Zur Diskussion über die Auswirkung einer L-Carnitin-Substitution für Ausdauer- und Fitness-SportlerInnen


Examensarbeit, 2003

62 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist L-Carnitin?
2.1. Die Entdeckung des L-Carnitins
2.2. Definition von L-Carnitin und dessen chemische Eigenschaften
2.3. D-Carnitin
2.4. Aufgabe des L-Carnitins und Wirkung im Organismus
2.5. L-Carnitin-Biosynthese

2.5. L-Carnitin-Aufnahme mit der Nahrung und Bioverfügbarkeit
2.7. Resorption, Speicherung im Körper und Ausscheidung
2.8. L-Carnitin-Mangel

3. L-Carnitin im Sport 25
3.1. Vorstellungen der Wirkmechanismen von L-Carnitin 25
3.2. L-Carnitin als ergogene Substanz
3.3. Placebo-Effekt
3.4. Aktueller Forschungsstand: Exemplarische Darstellung
wissenschaftlicher Studien und Forschungsergebnisse
3.4.1. L-Carnitin hat keine Auswirkung auf die Fettverbrennung
3.4.2. L-Carnitin hat keine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit
3.4.3. Durch Ausdauersport entsteht kein erhöhter L-Carnitin-Bedarf
3.4.4. L-Carnitin hat keinen Einfluss auf die Laktatwerte 40

3.4.5. Eine zusätzliche orale L-Carnitin-Aufnahme bewirkt
keine Speicherung in der Muskulatur

4. Das Marketing-Produkt L-Carnitin
4.1. Werbung und Vermarktung
4.2. Präparate: Übersicht über Hersteller, Produkte und Preise
4.3. Auswertung der Fragebogen zum Thema L-Carnitin
4.4. Fragebogen L-Carnitin

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Sportlerkreisen werden außergewöhnliche Leistungen oft in Zusammenhang mit Zusatzpräparaten gebracht. Die sogenannten ergogenen Hilfen finden ihre Anwendung vor allem im Leistungs- und Spitzensport. Doch auch der Freizeitsportler versucht von der Einnahme leistungsfördernder Substanzen zu profitieren.

Durch die Einnahme spezieller Nahrungsergänzungsprodukte erhofft sich der Sportler, einen kleinen Vorteil zu verschaffen, der ihm zu einer verbesserten Leistung verhilft oder ihn letztlich zum Sieg führt. Der Langstreckenläufer oder Radfahrer beispielsweise erwartet mehr Ausdauer und eine langsamere Ermüdung, der Sprinter mehr Beschleunigung und höhere Geschwindigkeit, der Kraftsportler Muskelwachstum.

Auch in den Medien finden leistungssteigernde Substanzen große Beachtung. Nicht nur in einschlägigen Magazinen für Fitness-Sportler und Bodybuilder[1] wird von verschiedenen ergogenen Substanzen berichtet, mit denen die sportliche Leistung verbessert werden soll, sondern auch in diversen Artikeln in populärwissenschaftlichen Lifestylemagazinen und Büchern.[2] Es wird zum Teil suggeriert, dass die Einnahme von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln für den sportlichen Erfolg unverzichtbar sei. Zahlreiche Firmen bieten eine Vielzahl von Supplementen[3] an, die speziell für Sportler gedacht sind und mit den unterschiedlichsten Wirkungen als vielversprechende Leistungsförderer angepriesen und beworben werden.[4] So wird etwa dem Kreatin-Monohydrat eine muskelaufbauende Wirkung nachgesagt. Freie Radikale, die bei Sportlern vermehrt entstehen als bei Nichtsportlern, sollen mit Anti-Oxidantien neutralisiert werden. Speziell für Bodybuilder konzipierte Eiweiß-Präparate dienen als Nahrungsergänzung, um einen möglicherweise erhöhten Eiweißbedarf zu decken. Außerdem gibt es Nahrungsergänzungsmittel, mit denen die Fettverbrennung gesteigert werden soll. Zu diesen Produkten zählt das L-Carnitin, das häufig auch als „Fatburner“ beworben wird. L-Carnitin ist eine körpereigene Substanz, die, synthetisch hergestellt, sowohl in der Medizin Verwendung findet und bei bestimmten Krankheiten eingesetzt wird, als auch für den Sportler frei verkäuflich im Handel erhältlich ist. Carnitin-Präparate sollen die Körperfettverbrennung fördern und damit als Mittel zur Steigerung des Fettabbaus dienen. Das L-Carnitin ist für den Transport der Fettsäuren in die Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zelle, zuständig. Die Idee einer erhöhten Fettsäureoxidation durch eine Supplementierung mit Carnitin liegt daher nahe. Dies hätte zum einen den Effekt eines vermehrten Fettabbaus, was für viele Menschen wünschenswert wäre. Zum anderen könnte möglicherweise Glycogen eingespart werden, was bei einer definierten Ausdauerbelastung eine höhere Leistung bewirken könnte.

So halten Carnitin-Produkte inzwischen im Freizeitsport und überall dort, wo mit Schlankheit und Fitness geworben wird, Einzug. In populären Sportmagazinen[5] werden immer wieder Artikel oder Werbeaussagen veröffentlicht, in denen die positiven Auswirkungen einer zusätzlichen L-Carnitin-Einnahme beschrieben werden. Sie versprechen viel, doch was halten diese Produkte in der Praxis? Mit dieser Frage beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.

Es gibt zahlreiche Studien,[6] die den Eindruck vermitteln, dass sich Carnitin-Supplemente positiv auf die Leistungsfähigkeit und die Körperzusammensetzung von Ausdauersportlern auswirken. Die Supplemente sollen belastungsinduzierte Carnitinverluste ausgleichen beziehungsweise das Muskelgewebe mit Carnitin anreichern. Es existieren jedoch auch Studien,[7] in denen diese Untersuchungsergebnisse nicht nachgewiesen werden konnten.

Mit dem zunehmendem Interesse an der Substanz Carnitin stieg die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen. Obwohl in der Vergangenheit zahlreiche Studien zum Thema L-Carnitin durchgeführt worden sind, wurde über mögliche positive Effekte sehr kontrovers diskutiert und es konnten zunächst kaum einheitliche Aussagen über die Auswirkungen dieser Substanz gemacht werden. Die meisten bekannten und für diese Arbeit relevanten Forschungen wurden Mitte der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre durchgeführt. Etwa Mitte der neunziger Jahre ließ aufgrund der Ergebnisse das Interesse der Wissenschaftler an der Substanz L-Carnitin allmählich wieder nach und es wurden seitdem auch kaum neue Studien durchgeführt oder publiziert.

Obwohl einige Hypothesen inzwischen widerlegt worden sind, hält sich in den Fitness-Studios und zum Teil in der populärwissenschaftlichen Literatur hartnäckig die Aussage, dass die Einnahme von L-Carnitin einen positiven Effekt auf die Fettverbrennung hat. Mit werbewirksamen Aussagen[8] wird die Substanz als effektiver „Fatburner“ beworben.

Die Substanz wird im Fachhandel, übers Internet oder direkt im Fitness-Studio vermarktet. Wird in Fitness-Studios ein mit Carnitin angereichertes Fertiggetränk angeboten, so liegt es im Preis etwa doppelt so hoch, wie ein vergleichbares Getränk ohne L-Carnitin. Neben einer gesteigerten Fettverbrennung werden dem L-Carnitin weitere Wirkungen nachgesagt. So soll es zum Beispiel auch zur Stärkung des Immunsystems beitragen,[9] die Regenerationszeit verkürzen oder als Schutz vor Übertraining dienen.[10]

Da ich selber als Fitness- und Aerobictrainerin im Kursbereich tätig bin und mein Schwerpunkt daher im Herz-Kreislauf- und Ausdauer-Training liegt, werde auch ich häufig mit dem Thema Fettverbrennung konfrontiert. So stellte ich mir die Frage, was denn eigentlich dran ist an all den Gerüchten um diese Substanz, die für viel Geld in fast jedem Fitness-Studio zu erhalten ist? Ob es wohl viele Sportler und Sportlerinnen gibt, die diese Substanz einnehmen? Und wenn ja, mit welchem Erfolg? Kann man nach der Einnahme wirklich einen positiven Effekt feststellen? Oder bezahlt man viel Geld für eine Substanz, die im Endeffekt keine der erwarteten positiven Wirkungen erfüllt? Um diesen Fragen nachzugehen, entwarf ich einen Fragebogen und suchte verschiedene Fitness-Studios auf, um dort Trainierende zu interviewen. Dabei war mir durchaus bewusst, dass es sich um eine nicht repräsentative Umfrage handeln würde und die Erfahrungsberichte rein subjektiv sein würden. Das Ziel meiner Arbeit besteht darin zu hinterfragen, ob die These haltbar ist, dass die zusätzliche Einnahme einer körpereigenem Substanz, in diesem Fall das L-Carnitin, einen positiven Effekt auf die sportliche Leistungsfähigkeit und Fettverbrennung haben soll.

In meiner Arbeit werde ich der Frage nachgehen, ob die verschiedenen Aussagen über die positiven Effekte, die dem L-Carnitin zugeschrieben werden, gerechtfertigt sind und ob eine Supplementierung mit dieser Substanz für den Ausdauer- und Fitness-Sportler[11] tatsächlich sinnvoll ist.

2. Was ist L-Carnitin?

2.1. Die Entdeckung des L-Carnitins

Carnitin wurde erstmals 1905 von den russischen Forschern Gulewitsch und Krimberg als Bestandteil von Muskelgewebe im Rindfleisch nachgewiesen. Auf Grund des Vorkommens im Fleisch wurde die Substanz als Carnitin bezeichnet (lat. carnis= Fleisch). 1927 gelang japanischen Forschern die Aufklärung der Strukturformel von Carnitin.[12] 1948 entdeckten Fraenkel, Blewett und Coles ein Vitamin, das als essenzieller Wachstumsfaktor für Mehlwürmer galt (engl. Yellow mealworm, lat. Tenebrio molitor). Es wurde als Vitamin BT bezeichnet. 1952 wurde das Vitamin BT von Carter, Weidmann, Fraenkel et al. als Carnitin identifiziert. 1955 konnten Friedman und Fraenkel die reversible Acetylierung des Carnitins im Organismus nachweisen. Im selben Jahr wurde die Bedeutung des Carnitins beim Abbau langkettiger Fettsäuren festgestellt.[13] Bis 1970 konnte die Funktion des L-Carnitins beim Transport von Fettsäuren durch die Mitochondrienmembran nachgewiesen werden.

Seit Anfang der achtziger Jahre ist das Interesse der Wissenschaftler an der Substanz Carnitin und deren Wirkung auf den Menschen zunehmend gestiegen. Zahlreiche Studien wurden in dieser Zeit durchgeführt, da der Substanz eine leistungsfördernde Wirkung zugeschrieben wurde. Weiterhin vermutete man einen positiven Einfluss auf die Gewichtsreduktion.[14]

Während Carnitin in Europa als leistungssteigerndes Supplement für Sportler eingesetzt wurde, ging man in den USA zunächst davon aus, dass L-Carnitin für Neugeborene ein essenzieller Nährstoff sei und es wurde daher die Frage diskutiert, ob für Säuglinge in den ersten Lebenswochen eine orale Carnitin-Zufuhr notwendig ist. Entsprechende Untersuchungen wurden von Schmidt-Sommerfeld (1985) durchgeführt.

Exkurs: Bei Säuglingen geht man davon aus, dass diese einen Bedarf an exogen zugeführtem Carnitin haben. Nach der Geburt erfolgt beim Neugeborenen eine hormonelle Umstellung, die zum raschen Abbau der Glykogenreserven führt, da die Glykogenspeicher der Leber nur für zwölf Stunden ausreichen. Der Stoffwechsel wird vom Kohlenhydrat- auf den Fettstoffwechsel (Lipolyse) umgestellt. Während das Neugeborene bis zur Aufnahme ausreichender Nahrungsmengen energetisch von seinen endogenen Fettreserven abhängig ist, verwertet es später eine fettreiche Nahrung in Form von Milch. Das bedeutet, dass das Neugeborene bereits vor der Geburt auf einen erhöhten Fettkatabolismus vorbereitet sein muss, das heißt Enzyme und Co-Faktoren wie das Carnitin müssen vorhanden sein.[15]

Das Carnitin stammt beim Neugeborenen zum einen aus der Eigensynthese, die nur etwa zehn Prozent der eines Erwachsenen beträgt, sowie aus Körperspeichern, die zwar bereits angelegt, aber noch nicht ganz gefüllt sind. Zusätzlich wird L-Carnitin mit der Nahrung zugeführt. Als Hauptlieferant ist hier die Muttermilch zu nennen, die in den ersten drei Wochen nach der Geburt 4-7 µmol/ dl enthält, später noch etwa 3,5 µmol/ dl.[16]

Obwohl Kuhmilch im Allgemeinen mehr Carnitin enthält als Muttermilch, haben Kinder, die gestillt werden, ein höheres Plasmacarnitin als Flaschenkinder. Dies wird auf eine bessere Verfügbarkeit von Carnitin in der Muttermilch zurückgeführt. Bei Frühgeborenen nimmt man an, dass die Syntheserate des Carnitins offenbar nicht ausreicht, um den Abfall der Carnitin-Gewebespiegel bei carnitinfreier Ernährung zu verhindern. Der Skelettmuskel scheint jedoch in der Lage zu sein, seine Carnitinkonzentration über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.[17] Bei parenteraler Ernährung kann es bei Frühgeborenen zu Störungen der Fettsäureoxidation kommen. Schmidt-Sommerfeld (1985) geht davon aus, dass Carnitin in diesem speziellen Fall als essenzieller Nährstoff gilt. Eine Störung der Fettsäureoxidation tritt jedoch nur in Ausnahmefällen bei Frühgeborenen auf, entweder bei fehlender Kohlenhydratzufuhr bzw. nach zu hoher Fettzufuhr oder bei Frühgenborenen, die nur über geringe Carnitinreserven verfügen. Unter normalen Ernährungsbedingungen konnte keine Auswirkung fehlender Carnitin-Zufuhr auf die Fettsäureoxidation festgestellt werden. Schek (1994)[18] geht davon aus, dass eine Carnitinmenge von 1,73 mg/ kg täglich ausreicht, um beim Neugeborenen die Blutkonzentration aufrechtzuerhalten. Diese Menge kann sowohl mit Muttermilch als auch mit Kuhmilch erreicht werden. Obwohl der Säugling auf die exogene Zufuhr angewiesen ist, sind zusätzliche Carnitin-Zugaben daher nicht erforderlich.

2.2. Definition von L-Carnitin und dessen chemische Eigenschaften

Bei L-Carnitin handelt es sich um ein weißes hygroskopisches, kristallines Pulver. Die Substanz löst sich sowohl in Wasser und in heißem Ethanol, dagegen ist L-Carnitin in Aceton, Diethylether und in Benzol praktisch unlöslich. Der Schmelzpunkt liegt bei 197° C.

Summenformel: C7H15NO3

Molmasse: 161,20 g/mol

Abb. 1: Strukturformel des L-Carnitins[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bezeichnung des Carnitins als Vitamin BT ist heute nicht mehr zutreffend. Schek (1994)[20] weist darauf hin, dass es sich beim L-Carnitin weder um ein Vitamin noch um ein Dipeptid oder eine Aminosäure handelt, und auch nicht zu den essenziellen Nährstoffen gehört. Laut Schek[21] ist das L-Carnitin eine am N-Atom alkylierte Hydroxycarbonsäure. Rebouche und Engel (1980) definieren L-Carnitin als Trimethyl-Gamma-Amino-Beta-Hydroxybuttersäure.

L-Carnitin liegt sowohl in veresterter als auch in unveresterter Form vor. Es wird das totale und das freie Carnitin unterschieden. Das totale Carnitin ist das veresterte plus unveresterte Carnitin. Als freies Carnitin wird lediglich das un-veresterte Carnitin bestimmt.[22] Acyl-Carnitin wird rechnerisch aus der Differenz von totalem und freiem Carnitin errechnet. Die Acylreste im veresterten Carnitin sind normalerweise zu einem Fünftel langkettig, zu vier Fünftel kurzkettig.[23]

2.3. D-Carnitin

Carnitin existiert, wie viele biologisch aktive Moleküle, in einer L- und einer D- Form. Diese verhalten sich wie Bild und Spiegelbild zueinander. Während bei der chemischen Synthese das Racemat D, L- Carnitin entsteht, wird vom Körper nur das L-Enantiomere gebildet.[24] Natürlicherweise kommt also nur die L-Form vor. Aus technischen Gründen stand in der Anfangsphase der CarnitinForschung für die Versuche lediglich das D, L-Racemat zur Verfügung. Die meisten Untersuchungen wurden daher aus Kostengründen mit einem racemischen D, L-Carnitingemisch, das jeweils zu fünfzig Prozent aus D-Carnitin und zu fünfzig Prozent aus L-Carnitin bestand, durchgeführt. Erst 1982 begann die industrielle Großproduktion des stereoselektiv getrennten Carnitins.

Physiologisch wirksam ist ausschließlich das linksdrehende Carnitin, also das L-Isomer. Die Aufnahme von D-Carnitin führt zu einem intrazellulären Verlust von L-Carnitin. Das unwirksame D-Carnitin ist in der Lage, das physiologisch wirksame L-Carnitin von seinem Wirkort in der Zelle zu verdrängen, da es bevorzugt in die Zellen aufgenommen wird. Dies kann zu einer L-Carnitin-Verarmung im Herzen und in der Skelettmuskulatur führen.[25]

Durch die L-Carnitin-Verarmung nimmt die Fettsäure-Oxidation in den Mitochondrien ab, da die CPT I (Cholinphosphotransferase)[26] gehemmt wird.[27] Somit ist das D-Carnitin nicht nur unwirksam, sondern wirkt sogar zelltoxisch, was sich besonders auf den Herzmuskel (Myokard) und die Skelettmuskulatur auswirken kann. Durch das D-Carnitin können Nebenwirkungen wie Schwindel und Übelkeit ausgelöst werden, es können aber auch Funktionsstörungen des Herzens bis hin zu Herz-Rhythmusstörungen auftreten.

Bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz kann die Zufuhr von D-Carnitin zu einer ausgeprägten Muskelschwäche führen. Dies wurde von Bazzato et al. (1979) festgestellt, nachdem sie an drei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz zwei Gramm D, L-Carnitin über einen Zeitraum von dreißig Tagen intravenös verabreichten. Bei einer länger andauernden Therapie mit L-Carnitin traten keine dieser negativen Symptome auf. Es wird vermutet, dass das L-Carnitin effizienter verstoffwechselt (metabolisiert) werden kann und daher im Körper weniger akkumuliert. Im Vergleich zur D-Form des Carnitins hat sich das L-Carnitin als biologisch aktiv und nichttoxisch erwiesen. Daher sollte ausschließlich das physiologisch wirksame L-Carnitin verwendet werden, das inzwischen in hochgereinigter Form im Handel erhältlich ist. Sofern nicht anders erwähnt, ist im Folgenden mit Carnitin immer das L-Carnitin gemeint.

2.4. Aufgabe des L-Carnitins und Wirkung im Organismus

Das L-Carnitin ist eine Substanz, die für den Energiestoffwechsel der Zelle benötigt wird. Als ein Trägermolekül von Fett ist es als Co-Faktor von drei Enzymen[28] am Transport von langkettigen Fettsäuren[29] zu den Mitochondrien der Muskelzelle beteiligt. Somit trägt es zur Bereitstellung von Energie aus Fett bei. In den Mitochondrien, die man auch als „Kraftwerke der Zelle“ bezeichnet, findet die Fettverbrennung statt. Dort werden mit Hilfe von Sauerstoff Kohlen-hydrate und Fette metabolisiert. Dabei wird Energie freigesetzt, die für die Muskelkontraktionen notwendig ist.

Der Fettsäureabbau, also die Energiegewinnung aus Fettsäuren aus Nahrungs- beziehungsweise Körperfett, wird als ß-Oxidation bezeichnet.

Da die Außenmembran der Mitochondrien fettabweisend ist, bedarf es eines besonderen Carriermechanismus, um die Membran passieren zu können. An dieser Aufgabe ist das L-Carnitin beteiligt. Durch den Carriermechanismus des Carnitins können die aktivierten Fettsäuren von der Innenseite der äußeren Mitochondrienmembran auch durch die innere Mitochondrienmembran transportiert werden, um dann zur Verbrennung ins Innere der Mitochondrien (Mitochondrienmatrix) zu gelangen. Carnitin hat somit die Funktion eines „biocarriers“[30] (Biotransporters).

Abb. 2: Die Stoffwechselfunktion von L-Carnitin[31]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ACS Acyl-CoA-Synthetase

CPT I Carnitin-Palmitoyl-Transferase

ACCT=CC Acylcarnitin-Carnitin-Translocase (= Carnitin-Carrier)

CPT II Carnitin-Palmitoyl-Transferase II

Nach Aufnahme und Transport von Fettsäuren in die Muskelzelle beginnt der carnitinvermittelte Fettsäurentransport in die Mitochondrienmatrix zunächst im Cytosol. Dort werden die langkettigen Fettsäuren durch das Enzym Acyl-CoA (Acyl-CoA-Synthetase) aktiviert. Dieser Vorgang geschieht mittels ATP. Anschließend wandert das Acyl-CoA in den Zwischenmembranraum (Intermembranraum). Die Coenzym-A-Ester langkettiger Fettsäuren können jedoch nicht als solche durch die innere Mitochondrienmembran in den Matrixraum gelangen, sondern werden im Intermembranraum durch die Carnitin-Acyl-Transferase (siehe Abbildung 3), umverestert um die Barriere zu überwinden. Unter Katalyse der Carnitin-Palmitoyl-Transferase (CPT I) wird das Coenzym A abgespalten beziehungsweise freigesetzt und der Acylrest mit Carnitin verestert. Dieser Vorgang findet an der Innenseite der äußeren Mitochondrienmembran statt. Das Acyl-Carnitin wird mit Hilfe der Acylcarnitin-Carnitin-Translocase (ACCT), also dem Carnitin-Carrier, im Antiport mit freiem Carnitin durch die innere Mitochondrienmembran geschleust. Die aktivierten Fettsäuren gelangen als Acyl-Carnitin-Ester in den mitochondrialen Matrixraum. In der Mitochondrienmatrix wird das Carnitin abgespalten. Der Fettsäurerest wird mittels Coenzym A aktiviert. Das Acyl-CoA wird der ß-Oxidation zugeführt, während das Carnitin erneut in einen Transportzyklus eingeht.[32]

Abb. 3: Carnitin-vermittelter Transport langkettiger Fettsäuren in den Matrix-Raum.[33]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5. L-Carnitin-Biosynthese

Im Körper wird L-Carnitin überall dort benötigt, wo ein hoher Energiestoffwechsel herrscht, also vorwiegend in der Muskulatur und im Herzen. Das Herz und die Skelettmuskulatur sind auf L-Carnitin unbedingt angewiesen, können selbst aber nur die Vorstufe dieser Substanz bilden.[34]

Damit Fettsäuren oxidiert werden können, muss im Körper ausreichend Carnitin vorhanden sein. Der Organismus eines gesunden Menschen ist in der Lage, das L-Carnitin zu synthetisieren. Wird L-Carnitin endogen im Organismus synthetisiert, spricht man von der Carnitin-Biosynthese. Diese geschieht in mehreren Reaktionsfolgen, zu denen aber letztendlich nur Leber, Nieren und das Gehirn fähig sind.[35]

Ausgangssubstanzen für die Biosynthese sind die essenziellen Aminosäuren Lysin und Methionin. Die Aminosäuren liegen nicht in freier Form vor, es handelt sich um proteingebundenes Lysin und aktiviertes Methionin. Lysin liefert die Kohlenstoffkette und Stickstoff; die Methylgruppe stammt von Methionin.[36] Beide Aminosäuren werden mit der Nahrung aufgenommen

Für die Carnitin-Synthese werden zusätzlich Vitamin C, Eisen, Vitamin B6 und Niacin benötigt. Diese Substanzen sind als essenzielle Co-Faktoren an der im Gehirn, in der Leber und in den Nieren ablaufenden Reaktionsfolge beteiligt. Eine ausreichende Zufuhr dieser Stoffe mit der Nahrung ist notwendig, um einen Mangel auszuschließen. Wenn ein Mangel an einem der genannten Co-Faktoren besteht, kann es zu einer Einschränkung der Biosyntheseleistung kommen.[37] Eine Erhöhung der oralen Zufuhr von Lysin und Methionin geht laut Wagenmakers (1991)[38] nicht mit einer Steigerung der Carnitin-Synthese einher.

Im Gegensatz dazu steht die Aussage von Di Pasquale (1995), der davon ausgeht, dass der endogene Carnitin-Spiegel durch die exogene Zufuhr von Lysin und Methionin sowie den essenziellen Nährstoffen, die an der Carnitin-Synthese beteiligt sind, bis zu einer gewissen Höhe gesteigert werden kann.

Ein genetischer Defekt der Biosynthese tritt relativ selten auf. Personen, die über eine uneingeschränkte Biosynthese verfügen, sind auf eine exogenen Zufuhr von L-Carnitin nicht angewiesen.[39] Die Biosynthese von L-Carnitin beläuft sich auf etwa 16 mg pro Tag. Es wird angenommen, dass eine Steigerung der Biosynthese durch den Organismus trainierbar ist. Das bedeutet, dass geringe Verluste, die nach einer Belastung auftreten und in der Erholungsphase eine Senkung des Carnitinspiegels verursachen, mit Hilfe der Biosynthese wieder ausgeglichen werden können.[40]

2.6. L-Carnitin-Aufnahme mit der Nahrung und Bioverfügbarkeit

Die folgende Tabelle liefert eine Übersicht, in welchen Mengen L-Carnitin natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommt. Die Angaben beziehen sich auf den Carnitingehalt in mg/100g. Des weiteren ist ersichtlich, wie man mit einer ausgewogenen Ernährung für eine ausreichende Zufuhr mit L-Carnitin sorgen kann.

Carnitin kommt in großen Mengen in Produkten tierischer Herkunft vor. Vor allem in dunklem Fleisch ist L-Carnitin reichlich vorhanden. Schaffleisch gehört zu den wichtigsten Lieferanten. Auch Rind- und Lammfleisch sind gute CarnitinQuellen. In Produkten pflanzlicher Herkunft ist es dagegen nur in geringen Mengen enthalten.

[...]


[1] Z. B. die Zeitschriften fit2day; Muscle&Health; Fitness-Tribune; Flex.

[2] Strunz 1999; Strunz 2002.

[3] Suppleos= ergänzen.

[4] Z. B. Multipower, Nutrisearch, Goldfield, Phytochem, Nutriforce, Koelbel, Muscle up, High Tec.

[5] Z. B. die Zeitschriften Trainer 2002; bodylife 2002; Fitness-Tribune 2002.

[6] Billigmann et al. 1990; Dal Negro et al. 1986; Dragan et al. 1987; Föhrenbach et al. 1993; Gorostiaga et al. 1989; Vecchiet et al. 1990; Wyss et al. 1990.

[7] Berg et al. 1990 ; Carlin et al.1986 ; Greig et al. 1987 ; Platen et al. 1993 ; Soop et al. 1988.

[8] Vgl. Zeitschrift get up 1998.

[9] Vgl. Uhlenbruck et al. 1992 .

[10] Vgl. Neumann 1996.

[11] Wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Arbeit die männliche Form verwendet, sind -sofern nicht anders angegeben- sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht gemeint.

[12] Tomita und Sendju 1927.

[13] Fritz 1955.

[14] Vgl. Schek 1994b.

[15] Vgl. Schmidt-Sommerfeld 1985.

[16] Vgl. Borum 1981.

[17] Vgl. Schmidt-Sommerfeld 1985.

[18] Vgl. Schek 1994b.

[19] http://www.omikron-online.de 2002.

[20] Vgl. Schek 1994a.

[21] Vgl. Schek 1994b.

[22] Vgl.Bachmann 1987.

[23] Vgl.Bachmann 1987.

[24] Vgl. Schek 1994a.

[25] Vgl. Bremer 1983.

[26] In der Literatur findet man ebenfalls die Definition Carnitin-Palmitoyl-Transferase (vgl. Schek 1994a).

[27] Vgl. Borum 1983.

[28] Acyl-CoA-Synthetase, Carnitin-Palmitoyl-Transferase, Acylcarnitin-Carnitin-Translocase.

[29] Auch mittel- und kurzkettige Fettsäuren können carnitinvermittelt transportiert werden ( Scholte/ de Jonge 1987). Sie passieren die innere Mitochondrienmembran jedoch zum größten Teil in freier Form, da ihre Acyl-CoA-Synthetase in der Mitochondrienmatrix lokalisiert ist (Bremer 1983).

[30] Vgl. Schek 1994b.

[31] Abbildung: Schek 1994a, S.30.

[32] Vgl. Schek, 1994a.

[33] Abbildung: Rehner/Daniel 1999.

[34] Vgl. Schek 1994b.

[35] Vgl. Schek 1994b.

[36] Diedrich 2002, S. 130.

[37] Vgl. Di Donato 1987.

[38] Vgl. Schek 1994a.

[39] Vgl. Scholte/ de Jonge 1987; Borum/ Fisher 1983.

[40] Vgl. Uhlenbruck 1992.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Zur Diskussion über die Auswirkung einer L-Carnitin-Substitution für Ausdauer- und Fitness-SportlerInnen
Hochschule
Universität Bremen
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
62
Katalognummer
V53260
ISBN (eBook)
9783638487641
ISBN (Buch)
9783656785781
Dateigröße
866 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskussion, Auswirkung, L-Carnitin-Substitution, Ausdauer-, Fitness-SportlerInnen
Arbeit zitieren
Petra Dürre (Autor:in), 2003, Zur Diskussion über die Auswirkung einer L-Carnitin-Substitution für Ausdauer- und Fitness-SportlerInnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53260

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