Publikumsethik - Positionen einer Ethik der Rezipienten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Publikumsethik
2.1 Einordnung
2.2 Der Begriff Publikumsethik

3 Verantwortung in der Publikumsethik

4 Beiträge zur / Positionen der Publikumsethik
4.1 Die kollektive Verantwortung von Clifford Christians
4.2 Ethos des Rezipienten von Wolfgang Wunden
4.3 Mediennutzungsethik von Hermann Lübbe
4.4 10 Gebote der Mediennutzung Cees J. Hamelink
4.5 Grundfragen der Publikumsethik von Rüdiger Funiok
4.5.1 Das Publikum aus der Perspektive der Mediennutzung
4.5.2 Rollenverantwortung bei der Medienrezeption

5 Fazit

6 Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Seit den 20iger Jahren betreiben Kommunikationswissenschaftler Medienwirkungsforschung. Als Hörfunk und Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckten, stand der passive und manipulierbare Rezipient, der nach dem Stimulus-Response-Modell funktioniert, im Mittelpunkt der Forschung. Mittlerweile ist man sich jedoch einig, dass der Rezipient durchaus aktiv ist und schon durch das Überangebot, bei seiner Mediennutzung selektiv vorgehen muss. Medienrezeption ist persönlichkeits- und situationsabhängig. Allgemeine Aussagen über die Wirkung der Massenmedien können besonders in einer Gesellschaft der fortschreitenden Individualisierung nur sehr schwer getroffen werden. Der Rezipient entspricht nicht einem unmanipulierbaren und moralischen Idealbild[1], ihm wird aber mehr Aktivität und Individualität[2] und damit Verantwortung für sein Verhalten zugetraut. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren das Thema Medienethik in der Kommunikationswissenschaft verstärkt aufgegriffen worden ist. Meist ist in diesem Zusammenhang die journalistische Ethik, also die Ethik der Kommunikatoren in der Massenkommunikation gemeint. Trotzdem stellt sich die Frage, welche ethische Verantwortung dem Publikum in den Massenmedien zukommen kann.

Um diese Frage näher zu beleuchten, sollen im Folgenden die wichtigsten Positionen der Publikumsethik besprochen werden. Jedem dargestellten Beitrag wird eine kritische Betrachtung folgen. Zu Beginn erscheint es sinnvoll, eine kurze wissenschaftliche Einordnung der Publikumsethik und ein Kapitel über die Verantwortung im Rahmen der Publikumsethik voranzustellen. Am Ende soll ein Ausblick stehen, was die Publikumsethik praktisch und theoretisch leisten kann

2 Publikumsethik

2.1 Einordnung

Ethik als Teildisziplin der Philosophie, kann in eine deskriptive Ethik, welche die geltenden Normen untersucht und in eine normenbegründende Ethik unterteilt werden, die versucht richtige Handlungsnormen zu ermitteln, die auf erkennbare moralische Prinzipien zurückzuführen sind. Über die Jahrhunderte sind in der Frage der Ethik verschiedene Theorien entwickelt worden, wie menschliches Handeln zu beurteilen ist. Beispiele für solche Begründungsstrategien sind: Verantwortungsethik, Sozialethik, Individualethik, Systemethik, Gesinnungsethik. Der wohl bekanntest Entwurf ist der kategorische Imperativ von Immanuel Kant. Aus dieser allgemeine Ethik, die sich mit dem Handeln des Menschen im Gesamtem befasst, haben sich Bereichsethiken oder angewandte Ethiken entwickelt. Eine solche Bereichsethik ist die Medienethik. Die Theorien der allgemeinen Ethik werden dabei auf die Medien angewandt. Ein Beispiel dafür ist, eine journalistische Leistung gemäß der Gesinnungsethik, nach der Gesinnung des Journalisten und nicht beispielsweise wie es die Verantwortungsethik fordert nach den Folgen der Publizität zu bewerten.

Bereichsethiken entstehen, wenn es aufgrund des technischen oder wissenschaftlichen Fortschritts neue Handlungsmöglichkeiten gibt, von denen man zunächst nicht weiß, wie man richtig damit umgehen soll. Wenn es Bedarf an neuen gesetzlichen Regelungen gibt, kann eine solche Ethik als Rechtsgrundlage dienen.[3]

Publikumsethik ist wiederum ein Bereich der Medienethik, die sich mit der Ethik des

Publikums beschäftig. Publikumsethik fragt also wie sich das Publikum verhalten soll, nicht wie es sich verhalten muss. Dafür gibt es Gesetze wie die Jugendschutzbestimmungen.

Noch 1985 merkte Boventer an, dass sich die Kommunikationswissenschaft zuwenig mit der Ethik beschäftig und dafür der Empirie den Vorzug gibt.[4] Heute ist nicht zuletzt durch die Entwicklung des Internets, der Ethikbedarf wieder gestiegen.

2.2 Der Begriff Publikumsethik

Publikumsethik meint, wie oben bereits besprochen, die Beschäftigung mit der Ethik des Lesers, Hörers, Zuschauers und Surfers. Die Bezeichnung impliziert jedoch eine bestimmte Sichtweise des Rezipienten. „Ob der Rezipient als bloß passiver Konsument oder als aktiv handelndes Subjekt angesehen wird, ist unter ethischen Gesichtspunkten ein wesentlicher Unterschied.“[5] Davon hängt es ab, ob sich überhaupt eine Ethik des Publikums entwickeln kann, oder ob sich die Ethik der Massenkommunikation auf eine Produzentenethik beschränken muss. Die Begriffe, Rezipient, Publikum, Nutzer und Konsument haben jeweils andere Konnotationen. Der Begriff Rezipient hat den Vorteil, dass er für alle Medien anwendbar ist. Er lässt aber an ein passives Aufnehmen von Information und Unterhaltung denken. Mit dem Konsumenten assoziiert man einen verbrauchenden Umgang mit den Medien. Medienangebote werden auf den ökonomischen Aspekt reduziert. Damit ist jedoch öffentliche Aufgabe, die die Medien in einem demokratischem Staat leisten nicht berücksichtigt. Beim Stichwort Mediennutzer werden die Eigenschaften Aktivität und Selektion hervorgehoben. Dieses Verständnis drückt eine Wende in der Rezeptionsforschung aus. Der Rezipient wird nicht mehr als Objekt der Massenkommunikation, sondern als Subjekt begriffen.

Funiok plädiert für den Begriff Publikumsethik, da es die Aufgabe der Medien ist „alles politisch relevante zu publizieren, ihrem Publikum zugänglich zu machen.[6] Dieses Bedeutung ist für die Massenmedien unverzichtbar. Die Entwicklung einer Publikumsethik kann nur einen Sinn haben, wenn der Rezipient als aktiv und selektionsfähig anerkannt wird.[7] Im Nachfolgenden wird aus diesem Grund der Begriff Publikumsethik verwendet

3 Verantwortung in der Publikumsethik

Die Publikumsethik geht davon aus, dass der Rezipient durch sein Verhalten (Rezeption, Verweigerung, Feedback etc.[8]) gegenüber den Massenmedien seinen Willen und seine Präferenzen nicht nur ausdrücken kann, sondern dass dies entsprechende Beachtung findet und zu Veränderungen führt. Obwohl es diese Möglichkeiten des Feedbacks und Bürgerkanäle gibt, kann man davon ausgehen, dass das Publikum in der Massenkommunikation eine passiv-rezipierende, im Sinne einer nicht medien-gestaltenden Rolle einnimmt. Die zentrale Frage, die es vor diesem Hintergrund in der Publikumsethik theoretisch und praktisch zu behandeln gilt, ist deshalb, welche Verantwortung dem Publikum als Gesamtheit oder dem Individuum als Teil eines dispersen Publikums in den Medien zukommen kann. Wie soll der Rezipient mit Medienangeboten und mit dem Mediensystem umgehen, damit sein Verhalten als gut bezeichnet werden kann? Es scheint sinnvoll, den einzelnen Positionen der Publikumsethik eine allgemeine Besprechung der Verantwortung, die in diesem Kontext „als ethische Schlüsselkategorie bezeichnet werden“[9] kann, voranzustellen.

Verantwortung kann in folgende Teilaspekte zerlegt werden. Der Handlungsträger, also der Träger der Verantwortung, seine zu verantwortende Handlung, sowie die Betroffenen der Handlung gegenüber denen er sich zu verantworten hat, können differenziert werden. Außerdem kann die Instanz, vor der er sich verantworten muss und die Normen und Werte weswegen er sich verantworten muss, ausgewiesen werden. Der Träger der Verantwortung muss die Instanz anerkennen und in einem hierarchischen Verhältnis dazu stehen. Ursprünglich kommt der Begriff Verantwortung aus der Gerichtsbarkeit. Es geht um Rechtfertigung und Verteidigung einer Handlung. Das Rechtsystem soziale Kontrolle und

Das eigene Gewissen sind mögliche Instanzen.

Die konkrete Zuweisung von Verantwortlichkeiten im Medienunternehmen bereitet wegen der vielen Arbeitsschritte oft Schwierigkeiten.[10] Bei einer kooperativen Verantwortung ist das eigene Gewissen meist keine Instanz mehr, wenn viele Mitarbeiter an einem Projekt beteiligt sind.. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es zusätzlich eine aufmerksame und kritische Öffentlichkeit gibt, die Sanktionskraft hat.

Bei der Verantwortung in den Medien geht man von einer „gestuften Verantwortung“ aus. Neben den Medienschaffenden, den Besitzern und Betreibern von Medienunternehmen, tragen auch die Mediennutzer Verantwortung.[11]

„Die Mitverantwortung des Publikums“[12] kann individualethisch und sozialethisch interpretiert werden. Individuelle Kriterien sind zwar entscheiden. Medienrezeption findet aber auch in der Gruppe statt. Man kann daher auch sozialethische Perspektiven anführen.

Die wichtigsten Lösungsvorschläge zur Problematik der Verantwortung der Mediennutzer sollen im Nachfolgenden erläutert werden. Dabei werden ältere Ansätze zuerst besprochen.

4 Positionen der Publikumsethik

4.1 Die kollektive Verantwortung bei Clifford G. Christians

Christians versteht unter dem Konzept der „kollektiven Verantwortung oder der Verantwortung des Gemeinwesens (communal responsibility)[...], eine umfassende moralische Pflicht der Öffentlichkeit, soziale Prozesse, wie die der gesellschaftlichen Kommunikation zu überwachen.“[13] Im Gegensatz zu Funiok, der die Verantwortung drei sozialen Instanzen zuschreibt, versteht Christians die kollektive Verantwortung als Teil des sozialen Wesens des Menschen. Kulturell Handelnde „tragen die gemeinsame Verantwortung für die Lebensfähigkeit unserer Kultur.“[14] Nach Christians ist es nicht möglich, „bestimmten Personen einen genauen Anteil an konkreter Verantwortung zuzuweisen.“[15] Die Errungenschaft dieses Konzepts ist jedoch, dass man nicht sagen kann, dass Gesellschaften Größen ohne Moral seien.“[16] Zur metaphysischen Begründung der kollektiven Verantwortung zieht Christians das Menschenbild der Aufklärung heran, das den „Zustand von Nicht-Verantwortlichkeit“[17] für nicht vorstellbar hält. Verantwortung sei jedoch in der Ideengeschichte kein verpflichtendes Gut gewesen.

[...]


[1] Vgl.: Christoph Neuberger: Was das Publikum wollen könnte. Autonome und repräsentative Bewertung journalistischer Leistungen. In: Weßler, Hartmut et al.: Perspektiven der Medienkritik. Opladen 1992, S.175

[2] Vgl.: Hermann Boventer: Pressefreiheit ist nicht grenzenlos. Einführung in die Medienethik. Bonn 1989, S. 195-198

[3] Vgl.: Funiok, Rüdiger: Medienethik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung das Parlament. Bonn B 41-42/2000, S. 11-13

[3] Vgl.: Hermann Boventer: Das Prinzip Verantwortung in der Massenkommunikation. In: Maier, Hans (Hg.): Ethik in der Kommunikation. Arbeiten aus dem Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Freiburg/Schweiz.1985, S. 53-54

[5] Wolfgang Wunden: Auch das Publikum trägt Verantwortung. In: Funiok, Rüdiger (Hg.): Grundfragen der Kommunikationsethik. Konstanz 1996, S. 124

[6] Rüdiger Funiok: Grundfragen einer Publikumsethik. In: Holderegger, Adrian (Hg.): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. 2. vollst. überarb. und erw. Aufl. der „Ethik der Medienkommunikation“. Freiburg/Schweiz 1999, S. 235

[7] Vgl.: ebenda S. 235f.

[8] An dieser Stelle sollen die Einflussmöglichkeiten des Rezipienten auf die Medien nur genannt werden. Konkretere Verhaltensweisen werden in späteren Kapiteln noch ausgeführt.

[9] Funiok (2000): a.a.O., S. 14

[10] Vgl.: ebenda S. 14f.. Konkrete Probleme sind die Identifizierung von Handlungs- und Verantwortungsträgern und die unbeabsichtigten folgen bei geteilter Verantwortung.

[11] Vgl.: Funiok (2000): S. 16

[12] ebenda S. 16

[13] Clifford G. Christians: Gibt es eine Verantwortung des Publikums?. In: Wunden, Wolfgang (Hg.): Medien zwischen Markt und Moral. Beiträge zur Medienethik. Frankfurt/M. 1989, S. 258

[14] ebenda S. 258

[15] ebenda S. 259

[16] ebenda S. 259

[17] Christians, a.a.O.: S. 259

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Publikumsethik - Positionen einer Ethik der Rezipienten
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V52650
ISBN (eBook)
9783638483063
ISBN (Buch)
9783656786870
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Verantwortung dem Publikum bei der Medienrezeption zukommt. Es werden verschiedene Positionen der Publikumsethik besprochen.
Schlagworte
Publikumsethik, Positionen, Ethik, Rezipienten
Arbeit zitieren
Sigrid Goldbrunner (Autor:in), 2001, Publikumsethik - Positionen einer Ethik der Rezipienten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52650

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