst. Bei einer Empfindung („feeling“) nimmt das erfassende wirkliche Ereignis auf; bei einer negativen Erfassung weist es zurück.65 Dabei sind alle wirklichen Ereignisse auf das Empfinden vonWert(„value“) ausgerichtet.

„This self-interest is a feeling of self-valuation; it is an emotional tone. […] the actuality is the enjoyment, and the enjoyment is the experiencing of value.”66

Empfindung von Wert,Vergnügen(„enjoyment“67 ), entsteht in dem Moment, in dem ein wirkliches Ereignis sein subjektives Ziel erfüllt und subjektive Unmittelbarkeit erlangt.68 Whitehead formuliert dieses Streben nach Erfahrung von Wert als „feelings aim at their subject […] thus the feeling would be wrongly abstracted from its own final cause.“69 In Whiteheads Modell ist Wert-Kreation demnach das, was den kreativen Prozess antreibt und das was im kreativen Prozess entsteht.70

Durch diese Modellierung ist die dualistische Trennung von erlebenden und nicht-erle­benden Entitäten überwunden: Die Wirklichkeit ist eine Vielfalt von zusammen­wachsenden Ereignissen, die aufgrund ihres subjektiven Strebens nach der Erfahrung von Selbstwert in sich werthaltig sind; sie ist kein Gefüge passiver Substanzen, auf die ein unbeteiligter Beobachter reagiert.71 Dabei ist Wert an sich ist völlig unbestimmt: „Alle Ziele sind vorläufig, sie selbst kommen und gehen, und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß es ein letztes Ziel geben muß.“72 Wert ist ebenso im Prozess „Felsbrocken“ wie im Prozess „menschliche Zelle“: Wert erfährt Bestimmung erst durch die Relation der werdenden Entität zur eigenen Vergangenheit und zum zukünftigen Universum und dient als Maßstab für unterschiedliche Wertempfindungen.73

Whitehead weist mit dieserrelativen Bestimmtheit von WertErwartungen über absolute Werte, Ideale oder Ordnungen zurück. Dennoch sind relative Werte für seine Kosmologie von größter Bedeutung: Denn das Streben nach Verwirklichung größt­möglicher Wertintensität ist der systeminhärente Entwicklungsmotor, in ihm wirkt das Prinzip der Kreativität.74 Eine weitere These Whiteheads lautet: Alle wirklichen Ereignisse streben aus Selbstinteresse nach dem Empfinden größtmöglicher Wertintensität, nach Vergnügen. Diese hängt von einer Kombination von Harmonie und Intensität ab. Harmonie ist ein Zusammenklang, der zwischen den involvierten Ereignissen notwendig ist, wenn sie in Beziehung treten und Erfül­lung sowie Vergnügen entstehen soll. Harmonie stellt somit eine Begrenzung möglicher Be­ziehungen dar: Hohe Disharmonie verhindert bei hoher Intensität das Zusammen­wachsen eines Ereignisses, wohingegen Harmonie bei wenig Intensität zwar möglich ist, aber dabei wenig, trivialer Wert entsteht.75 Intensität selbst hängt von der Komplexi­tät eines wirklichen Ereignisses ab, denn hohe Komplexität bedeutet, dass es viele Elemente aus der Umwelt fühlen kann:

„The more an actual entity can hold the items of its experience in contrasts, and con­trasts of contrasts, the more it elicits depth and intensity for its satisfaction.“76

In ihrem Streben nach Wertintensität77 entwickeln die wirklichen Ereignisse zunehmend komplexere Ordnungsstrukturen („nexūs“).78 Lebendige unterscheiden sich von anorgani­schen Strukturen (wie Kristalle, Planeten oder Sonnen) dadurch, dass sie nicht nur zu Abstraktionsleistungen in der Lage sind, die Stabilität und damit Dauer in der unendlichen Vielfalt wirklicher Ereignisse ermöglicht, sondern darüber hinaus neu aus dem Umfeld auftauchende Daten unmittelbar und mehr oder weniger vollständig in ihre strukturierte Ordnung integrieren können. Sie generieren höhere Wertintensität, einen höheren Grad an Lebendigkeit, und erfüllen dadurch ihren Sinn: „[…] the primary meaning of ‘life’ is the origination of conceptual novelty – novelty of appetition.“79. In der Hierarchie komplexer Strukturen ist der hochkomplexe mensch­liche Organismus „die notwendige Bedingung der Entstehung von wirklichen Einzel­wesen in der Art des menschlichen Bewußtseins: Wo es keinen Körper gibt, kann auch kein Geist, ähnlich dem menschlichen, sein.“80 Das hier mit Geist bezeichnetemenschliche Bewusstseinist Kennzeichen der Komplexität der letzten Phase des komplexen Zusammenwachsens der Daten, die im Hinblick auf die finale Bestimmtheit eine „corpuscular society“ formen und ist damit Ausdruck hoher Wertintensität.81

Whiteheads Philosophie wird als Metaphysik der universellen Relationalität be­zeichnet, die die Beteiligung der einzelnen Entität am schöpferischen Werden des rela­tionalen Ganzen herausarbeitet.82 Wirklichkeit ist demnach an das prozessuale Wer­den in Verbindung mit dem Umfeld gebunden:

"[…] each entity, of whatever type, essentially involves its own connection with the uni­verse of other things. This connection can be viewed as being what the universe is for that entity either in the way of accomplishment or in the way of potentiality.”83

Der Begriff „Solidarität“ kennzeichnet die Verbundenheit, „dauerhafte Subjekte“ wer­den in verschiedenen aufeinanderfolgenden Aktualisierungen wiederholt und stellen Verbindung mit objektivierten Ereignissen dar. Und selbst der Mensch und sein Bewusstsein sind in ihrem Werden vollkommen auf die Verbundenheit mit sich und ihrem Umfeld angewiesen: „Das Ich, das Bewußtsein, ist eine Eigenschaft in komplex­en Organismen und nichts, das völlig sui generis wäre.“84

[...]


1 Vgl. Moltmann, 1991: 31ff., 39f., 192f., 239; Peng-Keller, 2010: 14, 34f., 57; Welker, 20156: 214ff., 307ff.

2 Vgl. im Folgenden Arendt, 201618: 318ff., 348ff.; Dupré, 1993; Hampe, 1998: 38ff.; Hauskeller, 1994: 7ff.; Rust, 1987: 9ff.; Welker, 19882: 24ff. Whitehead Zitat Arendt, 201618: 329 (SMW, Pelican Edition, 1926: 19).

3 Zur neuzeitlichen Philosophie Dupré, 1993; Rust, 1987: 83ff.; Hampe, 1998: 46ff.; Oermann, 20103: 148ff.

4 Vgl. Rust, 1987: 45f. Bonhoeffers These, der Mensch brauche Gott nicht mehr zum Leben, bezieht sich vermutlich auf diese auf materielle Erde und Himmel reduzierte Welt. Tömmel beschreibt diese Heterogenisierung als ein Auseinanderfallen des scholastisch selbstverständlichen Zusammenhalts von Essenz und Existenz, des­sen Gewissheit durch Descartes zwar erschüttert aber noch durch Gott zusammengehalten wurde. Erst Kant postuliert die Unüberbrückbarkeit des Grabens und ein letzter Versuch zur Rettung der Metaphysik durch die deutschen Idealisten scheitert am rasanten natur­wissenschaftlichen Fortschritt. Zwar versuchen Heidegger und Jaspers – nach einer längeren Phase existenzphilosophischer Versuche – wieder zur universalen Ontologie zu­rückzukehren; aber Habermas Diktum scheint unverändert Gültigkeit zu haben: die Philosophie habe seit Ende des 18. Jahrhunderts nur ein Thema, das Erlahmen der sozialen Bindungskräfte, Privatisierung und Entzweiung. Vgl. Tömmel, 2013: 35ff. Für Hampe drücken Heidegger und Wittgenstein die Resignation der Philosophie aus, wissenschaftliche und alltägliche Dinge zusammenzudenken. Hampe, 1998: 48.

5 „Wir brauchen einen neuen Naturbegriff.” – so öffnet Alois Rust seine Dissertation über Whiteheads organismische Philosophie. Die Wirkungen des naturwissenschaftlichen Reduktionismus zeigen sich überdeutlich in der Vernichtung der natürlichen Lebenswelt. Vgl. Cobb/Griffin, 1979: 111ff.

6 Frey/Levison, 2014: 1ff. geben einen guten Überblick über die historisch-kritische Forschung zu Erfahrungen des Geistes Gottes im Neuen Testament. Die Deutung des Heiligen Geistes ist nicht erst ein Problem der Post­moderne; bereits die Frühkirche zeigt in den knappen Bekenntnisabschnitten eine theologische Zurückhaltung, die in den folgenden Jahrhunderten fortbestand. Pfingstkirchliche und charismatische Bewegungen haben nicht dazu beigetragen, den Geist Gottes im theologischen Mainstream zu verankern. Zu den Gründen Moltmann, 1991: 13ff.; Welker, 20156: 15ff.; Ohly, 2015: 17f.; Körtner, 1999: 11ff.; Welker, 20156: 259ff. zur Verweltli­chung des Geistbegriffes.

7 „Rede“ ist im umfassenden Sinn als ganzheitliche Kommunikation, als Erfahrbar-Machen gemeint.

8 Bonhoeffer, 201020: 175. Dadurch kann auch dem Unbehagen vor dem erst einmal Unordnung wirkenden großen Unbekannten, dem Geist Gottes, begegnet werden, der in Diskussionen in landeskirchlichen Kreisen gerne mit dem Etikett „unhei­lig“, „schwärmerisch“, „pfingstlerisch“ belegt wird. Wie Moltmann schreibt, „ruft man […] gerne zuerst und von Anfang an nach dem ‚Kriterium für die Unterscheidung der Geister‘ – selbst dann, wenn sich noch gar keine Geister gemeldet haben.“ Moltmann, 1991: 14; vgl. Peng-Keller, 2010: 35ff.

9 Whitehead AI, 1967: 39 (20172: 130). Im Folgenden zitiere ich Whitehead wegen seines eindrücklichen Sprachstils im englischen Original. Ich zitiere Process and Reality gemäß der editierten amerikanischen Ausgabe und verweise bei allen Whitehead Zitaten in Klammern auf die Parallelstelle im deutschen Text.

10 Zum Begriff vgl. Fußnote 41; Rust, 1987: 98f.; Welker, 1988: 85.

11 Die Umgangssprache der Gegenwart bezeichnet mit Kosmos das Weltall der Astrophysik. Diese sprachliche Entwicklung unterstreicht die “fragwürdige neuzeitliche Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Philosophie und Naturwissenschaften”, so Rust, 1987: 2. Zur Begründung der Chancen einer Kosmologie in der Moderne, vgl. u.a. Welker, 2009: 321; Cobb, 20072: 176. Der griechische Ausdruck Kosmos, seit Homer belegt, meint ursprünglich das für Zweckerfüllung notwendige Ordnungsgefüge; die Übertragung des Begriffs auf das Firmament ist seit den ionischen Naturphilosophen im 6. Jahrhundert v. Chr. bekannt. Erst danach tauchen Vorstellungen vom Kosmos als entweder geschaffenem Abbild des Ideenhimmels (Platon) oder als ungewordener, ewiger Ordnung unterteilt in sublunare und lunare Sphäre (Aristoteles) auf. Allerdings bezeichnet Kosmos auch schon in der römischen Antike die von den Menschen bewohnte Welt (Stichwort: Augustus, Reich bis an die Grenzen des Kosmos) und die verdorbene Welt (Gnosis, Neupythagoreer). Die hebräische Literatur, vor-hellenistisch ohne einen mit Kosmos vergleichbaren Begriff, schließt in der jüdi­schen Weisheitsliteratur an die platonische Vorstellung des vom logos, der Weltseele, durchwirkten göttlichen Kosmos an; aber es gibt auch eine Traditionslinie mit Gott bzw. Himmel auf der einen Seite und Kosmos als irdischer Welt abwertend auf der anderen Seite. Vgl. Kapitel 3; vgl. Wolter, 20143: 1891ff.

12 Vgl. Whitehead PR, 1985: 3 (20188: 31); Rust, 1987: 2ff., 67ff., 192f.; Hauskeller, 1994: 19.

13 Vgl. Rust, 1987: 4; Whitehead PR, 1985: 113 (20188: 218).

14 Welker, 20156: 13.

15 Z.B. Whitehead PR, 1985: 7 (20188: 39).

16 Im Folgenden vgl. Hampe, 1998; Hauskeller, 1994; Desmet/Irvine, 2018; Rohmer, 2001; Whitehead ESP, 1947: 3ff. „Ein wissenschaftstheoretisch ambitionierter, kulturtheoretisch interessierter und religiös inspirierter Philosoph, der zu extremen sprachlichen Innovationen neigt, stellt eine Verbindung von zu vielen Inkompatibili­täten für die meisten Gemüter unserer Zeit dar.“ Hampe, 1998: 180.

17 Er war während der Studienzeit in Cambridge Mitglied des renommierten Debatierklubs, Cambridge Apos­tels, dem u.a. McTaggart, Moore, Russell, Keynes angehörten; vgl. Hampe, 1998: 24.

18 Vgl. Hampe, 1998: 13f.; 179ff. Rust, 1987: 102ff.; Rohmer, 2001: 14ff. zur Kontextualisierung von Whiteheads Kosmologie; Stichworte: Internalität und Immanenz (v.a. Bradley) versus Externalität, Transzendenz und Natur­gesetzgläubigkeit (v.a. Russell). Einige sehen Whiteheads Hauptwerke in der Tradition von Klassikern wie Pla­tons Sophistes, Aristoteles‘ Metaphysik Z, Leibniz‘ Monadologie oder Hegels Logik; vgl. Hampe, 1998: 28; Wiehl, 1990: 9ff.; Cobb, 2007: 177f. Zur Wirkungsgeschichte: Weber/Desmond 2008; Cobb, 1979: 162ff.

19 „This course of lectures is designed as an essay in Speculative Philosophy. Its first task must be to define ‚speculative philosophy,’ and to defend it as a method productive of important knowledge. Speculative Philosophy is the endeavour to frame a coherent, logical, necessary system of general ideas in terms of which every element of our experience can be interpreted.”. Spekulatives und logisches Denken ergänzen sich und so schreibt er weiter „Speculative boldness must be balanced by complete humility before logic, and before fact.“ beide Zitate Whitehead PR, 1985: 3/17 (20188: 31/56). Im Vorwort von PR stellt er sich in die Tradition von Platon, Aristoteles und Locke; an anderer Stelle in die des amerikanischen Pragmatismus von Peirce und James, die die spekulative Philosophie im amerikanischen Prag­matismus mit neuem Leben füllten. Er grenzt sich von den englischen Idealisten (Bradley, McTaggert u.a.) ab, die in der Tradition des Deutschen Idealismus von der Existenz eines Absoluten ausgehend die Irreali­tät von Raum und Zeit beweisen wollten; auch der analytischen Philosophie steht er ablehnend gegenüber; vgl. Whitehead PR, 1985: xi (20188: 21); Lowe, 1990: 221ff.; 345; Hampe, 1998: 29ff.; 52ff.

20 Stengers, 2005: 36. Vgl. Whitehead PR, 1985: 137 (20188: 160f.); Hampe, 1998: 25f.; Holl, 20188: 640.

21 Whitehead ESP, 1947: 96. Mit dem Zitat schloss er seine letzte Vorlesung („Immortality“) an der Harvard Divinity School 1941. Nach Stengers ist Whitehead der wohl am häufigsten zitierte und am seltensten gelesene Philosoph des 20. Jahrhunderts: Sie macht auf die Mehrbödigkeit seiner Aussagen, seine Sensibilität für Spra­che in Verbindung zu seiner mathematisch geschulten Denkweise aufmerksam; vgl. Stengers, 2005.

22 Ein freshman bei der Antrittsvorlesung Whiteheads 1924 in Harvard: „the opening lecture plunged us into a morass of absolutely unintelligible metaphysics His longest and most difficult sentences all ended ... with the gleaming words, ‘... you know.’ We, of course, didn’t know anything, so far as that lecture was concerned. When the hour ended we were completely baffled, and in despair about the course, but we were also all in love with Whitehead as a person for somehow the overwhelming magic of his being had shown through.” Lowe/Schneewind, 1990: 142. Ähnliche Berichte zur Gifford Lectures vgl. Hampe, 1998: 26f.

23 Vgl. Hampe, 1998: 20f.

24 Whitehead MT, 1968: 13 (2001: 57).

25 Vgl. im Folgenden Hampe, 1998: 24ff., 38ff., 46ff.; Rust, 1987: 12ff.; Welker, 1988: 35ff.; Lowe, 1985/90.

26 Whitehead PR, 1985: xiii.

27 Zur anschaulichen Beschreibung des Umbruchs Whitehead selbst in seiner Vorlesung „Mathematics and the Good“, die er 1940 in Harvard hielt. Vgl. Whitehead ESP, 1947: 97ff. Whitehead et al. knüpften an der Tradition der engen Verbindung von Mathematik und Philosophie an, die er bis zu Platon zurückverfolgt, und setzten eine vor-moderne Tradition fort, in der Mathematik und Naturwissenschaften zur Grundausbildung von Philo­sophen zählte, z.B. Cusanus, Descartes, Leibniz. Vgl. Hampe, 1998: 38ff.; Arendt, 201618: 339f.; Rust, 1987: 27ff.

28 Vgl. Hampe, 1998: 15ff. Whiteheads Ruf als reiner Mathematiker und Mitbegründer der formalen Logik be­ruht auf seinen bedeutenden Werken Treatise on Universal Algebra, 1898, und The Principles of Mathematics, 1910 bis 1913 gemeinsam mit Bertrand Russell veröffentlicht. Vgl. Hampe, 1998: 22.

29 Whitehead ESP, 1947: 118.

30 Vgl. zur Persistenz der Vorstellung einer autonomen, mechanistischen Natur, obwohl alle dazu gehörigen Annahmen wissenschaftlich widerlegt wurden: Whitehead MT, 1968: 129ff. (2001: 162ff.). Zu Whiteheads Widerlegung des newtonschen Weltbilds u.a. Whitehead ESP, 1947: 332; Hampe, 1998: 81f., Rust, 1987: 43f.

31 Arendt, 201618: 347.

32 Seit Newton hatte sich die Philosophie um eine methodische Fundierung des wissenschaftlichen Anspruchs bemüht und mit Kant scheinbar gefunden. Der Verlust des Absolutheitsanspruchs der newtonschen Mechanik macht die methodischen Unsicherheiten beider Disziplinen unübersehbar. Vgl. Rust, 1987: 6f., 34f.; Whitehead SMW, 1967: 19ff. (1949: 26); Hampe, 1998: 38ff.

33 Vgl. Rust, 1987: 22, 27ff., 45ff.

34 Diese Phase, häufig mit „Naturphilosophie“ bezeichnet, soll keine Assoziationen zum Deutschen Idealismus Schellings wecken: Whitehead kritisiert nicht das „mechanistische“ Weltbild Galileis und Newtons, Maxwells Elektrodynamik, Einsteins Relativitätstheorie oder Planks Quantentheorie an sich; er sieht diese als Teil des wissenschaftlichen Fortschritts. Was er aber kritisiert, ist die fehlende philosophische Reflektion. Vgl. Hampe, 1998: 39ff.; Rust, 1987: 3f. Whitehead differenziert: „We are concerned only with Nature, that is, with the object of perceptual knowledge, and not with the synthesis of the knower with the known. This distinction is exactly that which separates natural philosophy from metaphysics.” Whitehead PNK, 1919: vii.

35 „Die Anwendung der nicht-euklidischen Geometrie, das Postulat eines vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums in der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Welle-Partikel-Dualismus in der Quantenphysik sind nicht mehr so einfach durch Umstellungen unserer Anschauung nachvollziehbar, sondern das Resultat eines mathematischen Denkens, das sich von der Anschaulichkeit weitgehend losgesagt hat, von der nicht-euklidischen Geometrie n-dimensionaler Räume und der Matrizenrechnung.“ Hampe, 1998: 39. Whiteheads Anspruch an seine Metaphysik beobachtet Hampe als sich mit den „wissenschaftlichen Umwälzungen“ radikalisierend; vgl. Hampe, 1998: 4.

36 Die antike Tradition logischer Begriffssysteme zur Disziplinierung der Spekulation wird zugrunde gelegt und erweitert. Whitehead (FR), 1958: 67ff. für einen amüsanten Exkurs zu Logik und prophetischer Spekulation.

37 Rust, 1987: 59. Vgl. zur Notwendigkeit vor Descartes zurückzugehen Dupré, 1993, der die Aufklärungs­jahrhunderte als Zeit interpretiert, während der zuvor nur spekulativ Entworfenes in Prinzipien fixiert wurde, die die Moderne prägen.

38 Vgl. The Organisation of Thought, 1916, An Enquiry Concerning the Principles of Natural Knowledge, 1919, Concepts of Nature, 1920, und The Principle of Relativity, 1922. Vgl. Rust, 1987: 22ff., 47ff.; Hampe, 1998: 54ff., 61ff.; Hauskeller, 1994: 17.

39 Vgl. Whitehead MT, 1968: 127ff. (2001: 160ff.); Rust, 1987: 84ff., 166ff.; Hauskeller, 1994: 36ff. Hauskeller benennt die Hauptprobleme, die aus dem isolierenden Abstraktionsdenken der neuzeitlichen Philosophie resul­tieren, als mangelnde Erklärbarkeit von Erinnerungsvermögen, von Kausalität, von Wirklichkeitserfahrung, da in einem Modell einfacher Lokalisierung nicht etwas gleichzeitig in mir und außerhalb von mir existieren kann; dies war Thema der „Bradley-Russell“-Diskussion über interne und externe Relationen (Fußnoten 18).

40 Whitehead AI, 1967: 190 (20172: 348).

41 Vgl. Lowe, 1990: 220. Ich verwende Rusts Übersetzung organismische Philosophie, die die Distanzierung zum rein biologischen Verständnis betont; vgl. Rust, 1987: 98f.; Welker spricht von Philosophie des Organismus (Welker, 19882: 85). Erste Erwähnung von Organismus Whitehead PNK, 1919: 3, 16, 36, 79 u.a.

42 Das Kategorienschema ermöglicht eine methodisch geleitete Spekulation über die metaphysische Konzeption der Wirklichkeit. Seine spekulative Philosophie wird durch ein Begriffssystem konstituiert; dessen Terminologie bedient sich sowohl antiker Traditionen als auch einer transformierten, da von der Substanzontologie befrei­ten, modernen Subjektivitätstheorie. Er präsentiert es in Teil I von PR; das Schema beschreibt die ganze Kosmo­logie, ist jedoch ohne Erläuterungen i.d.R. unverständlich, deshalb die nachfolgenden Erläuterungen in den Teilen II bis V von PR. Diese beschreiben: das Verhältnis der „actual entity“ zur substanzontologischen Tradition (PR: Teil II), zu sich selbst und ihrem Werden (PR: Teil III), zu anderen „actual entities“ (PR: Teil IV) und als Kon­zept einer natürlichen Philosophie (PR: Teil V); vgl. PR, 1985: 28ff. (20188: 74ff.); Rust, 1987: 126f.

43 Rust arbeitet sehr klar dieses Motiv in Whiteheads kosmologischem Entwurf heraus; vgl. Rust, 1987: 19ff., 124ff.; Sherburne, 1966: 6ff. Zu historischen Bedeutung von antiken und neuzeitlichen Kosmologien vgl. Whitehead AI, 1967: 103ff. (20172: 223ff.).

44 Whitehead PR, 1985: 21 (20188: 62): „Creativity” als allgemeinstes Prinzip der Aktualität ersetzt Aristoteles Kategorie der „ersten Substanz“ im Sinne, dass beide keine Bedingungen von etwas anderem sind. Vgl. Rust, 1987: 127. Dagegen „Creativity is a process of interrelations between actual entities.“ bei Johnson, 1983: 10.

45 Vgl. Whitehead PR, 1985: 21 (20188: 63).

46 Whitehead verwendet keine Zeit auf Redigierarbeiten; so wird PR vor allem durch die Neuedition von Griffin und Sherburne 1978 und durch weitere erläuternde Sekundärliteratur seiner Schüler verständlicher.

47 Whitehead formt die „actual entity“ nach Descartes‘ res vera: „Eine ‚res vera‘ ist ein konkretes Etwas mit dem vollen Reichtum an Bestimmungen, ohne jede Abstraktion.“ Vgl. Rust, 1987: 91f. Im Englischen ist die intendierte Bezugnahme auf das lateinische Begriffspaar actusres und der Unterschied deutlicher als im deutschen Begriffspaar Wirklichkeit – Realität: actuality, actus als „das Wirkende“ stellt die Bedeutung der Veränderung, das Prozessuale in den Vordergrund; reality, res, betont hingegen „das Gewirkte“, die Sache, das Gewordene, Verdinglichte, Verfestigte. Vgl. Holl, 20188: 641f. Holl, übersetzt „actual entity“ mit wirkliches Ein­zelwesen. Dies unterstreicht den Eindruck von Substanz; ich orientiere mich an Hampe und Rust.

48 Whitehead PR, 1985: 18 (20188: 57f.); Mit dem Ausdruck „drops of experience“ nimmt Whitehead Bezug auf den vom ihm sehr geschätzten William James; vgl. Hauskeller, 1994: 32.

49 Vgl. Rust, 1987: 175, 131ff. Nach Whitehead kann jede aktuale Entität auf unzählige Weisen analysiert werden, u.a. auch als „prehension“ (siehe unten); vgl. Whitehead PR, 1985: 19 (20188: 58).

50 Whitehead PR, 1985: 29 (20188: 75f.); vgl. „superject” Seite 16.

51 Vgl. Sherburne, 1966: 20ff.; Hampe, 1998: 115; Rust, 1987: 128f. Die Formen selbst bezeichnet Whitehead als „reine Phantasiegebilde“; sie sind leer sofern nicht die über die isolierte Form hinaus­weisenden Möglichkeiten erfasst werden; vgl. Whitehead MT, 1968: 68ff. (2001: 107ff.).

52 Whitehead unterscheidet ewige Objekten der subjektiven Art, die als Element in die subjektive Form einer positiven Erfassung eingehen und ewige Objekte der objektiven Art, die die Bestimmtheit von objektivierten Nexus oder einzelner aktualer Entitäten beeinflussen; vgl. Sherburne, 1966: 222.

53 Vgl.Anhang 1zur Veranschaulichung beider Prozessaspekte.

54 Whitehead unterscheidet zwischen einer ersten Phase „conformal“ feelings und einer zweiten Phase von „supplemental feelings“ mit den Unterphasen „conceptual feelings“ und „comparative feelings“. Sherburne unterscheidet vier Phasen und hat diese graphisch dargestellt (Sherburne, 1966: 40); Vgl. Rust, 1987: 124ff. Das Zusammenwachsen unterliegt den Regeln, die durch die neun kategorialen Be­dingungen formuliert sind.

55 Das ontologische Prinzip ist in der xviii. “Kategorie der Erklärung” beschrieben. Alle neun Beding­ungen der „IV. Categoral Obligations” dienen der Erläuterung dieses Prinzips. Vgl. Whitehead PR, 1985: 24 (20188: 68).

56 Ebenda: 24. (20188: 68).

57 Rust, 1987: 136. Die kausalen und finalen Ursachen werden jeweils in einzelnen Prinzipien genauer betrachtet: im Prinzip der Relativität „[…] it belongs to the nature of a ‚being‘ that it is a potential for every ‚becoming‘.“ und im Prinzip des Prozesses „That how an actual entity becomes constitutes what that actual entity is;“ ebenda: 22f. (20188: 65f.).

58 „Primary feeling“ kann ein einziges „physical feeling“ oder ein einziges „conceptual feeling“ („mental feeling“) sein. Im Prozess des Zusammenwachsens bringt jedes wirkliche Ereignis diese beiden Pole in seiner eigenen kreativen Schöpfung neu hervor; vgl. ebenda: 236ff. (20188: 432ff.).

59 Whitehead überlässt die Antwort, ob Zweck- oder Wirkursächlichkeit entscheidend für den Prozessverlauf sind, dem Prozess selbst; vgl. Whitehead PR, 1985: 40f. (20188: 93). Die Vorstellung, dass jede Gegenwart die ganze sie bedingende Vergangenheit enthält, klingt zwar auch in Leibniz Monade als „Spiegel der ganzen Welt“ an: Aber Whiteheads „actual entity“ ist nicht durch Abschluss und Abgegrenztheit, sondern Offenheit für neue Ereignisse gekennzeichnet. Vgl. Hampe, 1998: 119.

60 Vgl. Whitehead PR, 1985: 45 (20188: 101). Im Selbstformungsprozess kann das wirkliche Ereignis als Subjekt gedacht werden; zum Abschluss des Selbstformungsprozesses wird das Subjekt jedoch zum Objekt im Prozess der Transition. Die korrekte Bezeichnung jedes wirklichen Ereignisses ist „subject-superject“, da nur so beide Aspekte des wirklichen Ereignisses gezeigt werden.

61 Vgl. ebenda: 182ff. (20188: 339ff.); MT, 1968: 31ff. (2001: 74ff.); Hampe, 1998: 105ff., 182. Mit den Spätwerken SMW, RM, PR, AI sind die Erfahrungen der gesamten Lebenswirklichkeit der Menschen – ästhetische, moralische, religiöse und naturwissenschaftliche – in den Blick genommen.

62 Hampe, 1998: 97f. Kategorie der Erklärung xviii (ontologisches Prinzip) und ix (Prinzip des Pro­zesses).

63 Hampe, 1998: 99f.; Hauskeller, 1994: 56. Zu W. James Fußnote 19.

64 In der „prehension“ werden die konstituierenden Bedingungen als Relationen und nicht, wie die Begriffe Entität oder Element suggerieren, als Entitäten erfasst. Whitehead verbindet so mit „prehen­sion“ die Vorstellung von Relation und Entität, den beiden allgemeinsten sprachlichen Grund­begriffen, für die Wirklichkeitsvorstellung. „Prehension” soll einen Bogen zwischen Descartes Verständ­nis der aktualen Entität als „substance whose whole essence or nature is to prehend“ und Lockes Konzeption von Idee schlagen (vgl. zum Begriff Leibniz „Perzeption“). Vgl. Whitehead PR, 1985: 221 (20188: 404), 41 (94); 19 (58); Sherburne, 1966: 10, 235f.; Rust, 1987: 140ff. Gutes Beispiel AI, 1967: 176f. (20172: 327). Durch diese Konzeption will er die erwähnte Bradley-Russell Kontroverse überwinden; vgl. PR, 1985: 87 (20188: 173).

65 Die subjektive Form bestimmt die subjektive Note der Erfassung, indem sie die erfassten Daten mit einer Bewertung von Zu- oder Abneigung („wie“ der Erfassung) versieht und dadurch kausale Wirkung („was“ des nächsten Prozesses) ausübt (Prinzip des Prozesses). Whitehead PR, 1985: 236ff. (20188: 432ff.).

66 Whitehead RM, 1927: 87 (1990: 76f.).

67 Entgegen der üblichen deutschen Übersetzung, Genuss, spreche ich von Vergnügen. Beide Begriffe sind un­glücklich, aber Genuss rückt Whitehead noch stärker in die Nähe des Hedonismus. Rohmer hat „self-enjoyment“ mit Selbsterfahrung übersetzt; vgl. Whitehead MT, 1967: 150ff. (2001: 180ff.)

68 Wichtig, die subjektive Unmittelbarkeit des Werdens ist nicht identisch mit der repräsentativen Unmittelbar­keit des Erkennens, wie im Teil B.1. deutlich wird (vgl. „Kategorie der subjektiven Einheit“).

69 Whitehead PR, 1985: 222 (20188: 406).

70 Wahrnehmung beispielsweise zielt auf ihr Subjekt, den Wahrnehmenden. Jede Wahrnehmung ist wichtig, denn sie konstituiert den Wahrnehmenden. Das „feeling“ Wahrnehmung und das Subjekt „Wahrnehmender“ sind aneinandergeknüpft: Jedes Wahrnehmen bringt den Wahrnehmenden hervor. Deshalb schreibt Whi­tehead „Es gehört zum Wesen der Wahrnehmung, daß es in ihr ‚um etwas geht‘.“ Er führt das wohl aus Kreisen der Quäker stammende Wort „concern“ ein, weil in diesem der Erlebensvorgang des Subjekts, das durch das Objekt tangiert wird, am deutlichsten wird. Whitehead AI, 20172: 333; Rust, 1987: 174ff., 325ff.; Hauskeller, 1994: 25 zu Emmet: in platonischer Tradition ist Verstehen der Welt nur dann denkbar, wenn unser Empfinden in irgendeiner Weise mit den Gegenständen korrespondiert.

71 Vgl. Hauskeller, 1994: 142; Whitehead PR, 1985: 154 (20188: 290).

72 Vgl. Hampe, 1998: 128.

73 Vgl. Whitehead RM, 1927: 90 (1990: 79).

74 In dem Licht ist seine Sorge über den Verlust ästhetischer Erfahrungsformen und dem Wirklich-Werden der Fehlkonzeption der wertfreien Aktualität („vacuous actuality“) zu lesen, denn nur wenn für Menschen „nicht jede Erfahrung als wertfreies Faktum gleich willkommen oder belanglos ist, können sie Welten hervorbringen, die Bedeutung haben. […dann werden] Menschen nicht aufhören, an dem, was Whitehead als das ultimative Prinzip der Wirklichkeit ansah, teilzuhaben: der Kreativität.“ Hampe: 1998: 190; Hartshorne, 1980: 39. Die Ver­bindung von Whiteheads Ästhetik zu Kants „Transzendentale Ästhetik“ kann nicht berücksichtigt werden.

75 Vgl. Whitehead RM, 1927: 135ff. (1990: 112ff.): Er benennt die vollendete ideelle Harmonie mit Gott; eben­da: 106/(90). Vgl. Hampe, 1998: 128ff., Whitehead PR, 1985: 110ff. (20188: 213ff.) zu Kriterien wie Trivialität, Vagheit, Enge, Weite, die zur Bewertung von Erfahrungen genutzt werden können, ohne absolute Werte festzulegen.

76 Sherburne, 1966: 215; Vgl. Rust, 1987: 150.

77 Vgl. Hampe, 1998: 129ff. Zweck hat Whitehead in The Function of Reason beschrieben als: „(i) to live, (ii) to live well, (iii) to live better. In fact the art of life is first to be alive, secondly to be alive in a satisfactory way, and thirdly to acquire an increase in satisfaction.“ Whitehead (FR), 1958: 8. Vgl. Teil B.2. zur Rolle Gottes.

78 „Nexus“ (Pl. „nexūs“) sind Ordnungsstrukturen der aktualen Welt, die anders als das ständige neu werdende wirkliche Ereignis eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist: dabei schließt sich eine Vielfalt von an sich atomaren wirklichen Ereignissen aufgrund eines gemeinsamen definierendenFormelementszusammen. Ein Spezialfall des Ordnungstyps „nexus“ ist die Gesellschaft („society“), selbsterhaltend, da die Wirk- und Zielursachen der Gesellschaft immanent sind und sich über verschiedene Prozesse des Zusammenwachsens („Generationen“) hinweg halten. Vgl. Whitehead PR, 1985: 23, 27 (20188: 67, 72; Kategorie der Transmutation); Hampe benutzt den Begriff „Phänomene“ für die Idee von „nexus“; Hampe, 1998: 112ff. DNA-Stränge können als Beispiel für zurückreichende Formelement dienen; vgl. Sherburne, 1966: 242f.

79 Whitehead PR, 1985: 102, 150 (20188: 199, 180). In Denkweisen charakterisiert Whitehead den Prozess ‚Leben‘ mit „absolute Selbsterfahrung, schöpferische Aktivität, Ziel.“ (“self-enjoyment, creative activity, aim”).

80 Hauskeller, 1994: 60; Cobb/Griffin, 1979: 15f.

81 Eine „corpuscular society“ ist eine Gesellschaft, die Ordnungsmuster und über „Generationen“ zurückrei­chende Stränge von Formelementen aufweist und damit über einen hohen Organisationsgrad und Beziehungs­dichte verfügt. Diese abstrakte metaphysische Konstruktion findet Whitehead in der Evolution der Organismen widergespiegelt: „Die Morphologie und Physiologie eines Organismus ist das Resultat der langen Geschichte der Lebewesen.“ Hampe, 1998: 120; vgl. Rust, 1987: 194ff.

82 Vgl. Rohmer, 2001: 23f.

83 Whitehead MT, 1968: 66 (2001: 105).

84 Rust, 1987: 184.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Von allen guten Geistern verlassen?
Untertitel
Nachdenken über den Geist Gottes im Kontext von Alfred North Whiteheads Prozessdenken
Hochschule
Universität Zürich  (Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie)
Note
6,0 (CH)
Autor
Jahr
2019
Seiten
103
Katalognummer
V535784
ISBN (eBook)
9783346121639
ISBN (Buch)
9783346121646
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im deutschsprachigen Bereich hat die Prozessphilosophie des Mathematikers und Philosophen Alfred N. Whitehead auch wegen ihrer anspruchsvollen intellektuellen Gestalt nur wenig Rezeption erfahren. Insofern ist zunächst bemerkenswert, dass die Verfasserin sich diesen Autor ausgesucht hat. Warum dies ein kluger Entscheid für ihr Anliegen der Suche „nach einer theologischen Rede, mit der zu Menschen über das Wirken des Geistes Gottes gesprochen werden kann, deren Wirklichkeitswahrnehmung vom naturwissenschaftlichen und subjektivistischen Denken geprägt ist“, war, wird überzeugend deutlich.
Schlagworte
Prozesstheologie, Whitehead, John B. Cobb jr., Michael Welker, Prozessphilosophie, Geist Gottes
Arbeit zitieren
Dr. Ilona Monz (Autor:in), 2019, Von allen guten Geistern verlassen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535784

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