Marktöffnungsstrategien im Postsektor ein internationaler Vergleich


Diplomarbeit, 2005

76 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Problem monopolistischer Bottlenecks und dieses als Ansatzpunkt einer Marktöffnung
2.1 Die Theorie monopolistischer Bottlenecks
2.1.1 Subadditivität
2.1.2 Bestreitbare Märkte
2.1.3 Resistente Monopole bzw monopolistische Bottlenecks
2.1.4 Das Konzept der wesentlichen Einrichtung

3 Wertschöpfungskette und Kostenstrukturen bei der Leistungserstellung der Post
3.1 Die Post-Wertschöpfungskette
3.1.1 Einsammlung und Vorlauf
3.1.2 Sortierung
3.1.3 Transport/Hauptlauf
3.1.4 Zustellung
3.2 Kostenstrukturen bei der Briefdienstleistung
3.2.1 Kostenstruktur bei der Einsammlung
3.2.2 Kostenstruktur bei der Sortierung
3.2.3 Kostenstruktur beim Transport
3.2.4 Kostenstruktur bei der Zustellung

4 Lokalisierung der Bottlenecks im Postsektor
4.1 Einsammlung, Sortierung und Transport
4.2 Zustellung
4.2.1 Adressänderung und Nachsendungen
4.2.2 Postfachanlagen
4.2.3 Zustellung an sich
4.3 Das Problem der vertikalen Integration im Postsektor

5 Verschiedene Ansätze der Marktöffnung
5.1 Die vollständige Öffnung des Postmarktes am Beispiel Neuseeland
5.1.1 Gründe für die Liberalisierung
5.1.2 Die Reform des Postmarktes
5.1.2.1 Aufspaltung des Post Office
5.1.2.2 Privatisierung der Post
5.1.2.3 Die vollständige Marktöffnung
5.1.2.4 Das Konzept der Light Handed Regulation
5.1.2.5 Konzepte für den Markteintritt
5.1.3 Auswirkungen der Marktöffnung
5.1.4 Bewertung der Reform
5.2 Worksharing in den USA
5.2.1 Grundlagen der Liberalisierung
5.2.2 Arten des Worksharing und Rabatte
5.2.2.1 Vorsortierung
5.2.2.2 Pre-Barcoding
5.2.2.3 Dropshipping
5.2.2.4 Die Rabatte
5.2.3 Auswirkungen des Worksharing
5.2.3.1 Auswirkungen auf USPS
5.2.3.2 Auswirkungen auf die Preise
5.2.4 Bewertung der Liberalisierung

6 Gegenwart und Zukunft des deutschen Postmarktes
6.1 Bisherige Entwicklungen in Deutschland
6.2 Status quo in Deutschland
6.3 Mögliche Szenarien der vollständigen Marktöffnung und Bewertung

7 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Post-Wertschöpfungskette

Tabelle 1: Subadditivität und Irreversibilität

Tabelle 2: Infrastruktur und Zustellhäufigkeit

in Neuseeland 1998

Tabelle 3: Marktanteile in Neuseeland 1999

Tabelle 4: Infrastruktur und Zustellhäufigkeit

in Neuseeland 2003

Tabelle 5: Rabatte der NZP 2005

Tabelle 6: Preise und Rabatte in den USA

(Stand: Dezember 2004)

Tabelle 7: Preisentwicklung bei Werbepost seit Einführung

der Vorleistungsrabatte in den USA

Tabelle 8: Preisentwicklung bei Zeitschriften

seit Einführung der Vorleistungsrabatte in den USA

Tabelle 9: Teilleistungen und Netzzugang in Deutschland

Tabelle 10: Teilleistungen und Rabatte in Deutschland

(Stand: Dezember 2004)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Das Briefmonopol wankt. Wie viele andere Bereiche, die ehemals durch die staatliche Hand geführt wurden, befindet sich auch der deutsche Postsektor seit vielen Jahren in einer Phase des Umbruchs. Wie in den Sektoren für Strom, Telekommunikation oder Schienenverkehr soll auch im Postbereich eine wirtschaftliche Situation geschaffen werden, die nicht durch Bürokratie bzw. ausschließlich durch eine regulierende Hand gesteuert wird. Vielmehr ist es das Ziel einer Liberalisierung, den Markt den freien Kräften des Wettbewerbs und somit dem Primat von Angebot und Nachfrage zu übergeben. Im europäischen Vergleich stand Deutschland lange als ein Vorreiter der Liberalisierung im Postmarkt da. Dies wurde jedoch zum Verhängnis und die für Anfang 2003 geplante vollständige Liberalisierung des Postmarktes wurde auf Ende 2007 verschoben. Diese Verzögerung wurde offiziell mit dem Umstand begründet, dass die anderen europäischen Länder noch nicht so weit seien und somit nur ein asymmetrischer Zugang zum Postnetz möglich wäre. Das heißt, dass ausländische Unternehmen zwar in Deutschland tätig werden können, die Deutsche Post AG (DPAG) jedoch nicht im Ausland.

Diese Argumente wurden durch das Bundeskartellamt in einem Sondergutachten widerlegt und die Verschiebung als Kardinalfehler bezeichnet.[1]

Schaut man jedoch über den europäischen Tellerrand hinaus, wird man feststellen, dass in anderen Ländern der Liberalisierungsvorgang viel weiter fortgeschritten bzw. sogar schon abgeschlossen ist. So sind Länder wie die USA oder Neuseeland in ihren Marktöffnungsaktivitäten deutlich weiter als dies in Deutschland der Fall ist. Das, obwohl erste Liberalisierungsbemühungen in Neuseeland und Deutschland etwa zur gleichen Zeit stattfanden.

Diese beiden Länder dienen auch sehr gut als zwei völlig konträre Beispiele bzgl. der Art und Weise der Marktöffnung. Während in Neuseeland der komplette Markt für Wettbewerber geöffnet wurde, ist der Zustellbereich in den USA noch immer dem eingesessenen Postunternehmen vorbehalten und alle anderen Bereiche sind frei zugänglich. Auch die Motivation für die Reformen in beiden Ländern ist völlig unterschiedlich. Während in den USA die Liberalisierung auf unternehmerische Initiative zurückzuführen ist, waren in Neuseeland eher gesamtwirtschaftliche Probleme der Auslöser.

Zielsetzung der vorliegenden Arbeit soll es sein, die verschiedenen Ansätze der Marktöffnung und deren Effekte auf Preis- und Qualitätsentwicklung, Sendungsmengen und auch Erfüllung des Universaldienstes zu untersuchen. Darüber hinaus soll das Potenzial der Marktöffnungsstrategien hinsichtlich nachhaltig verbesserter Wettbewerbsbedingungen geprüft werden.

Als Grundlage hierfür wird das Problem der monopolistischen Bottlenecks des disaggregierten Regulierungsansatzes dienen. Es soll gezeigt werden, wo ein solcher Bottleneck im Postsektor auftreten kann und ob bzw. inwiefern dieser lokalisierte Problembereich als Grundlage für eine Liberalisierung bzw. Regulierung innerhalb der verschiedenen Ansätze dient.

Um dies zu bewerkstelligen, wird zu Beginn das Phänomen der monopolistischen Bottlenecks erklärt. Dies geschieht über einen Nachweis bestimmter Eigenschaften eines natürlichen Monopols in Verbindung mit hohen Markteintrittsbarrieren, insbesondere Irreversibilität von Investitionen, hin zu einer Definition dieser Problembereiche.

In den Kapiteln 3 und 4 soll anhand der Wertschöpfungskette der Postdienstleistung und der dazugehörigen Kostenstruktur ausgemacht werden, in welchen Bereichen ein Problem auf Grund übergroßer Marktmacht beobachtet werden kann. Das Phänomen der vertikalen Integration in Netzsektoren soll verdeutlichen, dass sich ein ausgemachter Engpassbereich in der Wertschöpfungskette nicht nur auf diesen, sondern auch auf alle anderen Bereiche auswirkt.

Das Betrachten der Postmärkte in Neuseeland und den USA in Kapitel 5 wird zeigen, dass diese beiden Strategien, so unterschiedlich sie auch sind, einen deutlichen Vorteil gegenüber einem monopolistischen Anbieter haben. Diese Vorteile sind nicht nur beim Konsumenten auszumachen, sondern auch bei den Unternehmen, sowohl bei eingesessenen als auch bei Newcomern. Dabei sollen jedoch eventuelle Nachteile bzw. anzustrebende Verbesserungen nicht ausgeblendet werden.

In Kapitel 6 sollen die Entwicklung des deutschen Briefmarktes nach Beginn der ersten Liberalisierungsmaßnahmen und die heutige Situation beschrieben werden.

Die Bestandsaufnahme soll dazu dienen, bereits etablierte Liberalisierungsmaßnahmen zu nennen und deren Auswirkung auf den Postmarkt zu bewerten.

Anhand der Ergebnisse der beiden anderen Länder lässt sich daraufhin in etwa abschätzen, welche Ergebnisse in Deutschland nach 2007 erwartet werden können.

Kapitel 7 fasst die relevantesten Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammen.

2 Das Problem monopolistischer Bottlenecks und dieses als Ansatzpunkt einer Marktöffnung

In diesem Teil der Arbeit soll das Problem der monopolistischen Bottlenecks in Netzindustrien als Ausgangspunkt einer Monopolregulierung im Sinne einer Marktzutrittsregulierung betrachtet werden.

Da es sich um einen massiven Eingriff in den Markt handelt, bedarf die Regulierung auch einer gut begründeten Rechtfertigung. Als Voraussetzung für einen solchen Eingriff muss ein Marktversagen vorliegen. Dieses Marktversagen kann auf externen Effekten, Informationsproblemen oder auch Größenvorteilen begründet sein.

Im speziellen Fall des Postsektors handelt es sich um ein Wettbewerbsversagen, verursacht durch Größenvorteile. Durch solche Größenvorteile entstehen monopolistische Bottlenecks, die eine marktbeherrschende Stellung des jeweiligen Unternehmens nach sich ziehen. Im Gegensatz zum Marktversagen, verursacht durch Bottlenecks, bedarf das Versagen auf Grund externer Effekte bzw. Informationsproblemen keiner ständigen staatlichen Regulierung, da dieses Phänomen nur zeitlich begrenzt sein kann.[2] Das Problem der monopolistischen Bottlenecks soll im Folgenden dargestellt und erklärt werden.

2.1 Die Theorie monopolistischer Bottlenecks

Die Identifikation eines monopolistischen Bottlenecks ist das Ziel eines disaggregierten Regulierungsansatzes. Dieser Ansatz zeichnet sich durch die getrennte Untersuchung von Bereichen innerhalb der Wertschöpfungskette eines Netzbereiches aus. Dabei werden monopolistische Problembereiche getrennt von solchen betrachtet, die durch funktionierenden Wettbewerb gekennzeichnet sind.[3]

Monopolistische Bottlenecks lassen sich als bestimmte Bereiche in Netzen beschreiben, in denen eine Monopolresistenz beobachtet werden kann. Um diese Resistenz zu beschreiben, bedarf es einiger zwingender Voraussetzungen.

2.1.1 Subadditivität

Zum einen muss die Bereitstellung einer bestimmten Dienstleistung durch einen Anbieter zu geringeren Totalkosten erfolgen als durch mehrere. Man spricht hierbei auch von einem „natürlichen Monopol“ bzw. von „Subadditivität“. Das bedeutet, dass eine Bereitstellung durch mehrere Produzenten volkswirtschaftlich ineffizienter wäre als die Bereitstellung durch einen einzelnen Produzenten.

Diese günstigere Produktion ist ein charakteristisches Merkmal von Netzstrukturen und zurückzuführen auf Kostenvorteile größerer Unternehmen gegenüber kleineren. Solche Vorteile entstehen, weil in Netzinfrastrukturen typischerweise hohe fixe und geringe variable Kosten zu beobachten sind; diese werden auch als „Skaleneffekte“ bzw. „economies of scale“ bezeichnet.[4]

Formal lässt sich dieser Umstand wie folgt darstellen:

– Bei Einproduktproduktion:

TK (X) < TK (x1) + TK (x2) + ... + TK (xn)

– Bei Mehrproduktproduktion:

Für Produkte A, B und C mit den Einzelmengen:

A = a1 + a2 + ... + an,

B = b1 + b2 + ... + bn,

C = c1 + c2 + ... + cn

TK (A, B, C) < TK (a1, b1, c1) + TK (a2, b2, c2) + ... + TK (an, bn, cn) [5]

2.1.2 Bestreitbare Märkte

Der Umstand, dass eine Bereitstellung durch ein Unternehmen volkswirtschaftlich effizienter ist als durch mehrere, bedeutet jedoch nicht, dass automatisch eine marktbeherrschende Stellung zu beobachten ist, die Ineffizienzen nach sich zieht.

Die Grundlage für diese Aussage bildet die Theorie der bestreitbaren Märkte („contestable markets“).

Hierbei werden die disziplinierenden Wirkungen beschrieben, die von potenzieller Konkurrenz, also von eventuell eintretenden Wettbewerbern, ausgehen.

Diese potenzielle Konkurrenz vermag es, den fehlenden Druck durch tatsächliche Wettbewerber (aktuelle Konkurrenz) zu ersetzen.

Als Basis für diese Betrachtung dienen drei wichtige Prämissen, die an dieser Stelle kurz erläutert werden sollen:

1.) Es besteht freier Markteintritt.

Das bedeutet, dass für eine Vielzahl von Wettbewerbern der Eintritt auf einen Markt gleich gut möglich ist. Das heißt auch, dass diese Wettbewerber zu allen erforderlichen Technologien, ohne Zeitverlust und Kostenachteile, freien Zugang erhalten. Dies impliziert, dass keinerlei Markteintrittsbarrieren (MEB) vorhanden sind. Markteintrittsbarrieren sind Faktoren, die einen Markteintritt eines Newcomers erschweren oder sogar ausschließen. Wenn solche Barrieren durch den Staat etabliert werden, handelt es sich um institutionelle Barrieren. Dies können z. B. erforderliche Lizenzen oder Patente sein. Kommt es auf Grund ökonomischer Besonderheiten in bestimmten Märkten zu einem erschwerten Markteintritt, spricht man von strukturellen oder natürlichen MEB. So entstehen für den Newcomer z. B. absolute Kostennachteile auf Grund von Lernkurveneffekten oder auch Nachfragenachteile auf Grund nicht vorhandener Reputation beim Nachfrager oder dessen habituellen Verhaltens. Des Weiteren können Barrieren durch etablierte Unternehmen geschaffen werden. Hierbei handelt es sich um strategische Markteintrittsbarrieren, die sich in Form einer strategischen Preispolitik, Ressourcenmonopolisierung oder auch durch strategischen Kapazitäteneinsatz äußern können, um somit den Eintritt eines Entrepreneurs zu verhindern.[6]

2.) Es existieren keine irreversiblen Kosten.

Bei Irreversibilität handelt es sich um eine entscheidungsrelevante Eigenschaft von Kostenstrukturen. Diese ist durch drei Merkmale gekennzeichnet. Die Anschaffung wird über mehrere Perioden genutzt, es handelt sich also um eine Investition. Das Unternehmen muss weiterhin ein gewisses Risiko mit in die Kalkulation einfließen lassen, da in Zukunft durchaus Überraschungen bezüglich bestimmter ökonomischer Faktoren auftreten können.

Darüber hinaus ist das Investitionsobjekt in seiner Verwendung spezifisch, das heißt, dass es für jede andere Verwendung weniger gut geeignet ist als für die originäre.

Bemerkbar macht sich dies auch durch eingeschränkte Liquidierbarkeit nach der Festlegung.[7]

Zu beachten hierbei ist, dass irreversible Kosten kein Entscheidungskriterium des etablierten Unternehmens sind, sondern des potenziellen Wettbewerbers. Dieser steht vor der Entscheidung, ob er diese gegebenenfalls versunkenen Kosten in den Markt investieren will. Da der Etablierte diese Entscheidung bereits gefällt hat, ergeben sich für ihn strategische Vorteile: Er kann unter Umständen bei Eintritt eines Konkurrenten die eigenen Preise senken, um diesen wieder aus dem Markt zu drängen. Dies wird vom Newcomer natürlich antizipiert und er wird sich gegen einen Markteintritt entschließen, um seine Investitionen nicht sinnlos zu versenken.

Da aber in bestreitbaren Märkten keinerlei irreversible Kosten existieren, können Investitionen nach dem Marktaustritt wieder verwendet werden und somit ist ein Austritt ohne Nachteile bezüglich Kosten oder Zeit immer möglich.

3.) Eine dritte notwendige Bedingung ist, dass potenzielle Newcomer den Preis des etablierten Unternehmens kennen und sich an diesem orientieren, um ihn zu unterbieten. Dies wird als so genanntes „Bertrand-Nash-Verhalten“ bezeichnet. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass bei allen Marktteilnehmern vollständige Informationen bestehen und somit keinerlei Informationssuchkosten anfallen.[8]

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man nicht auf eine marktbeherrschende Stellung des Unternehmens schließen, obwohl es auf Grund der Subadditivität das einzige am Markt ist und somit letztlich ein Monopol bildet. Es gehört zum rationalen, nutzenmaximierenden Verhalten jedes Wirtschaftssubjektes, den Versuch zu unternehmen, eine eventuelle marktbeherrschende Stellung auch auszunutzen. Dies ist jedoch bei bestreitbaren Märkten nicht möglich. Auf Grund fehlender Markteintrittsbarrieren würde ein zu hoher Preis sofort dafür sorgen, dass Newcomer auf den Markt eintreten und die Preise des sich bereits auf dem Markt befindlichen Wettbewerbers unterbieten.

Somit sind Monopolgewinne nicht möglich, da der Monopolist seine Preise sehr nah am Wettbewerbspreis setzen muss, um potenzielle Wettbewerber vom Markteintritt abzuhalten.

Als Nächstes stellt sich jedoch die Frage, ob der Ansatz der bestreitbaren Märkte einen Bezug zur Realität besitzt. Anhand der drei oben genannten Kriterien muss dies wohl verneint werden. Zum einen ist es auf wettbewerblichen Märkten üblich, dass durch strategische Maßnahmen wie Produkt- oder Preisdifferenzierung oder den Aufbau von Goodwill versucht wird, Vorteile im Wettbewerb zu erlangen. Zum anderen ist es völlig unrealistisch anzunehmen, dass vollständige Informationen vorhanden sind und somit keinerlei Kosten zur Beschaffung von Informationen entstehen.

Obwohl in der einschlägigen Literatur immer wieder darauf aufmerksam gemacht wird, dass der Modellrahmen der angreifbaren Märkte zu simpel formuliert ist und nicht der weitaus komplizierteren Realität entspricht, wird darauf verwiesen, dass nicht angenommen werden darf, dass der Wettbewerb deshalb nicht funktioniert.

Vielmehr wird angeführt, dass dies lediglich ein Instrument sei, um resistente Monopole in Netzsektoren aufzuspüren und somit einen regulierenden Eingriff zu rechtfertigen.[9]

2.1.3 Resistente Monopole bzw. monopolistische Bottlenecks

Aus den oben genannten Kriterien lassen sich eindeutige Eigenschaften ableiten, die in bestimmten Bereichen einen monopolistischen Bottleneck charakterisieren können. So handelt es sich um ein resistentes Monopol, wenn der Bereich durch Subadditivität und gleichzeitig durch hohe irreversible Kosten bzw. andere hohe Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet ist.[10] Problematisch dabei ist, dass dieser Bottleneck dazu führen kann, dass die Monopolmacht von einem Bereich bzw. einer Produktionsstufe auf einen anderen bzw. eine andere übertragen werden kann und somit wettbewerblich funktionierende Bereiche negativ beeinflusst werden.[11]

Die folgende Tabelle beschreibt den Zusammenhang zwischen Skaleneffekten und irreversiblen Kosten bzw. anderen Markteintrittsbarrieren und die Auswirkungen auf das Wettbewerbspotenzial auf diesem Markt.

Tabelle 1: Subadditivität und Irreversibilität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Knieps (2000), S. 13.

In Tabelle 1 kann man erkennen, dass sich nur dann ein resistentes Monopol ergibt, wenn Subadditivität und Irreversibilität nebeneinander existieren. Im Falle eines natürlichen Monopols ohne irreversible Kosten ist ein Markteintritt jederzeit möglich und der Monopolist muss dicht an der Effektivitätsgrenze produzieren.

Sind die Skaleneffekte ausgeschöpft und existieren hohe irreversible Kosten, so ist der Markteintritt zwar riskant, da Investitionen versenkt werden könnten, jedoch ist die Versorgung des Marktes durch mehrere Anbieter effizient möglich und es lässt sich ein funktionierender Wettbewerb schaffen.

Der Idealfall tritt ein, wenn weder ein natürliches Monopol noch irreversible Kosten auftreten. Auch hier ist ein funktionierender Wettbewerb möglich und dies ohne das Risiko, Kosten für Investitionen zu versenken.

2.1.4 Das Konzept der wesentlichen Einrichtung

Aus der Erkenntnis, dass ein Bottleneck nur dann entsteht, wenn Subadditivität und irreversible Kosten bzw. andere Gründe für hohe Markteintrittsbarrieren in Kombination auftreten, lässt sich ein Konzept ableiten, das als Grundlage für die Regulierung hin zu einem unbeschränkten Marktzugang in den betroffenen Sektoren dient.

Dieses Konzept der wesentlichen Einrichtung ist auf die so genannte „essential facility doctrine“ zurückzuführen, die im amerikanischen Wettbewerbsrecht erstmals 1912 Anwendung fand und auch nach und nach in Europa immer mehr zum Einsatz kommt.

Demnach ist eine Netzinfrastruktur dann als wesentlich anzusehen, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind:

1.) Es muss sich um eine Einrichtung handeln, die unverzichtbar ist, um den Kunden zu erreichen. Das bedeutet, dass es keine andere Einrichtung gibt, die eben diesen Zweck erfüllt. Genau dieser Punkt ist auf das bereits angesprochene Bestehen von Skaleneffekten zurückzuführen.
2.) Es ist nicht möglich, eine solche Einrichtung mit angemessenen Mitteln zu duplizieren, um auf den Markt einzutreten und den Monopolisten in seiner Marktmacht einzuschränken. Dieser Fakt ist auf die Irreversibilität bestimmter Investitionen zurückzuführen.[12]

Als Beispiel für solche Einrichtungen lassen sich unter anderem Seehäfen, bestimmte Schienennetze oder auch große Sportstätten nennen. So wurde in Europa die „essential facility doctrine“ in Verbindung mit drei großen Entscheidungen angewandt, bei denen der Zugang bzw. die Nutzung von Hafenanlagen in Holyhead/Wales und Rödby/Dänemark durch die Europäische Kommission geregelt wurde.[13]

Zusammenfassend ist zu sagen, dass nur in solchen Bereichen regulierend eingegriffen werden darf, in denen auf Grund eines resistenten Monopols volkswirtschaftliche Ineffizienzen auftreten. In Bereichen, in denen dies nicht der Fall ist, muss ein solcher Eingriff unterlassen werden, da sonst der Wettbewerb gestört werden könnte.

3 Wertschöpfungskette und Kostenstrukturen bei der Leistungserstellung der Post

In diesem Teil der Untersuchung soll ein Überblick über die Wertschöpfungskette im Postsektor sowie dessen Kostenstrukturen bei der Leistungserstellung gegeben werden. Dabei wird im Wesentlichen der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Einrichtungen der Post und den dazugehörigen Produktionsleistungen dargestellt. Dies soll einerseits zur Verdeutlichung der postalischen Abläufe, andererseits jedoch schon als Ansatzpunkt für die spätere Analyse dienen. Anhand der abgebildeten Einrichtungen lassen sich im weiteren Verlauf gegebenenfalls Einstiegspunkte für eine eventuelle Marktzutrittsregulierung ausmachen.

Die Illustration der Kostenstrukturen dient hauptsächlich als Grundlage für die spätere Identifizierung wettbewerblicher Engpassbereiche im Postsektor.

3.1 Die Post-Wertschöpfungskette

Bei der Briefbeförderung lässt sich die Leistung in vier verschiedene Wertschöpfungsstufen unterteilen. Diese sind Einsammlung, Sortierung, Transport und Zustellung. Bei der Einsammlung ist weiterhin zu unterscheiden in Abgangs- bzw. Eingangssortierung, beim Transport ist zu unterscheiden zwischen Vor-, Haupt- und Nachlauf.

Das Besondere bei der Dienstleistung der Post ist, dass diese an mehreren Orten erbracht wird. Dies ist einerseits der Standort des Versenders und andererseits der des Empfängers sowie die Strecke zwischen den beiden, die durch einen Transport überbrückt werden muss.

Auf Grund dieses Verbundes von Produktionsstufen ergibt sich eine vertikale Produktionsstruktur bei der Erstellung der postalischen Dienstleistung. Diese vertikale Integration tritt aber nicht nur im Postsektor, sondern auch auf anderen Märkten auf. In diesen anderen Märkten ist sie jedoch nicht mit den wettbewerblichen Problemen verbunden, wie dies im Post- oder einem anderen Netzsektor der Fall ist. Das Problem entsteht gewissermaßen erst dann, wenn vertikale Integration auf Monopolmacht trifft, wie dies z. B. bei der Deutschen Post AG (DPAG) der Fall ist.

Wegen dieser Kombination entsteht ein ordnungspolitisches Problem, das durch die Liberalisierung des Postsektors gelöst werden muss.

Abbildung 1: Post-Wertschöpfungskette

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Agentur briefzentrum briefzentrum stützpunkt

Einsammlung Transport/ Abgangssortierung Transport/ Eingangssortierung Transport/ Zustellung

Vorlauf Hauptlauf Nachlauf

Quellen: eigene Darstellung nach Kruse/Liebe (2005), S. 10; WIK (o. V.) (2005), S. 4.

Anhand der Abbildung lassen sich die Einrichtungen der Post darstellen und in Verbindung mit diesen die wichtigen Leistungen, die im Briefnetz erbracht werden, verdeutlichen.

3.1.1 Einsammlung und Vorlauf

Bei Einsammlung und Vorlauf werden Sendungen aus Briefkästen, Postfilialen bzw. Postagenturen in das nächste Briefzentrum (in diesem Fall Abgangsbriefzentrum) transportiert.[14] Zu beachten ist hierbei, dass heute nur noch der geringste Teil aller Sendungen durch Privatpersonen über die etwa 140.000 in Deutschland aufgestellten Briefkästen aufgegeben wird. Etwa 40 % der Briefe werden in den 10.000 Postfilialen oder den 5.000 Postagenturen eingeliefert. Die restlichen 40 % werden durch Großunternehmen in den Großannahmestellen der Briefzentren eingeliefert.[15]

Dabei kann die vorbereitende Leistung durch so genannte „Konsolidierer“ erbracht werden. Diese liefern die Briefe direkt an das zuständige Briefzentrum. Eine zweite Möglichkeit ist die Abholung bei den Großversendern durch die Post selbst.

3.1.2 Sortierung

Wurden die Briefe in ein Briefzentrum eingeliefert, werden diese dort sortiert. Im Abgangsbriefzentrum werden die Sendungen nach Bestimmungsort bzw. nach Zielregion sortiert. Dabei findet eine Sortierung anhand der Postleitzahlen statt.

Im Eingangsbriefzentrum findet eine Sortierung anhand der Zustellgebiete statt, dabei kann nach Zustellpostämtern oder auch gleich nach Zustellrouten sortiert werden.

Eine weitere Sortierung kann im Zustellpostamt stattfinden, wenn dies in den Briefzentren nicht möglich war. Dabei werden die Sendungen, die nicht von den Sortiermaschinen gelesen und bestimmten Zustellrouten zugeordnet werden konnten, manuell sortiert.

3.1.3 Transport/Hauptlauf

Im Hauptlauf werden die Sendungen entsprechend der Empfängeradresse zum nächstgelegenen Briefzentrum geliefert. Der Transport kann durch unterschiedliche Transportmittel stattfinden. Die Wahl des Mittels orientiert sich hierbei normalerweise an der Entfernung zwischen Abgangs- und Eingangsbriefzentrum.

So werden zum Transport Lkws, die Bahn oder auch Flugzeuge eingesetzt. Flugzeuge und die Bahn kommen dabei zur Überbrückung langer Distanzen und Lkws zur Überbrückung sowohl langer als auch kurzer Entfernungen zum Einsatz.

3.1.4 Zustellung

Vom Zustellpostamt werden die Briefe an die Empfänger in den entsprechenden Zustellbezirken ausgeliefert. Dies kann entweder durch Zusteller auf deren Zustellrouten oder auch an Postfachadressen erfolgen.[16]

3.2 Kostenstrukturen bei der Briefdienstleistung

Als Grundlage für einen Marktzutritt in den Postsektor dient die Lokalisierung von sektorspezifischer Marktmacht anhand von resistenten Monopolen bzw. monopolistischen Bottlenecks. Dieses Phänomen ist durch Subadditivität in Verbindung mit hohen Markteintrittsbarrieren bzw. hohen irreversiblen Kosten verbunden. Diese beiden ökonomischen Eigenschaften wurden bereits bei der Definition der monopolistischen Bottlenecks ausführlich beschrieben.

Als Basis für diese Betrachtung müssen jedoch die Kostenstrukturen bei Einsammlung, Sortierung, Transport und Zustellung aufgezeigt werden; dies soll im folgenden Abschnitt erfolgen.

[...]


[1] Vgl. Bundeskartellamt (2003), S. 118.

[2] Vgl. Schwintowski (2002), S. 552.

[3] Vgl. Knieps (1996), S. 14.

[4] Vgl. Knieps (2000), S. 9.

[5] Vgl. Baumol, Panzar, Willig (1982), S. 153 ff.

[6] Vgl. Knieps (2000), S. 9; Knieps (2004), S. 4 ff.; Kruse/Liebe (2005), S. 36 ff.

[7] Vgl. Baumol, Panzar, Willig (1982), S. 280 ff.

[8] Vgl. Knieps (2004), S. 6.

[9] Vgl. Knieps (2000), S. 10.

[10] Vgl. Knieps (2000), S. 9 ff; Knieps (2004), S. 6 f.

[11] Vgl. Staab (2000), S. 12 .

[12] Vgl. Knieps (2000), S.17 f.

[13] Vgl. Staab (2000), S.9 ff.

[14] Vgl. Hoffmann (1997), S. 125 f.; Kruse/Liebe (2005), S. 9 ff.; WIK (o. V.) (2005), S. 4 f.

[15] Vgl. Staab (2000), S. 146 f.

[16] Vgl. Hoffmann (1997), S. 125 f.; Kruse/Liebe (2005), S. 9 ff.; WIK (o. V.) (2005), S. 4 f.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Marktöffnungsstrategien im Postsektor ein internationaler Vergleich
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
76
Katalognummer
V53052
ISBN (eBook)
9783638486033
ISBN (Buch)
9783638688185
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marktöffnungsstrategien, Postsektor, Vergleich
Arbeit zitieren
Bastian Bretschneider (Autor:in), 2005, Marktöffnungsstrategien im Postsektor ein internationaler Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53052

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