Waldbauliche Behandlung von Pinus nigra Arnhold -Beständen auf Muschelkalk unter Berücksichtigung der Erkrankung durch Sphaeropsis sapinea (Fr.) Dyko & Sutton


Diplomarbeit, 2005

56 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung und Themenstellung

2 Stand der Erkenntnisse
2.1 Biologie des Wirts (P. nigra Arnhold)
2.2 Eigenschaften des Wuchsraumes Jena
2.3 Biologie des Erregers (S. sapinea) und Pathogenese der Erkrankung
2.4 Beispiele für Schäden durch S. sapinea
2.5 Aspekte der Untersuchungsmethodik

3 Material und Methoden
3.1 Aufnahme der Probestände
3.2 Nachweis des Erregers, Fernerkundung der Probebestände
3.3 Auswertung des Witterungsverlaufs, Analyse der Jahrringe
3.4 Kontrolle der sekundären Schadfaktoren, Durchführung der Umfrage

4 Ergebnisse
4.1 Nachweis des Erregers
4.2 Zustandserfassung der Probebestände
4.3 Auswertung des Witterungsverlaufs
4.4 Jahrringanalyse
4.5 Sekundäre Schadfaktoren
4.6 Waldbauliche Auswirkungen der Erkrankung
4.7 Resultat der Meinungsumfrage

5 Diskussion

6 Zusammenfassung/abstract

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Natürliches Verbreitungsgebiet von Pinus nigra, ihre Unterarten und Varietäten

Abb. 2: Ökogramm verschiedener Baumarten

Abb. 3: Befallsmerkmale von S. sapinea

Abb. 4: Indizien einer Infektion an P. nigra –Zweigen

Abb. 5: Bestand mit hoher Mortalität

Abb. 6: Typische Befallsmerkmale von Gremmeniella abietina

Abb. 7: Übersichtskarte der Probeflächen P I und P IV

Abb. 8: Übersichtskarte der Probeflächen P II und P III

Abb. 9: Probennahme in P III

Abb. 10: Methodik der Fernerkundung

Abb. 11: Aufnahmepunkt in P I

Abb. 12: Methodik der Jahrringanalyse

Abb. 13: Querschnitt eines Fruchtkörpers von S. sapinea

Abb. 14: Sporenschleim von S. sapinea

Abb. 15: Befallsmerkmale an Trieb und Rindenschuppen

Abb. 16: Nadelverlust und Anzahl von Jahrgängen der Probebestände

Abb. 17: P IV mit stark befallenem Trauf

Abb. 18: Witterungsbilanz 2000 -

Abb. 19: Perioden wahrscheinlicher Infektion

Abb. 20: Langjähriges Mittel von Niederschlag und Temperatur zu Jahreszeiten 2003 –

Abb. 21: Zuwachs vitaler und kranker Bäume zu Niederschlagsbilanz 2000 -

Abb. 22: Zuwachsvergleich kranker Bäume nach Standortlagen „Hang“ und „Plateau“

Abb. 23: Div. Sekundärschädlinge an von S. sapinea infizierten P. nigra

Abb. 24: Bestandesauflösung nach S. sapinea -Befall

Tab. 1: Wertetabelle für Existenzbereich von P. nigra

Tab. 2: Bestandescharakteristik der Probefläche „Jenzig“ P I

Tab. 3: Bestandescharakteristik der Probefläche „Ilmnitz“ P IV

Tab. 4: Bestandescharakteristik der Probefläche „Eule“ P II

Tab. 5: Bestandescharakteristik der Probefläche „Landgrafen“ P III

Tab. 6: Darstellung von Schadstufen zu charakteristischem Kronenbild

Tab. 7: Bewertung Nadelverfärbung und Fruktifikation nach Stufen

Tab. 8: Ergebnis untersuchter Triebproben (P I, P II, P III und P IV)

Tab. 9: Prozentuale Aufteilung in qualitative Stufen von Fruktifikation, Verfärbung und biotischen Schäden auf die gesamte Stichprobe

Tab. 10: Temperatur; Jahresvergleich von langjährigem Mittel mit Jahresdurchschnitt

Tab. 11: Niederschlag; Jahresvergleich von langjährigem Mittel mit Jahressumme

Tab. 12: Relative Luftfeuchte; Jahresvergleich von langjährigem Mittel mit Jahresdurchschnitt

1 Einleitung und Themenstellung

In Thüringen, vornehmlich in der näheren Umgebung Jenas, traten in den letzten Jahren an Schwarzkiefern (Pinus nigra Arnhold) massive Kronenschäden auf. Vor einigen Jahren zeigten sich plötzlich braune Triebspitzen, die, wie sich später herausstellte, Vorboten eines epidemischen Schadverlaufs waren. Im gleichen Zeitraum herrschten extreme Witterungs-verhältnisse, beispielsweise wechselte sich ein niederschlagsreicher Sommer 2002 mit einem überdurchschnittlich warmen und trockenen Sommer 2003 ab. Als unmittelbare Folge eines gestiegenen Schadumfangs in Mitteleuropa fiel in der forstlichen Literatur eine verstärkte Präsenz dieses Themas auf.

Die im Allgemeinen als robuste Baumart geltende Schwarzkiefer war bei früheren Erhebungen des Waldzustandes um Jena eine der wenigen Baumarten, die kaum Schäden aufwies. Umso mehr überraschte und verunsicherte in den letzten beiden Jahren der sich verschlechternde Gesamtzustand der Schwarzkiefer. Aufgrund der Symptomatik des Schadens wurde den Fachleuten vor Ort früh bewusst, dass es sich hierbei um einen Triebpilz handeln musste. Stichprobenartig zur Untersuchung gesammelte Zweigproben bestätigten durch eine Analyse im Labor den Verdacht und definierten als Erreger den Pilz Sphaeropsis sapinea (Fr.) Dyko & Sutton (im Folgenden vereinfacht S. sapinea).

Trotz der eindeutigen Bestimmung des Erregers waren ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen über die Zusammenhänge der Erreger-Wirt-Beziehung und der biotischen sowie abiotischen Einflussgrößen noch nicht eindeutig geklärt bzw. aufbereitet. Die vorliegende Arbeit dient einer weiteren Beleuchtung des Schadkomplexes von S. sapinea an der Schwarzkiefer, speziell für den Jenaer Wuchsraum. Das Ziel der Arbeit bestand in der Auswertung von Fachliteratur, der Analyse aller beeinflussenden Elemente und der Bildung von Lösungs-ansätzen für die waldbauliche Praxis. Insbesondere galt es, das plötzliche Auftreten des Pilzes und den für S. sapinea ungewöhnlichen Schadverlauf zu klären.

Als Basis für die Auswertung des Witterungsverlaufs, für die Jahrringanalyse und die Kontrolle der sekundären Schadfaktoren diente der Nachweis des Erregers auf verschiedenen Probeflächen. Die Zustandserhebung von Schwarzkiefer-Beständen zeigte den Ist-Zustand auf und war zugleich Grundlage für weitere periodische Aufnahmen.

Das Schadereignis stieß in breiter Öffentlichkeit auf große Resonanz. Dies liegt hauptsächlich begründet in der Erholungsfunktion, die besonders in Großstadtnähe gelegene Waldgebiete auf den Menschen ausüben. Zur Abrundung des Themas wurde für diese Arbeit eine Meinungsumfrage durchgeführt.

2 Stand der Erkenntnisse

2.1 Biologie des Wirts (P. nigra Arnhold)

Die Schwarzkiefer, Pinus nigra, wurde 1785 von Arnhold beschrieben (Earle, 2001) und wird im angelsächsischen Raum „black pine“ genannt. Sie gehört zur Familie der Pinaceaeen, welche hauptsächlich die nördliche Halbkugel besiedelt und zu der nur die Gattung Pinus zählt. Weltweit sind 110 Arten der Gattung Pinus bekannt, die sich in verschiedene Unterarten und Varietäten gliedern. Sie lassen sich aufgrund verschiedener klimatischer und topographischer Areale an unterschiedlichen anatomischen Merkmalen bestimmen - vgl. Abb. 1 (Mayer, 1992). Die große innerartliche Variabilität, die durch eine natürliche Selektion entstanden ist, verdeutlicht sich am Ost-West-Gefälle bezüglich der Kälteresistenz der verschiedenen Varie-täten. Dies ist anhand der Nadelmorphologie erkennbar (Earle, 2001; v. Haverbeke, 1995).

Morphologisch charakterisiert die Gattung Pinus, dass zwei bis fünf Nadeln je Nadelkissen vorhanden sind und dass die Zapfen in zwei bis drei Jahren reifen (Fukarek et al., 1992). Das natürliche Verbreitungsgebiet von Pinus nigra ist disjunkt, es erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel, über das südliche Frankreich, den Alpenraum, große Teile Italiens und des Balkans bis in die westliche Türkei. Auch auf Korsika, Sizilien und Zypern ist sie vertreten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Natürliches Verbreitungsgebiet von Pinus nigra, ihre Unterarten und Varietäten (Wulf, 2004; Mayer, 1992) etwas verändert

- ssp. nigra Arnhold: var. austracia Höss (6), var. dalmatica (Visiani) Franco (15) und var. Illyrica Vidakovic (7)
- ssp. pallasiana (Lambert) Asch. u. Graebn.: var. banatica Georgescu (8), var. pindica (10), var. balcanica (9), var. pontica Koch
(11), var. caramanica (Loudon) Rehder (12) und var. fenzlii Antoine u. Kotschy ex Carrière (13)
- ssp. clusiana: var. mauretanica (14), var. hispanica (1), var. salzmannii (Dunal) Franco (2)
- ssp. laricio: var. corsicana (3), var. calabrica (5) und var. italica (4) [Wulf, 2004; Earle, 2001; Mayer, 1992]

Das nördlichste autochthone Vorkommen liegt nach Mayer (1992) zit. n. Schmidt (1999) am südöstlichen Alpenrand in Niederösterreich (Wienerwald) und wird von der var. austriaca gebildet, die zur Unterart nigra gehört. Diese ist neben ssp. laricio var. corsicana die am häufigsten angebaute Herkunft in Deutschland (Anonymus, 1992). In Thüringen wurde nur P. nigra ssp. nigra var. a ustriaca gepflanzt (Thomasius, 1977 zit. n. Waldbau-Information, 2004), weshalb diese Herkunft Gegenstand der Untersuchungen dieser Arbeit war. Sie wird im Folgenden vereinfacht als P. nigra bezeichnet. P. nigra gehört zu den Kiefern, die paarweise angeordnete Nadeln besitzen, mit ihrer Herzwurzel bei ausreichender Tiefgründigkeit gut den Boden erschließen und sturmfest sind. Als Halblichtbaumart (Burschel und Huss, 2003) hat sie geringe Ansprüche an Feuchte und Nährkraft des Bodens, was sie auf extremen Standorten gegenüber anderen Baumarten konkurrenzfähig macht. Nur dort erreicht sie ihren Herrschafts-bereich (vgl. Abb. 2). Des Weiteren gilt sie als frostharte und trockenresistente Baumart.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Ökogramm ver-schiedener Baumarten von Brändli, 2002; Ellenberg, 1992; etwas verändert

In nebenstehendem Öko-gramm zeigt die ge-punktete Linie die Nässe- und die Trockengrenze an. Der Bereich zwischen den gepunkteten Linien stellt die physiologische Ampli-tude (Existenzbereich) der Baumarten dar; die Posi-tion der Namen markiert das ökologische Optimum. Im Herrschaftsbereich be-findet sich eine Baumart, wenn sie sich trotz inter-spezifischer Konkurrenz behaupten kann. P. nigra besitzt eine hohe Anpas-sungsfähigkeit an unter-schiedliche Standorte, dies wird an der genetischen Plastizität erkennbar, die sich in der Herausbildung von Unterarten zeigt. Ihr Existenzbereich ist dementsprechend groß, aber wegen der Dominanz anderer Bäume beschränkt er sich auf die extremen Standorte. Ab einer Jahresmitteltemperatur von 7 bis 18 °C und einem Minimum an Jahresniederschlag von 300 mm kann P. nigra gedeihen (Herzog, 2004). Sie benötigt warmes Klima, verträgt jedoch nebelreiche und nasskalte Lagen weniger, da die Gefahr von Pilzbefall besteht (Guldner, 1999).

Die Wirkungen von P. nigra auf ihren Standort sind als positiv einzuschätzen. Sie verbessert auf flachgründigem Muschelkalk den Boden, indem sie durch ihre hohe, schnell verrottende Streuproduktion das Nährstoffangebot erhöht und zusätzlich Wasser speichert. Außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ist sie auf flachgründigen Carbonatböden nicht heimisch, aber als standortgerecht einzustufen (Schmidt, 1999).

2.2 Eigenschaften des Wuchsraumes Jena

Der Untersuchungsort liegt im Wuchsgebiet „Ostthüringisches Trias-Hügelland“ und im Wuchsbezirk der „Ilm-Saale-Muschelkalk-Platten“. Diese großräumliche Gliederung hat spezielle Auswirkungen auf das regionale Klima und das Artgefüge der Vegetation. Der Jenaer Raum ist maßgeblich durch das nur 140 m ü. NN liegende Saaletal, die an Kleinklimaten reichen Muschelkalkhänge und die bis zu 405 m ü. NN hohen Plateaulagen charakterisiert. Der Standort wird weiterhin durch die vegetationslosen Erosionsrinnen und die Abbruchkanten der Muschelkalkplatte (die über dem Buntsandstein ansteht) geprägt (Weigel, 1992 zit. n. Mänz, 2000). In den Tälern und ebenen Lagen befindet sich eine bis zu zwei Meter mächtige Lößlehmauflage, die aufgrund tertiärer Winde aus Steppengebieten verfrachtet wurde (Schubert, 1996). Als Folge daraus siedelten sich in südexponierten, wasserdurchlässigen und flachgründigen Lagen trockenheitsresistente Arten an, auf tiefgründigeren Lößlehmböden Eichen-Buchen-Mischwälder.

Der anthropogen verursachte Wandel der Vegetation hatte nur für einige Arten positive Auswirkungen, z. B. wurden Pflanzengesellschaften der Trockenrasen gefördert, die in heutiger Zeit für den Arten- und Biotopschutz interessant sind. Davor führte die intensive landwirtschaftliche Tätigkeit des Menschen (u. a. Brennholznutzung und Weidewirtschaft) zur Entwaldung und Verarmung durch Winderosion und Nährstoffentzug der Standorte. Dieser Entwicklung wurde unter forstlicher Anleitung der damaligen Stadtförsterei Einhalt geboten. Beispielsweise unterstützte der Jenaer Verschönerungsverein um 1900 mit Anpflanzungen von P. nigra und anderen Gehölzen die Neugründung von Wald. Dessen Ziel war es, nicht nur die Kalkhänge und stadtnahen Plateaus attraktiver zu gestalten, sondern auch eine Boden-verbesserung durch Humusbildung herbeizuführen, die die Erosion und die Verkarstung beenden sollten. Hierfür ist P. nigra als Pionier- und Schutzwaldbaumart geeignet und wird von Petri (1961) zit. n. Mayer (1992) als ideale Baumart für die Erstaufforstung von Kalkstandorten und verkarsteten Standorten bewertet (Fukarek, 1958).

Nach Schmidt (1999) ist P. nigra im Jenaer Raum auf Kalkstein-Rendzinen als standortgerecht und als ein Stadium der Sukzession der „Potenziell natürlichen Vegetation“ (PNV)[1] einzustufen (Döbbeler, 1995 zit. n. Waldbau-Information, 2004). Als Waldgesellschaften würden im Untersuchungsgebiet ohne menschlichen Einfluss der Waldlabkraut-Eichen-Hainbuchenwald, der Steinsamen-Elsbeeren-Wald, der Orchideen-Buchenwald, der Waldgersten-Buchenwald und der Blaugras-Buchenwald vorkommen. Ergänzend sind noch submediterrane Vegetations-formen der trockenwarmen Steilhänge anzuführen (Bauer, 1959 zit. n. Mänz, 2000).

Klimatisch betrachtet gehört Jena mit 46 Sonnentagen (Tage mit einer durchschnittlichen Temperatur > 25 °C) und einer Jahresmitteltemperatur von 8,4 °C zu den wärmsten Gebieten Deutschlands (Weigel, 1992 zit. n. Mänz, 2000). Die Ausprägung des Großklimas wird aufgrund des Reliefs modifiziert, d. h. wärmer und trockener, sodass besonders an den Südhängen xerotherme Vegetation siedeln kann (Heinze, 1996).

Ob P. nigra in Jena standortgerecht ist und sich im Untersuchungszeitraum im physiologischen Optimum befand, wurde durch einen Vergleich von Standortcharakteristik mit den Standort-ansprüchen von P. nigra geklärt. Zusätzlich wurde der Witterungsverlauf ausgewertet, um vorschädigende Einflüsse für den Baum abschätzen zu können und in die Schadanalyse von S. sapinea einzubeziehen.

Das physiologische Optimum kann nach Ellenberg (1982) aus der Mindestlänge einer Vegetationsperiode, der Trophiestufe und den Ansprüchen an die Bodenfeuchte ermittelt werden. Die Vegetationsperiode definiert den Zeitraum an Tagen mit einer durchschnittlichen Temperatur > 10 °C im Bereich der kollinen Höhenstufe (Ellenberg, 1982); sie ist ein Indikator für den Wärmeanspruch einer Baumart. In Jena schwankte sie im Zeitraum 2000 bis 2004 von 150 bis 210 Tagen. Durch die Stufe der Trophie werden die Nährstoffansprüche einer Baumart quantifiziert. P. nigra wächst selbst auf sehr schlecht nährstoffversorgten Böden (Stufen 1-5). P. nigra benötigt trockene, mäßig trockene, mäßig frische oder frische Standorte, wobei wechselfeuchte ausscheiden (www1). Liegen alle drei Parameter außerhalb des Optimums, so wird eine Baumart dem Standort nicht gerecht.

Tab. 1: Wertetabelle für Existenzbereich von P. nigra (v. Dosky, Kühn, Möhwald, 2004; www1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 vgl. Picea abies: 100 Tage; 2langjähriges Mittel; 3Mittel der Periode ´00 - ´04

Die Tab. 1 zeigt, dass sich P. nigra im Untersuchungszeitraum immer im physiologischen Existenzbereich befand. Die Bestände der Probeflächen sind nach Süd/Südost exponiert, unterliegen deshalb insbesondere dem Einfluss von Temperaturextremen und Windeinflüssen (Verdunstung). Sie befinden sich nicht in Kontakt mit dem Grundwasser.

Ist das Ausgangsgestein basenreich, so kann das Puffervermögen des Bodens bezüglich des Nährstoffeintrages aus der Luft als ausreichend angesehen werden. Trotz der von Heinze (1996) nachgewiesenen erhöhten Stickstoffkonzentration in Nadeln, die von einer Versuchs-fläche um Jena stammten, bleibt dieser Faktor in der vorliegenden Arbeit aus methodischen Gründen unberücksichtigt. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass nicht Nährstoff-mangel als ein für P. nigra limitierender Faktor wirkte, sondern die Wasserversorgung im Jenaer Raum (Heinze, 1996).

Neben der allgemeinen Charakteristik des Wuchsraumes müssen zusätzlich die Besonder-heiten der in Jena angepflanzten ssp. nigra var. austracia beurteilt werden. Außer var. austracia wurde im westlichen Deutschland noch die von Korsika stammende ssp. laricio var. corsicana angepflanzt. Sie wird zu den westlichen Herkünften gezählt und besitzt nach Heinze (1996) gegenüber der östlichen Provenienz var. austracia eine geringere Frosthärte. Demzufolge wäre sie für das subkontinental geprägte Klima im Jenaer Raum ungeeignet. Die standörtlichen Unterschiede sind an der Nadelmorphologie erkennbar (Earle, 2001). Vergleicht man die Standortverhältnisse der autochthonen Herkunft in Österreich mit denen in Jena, ergeben sich bis auf den etwas höheren Jahresniederschlag keine Unterschiede, d. h. bezüglich der Dauer der Vegetationsperiode, des Substrats und der Jahresmitteltemperatur.

2.3 Biologie des Erregers (S. sapinea) und Pathogenese der Erkrankung

Der Erreger Sphaeropsis sapinea (Fr.) Dyko & Sutton, auch synonym bekannt als Diplodia pinea (Desm.) Kickx, verursacht in Mitteleuropa an Pinus sylvestris und P. nigra das sogenannte Diplodia-Triebsterben, auch Spitzentrockenfäule genannt. Die Erkrankung äußert sich insbesondere durch das Absterben der jüngsten Triebe zur Zeit ihrer Streckung im Frühjahr. Als Wirte sind größtenteils Kiefern jeden Alters, aber auch Kulturen (Butin, 1989) betroffen. Hinsichtlich der Verbreitung und des epidemischen Schadverlaufs wurde S. sapinea in Deutschland lange Zeit unterschätzt (Kontzog, 1998) und war in der forstlichen Praxis wenig präsent. Weltweit kommen mehr als 30 Pinus spec. sowie die Gattungen A bies, Araucaria, Cedrus (Sinclair et al., 1989), Chamaecyparis, Cypressus, Juniperus, Larix, Pseudotsuga und Thuja als Wirt in Frage (Gibson, 1979 zit. n. Butin, 1984; Farr et al., 1989 zit. n. Stanosz et al., 1999; Palmer et al. 1987 zit. n. Kontzog, 1998). In der Gattung Pinus sind besonders die Arten radiata, nigra, ponderos, sylvestris und halepensis gefährdet. Eine Ausnahme macht Pinus banksiana, die Strauchkiefer, die sich weniger anfällig zeigt. Von Stanosz et al. (1997) wird eine natürliche Resistenz dafür verantwortlich gemacht.

S. sapinea zählt taxonomisch zu den höheren Pilzen der Abteilung Deuteromycophyta und zur Formordnung der Sphaeropsidales, der mehrere tausend Arten angehören. Sie vermehren sich über asexuell gebildete Konidien. Diese Konidien stehen einzeln oder in Ketten an den Konidienträgern, die wiederum in einer Vielzahl in Pyknidien (Fruchtkörper) zusammengefasst sind (Wartenberg, 1979). Mit zunehmender Reife wölben sich die Pyknidien durch die Epidermis, die rundlich bis spaltförmig bricht (Butin, 1984). Saccardo beschrieb die Gattung Sphaeropsis im Jahr 1880 (Brandenburger, 1985).

S. sapinea ist auf der ganzen Welt - mit dem Schwerpunkt auf wärmere Klimate - verbreitet und besitzt die Eigenschaft, sich auch ohne erkennbare Symptome an seinen Wirten zu verbreiten (Brookhouser und Peterson, 1971 zit. n. Stanoz et al., 1997). Als Wund- und Schwächeparasit ist er auf die Vorschädigung seines Wirtes angewiesen, z. B. durch Witterungseinflüsse. Neben der parasitischen Lebensweise kann er sich auch saprophytisch ernähren, d. h. er besiedelt totes organisches Material wie Äste, Zapfen und Stammholz. Am Querschnitt von Holzstämmen ist S. sapinea als Bläueerreger gut an der grau-blauen Farbe des Splintholzes erkennbar.

Mit geschultem Auge sind am Zweig die kugelförmigen, leicht zugespitzten und schwarz bis dunkelbraunen Fruchtkörper (Pyknidien) zu finden. Sie sitzen zu mehreren an der Basis von Nadeln und Nadelscheiden sowie unter abgestorbener Rinde des Triebes. Im Pyknidium befinden sich die erst einzelligen, gelbbraunen, später teilweise zweizelligen, elliptisch bis eiförmigen und dunkelbraunen Konidien. Unter mikroskopischer Betrachtung ist bei älteren Konidien die typisch warzige Oberfläche an der Innenseite der Sporenwand (Endospor) zu erkennen. Die Pyknidien sind ca. 0,3 mm (Engesser und Wicki, 1998) und die Konidien 25 - 36 x 13 - 16 µm[2] (Butin, 1989) groß.

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Abb. 3 : Befallsmerkmale von S. sapinea; Pyknidien an Nadelbasis, links [Aufn.: Autor], Konidien,

Mitte [Aufn.: Heydeck , 2004], stark verharzter Trieb nach Infektion, rechts [Aufn.: Autor]

In Kultur wurden von Stewart und Wingfield (1987) zit. n. Phillips (2004) drei morphologisch zu unterscheidende Typen beschrieben. Besonderes Kennzeichen von Typ A ist das flaumartige Myzel und im Gegensatz zu Typ B die glatte Wand der Konidien. Der Typ C unterscheidet sich gegenüber Typ A lediglich durch seine deutlich größeren Konidien (de Wet et al., 2000 zit. n. Phillips, 2004). Palmer et al. (1987) zit. n. Stanosz et al. (1999) isolierten nur zwei Formen (Typen A und B) von S. sapinea an Pinus aus dem Norden von Zentral-amerika. Deren taxonomische Bedeutung ist aber noch weitestgehend unbekannt (Hawksworth et al., 1995 zit. n. Stanosz et al., 1999). Die Unterschiede zeigen sich nicht nur in der Farbe des Myzels (Typ A weißgrau; Typ B dunkelgrau), sondern in der bei Typ B geringeren Größe und Wachstumsrate - letzteres hat Einfluss auf die Virulenz (Wangs et al., 1985 zit. n. Stanosz et al., 1999). Anhand der klaren Trennung der Typen und weiterer Studien mit beiden Gruppen erhofften sich Stanosz et al. (1999) ein besseres Verständnis für den Schadverlauf von S. sapinea und somit Lösungsansätze für die Forstwirtschaft.

Pathogenese der Erkrankung

Die Infektion von P. nigra durch S. sapinea kann symptomlos ablaufen und viele Jahre in der Phase der Latenz verharren (Butin, 1984). Unter günstigen klimatischen Einflüssen jedoch beginnt die massive Infektion von P. nigra an Sämlingen, Knospen und jungen Trieben, die sich gerade in der Phase der Streckung befinden (Sinclair et al., 1989). Die Hyphen von S. sapinea dringen aufgrund von Verletzungen der Epidermis (Insekten, Hagel usw.) an Nadeln durch die Stomata sowie durch noch intakte unverholzte Rinde junger Triebe in den Wirt ein (Hartmann, 2002; Engesser und Wicki, 1998). Der Pilz scheidet toxische Stoffe aus, die die Durch-lässigkeit der Membran erhöhen (Hartmann, 2002). Befindet sich der Wirt in einem vitalen Zustand, gelingt es ihm, den infizierten Bereich durch Bildung eines Wundperiderms (Butin, 1989) abzuschotten. Liegt aus unterschiedlichen Gründen eine Schwächung des Wirtes vor, ernährt sich der Pilz von den Assimilaten des Baumes. Er verbreitet sich schnell durch das junge Gewebe (Dykstra und Sabourin, 2000). Die besiedelten Bereiche des Wirtes sterben ab und lassen typische Befallsmerkmale von S. sapinea erkennen.

Anzeichen des Befalls sind im Wachstum stehen gebliebene, strohgelbe Maitriebe mit verkürzten Nadeln (fallen nicht aus), nekrotisiertes Gewebe sowie starker Harzfluss bzw. Harzinfiltration in das Gewebe der Triebe (Butin, 1989). Bei schwachem Befall, wenn nur die Triebspitzen betroffen sind, kann der Baum den Nadelverlust durch Austrieb von schlafenden Knospen ausgleichen. Halten sich jedoch die Infektionspotenz des Pilzes und die Wider-standskraft des Baumes die Waage, so bilden sich im Laufe der Zeit verkrümmte und verkürzte Zweige (Sinclair et al., 1989). Starker Befall äußert sich im schnellen Absterben ganzer Kronenteile und Kronen. Im weiteren Krankheitsverlauf werden die Pyknidien ab Juni an der Rinde bzw. unter Rindenschuppen von Zweigen (Engesser und Wicki, 1998) und an zweijährigen Zapfen sichtbar (Butin, 1984). Sporen von S. sapinea überwintern im Gewebe von Zweigen und an Zapfen. Diese Pflanzenteile halten im Frühjahr ein hohes Infektionspotential bereit (Dykstra und Sabourin, 2000).

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Abb. 4: Indizien einer Infektion an P. nigra –Zweigen; Sitzen gebliebener, jüngster Trieb, verharzt (links); schwache Infektion der Maitriebe (rechts) [Aufn.: Autor]

Der Verlauf des epidemischen Schadens wird von vielen Faktoren beeinflusst. Sinclair et al. (1989) definierte den für die Keimung der Konidien wichtigen Temperaturbereich von 12 bis 36 °C. Optimale Verhältnisse liegen vor bei Temperaturen zwischen 20 und 25 °C an zwei aufeinander folgenden Tagen, gepaart mit hoher relativer Luftfeuchte (ca. 90 %), dann ist die Keimrate für eine Infektion am höchsten (Engesser und Wicki, 1998). Weitere begünstigende Faktoren für die Verbreitung sind: Wind, Käfer, Wassertropfen oder Starkregen mit Hagel im Frühjahr sowie ein besonders feuchter April und Mai. Beispielsweise sind schon Regenperioden von 12 h für eine Verbreitung ausreichend (Sinclair et al., 1989). Im Gegensatz dazu wird bei trocken-warmer Witterung im Frühjahr die Ausbreitung entsprechend verzögert. Insekten bilden durch ihre Fraßtätigkeit die Grundlage für bessere Infektionsbedingungen, weil die entstehenden Löcher Eintrittspforten für die Pilze darstellen. Die Käfer selbst können als Vektoren dienen, d. h. als Überträger von Sporen (Kerck, 2004).

Pflanzen können gesundes Gewebe gegenüber Wunden, die Krankheitserreger eindringen lassen, nur abschotten, wenn sie keinem Trockenstress ausgesetzt sind. Bei Wassermangel nimmt die Wasserspannung im Gewebe ab, und ein erfolgreiches Ausharzen des Fressfeindes bzw. der Pilzsporen wird verhindert. Der Schwächeparasit S. sapinea hat somit bei Wassermangel gute Chancen, den Wirt zu besiedeln. Pilze benötigen ein bestimmtes Kleinklima, um sich zu vermehren und den Wirt zu besiedeln. Hierbei nimmt der Pflegezustand, der Einfluss auf die Luftfeuchtigkeit und -temperatur sowie die Konkurrenz der Bäume hat, eine zentrale Stellung ein (vgl. Waldbau-Information, 2004).

Dykstra und Sabourin (2000); Engesser und Wicki (1998); Sinclair et al. (1989); stellten fest, dass an autochthon wachsenden Bäumen signifikant weniger Schäden an P. nigra festzustellen waren, als an Bäumen, die außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes gepflanzt wurden. In Österreich gab es in den letzten Jahren zum ersten Mal Schäden in autochthonen P. nigra -Beständen (Tomiczek et al., 2004).

2.4 Beispiele für Schäden durch S. sapinea

S. sapinea wurde u. a. von Stanosz et al. (1999, 1997) als der am weitesten verbreitete pathogene Pilz an Koniferen beschrieben. Sein Auftreten dehnt sich auf die Kontinente Afrika, Australien, Asien, Europa und Nordamerika aus. Neben P. nigra werden in Nordamerika auch P. sylvestris und P. ponderosa sehr häufig befallen, beispielsweise gab es in den Südstaaten von Nordamerika bis 290.000 ha Schadfläche (Sinclair et al., 1989). Ein weiteres Schad-ereignis war in Verbindung mit Hagel für die Infektion von ca. 2.000 ha P. radiata -Kiefernplantage in der südlichen Kapprovinz Südafrikas verantwortlich und verursachte eine Wertminderung um 50 % durch Hiebsunreifeverlust (Zwolinski et al., 1990).

Erste Symptome einer Trieberkrankung in Europa wurden 1982 aus Holland von van Dam und de Kam (1984) zit. n. Butin (1984) gemeldet. In der Schweiz berichtete als erster Bolay von Schäden an Kiefernarten um den Genfer See im Jahr 1991 (Engesser und Wicki, 1998). Weiterhin kam es Anfang der 90er Jahre in Österreich zu mehreren Schadereignissen. Im nördlichen und mittleren Burgenland (Cech, 1991) und im Marchfeld (Niederösterreich) führten von 1991 bis 1996 maßgeblich die extrem trockenen Sommer zu schlagartigem Absterben von P. nigra (Chech und Tomiczek, 1996 zit. n. Steyrer und Tomiczek, 2002).

Ab dem Jahr 2001 verstärkte sich die Aktivität von S. sapinea in Österreich erneut. Es konnte erstmals ein direkter Zusammenhang von Witterung und Intensität des Schadverlaufs am Beispiel des Marchfeldes nachgewiesen werden (Steyer und Tomiczek, 2002). 2003 waren nach Tomiczek et al. (2004) mit zunehmender Tendenz das Wiener Becken, der Alpenostrand, das Weinviertel und das Alpenvorland betroffen. Für alle Schäden machten Tomiczek et al. (2004) die ungewöhnlich trocken-warme Witterung der Vorjahre verantwortlich, die zu Trockenstress bei P. nigra führte. Ergänzend wiesen Engesser und Wicki (1998) auf Schäden der letzten Jahre in Rumänien, Spanien an P. nigra und P. sylvestris, aber auch in Frankreich an P. nigra und Korsischer Kiefer hin.

1984 stieß man in Deutschland auf Schäden, deren Ausprägung bis dahin unbekannt war (Butin, 1984). Vornehmlich P. sylvestris -Bestände am Niederrhein wiesen die für S. sapinea typischen Befallsmerkmale auf. Einschränkend wies Butin (1984) darauf hin, dass es sich um zufällige Funde handelte, und sich keine Aussage über den tatsächlichen Beginn einer Besiedelung in Deutschland treffen ließe. Auch die Dimension des Schadens war neu: Wurden bis dahin nur Sämlinge befallen, dehnte sich der aktuelle Schaden auch auf ältere Bäume aus. Außerdem ging Butin (1984) von einer Ausbreitung vieler über Deutschland verteilter Infektionsquellen aus.

In Sachsen-Anhalt machte Kontzog (1998) auf die Schädigung eines P. nigra -Mischbestandes im Jahr 1996 aufmerksam. Ein Jahr später waren ca. 40 % aller Bäume abgestorben oder schwer beschädigt. Nach Untersuchungen konnte Kontzog (1998) für den rasanten Schadverlauf eine Vorschädigung der Bäume durch falsche Standortwahl, spannungsreiche Mischung (mit Quercus rubra) und Wasserdefizit anführen.

In anderen Bundesländern traten ebenfalls Schäden auf, z. B. gelangen Majunke et al. (1995) im Jahr 1994 auf einigen Kulturflächen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns der Nachweis von S. sapinea - der Schaden blieb jedoch im Rahmen. Aus dem „Bericht über den Zustand des Waldes“ (2004) war zu entnehmen, dass in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen nach Hagelschlag durch S. sapinea verstärkt Schäden an Pinus spec. mit einem erheblichen Schadholzanfall (z. B. Baden-Württemberg 1.000 Festmeter) auftraten.

In Thüringen konnte an Zweigproben von P. nigra mit typischen Merkmalen einer Trieber-krankung aus den Forstämtern Jena, Arnstadt, Meinigen und Oldisleben S. sapinea analysiert werden (Baier, 2004). Seit etwa zwei Jahren traten in Thüringen verstärkt Triebschäden an P. nigra auf. Das Gleiche war im Jenaer Raum zu beobachten. Der von Schubert (1996) gegenüber anderen Baumarten als vital eingeschätzte Zustand von P. nigra verschlechterte sich in den letzten vier Jahren dramatisch. Begonnen hatte es mit vereinzelten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 : Bestand mit hoher Mortalität,

Sommer 2004 [Aufn.: Autor]

Triebschäden an P. nigra, bis vor zwei Jahren eine Beschleunigung der Erkrankung eintrat, die zum Absterben ganzer Bäume und Bestände im Jahr 2004 führte (Friedrich, 2004). Nach Ein-schätzung von Schubert (2004) sind im Jenaer Stadtwald ca. 50 ha P. nigra und P. sylvestris betroffen, die durch S. sapinea geschädigt sind. Insbesondere die extremen Witterungs-verhältnisse zeichneten für den Befall verantwortlich. Der zügige Fortgang der Krankheit wurde dem Autor an einem aus-gezeichneten Bestand bewusst. Die im Spätsommer vorgenommene Negativauslese war über das Winterhalbjahr 2003/04 nicht mehr aktuell. Im Zeitraum 2003/04 mussten schad-bedingt 2.500 Fm P. sylvestris und P. nigra eingeschlagen werden (Schubert, 2004).

2.5 Aspekte der Untersuchungsmethodik

Das Prinzip der Jahrringauswertung als Grundlage der Dendrochronologie[3] basiert auf dem jährlichen Zuwachs in Gestalt eines Jahrringes. Taktgeber ist die Vegetationszeit der gemäßigten Klimazone. Alle Umwelteinflüsse, die auf den Baum im Laufe seines Lebens einwirken, zeichnen sich summarisch in den Jahrringen bzw. im Zuwachs ab (Schweingruber, 1983). Die Umweltfaktoren, die sich hemmend oder fördernd auf die Prägung der Jahrringe auswirken, sind nach Schweingruber (1983) die Klimazone und die Exposition (Topographie, Himmelsrichtung). Sie haben direkten Einfluss auf die Strahlungsintensität (Verdunstung, Frost), die Temperatur des Bodens (Bodenaktivität), die Feuchtigkeit (Wasser) und schließlich auch auf das Wuchsverhalten der Pflanzen. Ferner wirkt sich die Art des Grundgesteines auf den Nährstoff- und Wasserhaushalt aus, der Wind beeinflusst die Symmetrie der Jahrringe (Kernholzverlagerung, Druckholz), und über das Licht (Kleinklima) wird die Photosynthese eines Baumes gesteuert. Entscheidend bei letzterem ist die soziale Stellung im Bestandesgefüge, z.B. bedeutet viel Licht höheren Zuwachs. Deswegen rekrutieren sich alle Probebäume aus der ersten und der zweiten Baumklasse nach Kraft. Außerdem kann ein Fehlen von Jahrringen aufgrund der sozialen Stellung vermieden werden (Hartig, 1869 zit. n. Schweingruber, 1983).

In Wirtschaftswäldern regelt die Forstwirtschaft den Zuwachs durch Pflegeeingriffe, deren Ziel neben der Auslese auch immer eine Verbesserung der Lichtverhältnisse ist. Dieser positive Effekt hält jedoch nach Mitscherlich (1975) zit. n. Schweingruber (1983) nur wenige Jahre an. Außergewöhnliche Ereignisse, z. B. eine Verletzung des teilungsfähigen Gewebes (Kambium) durch Insekten, Pilze und Waldbrände, aber auch durch mechanische Einflüsse, sind ebenfalls der Jahrringstruktur zu entnehmen. Im gesamten Aufnahmegebiet ist, wie auch deutschlandweit, mit erhöhten Stoffeinträgen zu rechnen.

Durch den Wechsel der Jahreszeiten, insbesondere zwischen der Vegetationsruhe im Winter- und der Vegetationszeit im Sommerhalbjahr, entstehen die anatomisch unterschiedlichen Jahrringe. Zu Beginn der Vegetationszeit bildet der Baum weitlumige, dünnwandige Frühholztracheiden, während es zum Ende der Vegetationszeit englumige, dickwandige Spätholztracheiden sind (Frommhold, 2004). Der deutliche Übergang von Spätholz, das wegen des Lignins dunkler ist, zu Frühholz markiert die Phase der Vegetationsruhe im Winter. Interessant ist, dass im Frühsommer das Frühholz in nur 5-20 Tagen wächst, während des Spätholzes zwischen zwei und drei Monaten benötigt (Schweingruber, 1983).

Nach neuester Forschung können bei Pinus spec. klima- oder parasitenbedingt Jahrringe fehlen, demzufolge sie bei widrigen Bedingungen mit ihrem Wachstum aussetzt (vgl. Bericht über den Zustand des Waldes, 2004; Westphal, 2004). Dieser Aspekt blieb bei der Jahrringanalyse unberücksichtigt.

Ziel der grafischen Darstellung des Zuwachses war es, anhand der Jahrringbreiten das Zuwachsverhalten mit dem Witterungsverlauf des gleichen Zeitraumes ins Verhältnis zu setzen. Beim Vergleich eines Jahrrings mit seinem Nachbarn war zu beachten, dass besonders breite oder schmale Jahrringe an nur einer Probe für Rückschlüsse noch nicht ausreichend und als abnormal zu werten wären. Sollte ein Faktor gravierend sein (Zuwachs verdoppelt bzw. halbiert sich), so riefe dieser in mehreren Individuen eine Reaktion hervor (Schweingruber, 1983). Wäre dies der Fall, so läge ein sog. Ereignisjahr vor und es könnten Rückschlüsse auf limitierende oder fördernde Einflüsse gezogen werden. In dieser Arbeit lag die Grenze ca. bei Verdoppelung bzw. Halbierung des Zuwachses. Bei mehr als drei aufeinander folgenden, auffallend breiten oder schmalen Jahrringen kann dies nach Schweingruber, (1983) als Erholung oder Reduktion angesehen werden.

Für die Auswertung bildeten ausschließlich die Werte der Stammscheiben-Analyse die Grundlage, da sich beim Vergleich von Bohrkernen mit Stammscheiben trotz identischer Probebäume keine Übereinstimmung der Jahrringe zeigte. Alle Einzelergebnisse der Probebäume wurden gemittelt und in die topographischen Standortgruppen „Plateau“ bzw. „Hang“ eingeteilt, so dass eine Mittelkurve entstand. Dies verminderte die naturgegebene individuelle Schwankung im Zuwachs einzelner Bäume und ist Voraussetzung für einen aussagekräftigen Vergleich. Nach Engesser und Wicki (1998) sind die Monate April, Mai für die Besiedelung des Wirtes und die Periode Juni – August für die Verbreitung von S. sapinea interessant. Deswegen liegt hier der Schwerpunkt der Auswertung des Witterungsverlaufs.

Die Öffentlichkeitsarbeit hat in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Arbeit geworden. Auch Forstbetriebe stehen in intensivem Kontakt mit der Gesellschaft. Ihr Tun und Handeln wird mit großer Aufmerksamkeit von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Forstwirtschaft verkörpert den kompetenten Ansprechpartner für alle Fragen, die den Wald betreffen. Somit besteht auch eine bestimmte Erwartungshaltung seitens der Bevölkerung im Falle von Schadereignissen. Dadurch steht die Forstwirtschaft in der Pflicht, fachgerecht auf Fragen zu antworten und Lösungen z.B. für private Waldbesitzer zu erarbeiten. Aufgrund der aktuellen Trieberkrankung an P. nigra sah sich die Stadtforstverwaltung Jena einem großen öffentlichen Interesse gegenüber. Sie reagierte mit verstärkter Pressearbeit und öffentlichen Informationsveranstaltungen (vgl. Anhang). In der ersten Jahreshälfte 2005 verstärkte sich das öffentliche Interesse nochmals, weil der „Bericht über den Zustand des Waldes“ (2004) als Kernaussage eine deutliche Verschlechterung des Gesamtzustandes attestierte. Wegen der öffentlichen Präsenz des Triebsterbens führte der Autor eine Meinungsumfrage mit den Interessengruppen des Waldes durch. Für die verantwortlichen Stellen war diese von Bedeutung, da für sie ein Meinungsbild erstellt wurde, um so die Erwartungshaltung an den Forstbetrieb zu erforschen und Art und Intensität von Maßnahmen besser abzuschätzen.

Im Interesse beider Parteien sollte Anonymität gewährleistet sein. Sowohl Aussagen von interviewten Personen wie auch die vom Autor wiedergegebene Zusammenfassung des Meinungsbildes muss öffentlich vertretbar sein. Der Grund hierfür liegt in der frei zugänglichen Diplomarbeit, die zusammenfassend das Meinungsbild darstellt. In diesem Teil der Arbeit wird deshalb nicht zitiert und auf die namentliche Erwähnung von Personen oder Institutionen verzichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um bei der Art- und Differenzialdiagnose ein vertretbares Ergebnis zu erhalten, war der Ausschluss von Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie bei S. sapinea wichtig. Für den Laien sind die Befallsmerkmale der Scleroderris-Krankheit, Gremmeniella abietina (Lagerb.) Morelet; syn. Scleroderris lagerbergii Gremmen nur schwer von S. sapinea zu unterscheiden. Erste Anzeichen des Befalls werden durch eine braune Knospenbasis (im Querschnitt) und eine verharzte Knospe im Winter angezeigt. Im Gegensatz zu S. sapinea wird ab dem Winterhalbjahr der bereits gestreckte vorjährige Trieb von der Spitzenknospe nach unten fortschreitend getötet (vgl. Abb. 6). An Langtrieben und abgestorbenen Knospen bilden sich im ersten Jahr Pyknidien, deren Konidien im Gegensatz zu S. sapinea sichelförmig gekrümmt und farblos sind (Butin und Siepmann, 1989).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Typische Befallsmerkmale von Gremmeniella abietina (Butin, 1989) etwas verändert

a) Vollständig gestreckter Trieb mit zeitigem Nadelfall; b) Braune Knospenbasis (Längsschnitt)

c) Abgestorbene Triebspitze mit Pyknidien; d) Sichelförmig gekrümmte Konidien

Als weiterer Schadverursacher des Triebsterbens war der Befall durch den Hallimasch, Armillaria mellea (Vahl) Kumm, der meist saprophytisch von totem Material lebt, auszuschließen. A. mellea kann sich auch parasitär ernähren, wenn die Abwehr des Baumes durch Schädlingsbefall oder ungünstige Standortbedingungen geschwächt ist. Seine wichtigsten Erkennungsmerkmale sind die zwischen Rinde und Holz liegenden weißen und flächenartig verteilten Myzellappen sowie schwarze und elastische 1-2 mm dicke Rhizomorphen, die unter der Rinde und im Wurzelbereich zu finden sind (Butin, 1989).

Die mit der Trieberkrankung an P. nigra eng verbundene Bläue des Splintholzes wird von einem saprophytisch lebenden Erregerkomplex verursacht, an dem neben S. sapinea auch zahlreiche Arten der Gattung Ceratocystis spec. (Butin, 1989) und Ophiostoma spec. (Heiniger et al., 2003) beteiligt sind. Bläue ist gut an der blaugrauen Verfärbung des Splintholzes und den dunklen Flecken auf und im Holz zu erkennen (Schwerdtfeger, 1981). Welche Art bzw. welcher Artkomplex im vorliegenden Fall verantwortlich war, konnte nicht untersucht werden.

Insekten können unter der Voraussetzung großer Trockenheit und Frost alleinig für das Absterben von Trieben verantwortlich gemacht werden. Deswegen ist es sehr wichtig, Triebproben nicht nur auf pilzliche Schaderreger zu untersuchen, sondern das Augenmerk auch auf Insekten zu legen. Der Kieferntrieb-Nagekäfer (Ernobius nigrinus Strm .) befällt gerne geschädigte Triebe von P. nigra (Engesser und Wicki, 1998). Er gehört zur Familie der Holzbohrer (Teredilia). Seine Larven sind anhand ihrer Beine und des ihnen anhaftenden, linsenförmigen Kotes von der eines Rüsselkäfers (Magdalis spec.) gut zu unterscheiden.

Infolge der Erkrankung durch S. sapinea nutzten andere sekundäre Arten, wie Bockkäfer und eine Vielzahl weiterer Pilze, die vorgeschädigten Bäume als Habitat. Auf diese geht der Autor nicht näher ein.

Die Auswertung des Witterungsverlaufs stützte sich auf die drei wichtigsten Klimaparameter. Da als Grundlage Werte einer Klimastation im Stadtgebiet von Jena (11°34' ö. L. 50°55' n. B., 215 m ü. NN) dienten, sei ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen Stadtklima und demjenigen von Wald hingewiesen. Die untersuchten Bestände liegen im Mittel 60 bis 120 m höher und zwischen zwei und sechs Kilometer von der Klimastation entfernt.

Die Lufttemperatur (°C) wird im Schatten und zwei Meter über dem Grund gemessen. Für die Feststellung von Veränderungen dient das langjährige Jahresmittel im Zeitraum 1961-1990 als Referenz (v. Dosky, Kühn, Möhwald, 2004).

Der Niederschlag (mm) wird über einen bestimmten Zeitraum summiert. Ein Millimeter Niederschlag entspricht einem Liter pro Quadratmeter (v. Dosky, Kühn, Möhwald, 2004).

Die relative Luftfeuchte (%) bestimmt das Verhältnis von absoluter Feuchte zur Sättigungs-feuchte in Prozent. Ihr Verlauf im Tagesgang verhält sich spiegelbildlich zur Temperatur (Max. am Morgen, Min. am späten Nachmittag), weil das Wasseraufnahmevermögen der Luft zur Temperatur variiert (v. Dosky, Kühn, Möhwald, 2004).

[...]


[1] PNV: Potenziell natürliche Vegetation bedeutet nach Tüxen (1956) zit. n. Ellenberg (1982) ein Artgefüge, das sich ohne menschlichen Einfluss einstellt.

[2] 1 µm = 1/1000 mm

[3] Der Begriff Dendrochronologie leitet sich aus den griechischen Begriffen "dendron" für Baum, "chronos" für Zeit und "logos" für Lehre ab (Schweingruber, 1983).

Ende der Leseprobe aus 56 Seiten

Details

Titel
Waldbauliche Behandlung von Pinus nigra Arnhold -Beständen auf Muschelkalk unter Berücksichtigung der Erkrankung durch Sphaeropsis sapinea (Fr.) Dyko & Sutton
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen  (Ressourcenmanagement)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
56
Katalognummer
V52651
ISBN (eBook)
9783638483070
ISBN (Buch)
9783656795612
Dateigröße
1439 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zusammenfassung in Englisch!
Schlagworte
Waldbauliche, Behandlung, Pinus, Arnhold, Muschelkalk, Berücksichtigung, Erkrankung, Sphaeropsis, Dyko, Sutton
Arbeit zitieren
Thomas Haenisch (Autor:in), 2005, Waldbauliche Behandlung von Pinus nigra Arnhold -Beständen auf Muschelkalk unter Berücksichtigung der Erkrankung durch Sphaeropsis sapinea (Fr.) Dyko & Sutton, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52651

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