"Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg. Eine Buchanalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: keine Benotung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zur Schulkritik in der Literatur

Inhaltsübersicht

Kurze Personencharakteristik:
Kurt Gerber:
Lisa Berwald:
Herr Gerber:
Professor Kupfer:

Zu den Charakteren Kurt Gerber und Arthur Kupfer:

Das Dilemma Kurts:

Ereignisse, die zum Selbstmord führen:

Zu den stilistischen Mitteln:

Zum Leben Torbergs:

Zu autobiographischen Aspekten aus dem Buch:

Zur Intention des Autors:

Zur Schulkritik in der Literatur

Es gibt grundsätzliche Überlegungen unter denen Schultexte gelesen werden: Die Geschichte der Schule, ist eine Geschichte der Disziplinierung von Kindern; Zu einem literarischen Bild gehören zum Einen die Figuren und Themen, (Schüler, Lehrer…) und zum anderen die Beschreibungsobjekte und die Autoren; Schultexte sind kleine Gesellschaftsanalysen mit prognostischer Schärfe.

Wenn es um das Thema Schule geht, geht es immer auch um gesellschaftliche und kulturelle Phänomene, und nicht um individuelle Bewusstseins- und Darstellungsformen. Über Schule zu sprechen heißt demzufolge über Inszenierungen der Macht zu sprechen.

1890 und 1910 fand man über das Thema Schule in der Literatur nur humoristische Darstellungen.

Die Darstellungen der Schule in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts reichen von affirmativem Kitsch bis zur kritischen Analyse, zwischen Anpassung und Anklage bewegen sich die Autorinnen und Autoren. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt ein literarischer Boom eines neuen Genres das sogar noch bis heute andauert.[1]

Nachdem Ellen Key 1900 „Das Jahrhundert der Kinder“ ausgerufen hat, reagiert der deutsche Roman mit einer Häufung von Schülerselbstmorden, so Robert Minder. Dieses Genre der Schülerselbstmordgeschichten wurde als unrealistisch und als Zeugnis einer dekadenten „Kränklichkeit“ abgetan. Andere deuteten die vielfach autobiographisch veranlassten Texte als Hinweis auf einen zeittypischen „Kult isolierter Individualität“. Die Schülerselbstmordgeschichten waren jedoch durchaus nicht unrealistisch. In den 20er, 30er Jahren erschienen in den Zeitungen vermehrt Artikel über Schülerselbstmorde.[2]

„Die Abrechnung mit dem Gewesenen“ und als „Sinnbild“ einer von „kleinen Tyrannen“ und überlebten Traditionen beherrschten Gesellschaft war dem 1930 erschienenen Roman „der Schüler Gerber“ von Friedrich Torberg anzusehen. Friedrich Torberg richtet sich mit seinem Roman „Der Schüler Gerber“ gegen das alte autoritäre Schulsystem aus den Zeiten der untergegangenen Monarchie.[3]

Inhaltsübersicht

Der Roman "Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg schildert die Probleme des 19-jährigen intelligenten aber faulen Gymnasiasten Kurt Gerber, der im letzten Jahr vor der Reifeprüfung vom herrschsüchtigen und sadistischen Professor Kupfer tyrannisiert wird.

Nicht nur die bevorstehende Matura, auch die erste Liebe, und die Krankheit seines Vaters machen ihm zu schaffen. Zu allem Unglück bekommt er Professor Kupfer als Klassenvorstand. Kupfer, von den Schülern wegen seiner Unfehlbarkeit und Strenge "Gott Kupfer" genannt, ist auf Gerber nicht gut zu sprechen. Er unterrichtet in Kurts Klasse Mathematik und Darstellende Geometrie. Die Mathematik ist Kurts Schwäche. Sein Vater rät ihm die Schule zu wechseln, was er aber nicht tut. Die Rivalitäten zwischen ihm und Kupfer nehmen immer mehr zu. Sein Vater drängt ihn mehr zu lernen, und Nachhilfestunden zu nehmen. Kurt will dies nicht, lernt aber mit zwei Mitschülern.

Ein Mitschüler Kurts stirbt unerwartet. Niemand trauert um ihn. Kurt kommt auf den Gedanken, wenn er sterben würde, würde auch niemand trauern. Seine schulische Einstellung wird negativer. Er bekommt in Kupfers Fächern zwei „Nichtgenügend“. Daraufhin nimmt Kurt Nachhilfestunden, wodurch er sich auch verbessert. Kupfers Tyrannei wird immer stärker. Wegen einer Unterschriftenfälschung will er Kurts Vater sprechen. Infolge der Aufregung muss dieser in ein Sanatorium eingewiesen werden, und darf sich unter keinen Umständen aufregen. Kurts Druck, die Matura zu bestehen wächst. Bei der Matura fällt er in Mathe durch, bringt ansonsten jedoch passable Leistungen. Während er die Prüfungsergebnisse abwartet kommen ihm Zweifel, ob er die Matura bestanden hat. Sie werden immer stärker. Er begeht Selbstmord.

Die Prüfungskommission hätte ihn für reif erklärt.

Kurze Personencharakteristik:

Kurt Gerber:

Der Schüler Kurt Gerber ist ein intelligenter, nicht sehr fleißiger, aber gewandter und beliebter Schüler. Er ist verliebt in seine ehemalige Mitschülerin Lisa Berwald. Kurt sorgt sich sehr um seinen todkranken Vater und möchte diesen nicht enttäuschen.

Lisa Berwald:

Lisa Berwald ist nicht besonders intelligent. Die Gefühle die Kurt ihr entgegenbringt, kann sie nicht erwidern. Lisa ist zu allen Leuten sehr freundlich, so auch zu Kurt. Sie lässt ihn im Unklaren, was ihre Gefühle zu ihm betreffen.

Herr Gerber:

Kurts Vater ist schwer krank. Jede kleinste Aufregung könnte ihn umbringen. Es ist für ihn sehr wichtig, dass Kurt seine Matura besteht. Der Vater macht sich große Sorgen um die Leistungen seines Sohnes. Herrn Gerber wäre es das liebste, Kurt würde die Schule wechseln, da ihm bekannt ist, dass Professor Kupfer seinen Sohn am liebsten durchfallen lassen würde.

Professor Kupfer:

Arthur Kupfer ist ein sadistischer, gemeiner Lehrer, der es liebt, seine Schüler zu unterdrücken um sich dadurch stärker zu fühlen. Er kann Kurt nicht leiden, und nutzt jede Gelegenheit, ihm eine Schlechte Note zu geben.

Zu den Charakteren Kurt Gerber und Arthur Kupfer:

Kurt Gerber:

Kurt ist ein intelligenter für sein Alter reifer, jedoch etwas fauler junger Mann. Seine Schwäche in der Schule ist die Mathematik. Er gehört zu denjenigen, die gerne Unfug treiben und doch das Schuljahr irgendwie positiv abschließen. Man kann Kurt als dickköpfig bezeichnen. Er handelt stets so, wie er es für richtig hält. Dem Wusch seines Vaters, Kurt würde auf ein anderes Gymnasium wechseln, geht er nicht ein. Kurt versucht sich für die Rechte der Schüler einzusetzen, und gibt nicht so schnell nach, was ihn bei seinen Mitschülern beliebt macht. Sogar in der ersten Stunde bei dem gefürchteten Professor Kupfer kann sich Kurt nicht zusammenreißen und lacht ironisch über Kupfers Bemerkung (S.16):“Die dummen weinen nachher, die Gescheiten werden lachen. Ich pflege zu lachen.“ Kurt ist sehr verliebt in Lisa Berwald. Er schreibt ihr lange gefühlvolle Briefe, die sie entweder gar nicht oder nur knapp beantwortet. Kurt ist so blind vor Liebe, dass er die Warnungen Anderer, Lisa sei zu jedem nett und er könne sich nichts Ernstes von ihr verhoffen, denn sie sei eine Schlampe, nicht ernst nimmt. Außer den Problemen in der Schule und der unglücklichen Liebe, plagt Kurt noch die Krankheit seines Vaters. Er steht unter starkem Druck seine Matura zu bestehen, da es für seinen Vater eine Schande wäre, wenn Kurt nicht bestehen würde. Kurt weiß, dass dieser Schock für den Vater tödlich sein könnte.

Professor Arthur Kupfer:

Arthur Kupfer ist ein, wegen seiner Strenge und Ungerechtigkeit gefürchteter Professor. Die Schüler gaben ihm den Spitznamen „Gott Kupfer“. Diesem Namen macht er alle Ehre, indem er seine Macht über die Schüler ausspielt und er die Sünden seiner Schüler bis ins dritte und vierte Semester rächt(S.20ff.). In der Schule ist er der Herrscher, privat jedoch ein Nichts. Die einzige Möglichkeit die er hat, Macht auszuspielen ist in der Schule.[4]

In und hinter allem, was er tut, steck Stricktheit. Selbst Unordnung hat eine bestimmte Ordnung bei ihm. Er sorgt extra für Unordnung in seinem Zimmer. Es soll den Eindruck von „künstlerischer Wirre“ machen(S.29ff.).Er ist das Maß aller Dinge. Niemand darf es sich anmaßen, einen Kampf gegen ihn, den Gott, führen zu wollen. Jeder Misserfolg eines Schüler, jedes "Nicht genügend", das er in seinen Katalog einschreiben kann, ist ein Erfolg für ihn und bedeutet eine Befriedigung für den Professor.

Der Schüler Gerber stellt allerdings einen Gegner dar, den er auszuschalten hat. Sein Sadismus verlangt jedoch, dass es kein schneller und qualloser Tod, sondern eine Marterung sein soll, die sich ein Jahr lang, bis zur Matura, die dann die Krönung bildet, ziehen soll. Man kann Artur Kupfer auf keinen Fall vorwerfen, dass er sich nur so zu helfen wüsste, er ist überaus klug und gerissen, und ihm ist kein Gedanke zu schade einen neuen Trick gegen die Schüler anzuwenden, der diese ins Verderben stürzt. Doch ganz egal, wie man (Kurt) sich verhält, Kupfer kann man es nur mit tiefster Untertänigkeit recht machen.

Das Dilemma Kurts:

Kurt realisiert schnell, dass es um mehr geht als am ein „Schulzeugnis“(S.57). In den Schulereignissen vollzieht sich tatsächlich Existenzielles: Korruption durch absolute Macht; Banalität des Bösen; Psychologie der Mittelmäßigkeit; Grenzgang zwischen Anpassung und Widerstand; zwischen Egoismus und Altruismus; Spannung zwischen Recht und Gerechtigkeit; zwischen Mensch und Rolle. Das Eingangsmotto: “Auf drei Dingen beruht die Welt: auf Wahrheit, auf Gerechtigkeit und auf Liebe“(S.5), das am Ende kurz vor Kurts Tod noch mal in seinen verworrenen Gedanken auftaucht, ist eine thematische Eingrenzung in das Allgemeinmenschliche.[5]

Der anfangs intelligente, reife, voller Selbstvertrauen junge Mann Kurt Gerber verliert zum Einen durch die gescheiterte Liebe zu Lisa Berwald und vor allem durch die von Arthur Kupfer ausgehenden Demütigungen, Verunsicherungen und Misserfolge sein Selbstvertrauen, seine Scharfsichtigkeit und vollständig das Bewusstsein für den eigenen Wert und den „gesunden Blick“(S.166).[6] Im Laufe der Schulereignisse zweifelt er immer mehr an sich und seine Gedanken werden verworrener. Seine Ängste schlagen sich schließlich auch körperlich nieder.

Kurts Umfeld scheint nur aus Engstirnigkeit, Kaltherzigkeit und Borniertheit zu bestehen, in der er seine Sorgen und Probleme nicht loswerden kann. Kurt kann schließlich der Unterdrückung und dem hohen Druck, der auf ihn ausgeübt wird nicht mehr standhalten und nimmt sich das Leben.

[...]


[1] Matthias Luserke: Schule erzählt; Literarische Spiegelbilder im 19. und 20. Jhds. S. 7-12

[2] Frank Tichy:Friedrich Torberg-Ein Leben in Widersprüchen S.49

[3] York-Gothart Mix: Die Schule der Nation; Bildungskritik in der Literatur der frühen Moderne S.1-2,93-94

[4] Klaus Maiwald: Literatur lesen lernen; Begründung und Dokumentation eines literaturdidaktischen Experi- ments S.134

[5] Klaus Maiwald: Literatur lesen lernen; Begründung und Dokumentation eines literaturdidaktischen Experiments S.106

[6] Klaus Maiwald: Literatur lesen lernen; Begründung und Dokumentation eines literaturdidaktischen Experiments S.105

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
"Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg. Eine Buchanalyse
Hochschule
Universität Münster  (Deutsche Sprache, Literatur und ihre Didaktik)
Veranstaltung
Schulkritik in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
Note
keine Benotung
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V52994
ISBN (eBook)
9783638485609
ISBN (Buch)
9783638662482
Dateigröße
800 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Buchanalyse, Torberg, Schüler, Gerber, Schulkritik, Literatur, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Maike Reiter (Autor:in), 2004, "Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg. Eine Buchanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52994

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