Wahlprognosemodelle: Der Ansatz von Gschwend und Norpoth


Seminararbeit, 2005

29 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Darstellung des Themas
1.2 Schwerpunkte der Arbeit

2. Das Wahlprognosemodell
2.1 Langfristiger Faktor - Parteiunterstützung
2.2 Mittelfristiger Faktor – Regierungsverschleiß
2.3 Kurzfristiger Faktor – Kanzlerunterstützung
2.4 Theoretische Ableitung der Formel des Modells

3. Gültigkeit des Modells für Bundestagswahlen
3.1 Prognose für 2002 – „Mit ROT-GRÜN ins Schwarze getroffen: Prognosemodell besteht Feuertaufe.“
3.2 Prognose für 2005 – „Richtig liegen ohne Volksbefragung.“
3.3 Rückblick auf vergangene Wahlen und Ausblick

4. Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis.

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

1.1 Darstellung des Themas

In der heutigen Gesellschaft spielen die Meinungsforschungsinstitute eine immer größere Rolle. Die verschiedenen Institute führen regelmäßig Umfragen für die nächsten Wahlen durch.

Die vielen Fernsehsender, Zeitschriften und Zeitungen wollen stets die aktuellsten Umfragen der Öffentlichkeit präsentieren und die Meinungsforscher des Emnid Instituts, Forsa, Infratest Dimap, Allensbach, der Forschungsgruppe Wahlen und Polis werden dieser ständig steigenden Nachfrage gerecht.

Allerdings zeigen diese Institute mit den Umfragen vor der Wahl nur ein demoskopisches Stimmungsbild und keine wirklich genaue Prognose1.

Die letzten Umfragen vor den Bundestagswahlen zeigen eine gute Tendenz, wie viel Prozent die Parteien bei der Wahl bekommen.

Meistens weichen diese um 1 oder 2 Prozentpunkte vom Endergebnis ab, aber selten gibt es eine größere Abweichung. Diese geringen Abweichungen können aber schon darüber entscheiden, welche Parteien regieren können.

Deshalb können die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute die Politik und die Bevölkerung beeinflussen. Bei der Bundestagswahl 2002 hatte die ARD in der Wahlprognose direkt am Wahlabend die CDU so stark vor der SPD gesehen, dass sich die CDU schon als Wahlsieger feierte. Dahingegen hatte die Forschungsgruppe Wahlen vorhergesagt, dass SPD und CDU genau die gleichen Stimmenanteile haben, so wie es schließlich beim Endergebnis feststand. Außerdem können die Bürger bei ihrer Wahlentscheidung durch die Umfragen beeinflusst werden, wenn sie Mitleid mit der Partei hätten, die in den Umfragen klar hinten liegt oder sie verstärkt zur Wahl gehen, wenn ein knappes Ergebnis vorhergesagt wird.

Oftmals werden diese Umfragen nicht repräsentativ durchgeführt, denn es gibt zu kleine Stichproben und Fehlertoleranzen sind hoch, weswegen diese Form der Demoskopie kritisch gesehen werden kann. Die Demoskopen tragen eine solch große Verantwortung, dass die Wissenschaftler Thomas Gschwend und Helmut Norpoth schlussfolgern: “Wahlprognosen sind ein zu ernste Sache, als dass man sie den Meinungsforschern überlassen könnte “.2

Prof. Dr. Helmut Norpoth von der State University of New York at Stony Brook, die zu den wichtigsten politikwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in den USA gehört, und Dr. Thomas Gschwend vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung entwickelten ein Wahlprognosemodell für Bundestagswahlen, das nur den Stimmenanteil der regierenden Parteien bei der nächsten Wahl mit bestimmten Faktoren vorhersagt und eine Aussage über Sieg oder Niederlage der amtierenden Regierung treffen möchte. Das Modell sagte einige Monate vor der Bundestagswahl 2002 den Sieg der regierenden Koalition von SPD und Grünen mit den genauen Stimmenanteil voraus. Deshalb stieg das Interesse an diesem Modell, es lohnt sich dieses ausführlich vorzustellen.

1.2 Schwerpunkte der Arbeit

Das Wahlprognosemodell von Norpoth und Gschwend schätzt den Stimmenanteil der Regierungsparteien durch drei Faktoren, einen langfristigen Faktor (Parteiunterstützung), einen kurzfristigen Faktor (Kanzlerunterstützung) und den mittelfristigen Faktor (Regierungsverschleiß). Diese drei Variablen und die theoretische Herleitung der Formel des Modells müssen ausführlich erläutert werden. Bei der Beurteilung der Vorheersagekraft steht vor allem die Bundestagswahl 2002 im Blickpunkt, da die Prognose genau das Endergebnis traf. Für die Bundestagswahl 2002 wurde zum ersten Mal eine Prognose vor der Wahl abgegeben, bei der Wahl 2005 stand das Modell erneut auf dem Prüfstand.

2. Das Wahlprognosemodell

2.1 Langfristiger Faktor - Parteiunterstützung

Das Prognosemodell schätzt den gesamten Stimmenanteil der amtierenden Regierungsparteien durch nur drei relativ einfach nachzuvollziehende Komponenten, der Anteil einzelner Parteien wird nicht vorhergesagt. Dabei ist der langfristige Faktor zwar meist nicht der für den Ausgang der Wahl entscheidende Faktor, allerdings wird durch den langfristigen Faktor der größte Stimmenanteil der Regierungsparteien erklärt. Zunächst können sich die Parteien einer sogenannten „Stammwählerschaft“ sicher sein, denn viele Wähler bauen langfristige Beziehungen zu den Parteien auf. Dieser langfristigen Unterstützung, der Parteienstärke, können sich die Parteien sicher sein. Die durchschnittliche Unterstützung der Parteien ist nach Norpoth und Gschwend das arithmetische Mittel der Stimmenanteile der Regierungsparteien aus den letzten drei Bundestagswahlen, wobei für die Bundestagswahlen 1953 und 1957 nur die Ergebnisse der letzten Wahl einbezogen werden.3

In der Tabelle 1 ist ein Vergleich der Stimmenanteile der Regierungs-parteien mit der langfristigen Parteienstärke für die Bundestagswahlen 1952 - 2005 dargestellt. 1953 gibt es die größte Abweichung zwischen der langfristigen Parteienstärke und dem Stimmenanteil, dies war durch den Einbezug lediglich der Daten von 1949 zu erwarten. Insgesamt beträgt die durchschnittliche Abweichung zwischen der Parteienstärke und dem Stimmenanteil 3,6 %, ohne die Wahl 1953 sind es nur 3,1 %. Die langfristige Parteienstärke hängt also deutlich mit dem Stimmenanteil der Regierung bei den Wahlen zusammen. Den gleichen Sachverhalt stellt die Abbildung 1 grafisch dar. Die langfristige Parteiunterstützung, langfristige Parteienstärke bzw. langfristige Parteibindung wird im Folgenden mit „LP“ abgekürzt. Abbildung 2 zeigt zunächst ein Streudiagramm, in dem alle Punkte für die Bundestagswahlen eingezeichnet sind. Eine Regressionsgerade wird

so gezeichnet, dass die quadrierten Abstände aller Punkte zur Geraden minimal werden.

Tabelle 1: Vergleich der Stimmenanteile der Regierungsparteien mit der langfristigen Parteienstärke bei den Bundestagswahlen 1953-2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Der positive Zusammenhang sagt aus: je höher die LP ist, je höher sind auch die Stimmen der Regierungskoalition. Dabei ist die Korrelation mit r ≈ 0,5 gegeben.

In der Abbildung sind die Regierungen mit “N“ gekennzeichnet, die eine Niederlage einstecken mussten. Somit lässt sich anhand der Abbildung die These aufstellen, dass Regierungen normalerweise mehr als 47,7% LP haben müssen um weiter regieren zu können, wenn die Ausnahmen der Wahlen 2002 und 1998 (Viele Amtsperioden brachten die Niederlage.) nicht weiter beachtet werden. „Wahlen, die knapp an die geschätzte Regressionsgerade

Abbildung 1:Säulendiagramm der Stimmenanteile, der langfristigen Parteiunterstützung und der Abweichung für die Bundestagswahlen 1953-2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 2: Parteienstärke und Regierungswahl

N = Niederlage der Regierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Vg. Gschwend, Norpoth (2004), S. 3.

herankommen, können als Normalwahlen bezeichnet werden. “4

2.2 Mittelfristiger Faktor – Regierungsverschleiß

Regierungsverschleiß bedeutet, dass die Regierungsparteien durchschnittlich mehr Stimmen verlieren, je länger sie im Amt sind. In Deutschland ist dieses aus der Zeit der Weimarer Republik nur zu gut bekannt. Der Regierungsverschleiß wird an der Anzahl der Amtsperioden, im Weiteren „AP“ abgekürzt, gemessen. Die Abbildung 3 zeigt, dass mit der Zunahme der AP die Stimmen für die Regierung abnehmen. Nach nur einer AP kamen die Regierungen bei den Wahlen 1953, 1972, 1987 und 2002 durchschnittlich auf 53,17 % der Stimmen, nach 4 AP lag der durchschnittliche Stimmenanteil nur noch bei 46,1 %.

Durchschnittlich nimmt der Stimmenanteil der Regierungsparteien, die eine AP regiert hat, mit jeder weiteren AP um 1,76 % ab.

Den Trend zeigt Abbildung 4 mit Hilfe der Regressionsgeraden. Wiederum sind in der Abbildung die Wahlen, an denen die Regierung eine Niederlage erlitten hat, mit „N“ gekennzeichnet.

Neue Regierungen wurden nach einer Amtsperiode sicher wiedergewählt. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die aktuelle Regierung 2009 nach nur einer AP abgewählt wird, weil die Grosse Koalition ein Zweckbündnis darstellt. Nach 2 und 3 AP ist eine Abwahl möglich, nach 4 AP ist die Abwahl noch wahrscheinlicher und nach 5 AP ist die Abwahl fast sicher.

Obwohl 1965 die Regierung von CDU/CSU und FDP schon 4 Perioden im Amt war und nur mit einem Stimmenanteil von 45-50 % zu rechnen war, erreichte die Regierung 57,1 % der Stimmen, da der Bundeskanzler Ludwig Erhard als Vater des Wirtschaftswachstums einen starken Bonus erhielt. Da die Parteienlandschaft im Bundestag durch die Grünen und die Linke/PDS in den 80er und 90er Jahren erweitert wurde, verteilen sich die Stimmen nicht mehr nur auf die

drei Parteien CDU/CSU,FDP und SPD, sondern auf 5 größere Parteien.

[...]


1 Vgl. Wüst (2003), S.84.

2 Vgl. Wüst (2003), S. 83.

3 Vgl. Falter, Gabriel, Weßels (2005), S. 373.

4 Vgl. Jagodzinski, Klein, Mochmann (2000), S.398.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Wahlprognosemodelle: Der Ansatz von Gschwend und Norpoth
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Seminar: Empirische Wahlforschung
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V53518
ISBN (eBook)
9783638489515
ISBN (Buch)
9783638662727
Dateigröße
4346 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Ansatz von Gschwend und Norpoth stellt einen relativ neuen Ansatz innerhalb der empirischen Wahlforschung dar. Der Stimmenanteil der Regierungsparteien bei Bundestagswahlen wird mit einer hohen Zuverlässichkeit durch drei Faktoren in diesem Wahlprognosemodell vorhergesagt.
Schlagworte
Wahlprognosemodelle, Ansatz, Gschwend, Norpoth, Seminar, Empirische, Bundestagswahl, Bundestagswahl 2009, Bundestagswahl 2005, Wahlprognose, Wahlforschung, Wahlumfrage, Wahl, Bundestag, Kanzler, Halle - Wittenberg, MLU, Halle
Arbeit zitieren
Harm Linnecke (Autor:in), 2005, Wahlprognosemodelle: Der Ansatz von Gschwend und Norpoth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53518

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