Rechtsphilosophische Betrachtung der Grundlagen des Straftatsystems


Hausarbeit, 2002

32 Seiten, Note: 16 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A Einleitung
Erläuterung der Fragestellung

B Grundelemente des Straftatsystems
I. Tatbestandsmäßigkeit
1.) Definition
2.) Funktionen des Tatbestandsbegriffes
3.) Anfragen an grundlegende Prämissen
a) Der absolute Geltungsanspruch des Rechts
b) Das nullum-crimen-Prinzip
4.) Ergebnis
II. Rechtswidrigkeit
1.) Definition und Bedeutung
2.) Rechtswidrigkeit und Freiheit
3.) Problematiken der Rechtfertigungsgründe
4.) Grundanfrage an die Rechtswidrigkeit
III. Schuld
1.) Hinführung und Bedeutung
2.) Strafrechtliche Schuldbegriffe
a) Der normative Schuldbegriff
b) Der materielle Schuldbegriff
aa) Schuld als Andershandelnkönnen
bb) Schuld als rechtlich missbilligte Gesinnung
cc) Schuld als Charakterschuld
dd) Schuld als generalpräventive Zuschreibung
ee) Schuld als Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit
3.) Grundlegende Anfragen an den Schuldbegriff
4.) Ergebnis und Ausblick

C Tatbestandsmerkmale
I. Handlung
1.) Bedeutung und Aufgabe des Begriffes
2.) Definitionen der Handlung
3.) Willensfreiheit und Handlung
a) Das Andershandelnkönnen
b) Willensfreiheit contra Handlungsfreiheit
c) Willensfreiheit als „staatsnotwendige Fiktion“
4.) Kritik an den Handlungslehren
5.) Handlung und Gesinnung
6.) Zusammenfassung und Ergebnis
II. Kausalität
1.) Der Begriff
2.) Die Lehre vom ursächlichen Zusammenhang
a) Das Induktionsproblem Humes
b) Kant: Die apriorische Gültigkeit
c) Die Intentionalität Welzels
3.) Die Problematik des Erfahrungsgesetzes
III. Vorsatz
1.) Definition und Bedeutung
2.) Die Vorstellungstheorie
3.) Kritik des Wissenselementes
4.) Die Willenstheorie
5.) Kritik an der Willenstheorie
6.) Abschließende Kritik und Ausblick

D Mordmerkmal
Habgier
1.) Umfang und Bedeutung der Fragestellung
2.) Definition und Bedeutung des Begriffes
3.) Prämissen der Habgier als Unrechtselement

E Schluss

Zusammenfassung

A Einleitung

Erläuterung der Fragestellung

Das Thema dieser Arbeit umfasst neben Einleitung und Schluss drei Teile, die sich vom Allgemeinen zum Speziellen verjüngen und als Grundlagen des Strafrechtssystems[1] selbst wiederum untergliedert sind. Diese Anlage ist evident und benötigt keinerlei Erklärung. Zu erläutern bleibt an dieser Stelle jedoch, welche Zielrichtungen der Zusatz „ aus rechtsphilosophischer Sicht“ sowie die Zweigliederung in die „Be­deutung und die Problematik“ besitzen.

Rechtsphilosophie als Wissenschaft von der „Grundlegung und den Grund­lagen des Rechts“ beschäftigt sich mit den in „rechtswissenschaftlichen Ar­beiten immer stillschweigend und unreflektiert getroffenen Voraussetzun­gen“[2]. Demgemäss ist sie „philosophischer Antwortversuch auf die Frage, welche Rechtsidee dem positiven (gesetzten) Recht zugrunde liegt bzw. zugrunde zu legen ist, wie sein Gebots- und Verbotscharakter zu begründen ist“ und „was der Sinn der Rechtsordnung im Ganzen des menschlichen sozialen Lebens und seines Weltbezugs ist.“[3] Mit I. Kant gliedert sich das Recht in positives Recht und die ihm zugrunde liegenden „unwandelbaren Prinzipien“[4], auch überpositives Recht genannt, die das Betätigungsfeld der Rechtsphilosophie ausmachen.[5]

Daraus ergibt sich für unsere Fragestellung, dass - ungeachtet der verschie­denen Strömungen der Rechtsphilosophie - die Grundbegriffe des Straf­rechts im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Prämis­sen untersucht werden sollen.

Dabei lässt sich m.E. auch keine exakte Differenzierung zwischen der Be­deutung und der Problematik treffen, hängen diese doch äußerst eng mitein­ander zusammen: Während die Bedeutung sich auf die Tragweite und damit auf die doppelte Rolle, die den Begriffen in strafrechtlicher und anschlie­ßend rechtsphilosophischer Hinsicht zukommt bezieht, zielt die Darstellung der Problematik in reiner Form auf die immanenten Schwächen in Form unbewiesener Hypothesen ab. Schon hierbei ist ersichtlich, dass sich beide Themengebiete überschneiden. Daher kann auch diese Arbeit nicht strikt zwischen ihnen trennen.[6]

B Grundelemente des Straftatsystems

I. Tatbestandsmäßigkeit

1.) Definition:

Bevor man zu einer rechtsphilosophischen Betrachtung gelangen kann, muss man sich über den Gegenstand der Betrachtung klar werden. Der Tat­bestandsbegriff des Strafrechts unterscheidet sich sowohl von dem der Um­gangs­sprache als auch von dem der Rechtsprechung und wird selbst im straf­rechtlichen System nicht homogen verwendet, sondern unterliegt einer wei­teren Zergliederung.

Die für diese Arbeit maßgebliche Definition des Tatbestandes[7] als Unrechts­tatbestand[8] bzw. Tatbestand im engeren Sinne geht auf E. Beling zurück und kann als „die abstrakte Umschreibung eines strafrechtlich relevanten Sach­verhalts in Gestalt einer menschlichen Handlung oder Unterlassung“ cha­rakterisiert werden.[9]

Aufgrund dieser Ausführungen lässt sich Tatbestandsmäßig­keit verstehen als die Übereinstimmung eines menschli­chen Verhaltens mit der „deliktsty­pischen Unrechtsbeschreibung im gesetz­lichen Tatbestand“[10].[11]

2.) Funktionen des Tatbestandsbe­griffes:

Neben der systematischen Funktion, die regelt, welche Merkmale ein Verbrechen oder ein Vergehen typischerweise umfasst, ergibt sich aus dem Tatbestand eine dogmatische Funktion, die die Merkmale umschreibt, „de­ren Unkenntnis den Vorsatz ausschließt.“ Die in diesem Zusammenhang jedoch wichtigste Funktion ist kriminalpolitischer Art und liegt in der „durch Art. 103 II GG geforderten ,Garantiefunktion’“[12]. Danach ist eine Handlung nur dann Unrecht (im strafrechtlichen Sinne), wenn das verbotene Verhalten exakt unter einen der Tatbestände subsumiert werden kann.

Was sich zunächst nicht weiter erstaunlich anhört, ist in rechtsphilosophi­scher Sicht von höchster Bedeutung und wirft eine Reihe von Fragen auf, denen im folgenden nachgegangen werden soll.

3.) Anfragen an grundlegende Prämissen:

Dem Laien wie dem Juristen erscheint das unglaublich differenzierte und komplexe Normen­gefüge des Rechtssystems mit seinen für fast alle nur denkbaren Handlun­gen vorformulierten Tatbeständen[13] als ein unantastbares Gebilde, das zwar interpretationsbedürftig, jedoch nicht grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Doch besitzt das Rechtssystem diesen absoluten Gel­tungsanspruch zu Recht?

a) Der absolute Geltungsanspruch des Rechts:

Ein repressives System wie das Strafrecht kann nach dem Demokratieprin­zip des Grund­gesetzes nur von einer Mehrheit der Gesellschaft gebildet und getragen werden – sofern es überhaupt ein staatliches Bestrafungsmonopol[14] geben soll. Doch da das Grundgesetz selbst wie jedes andere Ge­setz menschengemacht ist, bleibt nachzufragen, ob es überhaupt über­posi­tiven Rechtsgrundsätzen entspricht, dass eine Mehrheit wesentliche Ein­griffe in die Rechtsgüter eines Einzelnen vornehmen darf.

Geht man mit dem Utilitarismus davon aus, dass dem Einzelnen nützt, was der Gesellschaft nützt und andersherum, so ist dies zwar eine durchaus an­greifbare These[15], entbehrt aber nicht einer gewissen Realitätsnähe. Doch es wird dadurch das an einem Individuum begangene Unrecht nicht ausrei­chend gewürdigt, da es bei solcher Betrachtung unzweifelhaft in Konflikt­fällen hinter den sich wandelnden Prinzipien des Allgemeinwohls zurück­stehen muss – und die Wahrung der Grundrechte und –freiheiten des Ein­zelnen doch das innerste Anliegen unseres Rechtssystems darstellt.

Diese Überlegung zu den Weg-Ziel-Bestimmungen eines Strafrechtssystems bewegt sich rein auf dem Boden der Empirie und der Nützlichkeitserwä­gungen, der Pragmatik. Dabei wies schon Kant auf die Problematik jegli­chen positiven Gesetzes hin, das „als bloß[e] empirische Rechtslehre“[16] lediglich ein „hölzerne[r] Kopf“[17] ist, dem das Gehirn fehlt – und unser Rechtssystem besteht aus derlei positiven Gesetzen. Doch Kant zeigt uns, dass die überpositiven Rechtsgrundsätze „unwandel­baren Prinzipien“[18] ent­sprin­gen müssen, die wiederum Ausdruck der „blo­ßen Vernunft“[19] sind.[20]

b) Das nullum-crimen-Prinzip:

An dieser Stelle schließt sich die bereits oben aufgeworfene Frage nach der Bedeutung des § 1 StGB und des Artikels 103 Abs. 2 GG an. Nach dem nullum-crimen-Prinzip in seiner allgemeinen Ausprägung ist nur das ver­werflich, was vor Begehung der Tat verboten (oder bei Unterlassung: gebo­ten) war und nur dafür kann der Täter nach § 1 StGB bestraft werden. Sinn und Zweck dieser grundlegenden Vor­schrift besteht darin, dem Einzelnen durch Orientierung an Verbotenem zu ermöglichen, sozialschädliches Ver­halten zu vermeiden, obgleich dadurch den Gerichten viel an Flexibilität genommen wird. Doch diese könnte ge­rade notwendig sein, um präventiv zu wirken, Exempel zu statuieren und auf diese Weise gerade durch indivi­duelle Rechtsfolgen dem Charakter und der Persönlichkeit des Täters besser gerecht zu werden.[21]

Die Orientierungsmöglichkeit bzw. die Kenntnis des Un­rechts durch die Bevölkerung wiederum bezweckt den Freiheitsschutz, d.h. die Planbarkeit der Entscheidungen durch den potentiellen Täter selbst. Doch mit dem Frei­heitsbegriff stößt man an eine unüberwindliche Grenze rechtsphilosophi­scher Betrachtung, wie im Kapitel ®C I. gezeigt wird. Denn worauf beruft sich eine derartige freiheitliche Entschei­dung? Da Willensfreiheit eine un­bewiesene Hypothese zu sein scheint, liegt es nahe, an die in­dividuelle Ver­nunft bzw. die Moral oder Ethik zu den­ken. Doch auch diese sind nicht a priori gültig, sondern müssen sich in dem Charakter jedes Indi­viduums neu konkretisieren. Das mag zwar durch Er­ziehung geschehen, aber wo ver­bleibt dann das Postulat der Frei­heit, wenn es nicht nur eine okt­royierte Freiheit vertreten soll? Der ver­zweifelte Rückgriff auf die Erzie­hung verla­gert das Problem lediglich auf eine Gene­ration zuvor, so dass das Endglied dieser Kette gleichzeitig das Anfangs­glied einer weiteren ins Un­endliche zurückreichenden Kette von Bedingun­gen ist. (vgl. C II.)

4.) Ergebnis:

Wenn das Strafrecht Tendenzen zu ei­nem „zweckrationalen Strafrechtssys­tem“ aufweist, das sich nicht mehr auf „ontische Vorgegebenheiten“[22], son­dern lediglich auf strafrechtliche „Zweck­setzungen“ beruft, so kann schon auf Tatbestandsebene konstatiert werden, dass das Recht faktisch selbst ein final determiniertes Instrument ist, das mit absolutem Grundsatzanspruch auftritt.

II. Rechtswidrigkeit

1.) Definition und Bedeutung:

„Die durch den Unrechtstatbestand begründete und nicht durch einen Rechtfertigungsgrund ausgeschlossene Rechtswidrigkeit[23] bedeutet, dass das fragliche Tun oder Unterlassen im Widerspruch zum Recht als ei­ner menschlichen Verhaltensordnung steht“[24], so definiert Lenckner unabhängig von dem Meinungsstreit über den zwei- oder dreistufigen Deliktsaufbau.

Die rechtsphilosophische Bedeutung der Rechtswidrigkeit besteht also darin, dass mit Bejahung der Rechtswidrigkeit eine Handlung abschlie­ßend und unwiderruflich als Unrecht bezeichnet wird, obwohl der Täter nicht schuldig sein muss. Was diesbezüglich aus juristischer Sicht völlig unprob­lematisch klingt, wirft aus rechtsphilosophischer Sicht doch einige Fra­gen auf.

2.) Rechtswidrigkeit und Freiheit:

Der Zusammenhang von Rechtfertigungsgründen und Freiheit[25] ist evident, schränken erstere doch „unter bestimmten Voraussetzungen das im Tatbe­stand auf das besondere Freiheitsrecht abstrakt bezogene Verbot/Gebot ein“[26], in­dem sie im konkreten Fall einem Einzelnen erlauben, in die Rechts­güter eines anderen und damit in dessen freiheitliche Selbstbestim­mung ein­zugreifen. Es klingt nur auf den ersten Blick wie ein Paradoxon, dass die Rechtferti­gungsgründe dabei „auf dem Rechtsprinzip konkreter Verwirkli­chung all­gemeiner Freiheit“[27] beruhen, da in ihrer zum Tatbestand komple­mentären Handlungsstruktur ein „weitergehender Rechtsvernunft­schluss“ zum Aus­druck kommt, der „um eines anderen besonderen Frei­heitsdaseins (Rechts­guts) willen das abstrakte Verletzungsverbot bzw. das entsprechende Gebot durch eine Eingriffsbefugnis auf einer Stufe konkrete­rer Allgemein­heit auf­hebt“[28]. Das bedeutet, dass sich in gewissen Situatio­nen zwei soge­nannte ,Freiheitsdasein’ antagonistisch gegenüber stehen und dabei der Schutz desjenigen den Vorzug erhält, dem von der Allgemeinheit größere Relevanz beigemessen wird. Diese Freiheitseinschränkung äußert sich in einer Duldungspflicht des Aus­gangstäters, da es kein Recht auf Not­wehr-Notwehr gibt.[29] Daraus ergibt sich, dass Freiheit als subjektiv erfahr­bare Wirklichkeit in ihrer ontischen, apriorischen Gegebenheit verleugnet und als Mittel zu gesellschaftlichen Sicherheitszwecken verstanden wird.

3.) Problematiken der Rechtfertigungsgründe:

Darüber hinaus müssen die einzelnen Rechtfertigungsgründe Anfragen an ihre individuelle Existenzberechtigung standhalten:

1.) So wird die Einwilligung auf die „Rechtfertigung durch Autono­mie des besonderen Willens“[30] dessen zurückgeführt, der die natürliche Ein­sichts­fähigkeit in die Bedeutung und Tragweite eines Eingriffs in sein Rechtsgut besitzt. Doch über die oft unlösbare Beweisproblematik hin­aus unterliegt dieser „besondere Wille“ der Problematik der Willensfrei­heit ®C I. 3.): Wenn keine Willensfreiheit existiert und die Handlungs­freiheit erheblich eingeschränkt ist, bestehen erhebliche Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Subjekts.
2.) Die Notwehr, der defensive Notstand und ähnliche private Selbsthilfe­rechte werden auf die durch „personale Freiheit“ begrün­dete „zwangs­pflichtige Unrechtsverantwortung“ zurückgeführt, die die „Restitution der Unverletztheit des anderen und damit des Rechts zu dulden“[31] hat. Die hierbei auftretenden Freiheitsprobleme wurden oben bereits darge­legt.

[...]


[1] Rechtsphilosophische Grundbetrachtungen gelten nicht nur für das Strafrecht, sondern auch für das Recht allgemein, allerdings wird in dieser Arbeit speziell Bezug auf das Strafrecht mit seinem Deliktsaufbau zu nehmen sein.

[2] Metzler, Philosophie Lexikon, Stichwort „Rechtsphilosophie“

[3] Halder, Philosophisches Wörterbuch, S. 265

[4] Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 229

[5] An dieser Stelle sei zum Konflikt zwischen gesetzlichem Unrecht und übergesetzli­chem Recht als Haupttätigkeitsgebiet der Rechtsphilosophie auch auf die Radbruch­sche Formel hingewie­sen. (G. Radbruch, Gesetzliches Un­recht und übergesetzliches Recht, SJZ 1946, 105ff. (107))

[6] Da diese Arbeit von Definitionen ausgeht und diese selbst zu hinterfragen sind, halte ich es für unerlässlich, einen kurzen Vorspann über Definitionen im allge­meinen vor­auszuschicken:

Seit Aristoteles unterscheidet man zwischen Real- und Nominaldefinitionen, wo­bei sich erstere auf das Wesen einer Sache, letztere praktisch ausschließlich auf den Gebrauch eines Namens beziehen. Nun nimmt die Strafrechtsdogmatik mit überwie­gender Mehrheit an, strafrechtliche Definitionen seien der Gruppe der Realdefinitionen zugehörig. Dabei folgt sie der wahrscheinlich po­pulärsten Definitionsweise: der „Sub­sumtion“ eines Ausdrucks „unter zwei andere Ausdrücke - genus proximum (= nächst­höherer Gattungsbegriff) und differentia specifica (= artbildender Unterschied)“. Wie noch bei den Einzelaspekten zu zei­gen sein wird, stellt sich der Rückgriff auf den nächsthöheren Gattungsbegriff je­doch oftmals wieder als definitionsbedürftig und hin­terfragbar dar, so dass sich eine schier unendliche Reihung von Definitionen anschlie­ßen müsste.

So bleibt mir an dieser Stelle zunächst nur festzuhalten, dass jede scheinbar noch so eindeutige Definition, wie sie im folgenden jeweils zunächst immer gegeben werden soll, schon per se auf einer recht unsicheren Grundlage beruht. (Vgl. Koriath, Zurech­nung, S. 254 ff.)

[7] Tatbestand im weiteren Sinne (= Garantietatbestand) ist der „Inbegriff aller Voraus­setzungen der Strafbarkeit“ und umschließt damit auch Rechtswidrig­keit, Schuld und die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit. Der von einer Mindermeinung ent­wickelte, auf der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen beruhende Gesamt-Unrechtstatbestand umfasst „alle unrechtsbegründenden und unrechtsausschließenden Merkmale“ also auch Rechtfertigungsgründe. (Vgl. Wessels, Strafrecht AT, Rn. 123)

[8] Innerhalb des Unrechtstatbestandes wird des weiteren zwischen deskripti­ven und norma­tiven sowie objektiven und subjektiven Tatbe­standsmerkma­len unterschieden, wobei es hier gesondert auf die normati­ven, d.h. wertaus­füllungsbedürftigen Merkmale ankommt. Diese können nicht durch einfache Beschreibung erfasst, sondern nur durch Hinzudenken der logischen Vor­aussetzung einer Norm gedacht und in Verbindung mit dem ergänzenden Werturteil eines Richters festgestellt werden. (Vgl. Wessels, Straf­recht AT, Rn. 115)

[9] Schönke/Schröder/ Lenckner, Kommentar, Vorbem §§ 13ff., Rn. 43

[10] Wessels, Strafrecht AT, Rn. 115

[11] Des weiteren teilt sich der Tatbestand in einen objektiven und einen subjek­tiven Teil auf. Dass dies im Laufe der Entwicklung nicht immer so gesehen wurde, zeigt die leb­hafte Entstehungsgeschichte und ob das in Zukunft so bleiben oder einem kontinuierli­chen Wandel unterliegen wird, sei dahin­gestellt. (Für eine vollständige Übersicht über die Formen des Tatbestandes: Vgl. Schönke/Schröder/Lenckner, Kommentar, Vorbem §§ 13ff., Rn. 43)

[12] Roxin, Strafrecht AT, S. 225

[13] Diese Abstraktheit wirft neben den vielen unbestreitbaren Vorteilen Probleme auf, die letzten Endes alle darauf zurückführbar sind, dass sie zum einen auf die bei ihrer For­mulierung bekannten Konstellationen zugeschnitten sind, jedoch auch für zukünftig auftretende Änderungen oder neue Problematiken Gültigkeit verlangen (bis vielleicht in einem komplizierten und langwierigen Prozess Anpassungen des Gesetzes durchge­führt werden), zum ande­ren durch ihre Abstraktheit mit den konkreten Lebenssachver­halten nicht immer kongruent sind, d.h. es besteht die Gefahr, dass sie dem Bestimmt­heitsprinzip zu­wider laufen. (Vgl. hierzu die Diskussion um die sog. Offenen Tatbe­stände, z.B. Roxin, Strafrecht AT, S. 245 f.)

[14] Vgl. Plack, Abschaffung des Strafrechts, S. 17 ff.. Denkbar wäre zumindest auch weiter­hin die private Rechtsetzungs- und Sanktionsbefugnis, die den Vorteil hätte, zu oft unkonventionellen, beide Seiten fördernden Ergebnissen zu gelangen.

[15] Vgl. hierzu die berechtigte Kritik in Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 102 ff.

[16] Kant, MdS, RL, § B

[17] Vgl. Kant, MdS, RL, § B

[18] Kant, MdS, RL, § A

[19] Kant, MdS, RL, § B

[20] Vgl. Kapitel C II. 2.) b)

[21] Darüber hinaus existieren ernstzunehmende Abhandlungen über das „Straf­recht als Verbrechensursache“, das auch als „gesinnungsethische Überdeter­mination sozial­feindlicher Neigungen“ bezeichnet wird, da es gerade durch Pönalisierung nicht sozial­schädlichen, sondern allenfalls är­gerlichen Verhaltens den „Einstieg in eine kriminelle Lebensführung“ erleichtert und somit der Hemmungs- und Orientierungsfunktion der Tatbe­stände diametral entgegenwirkt. (Vgl. Plack, Abschaffung des Strafrechts, S. 88)

[22] Roxin, Strafrecht AT, S. 155

[23] Hervorhebung stammt vom Urheber des Zitates selbst.

[24] Schönke/Schröder/Lenckner, Kommentar, Vorbem §§ 13 ff., Rn. 48

[25] Zur menschlichen Freiheitsproblematik allgemein vergleiche Kapitel C II. 3.)

[26] Köhler, Strafrecht AT, S. 235

[27] Köhler, a.a.O., S. 235

[28] Köhler, a.a.O., S. 236

[29] Hierbei sei auf den Absolutheitsanspruch der tatbestandlichen Gesetzessystematik verwiesen, der also durch gesetzesimmanente Regelungen selbst teilweise außer Kraft gesetzt wird.

[30] Köhler, a.a.O., S. 238

[31] Köhler, a.a.O., S. 238

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Rechtsphilosophische Betrachtung der Grundlagen des Straftatsystems
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Juristische Fakultät, Rechtsphilosophie)
Note
16 Punkte
Autor
Jahr
2002
Seiten
32
Katalognummer
V5337
ISBN (eBook)
9783638132503
Dateigröße
684 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit diente dem Erwerb eines Grundlagenscheines im Fach Rechtsphilosophie im WS 2001/2002 an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg.
Schlagworte
Rechtsphilosophie, Strafrecht, Tatbestandsmerkmale, Willensfreiheit
Arbeit zitieren
Moritz Lichtenegger (Autor:in), 2002, Rechtsphilosophische Betrachtung der Grundlagen des Straftatsystems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5337

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Titel: Rechtsphilosophische Betrachtung der Grundlagen des Straftatsystems



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