Soziale Sicherung und Integration von Ausländern


Rezension / Literaturbericht, 2005

12 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1) Einleitung

2) Zur „Gastarbeiterfrage“ und Migrationsmodelle

3) Türkische Migranten

4) Italienische Migranten

5) Fazit

Literatur

1) Einleitung

Angesichts der jüngsten gewalttätigen Ausschreitungen moslemischer Jugendlicher in Frankreich begann auch in Deutschland eine Debatte über den Erfolg bzw. Misserfolg der Integration und Assimilation von Ausländern in Deutschland. Täglich erscheinen in den Zeitungen neue Berichte, Reportagen und Analysen, die die historischen Entwicklungen der Migration ausländischer Arbeitnehmer nachzeichnen, Probleme der Akkulturation erläutern und Versäumnisse beider Seiten auf dem Weg zu einem friedvollen Miteinander aufzeigen.[1]

Um die Integration der Ausländer in Deutschland richtig einschätzen und bewerten zu können, bedarf es einer fundierten Kenntnis der Anfänge der Arbeitsmigration in Deutschland.

Ende 1954 einigten sich der Bundeswirtschaftsminister Erhard und der italienische Außenminister darüber, dass in absehbarer Zeit italienische Arbeiter, vor allem für die deutsche Landwirtschaft angeworben werden sollten. Am 22. Dezember 1955 kam es folglich zu einem ersten, dem Deutsch-Italienischen Anwerbeabkommen. Das staatlich organisierte Verfahren ermöglichte eine schnelle und effiziente Rekrutierung von Arbeitskräften und deren konjunkturgerechten Steuerung.

2) Zur „Gastarbeiterfrage“ und Migrationsmodelle

Die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten zur „Gastarbeiterfrage“ aus den unterschiedlichsten Fächern hat die Grenze des Überschaubaren längst überschritten. Zahlreiche Monographien, auch zu Teilbereichen, sowie Versuche die thematischen Ansätze zusammenzufassen, zu diskutieren und zu systematisieren liegen seit den 1970er Jahren vor. Der gesamte Migrationsprozess ist, gleichermaßen wie der Prozess der Integration und Akkulturation in unterschiedlichen Modellen und Verlaufsschemata dargestellt worden.

Einen bedeutenden, grundlegenden Beitrag zum Verständnis von Migrationsprozessen leistete 1970 Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny.[2] Der Soziologe erklärt die soziokulturellen, empirisch feststellbaren Prozesse, unterschätzte dabei jedoch die Bedeutung des kulturellen „Gepäcks“ der Migranten.

Klaus Bade qualifiziert die erste Periode der Arbeitsmigration als „Gastarbeiterperiode“.[3] Diese Bezeichnung impliziert, dass der jeweilige „Gastarbeiter“ nur einen kurzen Aufenthalt in einem ihm fremden Land plant, um seine Arbeitskraft saisonal bedingt anzubieten. Barbara Sonnenberger geht der Frage nach inwiefern man im Hinblick auf die Migranten und deren Migrationsmuster in den Jahren 1955 bis 1967 von einer „Gastarbeiterperiode“ sprechen kann.[4] Am Beispiel des Raumes Südhessen gelingt es ihr nachzuweisen, dass es kein „homogenes Bild des Gastarbeiters“ gab. Die Verhaltensmuster waren innerhalb der untersuchten Arbeitsmigranten sehr vielschichtig und unterschiedlich.[5] Es gab sowohl den „klassischen Gastarbeiter“, der schlechte Arbeitsbedingungen geduldig ertrug als auch den protestierenden Migrant, der durch Streiks seine Arbeitserlaubnis riskierte. Auch das Migrationsverhalten weist ein heterogenes Bild auf; es gab Kurzzeitpendler, saisonale Arbeitskräfte und Migranten mit Daueraufenthalt.

Dem gängigen Bild des „Gastarbeiters“ widerspricht ebenfalls die Tatsache, dass es auch „Gastarbeiterinnen“ gegeben hat. Dass Frauen bisher in diesem Kontext von der Forschung ungeachtet blieben und somit nahezu einem Forschungsdesiderat zum Opfer gefallen wären, könnte an der Feststellung Helmut Weichens liegen, der die Anwerbung von Frauen als zu schwierig einschätzte.[6] Angesichts der „starken sozialen Bindung der Frau an die Familie“ muss das Fazit nicht unbedingt lauten, dass die Anwerbung unter erschwerten Bedingungen abgelaufen ist, sondern lediglich, dass die Anwerbung von Frauen andere Maßnahmen erforderte. Dank Monika Mattes` Beitrag ist auch dieses Kapitel der Migrationsgeschichte erhellt worden.[7] Um die bislang nicht befriedigend geklärten Fragen nach den Strategien und Maßnahmen der Anwerbepolitik der BRD zu beantworten gibt Mattes einen Überblick über die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen der Arbeitskräfterekrutierung und beschreibt die Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiteten (Textil- und Bekleidungsgewerbe sowie Nahrungs- und Genussmittelindustrie). In Mattes` Beitrag wird nachgewiesen, dass auch „Gastarbeiterinnen“ schon immer zu den westdeutschen Anwerbezielen gehörten. In ihrem Fazit kommt Mattes zu dem Schluss, dass die angewandten Strategien nicht in Einklang mit dem Grundgedanken der Anwerbepolitik (befristete Migration einzelner Arbeitskräfte ohne Familienanhang) standen.[8]

Einen globalen Erklärungsansatz, der Arbeitsmigration als Folge der unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen der hoch industrialisierten Zentren einerseits und den peripheren Regionen andererseits unter Berücksichtigung der verschiedenen politischen und ökonomischen Interessen ihrer Entsende- und Aufnahmeländern sieht, wählt der Wirtschaftswissenschaftler Nikolinakos.[9]

Frühere Modelle der Migrationsforschung zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass demographische Aspekte und die ökonomischen Rahmenbedingungen als die wesentlichen Faktoren bewertet werden, die die Möglichkeiten der Integration in die Gesellschaft des aufnehmenden Landes bestimmen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Modellen und Theorien der früheren Migrationsforschung und dem heutigen, aktuellen Forschungsstand ist, dass den kulturell bedingten Differenzen, wie z.B. Ernährung und Religion, zwischen den Migranten und den Einheimischen eine größere Bedeutung zugemessen wird.[10] Diese Ergänzung bzw. Bereicherung der Modelle trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die Wahrnehmung des „Fremden“ vor dem Hintergrund der eigenen Kultur und die Meinungen, die man sich von den Migranten macht und die Gefühle, die ihnen entgegen gebracht werden von den Normen und Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft beeinflusst und geprägt sind.

[...]


[1] Vgl.: Schneider, in: Die Welt, 08.12.2005, Magazin, S. 8.

[2] Hoffmann-Nowotny, Hans-Joachim: Migration.

[3] Bade, Klaus: Ausländer, Aussiedler, S. 16.

[4] Sonnenberger, Barbara: Gastarbeit oder Einwanderung?, S. 81.

[5] Ebd.: S. 102.

[6] Weichen, Helmut: Anwerbung und Vermittlung, S. 37.

[7] Mattes, Monika: Hindernisse und Strategien der staatlichen Anwerbung von „Gastarbeiterinnen“ in der BRD 1955-1973.

[8] Ebd.: S. 121.

[9] Nikolinakos, Marios: Politische Ökonomie der Gastarbeiterfrage, Hamburg 1973.

[10] Motte, Jan; Ohlinger, Rainer: 50 Jahre BRD, S. 184ff.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Soziale Sicherung und Integration von Ausländern
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Sozialpolitik der 1950er Jahre der BRD
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V53320
ISBN (eBook)
9783638488013
ISBN (Buch)
9783656806561
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dieser Literaturbericht wurde im Rahmen der Übung "Sozialpolitik der 1950er Jahre der BRD" im Hauptstudium geschrieben. Vorgestellt werden die neusten Forschungsergebnisse zur "Gastarbeiterfrage" unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Diskussion über die Integrationspolitik.
Schlagworte
Soziale, Sicherung, Integration, Ausländern, Sozialpolitik, Jahre
Arbeit zitieren
Nora Banaim (Autor:in), 2005, Soziale Sicherung und Integration von Ausländern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53320

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