Der Deutsche Corporate Governance Kodex. Eine kritische Analyse


Bachelorarbeit, 2006

75 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Corporate Governance: Definition, wissenschaftliche Einordnung und Geschichte
2.1. Definition
2.2. Wissenschaftliche Einordnung zwischen Ökonomie und Philosophie
2.3. Geschichte der Corporate Governance
2.4. Geschichte der Corporate Governance in Deutschland

3. Das Instrument des Deutschen Corporate Governance Kodex
3.1. Corporate Governance Systeme
3.2. Das Deutsche Corporate Governance-System im Wandel
3.3. Funktionsweise des Deutschen Corporate Governance Kodex
3.4. Die Regulierungs- und Erfolgswirkung des DCGK

4. Der inhaltliche Regelungsumfang des Deutschen Corporate Governance Kodex
4.1. Die Hauptversammlung
4.1.1. Der Rückgang der HV-Präsenzen
4.1.2. Der Dividendenbonus
4.1.3. Aufsichtsratswahl-Verfahren
4.2. Der Vorstand
4.2.1. ‚The Greed Cycle’
4.2.2. Erfolgsabhängige Vergütungssysteme
4.2.3. Offenlegung von Managergehältern
4.3. Der Aufsichtsrat
4.3.1. Die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte
4.3.2. Die Aufsichtsratsgröße und weitere Regelungsdefizite
4.3.3. Aufsichtsrat und Vergütung
4.3.4. Das Mitbestimmungsgesetz
4.4. Der Abschlussprüfer

5. Fazit und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Nicht erst in der jüngeren Vergangenheit hat die Unzulänglichkeit bisher angewandter Steuerungs- und Kontrollmechanismen börsennotierter Unternehmen zu einer Vielzahl weit beachteter Unternehmensskandale und damit nachhaltigen Nutzenverlusten für Share- wie Stakeholder geführt.[1] Wissenschaftlich beobachtet werden die Kontroll- und Leitungsstrukturen der Unternehmung vielmehr bereits seit den grundlegenden Arbeiten von Berle/Means in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gegenstand wissenschaftlicher Beobachtung.[2] Dies gilt insb., weil Unternehmens-Skandale zu einer nachhaltigen Vertrauenserosion gegenüber Wirtschaftsunternehmen geführt haben – sei es durch vor­sätzlich gefälschte Bilanzierung oder andere Formen der Missachtung legitimer Ansprüche von Aktionären und sonstigen Stakeholdern.

Gerade für Deutschland belegen Studien ein außergewöhnlich hohes Misstrauens-Ausmaß gegenüber Großunternehmen und deren Führungskräften: 69 % der deutschen Bevölkerung vermuten bei Managern unmoralische Verhaltensweisen (internationaler Mittelwert 39 %), 70 % bezeichnen Wirtschafts-Führungskräfte gar als insgesamt unehrenhaft handelnd.[3] Die hierzulande vergleichsweise stark ausgeprägte Markt-Skepsis muss so auch in einem engen Zusammenhang zu dem als unmoralisch wahrgenommenen Handeln einzelner Manager gesehen werden. Vertrauensdefizite können dabei ökonomisch schwerwiegende Konsequenzen für Volkswirtschaften verursachen: Ein von restriktiver Risikobereitschaft geprägtes wirtschaftliches Verhalten der Anleger und Konsumenten beeinträchtigt langfristig die Gewinnmaximierungs- bzw. Nutzensteigerungs-Interessen aller Akteure, da das ordnungspolitische Konzept der freien Marktwirtschaft essenziell auf gegenseitigem Grundvertrauen der Akteure basiert. Von Interaktionspartnern wird ein vertrauenswürdiges, d.h. eine kooperative Grundstrategie verfolgendes und kurzfristige Gewinnmaxima durch Defektion nicht realisierendes Verhalten erwartet, um für alle Akteure satisfaktionsfähige Interaktionsergebnisse zu ermöglichen.[4]

Ein Vertrauen schaffendes Grundniveau gegenseitiger Kooperationsbereitschaft ist für komplexe Entscheidungs- und Interaktionssituationen unabdingbar: es reduziert Transaktionskosten (z.B. bei der Informationssuche und –verarbeitung) und schließt die aus der Unvollständigkeit expliziter Verträge entstehenden Lücken. „Der Frage des Vertrauens kommt [damit, Anmerkung des Verfassers][5] für alle Interaktionspartner und Institutionen des Kapitalmarktes“ sowie für die Funktionsfähigkeit volatiler Märkte eine kritische Funktion als stabilisierendes Moment große Bedeutung zu.[6] Würde das Niveau des Misstrauens der Akteure untereinander gegen unendlich steigen, könnte dies eine ernstzunehmende Bedrohung für die Existenz des freien (Tausch-)Handels darstellen und mangels Markteintritts-Anreizen für neue Anleger zu Nutzeneinbußen aller Marktseiten bis hin zum theoretisch denkbaren Marktversagen führen.[7] Nicht zuletzt deshalb implementierten Marktakteure im Auftrag des und/oder in Zusammenarbeit mit dem Gesetzgeber unter dem Stichwort der ‚Corporate Governance’ (CG) Leitlinien einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung in Form von Börsenaufsichts-Vorgaben, Gesetzen, Leitlinien oder Kodizes, um so den Handlungs- und Erwartungsrahmen aller Akteure zu restabilisieren und das Vertrauenskapital zugunsten verstärkter Investitions- und Konsumbereitschaft zu erhöhen.[8]

Beobachtungsgegenstand vorliegender Arbeit ist der um die Förderung des Vertrauens „der inter­nationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften“ bemühte ‚Deutsche Corporate Governance Kodex’ (DCGK).[9] Hierzu wird der Themenkomplex der CG zunächst vor seinen definitorischen, wissenschaftlichen und historischen Hintergrund gesetzt (Teil 2). Besonderer Schwerpunkt liegt sodann auf der Darstellung der Rahmenbedingungen und Mechanismen des Deutschen CG–Systems als Wirkungsfeld für den DCGK. Dies ist speziell im Hinblick auf die daran anschließende Beschreibung der Bindungs-, Regulierungs- und bisherigen Erfolgswirkungen des DCGK von Bedeutung, da hier aufgrund des deutschen Insider-Systems ursächliche Zusammenhänge zum bislang ausstehenden wissenschaftlichen Nachweis einer Sanktionierung von Zuwiderverhalten durch den Kapitalmarkt gesehen werden können (Teil 3). Die Ebene der Regulierungsmechanismen wird in Teil 4 verlassen, wenn zentrale Regulierungsinhalte und -lücken des DCGK vorgestellt und prominente Veränderungsvorschläge aus der aktuellen Diskussion kritisch diskutiert werden. Abschließend werden die gegenwärtigen Regulierungsinhalte sowie Mechanismen des DCGK vor dem Hintergrund des Vertrauenskapitalstärkung-Postulats aus der Präambel als hinführend, jedoch nicht ausreichend beurteilt und die Notwendigkeit einer Erörterung des Schließens aufgezeigter Regelungs- und Inhaltslücken aus der Perspektive der Wirtschafts- und Unternehmensethik skizziert.[10]

2. Corporate Governance: Definition, wissenschaftliche Einordnung und Geschichte

2.1. Definition

Für den CG-Begriff hat sich bislang keine homogene und international einheitliche Definition entwickeln können.[11] Begründet ist dies sowohl in soziokulturell wie wirtschaftlich verschiedenen Grundverständnissen (wie z.B. der Shareholder/Stakeholder Debatte), als auch (rechts-)historischen Entwicklungen nationaler CG-Systeme sowie deren zeitabhängigen Interpretationen. Die bereits im definitorischen Ansatz sehr heterogenen wissenschaftlichen Positionen zur CG lassen auch den weiten Interpretationsrahmen für die ihr zugemessenen Aufgaben und Ziele erahnen, der sich auf internationaler Ebene in einem weltweiten Wettbewerb der Governance-Systeme widerspiegelt.[12]

Nachdem die Folgen einer Trennung von Eigentum und Kontrolle bereits seit längerem Gegenstandökonomischer Beobachtung sind, geht die Verbindung zu dem der Politikwissenschaft entstammenden ‚Governance‘-Begriff auf Williamson zurück.[13] Dieser bezeichnete die Investoren ex-ante zur Verfügung stehenden Schutzmechanismen im Rahmen der Transaktionskosten-Theorie von Coase als „Governance-Instrument of stockholders“ und führte so für bereits zuvor diskutierte Fragestellungen den neuartigen ‚Corporate Governance‘-Terminus in die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion ein.[14]

Nach Dörner/Orth können die definitorischen Betrachtungsweisen der CG hinsichtlich einer rechtlich-institutionellen sowie einer ökonomisch-interaktiven Interpretation kategorisiert werden, wobei entweder […] die Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb des Unternehmens – also die Kontrolle – in den Vordergrund […] gestellt oder auf die „kapitalmarktorientierte und koalitionstheoretische Sichtweise [und] die Außenbeziehungen des Unternehmens […] abgezielt wird.[15] Diese unterscheiden sich bzgl. ihres Umgangs mit Anspruchs- und Bezugsgruppen: Im engeren Sinn wird demnach auf die Art und Weise verwiesen, wie aktienrechtlich verfasste Gesellschaften geführt und kontrolliert werden und sich gegenüber ihren Aktionären verantworten müssen. In dieser vor allem im angelsächsischen Raum verbreiteten Perspektive werden vor allem „Führung, Überwachung und Erfolg [aktienrechtlich verfasster Unternehmungen aus der] Perspektive der Anteilseigner“ betont.[16]

In einem extensiveren und vor allem im kontinentaleuropäischen Raum verbreiteten Verständnis wird nicht nur die Verantwortlichkeit gegenüber Aktionären betont, sondern auch Anspruchsgruppen aus dem Kunden-, Mitarbeiter- und Umweltbereich integriert. Zwar divergieren auch innerhalb dieser Position die exakten Begriffsauffassungen, doch ist ihnen gemeinsam, der Unternehmensführung nicht nur die Interessen der Anteilseigner als Referenznorm zugrunde zu legen.[17] Der normative Bezugs- und Verantwortungsrahmen wird also über den Kreis der Anteilseigner hinaus auch auf weitere Anspruchsinhaber ausgeweitet und umfasst […] die Gesamtheit der Strukturen und Mechanismen, mit denen ein Unternehmen seine in ihm und mit ihm durchgeführten Transaktionen führt, steuert und kontrolliert.“ [18] Eine solche, den normativen Bezugsrahmen auch um das Stakeholder-Interesse erweiternde, Position findet sich auch im angloamerikanischen Raum, obgleich diese im US-amerikanischen Kontext, ebenso wie bei den meisten anderen Autoren, letztendlich ebenfalls im Interesse der Mehrung des Aktionärsvermögens geschieht.[19] Festzuhalten ist damit für das Spektrum vorherrschender Definitionsvorschläge der normative Unterschied in der Anspruchsgruppenbestimmung. Folgerichtig definiert die OECD CG abstrakt als „Wechselbeziehungen zwischen allen unmittelbar und mittelbar an der unternehmerischen Entscheidungsfindung beteiligten Akteuren … [, welche] durch die institutionellen Rahmenbedingungen sowie durch das Regulierungsumfeld geprägt werden“.[20] Da innerhalb dieser Definitionen auf die zur Verfügung stehenden Mechanismen, nicht aber deren normative Ausgestaltung im Umgang mit Bezugsgruppen abgezielt wird, vermag diese Definition am besten zu überzeugen.[21]

2.2. Wissenschaftliche Einordnung zwischen Ökonomie und Philosophie

Eine eindeutige Zuordnung des CG-Themenkomplexes innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen steht bislang aus, da in diesem Zusammenhang aufgeworfene Fragestellungen aus mehrerlei Perspektiven zu beurteilen und im Grenzbereich mehrerer Wissenschaften zugleich anzusiedeln sind. In den Rechtswissenschaften diskutierte Fragen wie die Zuteilung von Rechten und Pflichten der Hauptversammlung sowie die Ausgestaltung der Organkompetenzen der Unternehmung haben zugleich betriebs- wie auch volkswirtschaftlichen und letztendlich auch sozialwissenschaftlichen wie ethischen Impetus. Soll also der gesamte Wirkungs- und Bedeutungsrahmen der CG hinreichend erfasst und bearbeitet werden, so ist hierfür Interdisziplinarität unerlässlich. Weiteres Beispiel hierfür ist die Frage eines monoistischen oder dualistischen Board-Modells, welche nur sinnvoll beantwortet werden kann, wenn sowohl die gesellschaftsrechtliche Perspektive, als auch der Neuen Institutionen Ökonomik entstammenden Theorien wie das Prinzipal-Agenten-Verhältnis oder Governancekosten bzw. Konstitutionenökonomik herangezogen werden.[22]

Als zentraler Ausgangspunkt der CG-Debatte gilt mithin der auf der Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal (Kapitalgeber) und Agent (Management) basierende Prinzipal-Agent-Konflikt. Da die vom Agenten getroffene Entscheidung unter den zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen vom Prinzipal nicht direkt kontrolliert werden kann (hidden action), verfügt der Agent aufgrund von Transaktionskosten über einen quantitativen und/oder qualitativen Vorsprung an spezifischer Information (hidden information), der aufgrund divergenter Interessen zwischen Management (Interesse: Vergütungshöhe und –sicherung) und Aktionär (Interesse: Residualanspruchmaximierung mit abhängig vom Aktionärstypus kurz-, mittel- oder langfristiger Perspektive) vom Agenten zum Schaden des Prinzipals ausgenutzt werden kann. Die Anreiz-, Kontroll- und Informationssysteme der Unternehmung müssen also derart ausgestaltet werden, dass gewährleistet ist, dass ein Agent eine vereinbarte Leistung erbringt und damit die Residualansprüche des Prinzipals zu dessen möglichst maximalen Nutzen erfüllt.[23]

Nachdem Governance-Systeme die Befriedigung der Prinzipalansprüche in ihrer bisherigen Ausprägung nur unzureichend zu leisten vermochten, wird nun zunehmend auch die Notwendigkeit einer Erweiterung der CG um eine ethische Perspektive erkannt. Nach Vorarbeiten aus dem angloamerikanischen Raum, welchen das Aufzeigen erster kritischer Aspekte sowie bestehender Lücken zu verdanken ist, steht die Betrachtung aus einer Ökonomik und Ethik verbindenden Perspektive allerdings noch vergleichsweise am Anfang der deutschsprachigen Diskussion.[24]

CG und Ethik stehen in einem interdependenten Zusammenhang: Eine Determinierung der CG allein durch formal-juristische wie ökonomische Kriterien gewährleistet allenfalls eine technische Hinführung als conditio sine qua non. Eine abschließende Sicherung der Aktionärsinteressen und eine ethische Legitimierung des Managements vermag sie aufgrund des begrenzten Wirkungsrahmens expliziter Verträge bisher nicht zu entfalten. Umgekehrt stellt die klassische CG keineswegs eine der Verantwortungskonzeptionen nach mehr wirtschaftlicher Verantwortung wie Stakeholder-Management, Sustainability, Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizen (CC) dar.[25] Vielmehr ist sie im engeren Sinn bereits auf einer vorgelagerten Ebene eine „ important condition to have an ethically based direction and management “, da sie den technischen Beziehungsrahmen der Verantwortung des Boards gegenüber dem Aktionär als Eigentümer der Unternehmung bereitstellt.[26] Sie bildet das ökonomische wie rechtliche Fundament für die Legitimation und die ethische Stoßrichtung der Unternehmensführung und ist damit bereits im engeren Sinn Shleifer/Vishnys von großer Bedeutung für CSR- oder CC-Konzeptionen, welche Ausführungen zu Organkompetenzfragen und ähnlich juristisch-betriebswirtschaftlich dominierte Fragen bislang vermissen lassen. Der Implementierungsversuch einer ethischen Legitimationsbasis, sowie das Aufzeigen möglicher ethischer Stoßrichtungen zur Füllung aus impliziten Verträgen entstehender ‚ethischer Lücken‘ in der CG, wird damit Aufgabe einer mit den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften interdisziplinär und kooperativ eng verknüpften Wirtschafts- und Unternehmensethik, welche nicht nur an die CG-Konzeptionen fremder Disziplinen anschluss-, sondern auch sprachwissenschaftlich integrationsfähig gemacht werden muss.

Dieser Notwendigkeit kommt die Evolvierung der klassischen CG-Konzeption Shleifer/Vishnys von einem Standpunkt des „ way of thinking about how a given board can better serve the shareholders’ interests to a philosophy of how that board can better meet with all the interests and needs of all the stakeholders” entgegen.[27] Tatsächlich darf auf lange Sicht mit einer Konvergenz bislang unterschiedener, pfadabhängiger CG-Modelle gerechnet werden, da institutionelle Investoren zunehmend weltweit einheitlich applikable Kriterien guter CG einfordern und die Ergebnisse dessen langfristig eine Schnittmenge aus market- und law-driven CG-Konzepten erwarten lassen. Anschaulich beobachten lässt sich dies am Beispiel der früher vieldiskutierten Frage des Primats einer monoistischen oder dualistischen Board-Konzeption: Während auf angloamerikanischer Seite die Position des Chairmans zunehmend durch unabhängige non-Executives besetzt wird, belegt die verstärkte Unabhängigkeits-Definition und -Forderung auf kontinentaleuropäischer Seite nicht zuletzt durch einschlägige EU-Richtlinien eine maßgebliche Annäherung des kontinentaleuropäischen und des kapitalmarktorientierten Modells.[28]

Analog hierzu kann nicht zuletzt durch die weltweit steigenden Investitionsvolumina nach Kriterien des Socially Responsible Investment (SRI) auch in klassischen Kapitalmarktbereichen von einer zunehmend konsensfähigen Erweiterung klassischer Investmentstrategien um eine Stakeholder-Dimension gesprochen werden.[29] Verdeutlicht wird dies u.a. durch die CG-Definition Schmidts, der CG als […] the whole of institutional and organisational mechanisms, together with the decisions and rights to intervention and control going with them, which can help to solve conflicts of interest between the different stakeholders in an organisation, and who define, individually or as a whole, in what manner important decisions in the organisation are made, and finally define which decisions are to be made” definiert, wodurch die CG auch mit einem tendenziellen Verständnis als ehrbare, faire und vertrauenswürdige Unternehmensführung im Sinne eines „ to do the right (good) things and to do things right (well)” verbunden werden kann.[30]

Während bislang also die formelle Zuständigkeits- und Rollenverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen zum Zweck der Anteilseignerinteressen-Sicherung im Vordergrund der Beobachtung stand, kann das gesamte Steuerungssystem unternehmerischer Transaktionsbeziehungen zum Zweck der optimalen Ressourcenallokation und Rentengenerierung in das CG-Konzept integriert und aufgrund der „Möglichkeit und Notwendigkeit der Steuerung von Transaktionen durch weiche Faktoren wie Werte, Moral und Kultur“ von einer Steuerungsmatrix der Führung und Kontrolle von Unternehmen aus formellen und informellen Regelungen gesprochen werden.[31]

Das Instrument des DCGK ist nach Wolf als (zwischen-)staatlich initiiertes Selbststeuerungsinstrument zu bezeichnen.[32] Da keine deontologische Motivation des Individuums vorausgesetzt wird, ist der DCGK innerhalb des Konzepts der Unternehmung als moralischem Akteur auf der Ebene der Institutionen- und Unternehmensethik einzuordnen.[33] Die aus Individualethik sowie Psychologie entstammenden Aspekte der Vertrauensrückführung auf Mikro-Ebene bleiben damit an dieser Stelle außen vor.[34] Zwar zeigt die betriebswirtschaftliche Praxis regelmäßig Fälle einer Belohnung von proaktiv eingenommenen ‚ethical leader’-Strategien, welche aus der individualethischen Überzeugung eines oder mehrerer Unternehmensgründer entstehen und zu nachhaltig komparativen Konkurrenzvorteilen führen.[35] Für die Gesamtheit der Marktakteure jedoch definiert der Regulierungsansatz von auf börsennotierte Unternehmen ausgerichteten CG-Kodizes im Allgemeinen lediglich ein dialogethisch legitimiertes Minimum über den juristisch-betriebswirtschaftlichen Status Quo hinausgehender Regelungen. Dieses Vorgehen ermöglicht im Sinne Poppers demokratische Strukturen ohne normative Vorgaben zu schaffen: Prinzipien der Wirtschafts- und Unternehmensethik finden so über das Konzept einer erweiterten CG Eingang in die Diskussion um Kontroll- und Leitungsstrukturen der Unternehmung ohne dabei bislang konkurrierende Konzepte wie SRI, CSR, CC oder integritätsorientiertes Risikomanagement (z.B. über die Steuerung von Reputationsrisiken) zu negieren.[36] Vielmehr verspricht ein Stakeholder integrierender CG-Ansatz die Möglichkeit, diese in einem gemeinsamen Verantwortungskonzept über den DCGK als idiosynkratisches Implementierungsinstrument von Wirtschaftsethik subsidiär über den Kapitalmarkt zu integrieren. Zwar würde sich eine Luhmannsche Theorie der moralisch neutralen Systemsteuerung gegen eine Implementierung tugendethischer Elemente aussprechen, zumal die realen Funktionsdefizite der Finanzmärkte durch moralisch ehrenwerte Optionen individueller Wirtschaftssubjekte allein nicht behoben werden könnten wie auch Hengsbach konstatiert. Nicht nur Hengsbach aber erkennt ebenso an, dass [...] soziale Systeme weder funktionsfähig noch stabil bleiben, wenn sie nicht in besonders prekären Situationen durch moralische Subjekte und deren individuelle Tugenden aufrechterhalten werden.[37] Auch Drennan stellt fest, dass „legislation and regulation are, however, insufficient in themselves [...] und schlussfolgert daher “if a corporation is to ensure that all its board members, and employees, operate in an ethical manner and that its structures deliver good governance, then this takes commitment [and] developing an ethos in which ethical behaviour is actively encouraged, along with systems for the early identification of ethical or governance breakdowns” [38]

Zwar könnte dem DCGK aus philosophischer Sicht der Vorwurf gemacht werden, Ethik lediglich als dekalogartiges Regelwerk zu verstehen, welches die reflexive und erkenntnisorientierte Ethik zum Code of Conduct deformiert. Doch darf hierbei der DCGK nicht als letztbegründendes und statisches Instrument einer ‚Weisheit für gute Unternehmensführung‘ verstanden werden: Er stellt vielmehr eine kodifizierte Grundverständigung der Ordnungs- und Leitungsstrukturen von AGs dar, die einem kontinuierlichen und für gesellschaftspolitische Einflüsse offenen Anpassungsprozess unterliegt, was an den maßgeblichen Weiterentwicklungen seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahr 2002 (z.B. im Bereich der Unabhängigkeitsfrage der Aufsichtsräte) ablesbar ist. Abschließend zur wissenschaftlichen Einordnung kann so konstatiert werden, dass die CG zwar am Ordnungsrahmen der Unternehmung ansetzt und einen institutionenethisch-funktionalistischen Ansatz im Sinne Homanns darstellt – um letztendliche Wirksamkeit entwickeln zu können jedoch ebenso einer individualethischen Erweiterung wie einer sich gesellschaftlichem und internationalem Wandel kontinuierlich anpassenden Fortentwicklung bedarf.

2.3. Geschichte der Corporate Governance

Aus historischer Sicht ist neben einer Vielzahl Aufsehen erregender Unternehmens- wie Bilanzierungsskandale insb. die Entwicklung an den Kapitalmärkten für die verstärkte Diskussion der CG verantwortlich: Der technische Fortschritt in der Kommunikations- und Informationstechnologie verringert die Kapitalverkehrsbeschränkungen über Ländergrenzen hinweg, während weltpolitische Entwicklungen eine fortschreitende Dominanz kapitalistisch orientierter Wirtschaftssysteme entfacht haben, die sich nun in Industrie- sowie Entwicklungsländern in Deregulierungs-, Liberalisierungs- und Privatisierungsstrategien ausdrückt und den Internationalisierungsprozess der Kapitalmärkte begünstigt.[39]

Nicht zuletzt durch die zunehmende Privatisierung der Altersvorsorge hat sich die Marktkapitalisierung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit Beginn der 90er Jahre in den OECD-Ländern mehr als verdoppelt und die erhöhte Liquidität bei sinkenden Transaktionskosten und transparent-wettbewerbsorientierten Kapitalmärkten zu einer Internationalisierung der Aktionärsstrukturen geführt.[40] Bereits heute sind so in Deutschland die internationalen Investoren mit 44 % die größte Anlegergruppe der DAX 30-Gesellschaften. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die professionellen Vermögensverwalter: Der von institutionellen Investoren wie Investmentfonds, Pensionsfonds und Lebensversicherern verwaltete Vermögenswert-Anteil am BIP stieg von 38 % in 1981 über 81 % in 1991 auf 146 % im Jahr 2000 an und wächst kontinuierlich weiter. Die angloamerikanisch geprägte Anlegergruppe der institutionellen Investoren (US- und UK-Anleger kontrollieren 76 % aller Vermögenswerte in den fünf größten Aktienmärkten) stellt zwar keine homogene Gruppe dar,[41] weist aufgrund von Risikodiversifikation und gestiegenen zu verwaltenden Kapitalvolumina jedoch einen vergleichsweise hohe Internationalisierungsgrad in den Anlagestrategien auf (bereits 1999 wurden 18 % des gesamten Portfolios institutioneller Anleger in den USA im Ausland investiert).[42]

Für institutionelle Investoren ist nicht nur die Transparenz der Grundsätze und Prinzipien, nach denen die Unternehmen in ihren jeweiligen Märkten organisiert und geleitet werden von elementarem Interesse. Im Rahmen ihres langfristigen Investitionshorizonts engagieren sich aktiv geführte institutionelle Investoren zum Zweck der Risiko-Minimierung sowie aufgrund der Hypothese potentieller CG-bedingter Überrenditen auch direkt bei Unternehmen für eine bessere CG. Sie erwarten von non-domestic markets, dass diese denselben oder zumindest vergleichbar hohen Standards genügen wie ihre Heimatmärkte. So rücken sie die Wahrnehmung und Signifikanz transparenter und verlässlicher CG-Strukturen in den Vordergrund und nehmen damit eine gesamtwirtschaftliche Funktion zugunsten einer optimierten Unternehmensüberwachung wahr, die auf der Möglichkeit zur Fokussierung von Investments, professionellem Vorgehen und der Konzentration von Stimmrechten insb. bei atomisierten Eigentumsstrukturen beruht.[43]

Als erster, wesentliche Bestimmungen eines lokalen Marktes für potentielle Investoren zusammenfassender, CG Kodex gilt der 1992 in Großbritannien unter Lord Cadbury erstellte ‚Cadbury-Report.[44] Angesichts der fortschreitenden Internationalisierung der Kapitalmärkte entstanden kurz darauf in beinahe allen Ländern der industrialisierten Welt sowie in kapitalmarktorientierten Schwellen- und Entwicklungsländern weitere Kodizes.[45] Zum heutigen Zeitpunkt kann davon ausgegangen werden, dass alle an ausländischen Kapitalmarktinvestitionen interessierten Volkswirtschaften bzw. international geöffnete Kapitalmärkte die Charakteristika ihres CG-Systems in kodifizierter Form erstellt und publiziert haben.[46] Charakteristisch für den Entstehungsprozess der meisten Reports und Kodizes ist, dass diese schrittweise durch die Veröffentlichung sequenziell aufeinander aufbauender und ergänzender Berichte entstanden. Sie werden kontinuierlich an supranationale Rechtsprechung, Gesetzgebung oder marktorientierte internationale Harmonisierungsbestrebungen (‚Best Practices’) angepasst bzw. durch diese geprägt und unterliegen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, dem fortdauernd weitere Aspekte zum Gesamtbild guter CG hinzugefügt werden und folglich bis dato auch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann.[47]

2.4. Geschichte der Corporate Governance in Deutschland

Die Entwicklung der CG setzte in Deutschland vergleichsweise spät ein, was in der Insider-Orientierung des Deutschen CG-Systems sowie der rechtshistorischen Tradition, Fragen der Unternehmensverfassung über den Gesetzgeber zu regeln, begründet sein dürfte.[48] Eine erste Annäherung des deutschen CG-Systems an internationale ‚Best Practices’ erfolgte im Jahr 1998 mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, welches die Abschaffung von Aktien mit Höchst- oder Mehrfachstimmrechten (sog. ‚Golden Shares’ bzw. ‚Multiple Voting Shares’) vorsah.[49] Nachdem die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz 1998 erste rudimentäre Governance-Empfehlungen vorgestellt und sich auf private Initiative hin die ‚Grundsatzkommission Corporate Governance’ (Frankfurt) sowie der betriebswirtschaftlich orientierte Berliner Initiativkreis ‚German Code of Corporate Governance’ gegründet hatten, wurde im Mai 2000 eine (erste) ‚Regierungskommission Corporate Governance’ einberufen, welche detaillierte Empfehlungen zur Behebung defizitärer Elemente des Systems der Unternehmensführung und –kontrolle sowie der Modernisierung des Unternehmensrechts in Deutschland vorlegte.[50] Auf dessen Grundlage wurde im September 2001 vom Bundesjustizministerium die zunächst aus zwölf Mitgliedern unter Vorsitz des ThyssenKrupp Aufsichtsratsvorsitzenden, Dr. Cromme, bestehende ‚Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex’ eingesetzt und beauftragt, einen offiziellen CG-Kodex zu entwickeln.[51] Dieser wurde am 26.02.2002 veröffentlicht und trat iVm. dem Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, dem Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) am 26.07.2002 als ‚Deutscher Corporate-Governance-Kodex’ (DCGK) in Kraft. Seitdem wird die den Kodex bearbeitende Regierungskommission jährlich zur Anpassung an sich ändernde Bedingungen (Gesetze, Entwicklungen des Kapitalmarktes) einberufen.[52]

[...]


[1] Auf den Versuch einer vollständigen Aufzählung der Skandale großer Aktiengesellschaften wie Enron, Worldcom, Parmalat u.v.m. soll an dieser Stelle mit Verweis auf die einschlägige wirtschaftsethische Literatur sowie die Wirtschaftspresse der letzten Jahre verzichtet werden, vgl. u.a. Fugger (2004). Peters (2002), S. 4 jedoch konstatiert auf diese Bezug nehmend: „ Trust and confidence in those who run the companies, the boards, the auditors and their lawyers is shattered.” MacGilivray (2002), S. 22ff. belegt dies insb. für die Kapitalmärkte am Beispiel Großbritanniens, Child/Rodrigues (2003) sehen insb. internationale Konzerne von Vertrauensverlusten betroffen. Exemplarische Fälle in Unternehmen aufgetretener Vertrauenskrisen erarbeitet Bauhofer (2004).

[2] Anhand des in „The Modern Corporation and Private Property“ in die Theorie eingeführten Prinzipal-Agenten (P/A) Konflikts identifizierten Berle/Means (1932) den Ausgangspunkt heutiger Forschung um die ‚Corporate Governance’ (CG). Der P/A-Konflikt beschreibt den durch Informationsasymmetrien verstärkten Interessenskonflikt der Anteilseigner mit angestellten Managern auf der Unternehmensführungs-Ebene. Die Frage bestmöglicher Steuerungs- und Kontrollmechanismen aktienrechtlich verfasster Unternehmungen zur Aufhebung dieser Problematik wurde so bereits lange vor Aufkommen des heutigen Terminus ‚Corporate Governance’ diskutiert und erörtert. Grundmann/Mülbert (2001) zeigen auf, welch enormen Umfang die gegenwärtige CG-Forschung erreicht hat, Wolfensohn (1998) betont hierbei auch die Notwendigkeit eines interdisziplinären Diskurses. Schwerpunktdisziplinen der klassischen CG sind bislang insb. die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, welche gemeinsam an Effizienz-, Transparenz-, Adaptivitäts- und Legitimitätskriterien genügenden Leitungs- und Kontrollstrukturen forschen. Für die deutschsprachige Diskussion beider Disziplinen wegweisend waren die Arbeiten von Baums (2001), Hommelhoff (2001), Hopt (1998), Schwalbach (2003) und v.Werder (2001).

[3] Ein derartig ausgeprägtes Vertrauensdefizit gegenüber der Wirtschaft weisen weltweit nach Gallup sonst nur Albanien und Costa Rica auf. Vgl. die von Gallup erhobene Studie „Voice of the People“ im Auftrag des World Economic Forum (2003). Bestätigt werden diese Ergebnisse durch das „International Executive Panel 2006", innerhalb dessen von den befragten deutschen Managern lediglich 40 % „überwiegend integre Persönlichkeiten“ in den Führungsebenen großer Kapitalgesellschaften vermuten (UK 57 %, USA 55 %) und sich 68 % der Befragten einem „massiven Vertrauensverlust“ seitens der Öffentlichkeit konfrontiert sehen. Zu den ausführlichen Ergebnissen dieser Studie siehe Egon Zehnder (2006).

[4] Definition nach Deutsch (1978)

[5] In eckige Klammern gefasste Ergänzungen im Folgenden stellen grammatikalische Ergänzungen und/oder den inhaltlichen Kontext herstellende Anmerkungen des Verfassers dar.

[6] Fischer (2003), S. 77; Dies bestätigen anhand der Bedeutung umfassender Kundenzufriedenheit im Hinblick auf erneute Interaktionsbereitschaft auch Homburg et al. (2005). Einen Vertrauensbezug zum Kapitalmarkt z.B. sieht das KonTraG vor, wenn „strafrechtliche Konsequenzen bei Vertrauensbruch“ vorgesehen werden. Vgl. Theisen (2002), S. 61ff.

[7] Diese in der Betriebswirtschaft als ‚run’ bezeichnete Situation ließ sich z.B. im Dezember 2005 an der Entwicklung des offenen Immobilien-Fonds-Markts in Deutschland beobachten als Deutsche Bank Real Estate einen publikumsorientierten offenen Fonds überraschend schloss und damit erhebliche Geldabflüsse für die gesamte Branche auslöste. Zum Marktmechanismus bis hin zum Marktversagen aufgrund von Vertrauensverlusten im Allgemeinen vgl. Akerlof (1970).

[8] „Citizens and society as a whole are definitely shifting from the classical ‘trust me’-attitude, over a ‘tell me’- and a ‘show me’-attitude towards a ‘involve me’-attitude. Society is really making up the account of business and faces companies with the consequences of their decisions and acts.” Siebens (2002), S. 109; Während sich die Wahrnehmung reklamierter Stakeholder-Ansprüche in der Öffentlichkeit aufgrund technologischer Möglichkeiten verstärkt, werden den Unternehmen gegenüber geltend gemachten Einsprüche der Stakeholder auch zunehmend als legitim betrachtet, Vgl. Rowley/Moldoveanu (2003). Die Unternehmen, und hier insb. internationale Konzerne werden durch die Erwartungsidealisierung ihrer Stakeholder zu politischen Akteuren – ungeachtet eigener Intention bzw. Unternehmensstrategie. Zur neuen Rolle des Unternehmens als politischer Akteur siehe für die deutschsprachige Diskussion insb. Palazzo (2005), der von einer Politisierung der Unternehmen in einer postnationalen Welt im Sinne von Habermas spricht, da gegenüber multinationalen Konzernen der rechtliche Druck durch eine moralische Verantwortung ersetzt wird. Zwar sieht Palazzo die moralische Verantwortung von rechtlichen Grenzen und Definitionen unabhängig, doch wird nach dem „if you break it you own it“ -Prinzip (sog. Powell-Doctrine) die Verantwortung üblicherweise dem mächtigsten Glied in der Wertschöpfungskette, dem Konzern, zugeschrieben.

[9] Regierungskommission (2005) Der DCGK wurde im Jahr 2002 als ‚soft-law’-Regulierungsinstrument über §161 AktG gesetzlich im Deutschen CG-System verankert.

[10] Die bislang für die deutschsprachige Diskussion bestehende Lücke einer umfassenden und systematischen Analyse der Funktions- und Wirkungsweise des DCGK unter konzeptioneller wie empirischer Berücksichtigung der Interaktion der involvierten Akteure kann an diesem Zeitpunkt lediglich konstatiert, im Rahmen ein Bachelor-Arbeit jedoch keinesfalls befriedigend aufgelöst werden. Diese Lücke unter spezifischer Berücksichtigung wirtschafts- und unternehmensethischer Theorie-Elemente von Steinmann/Löhr, Homann, Ullrich und Wieland zu schließen verspricht jedoch ein ebenso notwendiger wie aufschlussreicher Aspekt künftiger Forschung zu sein. Bisherige empirische Studien wie durch v.Werder (2005a) oder Bassen et al. (2006) berücksichtigen lediglich auf Fragebögen basierende Ergebnisse zur DCGK-Erfüllung. Insgesamt ist damit Nowak et al. (2005) darin zuzustimmen, dass die tatsächliche Wirksamkeit des bisherigen Enforcement-Mechanismus, also die Frage einer tatsächlichen Veränderung der betrieblichen Praxis aufgrund des DCGK, unbeantwortet bleibt.

[11] In die deutsche Sprache wird der Terminus CG mit ‚Unternehmensführung und –kontrolle‘ übersetzt, wobei sich mangels einer äquivalenten und den gesamten Komplexitätsrahmen widerspiegelnden Übersetzung der Praktikabilität halber daher die international einheitliche Verwendung des Anglizismus durchgesetzt hat. Wieland/Fürst (2004), S. 24 sprechen daher von einem „schillernden Begriff“. Einen Versuch der Definitionen-Übersicht unternimmt Prigge (1998). Zur Definitionsdiskussion siehe weiter v.Werder (2003), S. 4; Feddersen et al. (1996), S. 1 sowie OECD (1995)

[12] Den Aspekt eines weltweiten Wettbewerbs der CG-Systeme benennt Rock (1995). Die o.a. langfristig zu erwartendene Konvergenzentwicklung der CG-Systeme wird aktuell auch durch den innerhalb des EU-Rechtsraumes offen zu Tage tretenden Wettbewerb nationalen Gesellschaftsrechts gefördert. Erstmalige empirische Untersuchungen der auch bereits von Baums et al. (2001) aufgestellten Konvergenzhypothese liefern Becht et al. (2005).

[13] Die Frage der Legitimation des Managements in der modernen Publikumsaktiengesellschaft wurde sowohl bereits 1942 von Peter Drucker in „The Future of Industrial Man“ als auch von Adam Smith in „ The Wealth of Nations“ (1776) aufgeworfen. Vgl. weiterhin die für die heutige Debatte grundlegenden Arbeiten von Berle/Means (1932), S. 1 ff. und Jensen/Meckling (1976), S. 327.

[14] Vgl. Williamson (1984) S. 233ff. sowie Coase (1990), S. 38ff.. Anzumerken ist, dass die heutige Diskussion insgesamt große Überschneidungen mit der zuvor unter dem Begriff der Unternehmensverfassung geführten Debatte aufweist: So gab es nach Chmielewicz (1981) in Deutschland bereits vor Aufkommen des CG-Begriffs im Zusammenhang mit der Einführung der Mitbestimmungsgesetze mehr als 700 Veröffentlichungen zur Verfasstheit von Unternehmen. Nach Gerum (1992) ergibt sich diese [...] aus gesetzlichen Regelungen, insbes. dem Wettbewerbs-, Kapitalmarkt-, Verbraucherschutz-, Gesellschafts-, Arbeits- und Mitbestimmungsrecht, aus kollektivvertraglichen Vereinbarungen wie Firmentarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie privatautonomen Rechtssetzungen wie dem Gesellschaftsvertrag, der Satzung, den Geschäftsordnungen oder Unternehmensverträgen.“

[15] Ebenso Denis/McConnell (2003). Vgl. zur Kategorisierung Dörner/Orth (2003)

[16] Assmann (1995), S. 289. Hervorzuheben sind hier insb. Shleifer/Vishny (1986), S. 462, welche die CG als […] the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment […] definieren und eine vergleichsweise enge Begriffsfassung in der Tradition des reinen Shareholder-Value Denkens vorgeben. Exemplarisch für die deutschsprachige Diskussion Hommelhoff (2001), der über die rechtliche Regelung der Mitbestimmung hinaus keinen direkten Bezug der CG zum Umgang mit Stakeholder oder gar wirtschaftsethischen Fragen herstellt, sowie Albach (2005).

[17] Nach Giesen (2004), S. 107: […] muss sich allerdings auch der Horizont ihres Handelns [der Manager eines Unternehmens] über die ökonomische Rationalität hinaus entwickeln und soziale Verantwortung ebenso wie kulturelle Orientierungen einbeziehen.“ sowie umfassend begründend Ulrich (1980)

[18] Wieland (2000)

[19] Vgl. Warner (2002) sowie Lorsch/MacIver (1991); Exemplarisch hierzu Peck/Ruigrok (2000) “Corporate Governance refers to the relationship between the board of directors, shareholders and other stakeholders and their subsequent effects on corporate strategy and performance” und Tricker (1984) „Supervising and ensuring accountability of management to shareholders and other stakeholders.” Der Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance (GCCG) betrachtet die Corporate Governance, in Abgrenzung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensleitung (GoU) orientiert, lediglich als „rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung“ und lässt somit in der Innenansicht den Aspekt der verantwortlichen Unternehmensführung außer Acht, den die Regierungskommission (2005) mit einschließt. Die grundsätzliche Relevanz der Berücksichtung von Stakeholder-Interessen für die Unternehmensführung allerdings wird auch von dieser Meinung anerkannt: Da diese durch Zielkonflikte der Bezugsgruppen geprägt sein kann, formuliert von Werder für die CG daher die Aufgabe, „durch geeignete rechtliche und faktische Arrangements aus Verfügungsrechten und Anreizsystemen die Spielräume und Motivationen der Akteure für opportunistisches Verhalten einzuschränken.“, v.Werder (2003), S. 10.

[20] OECD (1995), S. 152; Ebenso Monks/Minow (2003), S. 1 mit “the relationship between different participants in defining an organisation’s direction and performance.”

[21] Kritisch anzumerken ist insgesamt, dass im Vordergrund der Diskussion um CG zumeist allein die börsennotierte Aktiengesellschaft steht, obgleich sich, insb. vor dem Hintergrund gestiegener Bonitätsanforderungen von Fremdkapitalgebern im Zusammenhang mit Basel II, Kontroll- bzw. Leitungsstrukturen- und Compliance-Probleme auch außerhalb börsennotierter (Groß-)Unternehmen ergeben. Zu denken ist hier an Mehr-Gesellschafter GmbHs, Familienunternehmen oder nicht börsennotierte Aktiengesellschaften. Diese sehen sich bei der Kapitalbeschaffung zunehmend Governance-Ratings gegenüber, verfügen mangels Fungibilität der Anteile aber über nur geringe reversive ‚voting by feet’-Optionen der Eigenkapitalgeber und würden durch auf Großunternehmen ausgelegte Governance-Betrachtungsschemata wie dem DCGK unangemessen beurteilt. Folgerichtig ist in jüngerer Vergangenheit von verschiedener Stelle aus versucht worden, diesem Defizit durch die Erstellung von Leitlinien oder Kodizes für den Mittelstand gerecht zu werden. Zu denken ist hier neben dem CG-Kodex für Familienunternehmen von May et al. (2004) sowie die Arbeiten von Hennerkes (2004). Als Sonderfall müssen aus internationaler Perspektive weiterhin Aktiengesellschaften betrachtet werden, die in Staatshand sind oder zumindest einem starken staatlichen Einfluss unterliegen wie dies oftmals in Schwellenländern wie z.B. China oder Indien der Fall ist.

[22] Während sich die Konstitutionenökonomik mit dem Problem der Legitimierung von Regeln beschäftigt und Sollens-Vorschriften aufstellt, um Handlungsanweisungen geben und Machtmissbrauch vorbeugen zu können, wird in der Governancekosten-Theorie anhand der Vertrags-Analyse/-Ausgestaltung das Untergangsrisiko von Residualansprüchen, also die Ausbeutungsgefahr des Prinzipals bei Investitionsvorhaben problematisiert. Zur interdisziplinären Betrachtungsweise des Governance-Komplexes vgl. u.a. Brunnengäber (2004). In finanzwirtschaftlichen Studien steht vor allem die empirische Frage einer möglichen Korrelation zwischen guter CG und Kapitalmarktbewertung im Vordergrund. Vgl. hier insb. die wegweisenden Arbeiten von Gompers et al. (2003), auf welche in Teil III zurückzukommen sein wird. Während die Rechnungslegung aktuell vor allem neue Kontroll- und Transparenzaspekte wie z.B. ‚weiche Faktoren‘ zu Strategie, Umwelt oder Sozialem abzudecken gefordert ist, vgl. Sunder (2005) beschäftigt sich die Personal- und Führungslehre mit einer effektiven wie effizienten Zusammensetzung von Kontrollgremien und der Ausgestaltungsfrage von Anreiz- und Entlohnungssystemen, Vgl. Monks/Minow (2003), S. 221. Das internationales Management beobachtet insb. die zunehmende internationale Harmonisierungsentwicklung und Bedeutung der CG für die Internationalisierung der Unternehmung, vgl. Kutschker/Schmid (2003) und Müller-Stevens/Lechner (2003), S. 495-527.

[23] Vgl. Leschke (2002) S. 197ff., Cezanne/Mayer (1998), Matthes (2000), S. 10f. sowie Arrow (1963) und Shleifer/Vishny (1995).

[24] Vgl. Arthur (1987), Siebens (2002) sowie für die deutschsprachige Diskussion Hilb (2004), Brink (2003), Wieland/Fürst (2003) und Wieland (2005).

[25] Exemplarisch zur Vielfalt der ‚Corporate Social Responsibility’-Verständnisse ökonomisch überzeugend Heal (2004): „CSR is defined as a program of actions taken to reduce externalized costs or to avoid distributional conflicts. It is an institution that has evolved in response to market failures, a Coasian solution to some problems associated with social costs.” Zum Corporate Citizenship siehe die Gedanken von Habisch (2003).

[26] Siebens (2002), S. 110

[27] ebd.

[28] Vgl. zur an dieser Stelle nicht weiter vertieften Frage einer möglichen Konvergenz des deutschen CG-Modells exemplarisch Hackethal et al. (2005) sowie Schmidt (2001).

[29] Exemplarisch hierzu die die Forschungsergebnisse von Goldman Sachs (2005) und fünf weiteren klassischen Investment-Banken in den USA, welche ökologische, soziale und governance-orientierte Kriterien in Zusammenarbeit mit der United Nations Environment Programme Finance Initiative in ihre Ratings und damit auch Investitionsentscheidungen integrieren. Zur zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit siehe exemplarisch die Arbeiten im Handelsblatt von Bergius (2003).

[30] Schmidt (2001), zitiert nach Siebens (2002), S. 110

[31] Wieland/Fürst (2003), S. 25 sowie eine Stakeholder-Dimension in die CG einführend Zingales (1998)

[32] Wolf typologisiert drei Typen (grenzüberschreitender) privater Selbstregulierung: Erstens (zwischen-)staatlich initiierte Selbststeuerungssysteme wie den Global Compact, die OECD-Grundsätze oder den DCGK. Anschauliches Beispiel dessen in der deutschen Governance-Struktur ist weiterhin die Einrichtung der Prüfungsstelle für Rechnungslegung. Diese wird von einem Verein betrieben und vor allem finanziert, der sich maßgeblich aus den zu kontrollierenden Vereinsmitgliedern, großen deutschen Aktiengesellschaften, zusammensetzt und von diesen insofern ‚selbstgesteuert’ wird, vgl. Schneider (2004), S. 3.. Zweitens Multi-Stakeholder-Ansätze, in denen staatliche, privatwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure kooperieren sowie drittens rein privatwirtschaftliche Selbstregulierungsmechanismen wie unternehmens- oder branchenabhängige Verhaltenskodizes. Verbindendes Element aller drei Selbstregulierungsmechanismen ist die Vermeidung einer rechtsverbindlichen öffentlichen Regulierung der Wirtschaft zum einen sowie die Orientierung an selbstverantwortlichen Regelungsformen, innerhalb derer der (zwischen-)staatlichen öffentlichen Ordnung allenfalls die Aufgabe einer „Kontextgestaltung“ zukommt, zum anderen. Motiviert sieht Wolf das korporative Bemühen bzgl. derartiger Selbstregulierungsmechanismen in der Aussicht, die unternehmerische Autonomie und Handlungsfreiheit „ in doppelter Hinsicht zu wahren “: Bei der Auswahl-Entscheidung künftig zu berücksichtigender gesellschaftlicher Normen erhält der korporative Akteur zum einen bislang ungekannte Gestaltungskompetenzen, und ist darüber hinaus auch an der Entscheidungsfindung über Compliance- bzw. Kontroll-Funktionalismen des Selbstregulierungsmechanismus beteiligt, welche u.a. gerade auch die Möglichkeit der unternehmensinternen Selbstkontrolle berücksichtigt anstelle sich eines „ unabhängigen externen Verfahren [s] zur Sicherung der Regeleinhaltung“ unterwerfen zu müssen. Vgl. Wolf (2005)

[33] Zur Diskussion um das Unternehmen als Moralischer Akteur siehe Brink (2000), S. 40. Die auf Enderle zurückgehende Drei-Ebenen-Konzeption unternehmerischer Handlungsträger unterscheidet zwischen Makro-, Mikro und dazwischen liegender Meso-Ebene. Mit Perspektive auf die CG stellt der rechtliche Wirkungsrahmen des Deutschen CG-Systems (die ‚hard-law‘ Bestimmungen des deutschen Zivilrechts) die Makro-Ebene dar, während die institutionenethischen ‚soft-law’-Bestimmungen wie der DCGK auf die Meso-Ebene abzielen. Vgl. zur Drei-Ebenen-Konzeption Enderle (1993) sowie Brink (2000), S. 111ff.

[34] Die psychologischen Aspekte der Vertrauenskrise an den Kapitalmärkten untersucht Fischer (2003), S. 74ff.. Zu den individualethischen Aspekten der Unternehmensführung waren in der deutschsprachigen Diskussion insb. die Arbeiten der sog. ‚St. Galler‘-Schule um Ulrich (1980) wegweisend.

[35] In der Drogeriemarkt-Branche z.B. haben Händler wie dm oder The Body Shop eine Strategie eingeschlagen, die gegenüber Wettbewerbern wie ‚Schlecker’ sowohl in Marketing-Hinsicht, als auch bezüglich des betriebswirtschaftlichen Erfolges (hier: Umsatzrendite und Marktwachstum) klar von weniger ethisch argumentierenden Wettbewerbern unterschieden sowie aufgrund optimierter Kundenbindung und –identifikation auch ökonomisch quantifiziert und empirisch belegt werden kann.

[36] Zum integritätsorientierten Risikomanagement siehe Roth (2005), S. 134. Zwar nahmen sich einer Verbindung mit dem CG-Begriff zuletzt bereits ökologisch und sozialwissenschaftlich orientierte Publikationen von u.a. Kuhndt/Tuncer (2003) an. Abseits eines hohen Abstraktionsniveaus jedoch mangelt es diesen bislang neben fundierten Erörterungen der unzweifelhaft gegebenen Notwendigkeit der Verbindung von CG mit CSR-,CC- oder Triple Bottom Line-Konzepten (TBL) an real applikablen Integrationsvorschlägen ethisch motivierter Kriterien für die Gestaltungspraxis der CG. Als dem Anspruch eines Ideen-Transfers aus der sozialwissenschaftlichen oder wirtschaftsethischen Diskussion in die CG-Praxis gerecht werdend können diese Theorien darum bislang nicht bezeichnet werden.

[37] Hengsbach (2005), S. 16

[38] Drennan (2004), S. 265

[39] Als wegweisende politische Entscheidung für den Aufbau der internationalen Kapitalmärkte kann z.B. der Abbau internationaler Kapitalverkehrskontrollen im Rahmen des Binnenmarktprogramms der Europäischen Union Mitte der 80er Jahre gesehen werden. Die geschichtliche Entwicklung der CG seit Entstehung der Aktiengesellschaft im 15. Jahrhundert in Amsterdam sowie die historischen Ursprünge heute unterschiedener Governance-Systeme ohne abschließende Bewertung über eine ökonomische oder sonstige normative Vorzugswürdigkeit bieten Frentrop (2003), Morck (2005) sowie Morck/Steier (2005).

[40] Zu den Einflussfaktoren und Ursachen für die Entwicklung der CG siehe auch Matthes (2000), S. 29f. sowie Baums (2003), S. 4-7, welcher im Rahmen der kapitalmarktgestützten Altersvorsorge auf die Reformnotwendigkeit des CG-Systems in Deutschland hinweist: „Die aktuelle öffentliche Diskussion zeigt, dass das staatliche Altersvorsorgesystem wegen der Entwicklung der Altersstruktur unserer Bevölkerung langfristig keine ausreichende Alterssicherung gewährleistet. Deshalb ist die Kapitalmarktstützung der Altersvorsorge unerlässlich. Die aus diesem Grund entwickelten Pensionsfonds werden künftig in hohem Maße auch an den Kapitalmärkten investieren. Das hat zur Folge, oder besser setzt voraus, dass unser gesamtes Aktien- und Börsenrecht und unser Eigenkapitalfinanzierungsrecht [...] fortentwickelt und modernisiert werden muss.“

[41] Institutionelle Investoren können nach ihrem Anlageprofil und ihrem Zweck unterschieden werden: Investments- und Pensionsfonds sowie Lebensversicherern obliegen treuhänderische Pflichten und verfolgen eine längerfristige Anlagestrategie. Private Equity-Fonds dagegen erfüllen insb. bei der Abspaltung oder Sanierung von Unternehmensteilen unter Mitwirkung finanzstarker Risikokapitalgeber die Rolle eines Beschleunigers notwendiger Strukturveränderungen zum Zweck einer schnelleren Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und deren abschließendem Verkauf, dem sog. ‚Exit’. Ihre Anlagestrategie ist damit weniger langfristig als jene der Pensions- oder Investmentfonds. Auf kurzfristige Operationen ausgerichtet ist insb. der bislang noch schwer zu klassifizierende Typus des Hedge Fonds, welcher über vielfältige Instrumente vorwiegend kurzfristige Marktschwankungen ausnutzt.

[42] Vgl. OECD (2006), Bundesverband Investment und Asset Management (2005), S. 83ff.; Survey of European Private Equity and Venture Capital Association (2005), Factbook des Deutschen Aktieninstituts DAI (2005) sowie Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2005)

[43] So hat die Zahl aus CG-Perspektive aktiv geführter Fonds in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen: Eine Vorreiterrolle wird aufgrund der frühzeitig eingeführten CG ‚Watch-List’ insb. dem kalifornischen Pensionsfonds CalPers, aber auch in den ebenfalls in CG-Hinsicht aktiven TIAA-CREF aus den USA, Hermes, BT, Morley und Standard Life aus UK zugestanden. Bei der Absprache mehrerer Fonds jedoch müssen die Bestimmungen gegen das ‚Acting in Concert’ beachtet werden. Vgl. hierzu sowie zur Rolle institutioneller Investoren insb. Strenger (2005a) sowie die Vorstellungen und Erwartungen guter Governance des internationalen Zusammenschlusses institutioneller Investoren zum Zweck guter Governance von International Corporate Governance Network ICGN (2006).

[44] Vgl. Cadbury (1993) und Boyd (1996). Dem Cadbury-Report folgten 1994 ‚The Toronto Report’ aus Canada sowie der erste ‚King-Report’ aus Südafrika, welcher insb. für seine Stakeholder-Orientierung bekannt wurde. 1995 folgten u.a. der erste Viénot-Bericht aus Frankreich, der Bosch-Report aus Australien sowie in den Jahren darauf Kodizes in Spanien, Japan, USA und den Niederlanden.

[45] Aguilera/Cuervo-Cazurra (2004), S. 437 – 439 sehen aus organisationstheoretischer Perspektive in Anlehnung an Zucker vor allem zwei wesentliche Gründe für das verstärkte Aufkommen von CG-Kodizes, welche dem Steinpilz gleich aus dem Boden sprießen: Die Erhöhung von Effizienz und Legitimation. In Ländern, deren Rechtssystem sich bereits durch eine starke Aktionärskultur auszeichnet, ist demnach vor allem die Notwendigkeit zur Effizienz-Steigerung für Aktionärsinteressen vorrangiger Beweggrund zur Verabschiedung und Compliance-Kontrolle von CG-Kodizes. Im Gegensatz zu diesen „endogenous forces“ sind es auf weniger liberalisierten Märkten vor allem „exogenous forces“, die auf einer stärkere Marktöffnung bestehen, um die FDI-Attraktivität für institutionelle Investoren zu erhöhen und damit mangels explizitem, dezidiert Aktionärsinteressen schützendem Recht einen Legitimations-Druck zur Adoption und Befolgung von CG-Kodizes zu erzeugen.

[46] Alleine in der Europäischen Union z.B. sind in der letzten Dekade mehr als 40 Kodizes entstanden. Vgl. Thienpont (2002). Eine regelmäßig aktualisierte Übersicht aller Kodizes weltweit liefert das ECGI (2005). Inspiriert und maßgeblich geprägt wurden die vor ihrem jeweiligen juristisch-kulturellen Hintergrund zu interpretierenden nationalen Kodizes von supranationalen Kodizes wie den OECD-Prinzipien (2004) und weltweiten Netzwerken der Weltbank und institutioneller Investoren wie ICGN. Zu den Entwicklungsfortschritten in der Governance-Struktur einzelner Länder vgl. den Jahresbericht der International Finance Corporation (2006), der u.a. auch exemplarisch auf die progressive Entwicklung der Corporate Governance gemäß internationalen Standards in Ländern wie Indien, Korea oder Jordanien aufmerksam macht.

[47] Vgl. Ruigrok (2003). Auf internationaler Ebene von besonderer Bedeutung für die CG-Entwicklung waren die OECD-Guidelines aus dem Jahr 1999, welche 2004 als ‚revised version’ neu veröffentlicht wurden sowie die Arbeiten des ICGN. Auf europäischer Ebene ist die Arbeit der EU-Institutionen (Europäische Kommission, EuGH, Europäisches Parlament) sowie diese beratende Gruppierungen wie die eingesetzte ‚High Level Group of Company Law Experts’ von erheblichem Einfluss auf die Gestaltung der CG-Systeme nationaler Mitgliedsstaaten. An dieser Stelle in Tiefe nicht untersucht werden kann die Konsequenz von der EU ausgehenden Änderungen wie der Einführung der ‚Societas Europaea’ (SE) oder das ‚Überseering-Urteil’ zur Niederlassungsfreiheit von Aktiengesellschaften innerhalb der EU auf das Deutsche CG-System. Erste Auswirkungen aber lassen sich z.B. an der Entscheidung der bisherigen Allianz AG erahnen, welche gemeinsam mit der italienischen Tochter RAS die Rechtsform der Societas Europaea (SE) annimmt. Damit einher gehen auch umfangreiche Veränderungen für die interne CG der Allianz: Auf die durch die SE gegebene Möglichkeit der Umstellung vom dualistischen zum monoistischen Führungsmodell, d.h. Verwaltungsrat statt Vorstand und Aufsichtsrat, verzichtet die Allianz SE zwar ebenso wie auf die ebenfalls durch die SE mögliche Aufhebung der betrieblichen Mitbestimmung, doch setzen sich die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat künftig aus verschiedenen Ländern und nicht mehr nur Deutschland zusammen. Ebenso wird das Aufsichtsratsgremium von aktuell 20 auf 12 Mitgliedern verkleinert. Vgl. NZZ (2005)

[48] Vgl. Berrar (2001). Zur Klassifizierung Deutschlands als ‚Insider-System’ siehe Teil III

[49] Als ‚Golden Shares’ werden Aktien bezeichnet, welche staatliche oder öffentliche Behörden mit besonderen Verfügungs- oder Abwehrrechten über ein Unternehmen ausstatten, z.B. die Übernahme eines börsennotierten Unternehmens durch einen ungewünschten Aufkäufer anhand von Maßnahmen wie Aufsichtsratsmitglieder-Bestimmung, Veto-Rechten auf der Hauptversammlung u.ä. zu verhindern. ‚Golden Shares’ wurden Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts erstmals in UK verwandt sind seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2000 Bestandteil einer unter dem Stichwort des ‚One share one vote“ Prinzips geführten Diskussion, welche auch mit der im Januar 2006 von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen EU-Richtlinie zur Stärkung von Aktionärsrechten noch nicht abgeschlossen ist. Zu den offiziellen Dokumenten siehe EuGH (2006): C-58/99 Commission v Italy und Europäische Kommission (2006) sowie zur Frage des ‚One share one vote’ Prinzips Mülbert (2003), S. 19ff.

[50] Gesprochen wird hier von den so genannten ‚Frankfurter’ und ‚Berliner’ Schulen. Die Frankfurter Schule bezieht sich vor allem auf den Frankfurter Rechtswissenschafter Theodor Baums, welcher auf Initiative von und in enger Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer der DWS Investment GmbH und Mitglied der OECD-Guidelines Commission, Christian Strenger, einen ersten Kodex-Entwurf entwickelte. Die Berliner Schule hingegen verfolgt einen stärker managementorientierten Ansatz und geht insb. auf den Betriebswirtschaftler Axel von Werder zurück. Der sog. ‚Cromme-Kommission’ gingen damit erhebliche Vorarbeiten und Kommissionsgründungen mehrerer Wissenschaftler und Praktiker voraus. Vgl. Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (2005) sowie Baums (2001), S. 1ff.; Die Empfehlungen der ersten Baums-Kommission sind seither nicht nur in Bestimmungen des Kodex, sondern auch in Gesetzesinitiativen aufgegriffen worden, so z.B. im Transparenz- und Publizitätsgesetz, welches neben weiteren Änderungen des Aktiengesetzes insb. den § 161 AktG für börsennotierte Gesellschaften begründet.

[51] Die Kommission wurde kurze Zeit darauf auf Wunsch des Bundeskanzlers um ein 13. Mitglied, den Vorstandsvorsitzenden des Automobilproduzenten Porsche, Wiedeking, erweitert. Die aktuellen 13 Mitglieder der sog. „Cromme-Kommission“ sind: Gerhard Cromme (Leiter der Kommission und AR-Vorsitzender der ThyssenKrupp AG), Paul Achleitner (Finanzvorstand der Allianz AG), Rolf-E. Breuer (Aufsichtsratsvorsitzender Deutsche Bank AG), Hans-Friedrich Gelhausen (Vorstand PWC Dt. Revision), Ulrich Hocker (Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz), Max Dietrich Kley (Aufsichtsratsmitglied der BASF AG), Marcus Lutter (Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht), Volker Potthoff (Vorstand Deutsche Börse AG), Heinz Putzhammer (Vorstand DGB), Peer Michael Schatz (Finanzvorstand Qiagen AG), Christian Strenger (Aufsichtsrat DWS AG), Axel von Werder (Berlin Center for Corporate Governance), Wendelin Wiedeking (Vorstandsvorsitzender Porsche AG. Quelle: Regierungskommission (2005). Schmid (2005) kommentiert diese personelle Zusammenstellung kritisch, da sieben der 13 Kommissionsmitglieder aktiv beschäftigte Interessensvertreter deutscher Konzerne und damit als Kontrolleure jener Unternehmen befangen sind. Mit sechs Mitgliedern vertritt die Minderheit der Kommissionsmitglieder die Interessen anderer Stakeholder wie institutioneller oder privater Investoren, Wirtschaftsprüfer, Arbeitnehmer und den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften mit jeweils einem Vertreter, wobei die Aktivitäten von Christian Strenger über die 100 %ige Muttergesellschaft der DWS, die Deutsche Bank, finanziert werden.

[52] Bislang wurde der Kodex dreimal geändert: 2002, 2003 und 2005, vgl. Regierungskommission (2005)

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Der Deutsche Corporate Governance Kodex. Eine kritische Analyse
Hochschule
Universität Bayreuth  (Institut für Philosophie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
75
Katalognummer
V53164
ISBN (eBook)
9783638486880
ISBN (Buch)
9783638693165
Dateigröße
1529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Corporate, Governance, Kodex, Eine, Analyse, Thema Corporate Governance
Arbeit zitieren
Moritz Delbrück (Autor:in), 2006, Der Deutsche Corporate Governance Kodex. Eine kritische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53164

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