Braucht Deutschland ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache?


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2006

13 Seiten


Leseprobe


Einleitung

Angesichts der zunehmenden Unterwanderung der deutschen Sprache mit Anglizismen formiert sich in Teilen der Bevölkerung immer stärker der Widerstand gegen diese scheinbar unaufhaltsame Entwicklung (Zimmer 1998, S. 7ff.).[1] Nirgends lässt sich wohl besser als in Deutschland der Statussymbol-Charakter des Englischen in Wissenschaft, Ökonomie, Politik und im Alltag der Gesellschaft beobachten. Die Sprecher wollen sich weltgewandt, gebildet und modern geben; oftmals steckt jedoch nur schlichte Angeberei dahinter.

Anglizismen und Amerikanismen wie Team, Couch, Game, Roadmap, Service, Competition, Public Relations, Redesign, Download, Knowledge, Level, Event, Meeting, Background, Backstage etc. bereichern in rasant steigender Zahl die deutsche Sprache.[2] Allein das englische Wort Ticket ersetzt heutzutage u. a. die Eintrittskarte, den Fahrschein, den Parkschein, die Opernkarte und den Strafzettel. „Mischmasch“-Wortschöpfungen wie Themen-Specials, Antriebspower, Hands-on-Mentalität, Telefon-Kampaigning, Themen-Setting, Stand-up-Kabarett und das Care-Telefon der AOK beherrschen immer mehr unser tägliches Leben.[3] Insbesondere von älteren Personen werden diese Begriffe häufig gar nicht mehr verstanden.

Auffallend ist auch der inflationäre, zum Teil aus dem Englischen übernommene Gebrauch des „Apostroph-S“. Das im Volksmund auch „Deppenapostroph“ genannte Zeichen findet mittlerweile sowohl Anwendung bei der eigentlich fugenlosen Anhängung eines Artikels[4] als auch bei der Abtrennung des Genitiv-S und inzwischen sogar – als Scheinanglizismus – bei der Pluralbildung[5]. In Nachahmung von „McDonald’s“ kommt heute kaum noch ein deutsches Gewerbe ohne die Verwendung des apostrophierten S aus, wenn es um die Namenswahl geht (z. B. „Erika’s Hafenkneipe“).

Manchmal wird diese Entwicklung in der Literatur auch als „Sanderisierung“ – nach der Modeschöpferin Jil Sander – bezeichnet, weil sich die Dame in einem Interview des Magazins der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Jahr 1996 als ganz besonders „contemporary“ ausgab, da sie das „future-Denken“ habe, weswegen ihre „audience“ sie auch „supporte“ (Krämer 1998, S. 418).[6] Hier zeigt sich das ganze pseudo-kosmopolitische Imponiergefasel in all seiner Peinlichkeit.

2 Englisch im Alltagsleben

Der Blick in deutsche Einkaufsstraßen lässt den Betrachter grübeln, ob er sich in Anbetracht der Geschäftsnamen und Plakate überhaupt noch in deutschen Gefilden befindet. Shopping, Super Sale, Final Sale und X-mas Sale, Beauty Shop, Wellness Farm, Body Talk Fitness, Go Sports, Outlet Factory, Rent a Seminar Center, Microcall (Telefonladen), 1 € Shop, Superwash (Waschstraße für Pkws), Kids & Co., Fast Food, Sandwich and More, Payback (ein Rabattsystem), Hairstyling und Bike Stores dominieren das Straßenbild.

Auch die Werbesprüche umgarnen die Konsumenten immer hartnäckiger in Englisch: „Fly high, pay low“ (Germanwings), „Nothing between us“ (Bekleidungshersteller Unno), „Designed to make a difference“ (Braun), „Powered by emotion“ (Fernsehsender Sat.1), „Stimulate your senses“ (Loewe), und der „Coffee to go“ in den Back Factorys und Coffee Shops ist auch eher zum Weglaufen als zum Mitnehmen. „Sprachgulasch“ wie etwa das Themenposter „Blass zum Shopping ist wie Life ohne Style“ eines Sonnenstudios mutet dagegen wenigstens noch originell an.

Interessant sind in diesem Zusammenhang aber die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu diesen Werbestrategien.[7] Das Ergebnis einer Studie der Werbefirma Endmark AG ergab beispielsweise, dass 85 Prozent der Befragten an der Übersetzung von „Be inspired“ (Siemens mobile), 92 Prozent an „One Group. Multi Utilities“ (RWE), zirka die Hälfte an „Every time a good time“ (McDonald’s), „Fashion for Living“ (C & A) und „There’s no better way to fly“ (Lufthansa) scheiterten; „Come in and find out“ (Douglas) wurde u. a. mit „Komm rein und finde wieder heraus“, „Drive alive“ (Mitsubishi) mit „Fahre lebend“ und „Every time a good time“ mit „Jede Zeit ist Gottes Zeit“ übersetzt. Fazit der Analyse: Englischsprachige Werbesprüche gehen im Gegensatz zu den untersuchten deutschen Werbesprüchen am Kunden vorbei. Deshalb wirbt Douglas mittlerweile mit dem Spruch „macht das Leben schöner“, McDonald’s mit „Ich liebe es“, C & A mit „Preise gut, alles gut“ und Sat.1 mit dem Motto „Sat.1 zeigt’s allen“.

Auch wenn man in deutschen Bahnhöfen aus dem Zug steigt, ist man sich nicht sicher, ob man das angestrebte Reiseziel mit dem DB Job-Ticket schon erreicht hat. Service Point, Ticket Counters, Mobility Center[8], Info Point, DB-Lounges, Rail & Mail, Back Shop, McClean (als moderner Toilettenanbieter), Rent a Car, City Express, Carsharing und Nightliner (Nachtbus) könnten durchaus für eine überraschende Ankunft in Paddington Station sprechen.

Der andere ehemalige Staatskonzern, die Telekom AG, scheint ebenso nicht mehr von allen seinen deutschen Kunden verstanden werden zu wollen: Call Center, Hotline, Flatrate, City Call, T-NetBox, PrePaid-Card, Xtra-Cash, MobilityNet, die Business-Tarife: Call Profi, Call Time, Profi Local etc. – englische Bezeichnungen, selbst wenn sich die Tarife nur an inländische Kunden wenden.

[...]


[1] Vgl. etwa den Kampf des Vereins Deutsche Sprache e.V. gegen „Denglisch“.

[2] Beispielhaft der typische Internet-Satz „Als neuen Release-Termin des Strategie-Titels peilt der Publisher nun August an, ursprünglich sollte das Game der „Wiggles“-Macher SEK bereits Anfang des Jahres in die Läden kommen.“ (erhältlich unter: http://www.gmx.net/de/themen/computer/

games/aktuell/1920464,cc=000000149100019204641WBOoJ.html; letzter Zugriff am 20. Februar 2006).

[3] Hinzu kommen Schein- oder Pseudo-Anglizismen wie „Handy“ (im britischen Englisch spricht man von „mobile phones“ (kurz: „mobiles“), im amerikanischen Englisch von „cell(ular) phones“).

[4] Die politische Partei CDU lieferte im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2006 zunächst Plakate und CDs mit dem Motto „Erste Wahl für’s Land“ aus; siehe Stuttgarter Zeitung vom 21. Januar 2006, S. 7.

[5] Selbst die ZEIT 17/2001 spricht von „Top-Job’s für Ingenieure und Techniker“.

[6] Weil es so schön schrecklich ist, hier noch das Originalzitat: „Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, daß man contemporary sein muß, das future-Denken haben muß. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, daß man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewußte Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“

[7] Etwa die Diplomarbeit der Dortmunder Statistikerin Isabel Kick; hierzu Leffers, Jochen: Komm rein und finde wieder raus. In: SPIEGEL ONLINE vom 28. Juli 2004 (erhältlich unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,310548,00.html; letzter Zugriff am 20. Februar 2006).

[8] Selbst Konzernchef Hartmut Mehdorn ging das Wort bei der Eröffnung des ersten „Mobility Centers“ in Frankfurt bei der ersten Erwähnung nicht leicht von den Lippen. Danach soll er auch nur noch vom Mobilitätszentrum gesprochen haben; zit. nach Stuttgarter Zeitung vom 25. November 2005, S. 13.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Braucht Deutschland ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache?
Hochschule
Universität Hohenheim  (Institut für Rechtswissenschaft)
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V53450
ISBN (eBook)
9783638489058
ISBN (Buch)
9783656777137
Dateigröße
600 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Braucht, Deutschland, Gesetz, Schutz, Sprache
Arbeit zitieren
Dr. Gerald G. Sander (Autor:in), 2006, Braucht Deutschland ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53450

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