Die Bedeutung des Nichtwählers


Seminararbeit, 1993

15 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

".Anfang Verzeichnis V.

Einleitung

1. Bedeutung und Auswirkungen der Wahlenthaltung

2. Geschichte der Wahlbeteiligung in Deutschland

3. Die Probleme bei der Erfassung von Nichtwählern

4. Die Gründe für eine Wahlenthaltung
4.1 Der unechte Nichtwähler
4.2 Der Dauernichtwähler
4.3 Der konjunkturelle Nichtwähler

5. Die Prädispositionen für eine Wahlenthaltung
5.1 Das Alter
5.2 Das Geschlecht
5.3 Die Konfession und Kirchgangshäufigkeit
5.4 Der Sozialstatus und die Bildung
5.5 Die Integration in die Gesellschaft
5.6 Der Wohnort und die Wohndauer

6. Die politischen Umstände
6.1 Bedeutung der Wahl, Wahlmüdigkeit und Prognosen
6.2 Wahlenthaltung aus Protest
6.2.1 Der Systemgegner
6.2.2 Denkzettel
6.2.3 Der resignierte Nichtwähler
6.2.4 Der moralisierende Nichtwähler

7. Andere Einflüsse auf das Wahlverhalten
7.1 Die Massenmedien
7.2 Die Wahlkämpfe
7.3 Die Wahlgesetze

8. Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis

.Ende Verzeichnis V."

Einleitung

Mit der Bundestagswahl 1991 hat die Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Vieles spricht dafür, daß dieser Abwärtstrend noch einige Zeit anhalten wird. Die Politikverdrossenheit, oder besser die Parteiverdrossenheit weiter Kreise der Bevölkerung wird für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß sich in Deutschland, wie schon seit längerem in anderen westeuropäischen Staaten und den USA, die Wahlbeteiligung auf einem niedrigeren Niveau einpendeln wird und die Zeiten von Rekordwahlbeteiligungen endgültig vorbei sind.

Konkret findet diese Tendenz ihren Ausdruck darin, daß die "Partei der Nichtwähler"[1] bei den letzten Landtagswahlen in Bayern schon fast so stark war, wie die CSU, und bei der Bürgerschaftswahl 1991 in Hamburg sogar schon stärker als der Wahlsieger SPD.

Die vorliegende Arbeit nimmt diese Entwicklung zum Anlaß, den "Nichtwähler" zu untersuchen. Es wird der Frage nachgegangen, in welcher Situation und unter welchen Umständen Wahlberechtigte ihre Stimmabgabe verweigern und was für verschiedene Grundtypen von Nichtwählern es gibt. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den sog. "Protestnichtwähler" gelegt, den für die heutige Zeit wohl typischen Nichtwähler, der vielleicht bei anhaltender Frustration, am Ende sogar eine extreme Partei wählt.

1. Bedeutung und Auswirkungen der Wahlenthaltung

"Wählen gehen" gilt auch heute noch als Staatsbürgerpflicht. Diese Ansicht ist jedoch immer mehr im Rückschritt begriffen. In einer Zeit, in der großen Wert auf Selbstverwirklichung gelegt wird und das Pflichtgefühl abnimmt, steigt auch die Akzeptanz, wenn sich Personen der Wahl enthalten. Trotzdem geben die Nichtwähler für Wahlverlierer immer einen guten Sündenbock ab: Meistens hat eine Partei deshalb verloren, weil man die eigene Anhängerschaft nicht mobilisieren konnte.

Auch die Stabilität eines politischen Systems soll davon abhängen, wie viele Personen sich an der Wahl beteiligen[2]. Ob jedoch nur in einer hohen Wahlbeteiligung eine Anerkennung des Systems liegt, ist sehr zweifelhaft. Es kommt darauf an, welche Funktion man einer Wahl beimißt[3]. Wenn man der Ansicht ist, daß die Hauptfunktion einer Wahl in der Machtzuweisung liegt (output-orientierte Sicht), so ist eine hohe Wahlbeteiligung nicht notwendig.

Soll das gewählte Organ aber die Interessen der gesamten Bevölkerung vereinigen und ist dafür die Willensäußerung aller Mitglieder des Staatswesens nötig, so muß versucht werden, die größtmögliche Mobilisierung, also 100%, anzustreben (input-orientierte Sicht).

Eine hohe Wahlbeteiligung muß aber nicht immer bedeuten, daß damit auch das politische System anerkannt ist. Es kann sein, daß die Wähler nur die Institution Wahl akzeptieren, wie dies in der Endphase der Weimarer Republik gewesen ist. In dieser Phase hat sich auch gezeigt, daß eine sehr hohe Wahlbeteiligung, die durch eine Mobilisierung politisch nicht interessierter und schlecht informierter Bürger entsteht, das politische System gefährden und schließlich abschaffen kann[4].

2. Geschichte der Wahlbeteiligung in Deutschland

Bei den Wahlen zum Reichstag im Jahre 1871 gab lediglich die Hälfte der Wahlberechtigten - bis 1918 nur die Männer - ihre Stimme ab. Bis zum Jahr 1912 nahm die Wahlbeteiligung stetig zu und erreichte schließlich 85%. Während der Weimarer Republik lag die Wahlbeteiligung mit 75% bis 90% recht hoch, sie zeigt jedoch starke Schwankungen auf, die mit der damaligen Krise des politischen Systems zu erklären sind.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Höhe der Wahlbeteiligung sehr stark davon abhängig, ob es sich um Bundestags-, Landtags-, Kommunal- oder Europawahlen handelt. Zumindest bei Bundestagswahlen hielt sie ein konstant hohes Niveau. Sie stieg von der ersten Wahl 1949 mit ca. 78% Beteiligung bis 1972 auf ca. 91% an. Seitdem ging sie leicht, aber stetig zurück und vieles spricht dafür, daß sie auch in Zukunft weiter abnehmen wird.

3. Die Probleme bei der Erfassung von Nichtwählern

Es ist schwierig, Untersuchungen über Nichtwähler anzufertigen. Die Probleme liegen dabei vor allem im praktischen Bereich, nämlich in der Erhebung der relevanten Daten. Aufgrund des Datenschutzes und dem Gebot der Geheimhaltung von Wahlentscheidungen ist es untersagt, Einsicht in die Wählerverzeichnisse zu nehmen. Man kann lediglich auf die amtlichen Repräsentativstatistiken zurückgreifen, die dadurch entstehen, daß Wähler in den Wahllokalen von ausgesuchten Bezirke, gem. § 45 BWahlO nach Alter und Geschlecht verschieden gekennzeichnete Stimmzettel erhalten. Die Ergebnisse, die man erlangt, sind darum leider nur auf diese zwei Merkmale beschränkt.

Auch Umfragen führen nicht immer zum gewünschten Ziel. Steiner[5] hat herausgefunden, daß viele Nichtwähler, wenn sie befragt werden, angeben, gewählt zu haben, weil der soziale Druck der Wahlpflicht" so groß ist, daß sie öffentlich eine Enthaltung nicht zugeben. Jene, die eine Wahlenthaltung zugeben, schieben aber oft sozial anerkannte Gründe, wie zum Beispiel eine Krankheit, vor[6]. Die schriftliche Befragung, als zuverlässigste Methode, ist hingegen sehr arbeitsintensiv und die Ergebnisse hängen auch stark von der Rücksendequote ab.

Das Material, das für eine Verwertung zur Verfügung steht, ist aus all den Gründen nur sehr dürftig und man ist in vielen Bereichen lediglich auf Mutmaßungen angewiesen.

4. Die Gründe für eine Wahlenthaltung

Für eine Wahlenthaltung kann es die unterschiedlichsten Motive geben. Es gibt Kranke, politisch Uninteressierte, Verärgerte, Bequeme, Verreiste, Wahlmüde und noch viele andere. Man kann versuchen diese Nichtwähler in vier Kategorien aufzuteilen.

4.1 Der unechte Nichtwähler

Der unechte Nichtwähler enthält sich der Wahl aus technischen Gründen. Er wird deshalb auch technischer Nichtwähler genannt. Die Gründe für eine Wahlenthaltung können dabei sehr vielfältiger Natur sein. Es kann sein, daß Wahlbriefe von Briefwählern zu spät eingetroffen sind oder daß der in den Wählerlisten genannte Wahlberechtigte verzogen oder kürzlich verstorben ist[7]. Die Anzahl dieser sog. unechten Nichtwähler, weil sie eigentlich gar keine Nichtwähler sind, wird auf ca. 5 bis 6% der Stimmberechtigten geschätzt. Selbst bei einer maximalen Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland würde die Quote somit höchstens bei 95% der Wahlberechtigten liegen. Diese Annahme entspricht auch den Ergebnissen, die in Ländern erzielt werden, in denen eine Wahlpflicht besteht (z.B. in Belgien und Italien).

4.2 Der Dauernichtwähler

Die Dauer- oder grundsätzlichen Nichtwähler sind politisch Desinteressierte oder Wahlberechtigte, die den Sinn der Wahl bestreiten und dem System feindlich gegenüberstehen. Dazu gehören als besonderer Fall auch die Zeugen Jehovas, denen ihr Glauben gebietet, weder am passiven noch am aktiven Wahlrecht teilzunehmen[8]. Auch gesellschaftliche Randgruppen und wenig integrierte Bevölkerungsteile, wie die Indianer oder Schwarzen in den USA, gehören zu den Dauernichtwählern. Dadurch, daß die Wahlenthaltung grundsätzlich erfolgt, hat die Wahlenthaltung dieser eher kleinen Gruppe auch keine politischen Auswirkungen, weil eine Veränderung von Wahl zu Wahl nicht stattfindet.

4.3 Der konjunkturelle Nichtwähler

Die konjunkturellen Nichtwähler sind oftmals mit dem politischen System zufrieden. Für sie steht aber bei jeder Wahl nicht gleich der Bestand der Demokratie auf dem Spiel. Für die, auch als saisonale Nichtwähler Bezeichneten, besteht eine Rangfolge der Wahlen hinsichtlich ihrer Bedeutung. Sie gehen bei eher unwichtigen Wahlen, wie die Europa- oder Kommunalwahlen, nicht an die Urne. Auch wenn sie die Wahl für schon entschieden halten oder der Ausgang ohne Bedeutung erscheint, bleiben sie der Wahl fern. Besondere politischer Ereignisse oder herausragende politische Persönlichkeiten können diese zahlenmäßig, mit Abstand größte Gruppe, als Wechselwähler oder Wahlentscheider mobilisieren

[...]


[1] Der Begriff stammt von Eugen Würzburger, Die "Partei der Nichtwähler", in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, 33. Jg. (1907).

[2] Friederike Golzem/Klaus Liepelt, Wahlenthaltung als Regulativ - die sporadischen Nichtwähler, in: Carl Böhret (Hrsg.), Wahlforschung, Opladen 1976.

[3] Fritz Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, Konstanz 1970, S. 21ff.

[4] Vgl. Jürgen W. Falter, Wer verhalf der NSDAP zum Sieg?, in: APuZ, 14.7.1989, B28-29.

[5] Jürg Steiner, Bürger und Politik. Empirisch-theoretische Befunde über die politische Partizipation der Bürger in Demokratien unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, Meisenheim am Glan 1969, S. 13ff.

[6] Michael Eilfort, Der Nichtwähler, in: Der Bürger im Staat, Heft 3, 40. Jg. (1990), S. 188.

[7] Ralf-Rainer Lavies, Nichtwählen als Kategorie des Wahlverhaltens. Empirische Untersuchung in historischer, politischer und statistischer Sicht, Düsseldorf 1973 (Diss. Darmstadt 1971), S. 31ff.

[8] Karl Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten, Stuttgart 1958.

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Details

Titel
Die Bedeutung des Nichtwählers
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
gut
Autor
Jahr
1993
Seiten
15
Katalognummer
V53466
ISBN (eBook)
9783638489157
ISBN (Buch)
9783656813729
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Nichtwählers
Arbeit zitieren
Dr. Gerald G. Sander (Autor:in), 1993, Die Bedeutung des Nichtwählers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53466

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