Sensorische Integration und ihre Störungen nach dem Konzept von Anna Jean Ayres


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Sensorische Integration
1. Überblick über das Nervensystem
2. Was ist Sensorische Integration?
3. Die 4 Ebenen der Sensorischen Integration

III. Störungen der Sensorischen Integration und ihre Auswirkungen

IV. Entwicklung von Einzelfertigkeiten

V. Schlusswort

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

I. Einleitung

Sehen, Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen und das Gleichgewicht halten sind Sinne, die jeder von uns tagtäglich wie selbstverständlich benutzt. Oft verwenden wir diese unbewusst, und somit können sich viele schlecht vorstellen, wie es ist, wenn die Verarbeitung von Sinnesreizen nicht ordnungsgemäß funktioniert. Dennoch treten bei Kindern nicht selten Wahrnehmungsstörungen auf, die sich in den verschiedensten Symptomen wie Unkonzentriertheit, Herumzappeln oder Ungeschicktheit äußern. Oftmals erkennen Erwachsene diese Wahrnehmungsstörungen jedoch nicht als solche und schimpfen das Kind zu unrecht, da es sich in den Augen der Erwachsenen schlecht benimmt.

Doch wie genau kommt es zu diesen Wahrnehmungsstörungen? Es handelt sich hier nicht um eine Krankheit, einen Hirnschaden oder ähnliches, lediglich minimale Hirn störungen können bei einem betroffenen Kind festgestellt werden[1]. Anna Jean AYRES stellt in ihrem Buch "Bausteine der kindlichen Entwicklung” (1992) das Konzept der Sensorischen Integration, ihre Störungen und Therapiemöglichkeiten vor, das sie in den Siebzigern entwickelte. Ich möchte in dieser Arbeit die Sensorische Integration und ihre Störungen erläutern.

II. Sensorische Integration

1 Überblick über das Nervensystem

Eine der Grundlagen für AYRES Theorie der Sensorischen Integration ist der phylogenetische Aufbau des Zentralnervensystems. (Eine weitere Grundlage ist das Konzept der vier Entwicklungsebenen der Sensorischen Integration, auf die ich im folgenden noch eingehen werde.)[2]

Das Nervensystem des Menschen wird unterteilt in das Zentralnervensystem und das periphere Nervensystem.

Das Zentralnervensystem ist die Schaltstelle und das Integrationszentrum aller ankommenden Informationen und der darauf folgenden Reaktionen. Im Gehirn, genauer im Hirnstamm, haben die wichtigen Regulationszentren ihren Platz, denn in ihm ist das „Formatio reticularis“ angesiedelt, das an den sehr komplexen sensorisch-integrativen Prozessen beteiligt ist. Es hat die Aufgabe, eingehende Reizsignale zu bahnen oder zu hemmen. Deshalb wird es auch als Hauptkontrollmechanismus des zentralen Nervensystems bezeichnet.[3] Im Rückenmark laufen die afferenten und efferenten Bahnen, auch die Reflexe werden vom Rückenmark gesteuert. Das Zentralnervensystem ist spezialisiert auf die Kommunikation mit der Körperinnenwelt und der Außenwelt, welche die Basis menschlichen Seins darstellen. Es leitet Informationen und vermittelt zwischen Zell- und Organsystem und leitet Informationen und Erkenntnisse über die Außenwelt, die von den Sinnesorganen aufgenommen werden ans Gehirn weiter. So wird dem Körper eine schnelle und angemessene Reaktion auf die Außenwelt ermöglicht.

Das periphere Nervensystem nimmt Reize auf und leitet sie ans ZNS weiter. Es stellt außerdem die Verbindungen zwischen den motorischen Bahnen (über das ZNS) zu den ausführenden Organen her.

Das zentrale und periphere Nervensystem ist an allen höheren psycho-physischen Prozessen, Funktionen und Bewusstseinsinhalten (z.B. Sprache, Vernunft, Denken) beteiligt.[4]

Das menschliche Gehirn wurde geschaffen, durch Zusammenschalten vieler Areale als ganzes zu arbeiten, was man als 'Interdependenz der Gehirnstrukturen' bezeichnet. Alle Hirnfunktionen sind voneinander abhängig, keine kann unabhängig von der anderen arbeiten. Werden im Hirnstamm die grundlegenden taktilen, akustischen und optischen Eindrücke nicht richtig verarbeitet, kann in der Hirnrinde auch keine präzise taktile, auditive und visuelle Wahrnehmung ausgebildet werden[5]. Bedeutende Mechanismen der Sensorischen Integration sind auch die Bahnung (bevorzugte Weiterleitung) und Hemmung (Abblocken) von sensorischen Informationen, denn das Gehirn kann unmöglich alle von den Sinnesorganen aufgenommenen Informationen verarbeiten. “Ohne ausreichende Hemmung würden sich sensorische Impulse wie ein Steppenbrand durch das Nervensystem ausbreiten” (AYRES, S. 64), unser Gehirn wäre von zu vielen Informationen lahmgelegt. Wichtige Informationen werden deshalb gebahnt, unwichtige gehemmt.[6]

2. Was ist Sensorische Integration?

Die Integration (=Eingliederung, Ordnung) der Sinne ist bei den meisten Menschen ein unterbewusst ablaufender Prozess, der erst zu Kenntnis genommen wird, wenn es zu Störungen bei der Integration kommt. Als Sensorische Integration bezeichnet AYRES die sinnvolle Ordnung und Aufgliederung der im Gehirn ankommenden Sinneserregungen, die es dem Menschen ermöglichen, seine Sinne in geeigneter Form einzusetzen um seine Umwelt genau wahrzunehmen und auf sie angemessen zu reagieren und zu lernen.[7]

“Reize sind Energien aus der Umwelt oder dem Körperinneren, die auf Sinnesorgane einwirken, als Empfindung bezeichnet man die Folge der Einwirkung eines Reizes auf ein Sinnesorgan und Wahrnehmung ist der Prozeß und das Ergebnis der Informationsgewinnung und der Verarbeitung von Reizen” (BRÜGGEBORS, S. 35).

In Abbildung 1 (S. 6) sehen wir, dass im Gehirn die wichtigsten Sinnessysteme integriert werden:

1. Das vestibuläre System,
2. das propriozeptive (hier kinästhetische) System,
3. das taktile System,
4. das auditive System,
5. das visuelle System
6. und schließlich das gustatorische und olfaktorische System.

Im Gehirn werden alle Sinneseindrücke, die dort zusammentreffen, geordnet, damit man sie in geeigneter Form gebrauchen kann. Die Abbildung zeigt auch, wie groß die Anzahl der “Verästelungen” der Sensorischen Integration beispielsweise bei der visuellen Wahrnehmung sind. Die Reize, die von den Augen aufgenommen werden, werden zu einer vielschichtigen Wahrnehmung umgewandelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

Wenn wir eine Zitrone betrachten, sehen wir zuerst ein ovales gelbes Ding (Form, Größe, Farbe). Dann nehmen wir wahr, dass die Zitrone auf einem Teller liegt, der wiederum auf dem Tisch steht (Lage im Raum). Wir erkennen die Oberflächenstruktur und die genaue Form. Dann erinnern wir uns daran, dass wir eine Zitrone vor uns haben und dass sie sauer schmeckt.

Personen, Reize, Gegenstände, Geräusche werden nur wahrgenommen, wenn sie das Gehirn auch richtig einordnen kann, d.h. wenn sie für den Menschen eine Bedeutung haben. Werden die Sinneseindrücke vom Gehirn nicht richtig verarbeitet, übersieht, überhört oder vergisst man sie schnell.[8]

3. Die 4 Ebenen der Sensorischen Integration

Nach AYRES läuft die Sensorische Integration im Kindesalter in 4 Ebenen ab. Abbildung 2 (S. 8) zeigt unterschiedliche Arten Sensorischer Integration. In der ersten Spalte ganz links sind die wichtigsten Sinnesorgane aufgeführt. In den Ebenen 1 - 3 findet die Integration der Reize, die auf die Sinnesorgane einwirken, statt. Bei Ebene 4 wird beschrieben, welche Endprodukte aus einer erfolgreichen Sensorischen Integration resultieren.

Obwohl hier von Ebenen die Rede ist, ist die Entwicklung bis hin zur vierten Ebene eine fließende, wie die Pfeile im unteren Teil der Abbildung verdeutlichen sollen. Die Endprodukte werden nicht automatisch erreicht, sondern sind das Endergebnis vieler Jahre der Entwicklung und Reizverarbeitung im Gehirn. Die Sensorische Integration ist ein fließender Prozess, das Erreichen der einzelnen Integrationsebenen macht erst das vorrücken zu nächsten Ebene möglich. Jede neue Entwicklungsstufe ist also vom Stand der Entwicklung der vorherigen abhängig. Neue Fähigkeiten können die alten Strukturen niemals ersetzen, wenn sie sie auch verfeinern und verändern mögen. Es kann keine Ebene übersprungen werden. Das Kind bewegt sich immer auf mehreren Ebenen zugleich und lernt gleiche oder ähnliche Dinge immer wieder, zuerst beim Krabbeln, dann beim Laufen und Rennen und später dann beim Rollschuhfahren.

[...]


[1] Vgl. AYRES S.77f

[2] vgl. www.sonderpaed-online.de

[3] vgl. www.sonderpaed-online.de

[4] vgl. BRÜGGEBORS, S. 8-11

[5] vgl. AYRES, S. 54

[6] vgl. BRÜGGEBORS, S. 40f

[7] vgl. AYRES, S. 37; BRÜGGEBORS, S. 31

[8] vgl. BRÜGGEBORS, S. 33-35

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Sensorische Integration und ihre Störungen nach dem Konzept von Anna Jean Ayres
Hochschule
Universität Augsburg  (Lehrstuhl für Psychologie)
Veranstaltung
Wahrnehmung und Sensorische Integration im Kindesalter
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V5331
ISBN (eBook)
9783638132466
ISBN (Buch)
9783638770927
Dateigröße
814 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahrnehmung, Sensorik, Sensorische Integration, Ayres
Arbeit zitieren
Daniela Burghardt (Autor:in), 2002, Sensorische Integration und ihre Störungen nach dem Konzept von Anna Jean Ayres, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5331

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