Probleme und Paradoxien von Hilfeprozessen


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung
2.1 Hilfe im alltäglichen Sprachgebrauch
2.2 Hilfe aus rein altruistischer Sicht
2.3 Hilfe aus systemtheoretischer Sicht

3. Probleme und Paradoxien von Hilfeprozessen
3.1 Welche Hilfe ist die Richtige?
3.2 Hilfe als Form der Verdrängung eigener Probleme
3.3 Hilfe als individuelle Nutzenmaximierung
3.4 Weitere Paradoxien und potenzielle Probleme von Hilfeprozessen
3.5 Institutionelle Hilfe als Vergrößerung der Abhängigkeit
3.6 Hilfe als unerwünschte Maßnahme
3.7 Qualität, Kosten und Standardisierung von Hilfeprozessen
3.8 Hilfeprozesse aus der Sicht von Organisationen
3.9 Hilfeprozesse als Entmoralisierung
3.10 Hilfeprozesse als Ware verbunden mit einem Rechtsanspruch
3.11 Zusammenfassung und Ausblick

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Begriff „Hilfe“ stellt ohne Zweifel einen der am häufigsten verwendeten Begriffe im Bereich der Sozialen Arbeit, bzw. der Sozialpädagogik dar. Darüber hinaus existiert er in mehreren Kontexten, wie z.B. Helfen auf der interpersonalen Ebene („jemandem der sich verfahren hat den richtigen Weg zeigen“) oder aufgrund sozialer Bindungen („guten Bekannten beim Umziehen helfen“).

Auf der politischen Ebene findet sich Hilfe in Form von Entwicklungshilfe – wie auch länderübergreifend bei Organisationen, die Patenschaften mit Kindern aus der Dritten Welt vermitteln. Schließlich sind noch Formen institutioneller Hilfe („Jugendhilfe“) und Handlungen aufgrund besonderer Situationen („Nothilfe“ oder „Erste Hilfe“) in diesem Zusammenhang relevant (Gängler, 2001).

„Der Alltag des sozialen Lebens ist seit je bestimmt durch Hilfe und Unterstützung in Situationen der Not und ihrer Bewältigung. Man weiß sich – im Kontext der Generationen ebenso wie im Wissen um die Wechselfälle des Lebens – aufeinander verwiesen in Verwandtschaft, Nachbarschaft, Gemeinde oder Kirche“ (Thiersch, 2001, S. 1247).

Hilfe stellt also eine Urform menschlichen Handelns dar und ist eng mit dem gesellschaftlichen Handeln verknüpft.

„Hilfe ist wie ihr Gegenteil Kampf eine Grundform des Verhaltens der Menschen zueinander. Wie es in der Wirklichkeit des menschlichen Zusammenlebens von jeher Kampf gegeben hat und immer wieder geben wird – er braucht sich ja nicht immer in der Form des Krieges abzuspielen –, so ist auch ohne Hilfe, ohne positives Zusammenwirken von Menschen, die gegenseitige Hilfe, menschliches Zusammenleben überhaupt nicht denkbar“(Scherpner, 1974, S.122).

Bereits im Lukas-Evangelium des Neuen Testaments wird die Hilfe charakterisiert durch das Gleichnis des barmherzigen Samariters. In diesem Fall beschränkt sich die Hilfe allerdings auf die direkte Verminderung des Leids, das der Andere erfährt – die näheren Umstände, die zu dieser Situation geführt haben, werden nicht berücksichtigt (Thiersch, 2001).

Erst gegen Ende des Mittelalters entwickelten sich neue Formen des Umgangs mit Hilfebedürftigen, die nun auch die Berücksichtigung ihrer Lebensumstände mit einbezogen. So gab es zwei Klassen von Hilfebedürftigen, deren Zugehörigkeit davon abhing, ob man durch eigene Schuld oder schuldlos in die gegenwärtige Notsituation geraten war. Ihnen wurde es nahe gelegt, zu arbeiten, um nicht ausschließlich auf Almosen und Gaben angewiesen zu sein und für ihren Lebensunterhalt aufkommen zu können.

Dieses Verständnis hatte erhebliche Auswirkungen auf den Geist und das Denken im Zusammenhang mit der Armenfürsorge und den Arbeitshäusern. Die Hilfebedürftigen waren religiösen und moralischen „Predigten“ ausgesetzt, mussten entwürdigende Kontrollen und Anpassungszwänge über sich ergehen lassen und schließlich wurde von ihnen erwartet, dass sie sich bescheiden, dankbar und demütig zeigten. Diese Praxis erstreckte sich bis in das vorherige Jahrhundert hinein (Thiersch, 2001).

Aber im Laufe des vorherigen Jahrhunderts wandelte sich das Verständnis von Fürsorge und Hilfe und führte zum Gedanken der Solidarität. Solidarität war in Verbänden, Vereinen, Parteien und anderen Zusammenschlüssen zu finden und erstreckte sich auf diejenigen, die der gleichen Not ausgesetzt waren.

Im Gegensatz dazu blieb jedoch derjenige ausgeschlossen, der der Fähigkeit zur gegenseitigen Hilfe entbehrte und somit von speziellen Hilfeleistungen abhängig war (Thiersch, 2001).

In der modernen heutigen Gesellschaft sind Hilfe und Fürsorge vergesellschaftlicht. Es hat eine Institutionalisierung und eine Standardisierung von Hilfe stattgefunden. Hilfe ist mittlerweile nicht selten mit einem rechtlichen Anspruch verbunden und wird von komplexen, arbeitsteilig organisierten Institutionen praktiziert. Dankbarkeit und Demut sind nicht mehr unabdingbar mit der Inanspruchnahme von Hilfe gekoppelt; Solidarität erstreckt sich nunmehr auf die ganze Gesellschaft. Hilfe ist zu einem Beruf geworden (Thiersch, 2001).

„Nicht mehr der Samariter, sondern der Wirt, bei dem der Samariter den unter die Räuber gefallenen zur Pflege lässt, wird Leitbild der Sozialen Arbeit; der Wirt, der bezahlt wird und Hilfe als Beruf praktiziert, ist Prototyp moderner Hilfe und Unterstützung“ (Thiersch, 2001, S. 1250).

Es gibt zwei Extreme von Hilfe, die in diesem Zusammenhang zu finden sind. Hierbei handelt es sich zum einen um die rein altruistisch geprägte selbstlose Hilfe, die ausschließlich das Ziel des Wohlergehens eines anderen Menschen verfolgt und sogar soweit gehen kann, eigene persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen – bis hin zur Gefährdung für Leib und Leben. Zum anderen kann Hilfe auch mit der egoistischen Sichtweise verbunden sein, den eigenen individuellen Nutzen zu maximieren (Volz, 2001).

Aufgrund dieser besonderen Rahmenbedingungen in der modernen Gesellschaft, kann es bei gegenwärtigen Hilfeprozessen nicht selten zu Widersprüchen und Problemen kommen, die die ich im Folgenden nun genauer betrachten möchte.

2. Begriffsbestimmung

Der Begriff der Hilfe weist einen sehr umfangreichen Bedeutungshorizont auf, der sich von spontanem oder geplantem Handeln im Alltag zur uneigennützigen Unterstützung einer anderen Person, über ambulante, stationäre und institutionelle Hilfe, bis hin zu Sozialleistungen, auf der Basis eines Rechtsanspruchs (Jugendhilfe, Sozialhilfe) erstrecken kann. Daher begegnet man unterschiedlichen Definitionen, die sich hinsichtlich ihrer Perspektive voneinander unterscheiden.

2.1 Hilfe im alltäglichen Sprachgebrauch

Das Wort Hilfe bezeichnet in der Umgangssprache ein altruistisches, dass heißt selbstloses oder uneigennütziges Verhalten und meint die Unterstützung einer anderen Person ohne Gegenleistung.

Diese Unterstützung bezieht sich auf die Kompensation der unzureichenden materiellen oder auch immateriellen Ressourcen auf Seiten des Akteurs, dem zu helfen ist, unter der Voraussetzung, dass zwischen Helfer und zu Helfendem wenigstens eine geringe Übereinstimmung über die Zielvorstellungen des Helfenden, für die seine vorhandenen Ressourcen nicht ausreichend sind, besteht (Schefold, 2004).

2.2 Hilfe aus rein altruistischer Sicht

Das Hauptaugenmerk der altruistisch geprägten Hilfe liegt darin, dass man ausschließlich auf das Wohlergehen eines anderen Menschen bedacht ist. Diese Zielvorstellung kann auch mit der Bereitschaft verbunden sein, persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen, die im Extremfall bis zu einer Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit führen können.

Man kann also von Altruismus sprechen,

„- wenn die Handlung A`s [als der potentielle Helfer] freiwillig ausgeführt wurde (und nicht etwa
aufgrund von Rollenvorschriften, wie sie für einen Sozialarbeiter oder Mediziner gelten)
- wenn A`s Handlung für B [als Empfänger der Hilfe] eine Wohltat darstellt, die keinen Dritten in
unzumutbarer Weise schädigt
- wenn B eine konkrete Person oder Personengruppe ist (nicht eine anonyme Organisation, wie z.B.
eine GmbH)
- wenn A die Intention hat, B zu helfen“ (Bierhoff, 1980, S. 18).

2.3 Hilfe aus systemtheoretischer Sicht

Nach Talcott Parsons ist Hilfe als Reaktion auf ein abweichendes Verhalten zu verstehen, die zugleich das Ziel verfolgt, die Angst auf Seiten des Beobachters zu reduzieren. In diesem Fall ist die Solidarität mehr als soziale Kontrolle zu verstehen, die die abweichende Person dazu bringen soll, sich in einen Zustand zu bringen, der Hilfeleistungen nicht mehr erforderlich macht (Baecker, 2001).

3. Probleme und Paradoxien von Hilfeprozessen

Probleme und Paradoxien können im Prinzip auf allen bisher geschilderten Ebenen, auf denen Hilfeprozesse ablaufen, entstehen. Zum Teil können diese Probleme und Paradoxien – aus soziologischer Sicht – als nicht intendierte Handlungsfolgen bezeichnet werden, aber in einigen Fällen werden sie durchaus einkalkuliert und in Kauf genommen.

3.1 Welche Hilfe ist die Richtige ?

Wenn ich einem anderen Menschen helfen möchte, kommt es darauf an, dass ihm damit auch wirklich geholfen wird. Ich muss mich in den Menschen hineinversetzen können, muss verstehen, was ihn bewegt und seinen Bedürfnissen auf die Spur kommen.

Des Weiteren habe ich mir die Frage zu stellen, ob er meine Hilfe akzeptieren wird. Ich darf mich nicht anmaßen, ohne Einbeziehung des Adressaten zu entscheiden, welche Form und welcher Umfang von Hilfe für den Adressaten in Frage kommt („Ich weiss, was das beste für dich ist“).

Im Zusammenhang mit der Entwicklung des geeigneten Hilfeprozesses werden auch oft die Begriffe „Empathie“, „Sozialkompetenz“ und „Emotionale Intelligenz“ genannt.

Und in der Tat können einige Eigenschaften, die mit diesen Begriffen verbunden sind, von entscheidender Bedeutung sein, wenn ich einem anderen Menschen helfen möchte, da beispielsweise emotionale Intelligenz neben dem Umgang mit uns selbst auch den Umgang mit anderen Menschen betrifft.

Wenn es mir nicht gelingt, mich und den anderen Menschen richtig einzuschätzen, kann meine Hilfe scheitern. Es kommt darauf an, die Gefühle des Hilfesuchenden genau wahrzunehmen und entsprechend darauf zu reagieren. Vielleicht möchte der vermeintliche Hilfesuchende gar keine Unterstützung, oder er fühlt sich und seine Bedürfnisse missverstanden. Falls ich meinem Gegenüber nur widerwillig helfe, strahle ich das auch aus und die Hilfeleistung läuft Gefahr, nicht erfolgreich zu sein.

Um meinen Hilfeprozess für einen anderen Menschen richtig zu entwickeln, muss ich auch in der Lage sein, dem Hilfesuchenden aufmerksam und aktiv zuhören zu können.

Des Weiteren muss ich den Hilfesuchenden nicht nur verstehen können , sondern auch verstehen wollen , damit ich mir nicht nur vergegenwärtige, was er sagt, sondern auch, wie er es meint und wie ihm dabei zumute ist.

Durch oberflächliches Zuhören und unzureichendes Eingehen auf den Adressaten kann schnell der Eindruck entstehen, dass es mir mit der Hilfe gar nicht ernst ist. Dann wird auch der Hilfebedürftige selbst darauf verzichten, um sein Selbstwertgefühl nicht völlig aufzugeben.

3.2 Hilfe als Form der Verdrängung eigener Probleme

Eine Frau, die bereits viele gescheiterte Beziehungen hinter sich hat und gerade wieder auf der Suche nach einem neuen Partner ist, lernt auf einem Betriebsfest mehrere Männer kennen. Der eine wirkt auf sie sehr attraktiv, ein weiterer fällt ihr positiv auf, weil er sehr gebildet ist und sie sich gut mit ihm über alles Mögliche unterhalten kann. Schließlich bemerkt sie jemanden, der das genaue Gegenteil der anderen Männer verkörpert (Schmidbauer, 1983).

Dieser Mann wirkt einsam, schüchtern – ja gerade zu hilflos – und trotzdem oder vielmehr genau deswegen kann sie ihren Blick nicht von ihm abwenden, er zieht sie völlig in ihren Bann und übt eine enorme Anziehungskraft auf die Frau aus, so dass sie sich schließlich für ihn entscheidet und diesen Mann mit zu sich nach Hause nimmt.

Sie kümmert sich um ihn, spendet ihm Trost und fördert somit seine Abhängigkeit ihr gegenüber.

Welche Gründe können nun zu einem solchen Verhalten der Frau geführt haben? Welche Ursachen gibt es? Es ist anzunehmen, dass die Frau so ihren eigenen Problemen entfliehen, sie verdrängen möchte. Sie gibt der Tatsache, dass sie gebraucht wird, den Vorzug gegenüber derjenigen, dass sie selbst jemanden braucht (Schmidbauer, 1983).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Probleme und Paradoxien von Hilfeprozessen
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V52892
ISBN (eBook)
9783638484794
ISBN (Buch)
9783640868209
Dateigröße
590 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Probleme, Paradoxien, Hilfeprozessen
Arbeit zitieren
Christoph Stockert (Autor:in), 2005, Probleme und Paradoxien von Hilfeprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52892

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