Die Verfassungsordnung Athens im 5./4. Jh. v. Chr.


Hausarbeit, 2005

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort

2. Entstehung der Demokratie
2.1. Athen vom 8. Jh. v. Chr. bis zur Tyrannis
2.2. Begründung der Demokratie durch Kleisthenes

3. Die Institutionen der attischen Demokratie des 5. Jh.
3.1. Der Rat der 500, die Prytanten und der Epistates
3.2. Die Volksversammlung
3.3. Das Volksgericht / Heliaia
3.3.1. Der Prozess gegen Themistokles
3.4. Die Archonten und der Areopag
3.5. Die Strategen
3.6. Die Beamte / Magistrate

4. Sicherungen zum Schutz der Demokratie
4.1. Ostrakismus
4.2. Kontrolle und Verantwortlichkeit der Politiker / Rhetoren
4.3. Kontrolle der Beamten

5. Grundlagen und Charakteristika der Demokratie
5.1. Grundlagen der Demokratie
5.2.1. Vorteile der attischen Demokratie
5.2.2. Nachteile der attischen Demokratie

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Quellenverzeichnis

1. Vorwort

In der vorliegenden Arbeit soll sich mit der Verfassung Athens im 5. Jh. v. Chr. beschäftigt werden. Es ist Ziel dieser Arbeit ein abgerundetes und möglichst umfassendes Bild über die Staatsordnung Attikas im klassischen Zeitalter zu zeichnen. Dazu ist es notwendig, die Betrachtungen auf die Zeit davor zu lenken, denn im wesentlichen ist die Demokratie des 5. Jh. im 6 Jh. von Solon und dann von Kleisthenes begründet wurden. Nach diesem Abriss der Geschichte Attikas hin zum 5. und 4. Jh. soll dann der Frage nach gegangen werden, welche Verfassungsinstitutionen gab es, wie funktionierten sie und was waren jeweils die einzelnen Besonderheiten. Dabei soll versucht werden die Entwicklung der einzelnen Institutionen von Kleisthenes, der als Begründer der demokratischen Ordnung gilt, bis hin zu Perikles, wo die Demokratie zur vollen Blüte gelangte, zu verdeutlichen.

Ein wesentliches Augenmerk soll dabei auf die Charakteristiken der einzelnen Institutionen und das demokratische System gelenkt werden. Es ist weiterhin Ziel die Prinzipien der politischen und gesellschaftlichen Ordnung darzustellen. Welchen Stellenwert hatten die einzelnen Institutionen in Athen? Kann man davon sprechen, dass der Gerichtshof neben der Volksversammlung das wichtigste Staatsorgan war? Eine weitere interresante Frage ist zudem, ob geographische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Staatsorgane z.B. der Volksversammlung ausübten? Solche und ähnliche Fragestellungen sollen durch diese Hausarbeit beantwortet werden.

Ein weiterer großer Teil der Arbeit soll dem Schutz dieser beispielhaften politischen Ordnung gewidmet werden, sowie deren Grundlagen und Charakteristika. Die attischen Bürger erkannten nämlich sehr wohl, dass ihr gegebene Ordnung nur dann bestand haben konnte, wenn sie jene bestraften, die den Versuch unternahmen diese zu zerstören.

Im drittem größerem Abschnitt soll dann versucht werden, eine zusammenfassende Wertung vorzunehmen. Dabei ist es Ziel die wesentlichsten Charakteristiken herauszuarbeiten sowie die Vor- und Nachteile der attischen Demokratie zu skizzieren. Eines der wichtigsten Grundlagen ist die Gleichheit. Eine Gleichheit die sowohl eine gleiche Behandlung der Bürger aber auch die Freiheit einband. Freiheit und Gleichheit sind, so wird sich sicherlich zeigen, unverzichtbare Stützen der demokratischen Ordnung Athens im 5. Jh. gewesen. Hier zeigt sich nun auch die Bedeutung der attischen Demokratie für unsere ‚moderne Demokratie’. Damit eröffnet sich eine weitere Zielrichtung dieser Arbeit. Nämlich zu zeigen, in wieweit die Vergangenheit bedeutsam für die Gegenwart ist und somit auch für die Zukunft sein wird.

2. Entstehung der Demokratie

2.1. Athen vom 8. Jh. v. Chr. bis zur Tyrannis

Am Anfang bestand in Athen ein Königtum, welchem sich die adligen Herren der attischen Landschaft unterwarfen. So wurde im 9. Jh. v. Chr. Athen und das umliegende Land Attika zum attischen Stadtstaat zusammengefasst Nachdem die Adligen mehr und mehr nach Athen übersiedelten (Stadtadel), wurde die Königsgewalt im 8. Jh. zusehends geringer. Der König verlor seinen Oberbefehl über das Herr und wichtige Verwaltungsaufgaben gingen an Archonten (Herrscher) über. Nur vornehme Familien (Adel) konnten diese Ämter begleiten. Im 7. Jh. übernahmen sie die Macht und setzten den König ab. Es entstand eine Adelsherrschaft (Aristokratie).

In der Folge gab es nun 9 Archonten (gaben Jahr den Namen). Einer war oberster Priester [Archon Basileus], einer Kriegsoberst [Archon Eponymos], einer Stadtvorsteher [Archon Polemarchos] und, seit Drakon, gab es weitere sechs - zuständig für Recht und Gesetz [Thesmotheten].[1]

Die leitende Institution und somit auch das höchste Gericht war der Adelsrat (Areopag). Er vertrat die Polis gegenüber dem Ausland und überwachte die öffentlich Bediensteten.

Schon im 7. Jh. findet sich eine Art Volksversammlung, welche Gesetze beschloss und die Regierungsbeamten (Archonten) wählte. Aber auch in dieser sog. „Volksversammlung“ durften nur Adlige reden. Ein Problem bestand zudem darin, dass die Gesetze nicht schriftlich fixiert wurden, sondern nur durch Magistrate (Eupatriden) gemerkt wurden. Die Erinnerungsleistung der Magistrate an bestimmte Beschlüsse, war natürlich sehr subjektiv und somit auch ungerecht.

Mit der Zeit wurden die Reichen immer reicher und die Armen (kleine Bauern, Hirten, Fischer) immer ärmer. Viele mussten wegen ihrer Schulden den Reichen als Sklaven dienen. Wenn es einem kleinem Bürger nicht gelang seine Schulden zu zahlen, drohte ihm die Schuldknechtschaft. Das hieß, ein Adliger konnte den Bauern samt dessen Familie in ein anderes Land verkaufen.

Wie schon beschrieben, nahmen die Adligen für sich in Anspruch das Recht auszulegen. So wurde um 621 v. Chr. Drakon damit beauftragt, Gesetze niederzuschreiben. Bei Verstoß drohten harte (drakonische) Strafen, so dass man sagte, sie seien mit Blut geschrieben.[2]

Da immer mehr Athener immer weniger Rechte besaßen, bestand die Gefahr eines Aufstandes. 594/93 v.Chr. einigten sich die Konfliktparteien (Arm und Reich) als Kompromiss den, dem Adelsgeschlecht der Medontiden entstammenden, Solon zum Schiedsmann (Diallaktes) zu bestimmen.[3]

Die durch ihn entstandenen Gesetze waren von der Idee des Ausgleichs, der Gerechtigkeit (dike) und der „guten Ordnung“ (eunomia) geleitet. Es zeigt sich ein erster Schritt von der Aristokratie zur Demokratie.

Zu den Reformen Solons zählten u.a., dass er den verschuldeten und so versklavten Kleinbauern die Freiheit zurück gab und für diese eine allgemeine Schuldentilgung durchsetzte. Rückwirkend wurde das Verbot der Verpfändung der eigenen Person, d.h. die Schuldknechtschaft beseitigt, die bereits ins Ausland verkauften Schuldsklaven wurden von der Polis zurückgekauft.

Diese Aufhebung der Versklavung bezog sich freilich nur auf attische Bürger.

Neben der Rückholung geflohener und verbannter attischer Bürger, reformierte Solon die Wirtschaft u.a. durch einheitliche Maße, Gewichte und eine Münzreform. Er förderte die Landwirtschaft, den Handel und das Gewerbe. Aber auch auf dem Gebiet des Rechts gab es Neuerungen, wie z.B., dass jeder Bürger nun das Recht hatte, öffentlich Anklage zu erheben. Auch wurde verhindert, dass Reiche Bürger ihren Grundbesitz ständig erweitern konnten.

Neben weiteren Gesetzen, die der Förderung des Gewerbes und der politischen Aktivierung der Bürger dienen sollten, war die von Solon geschaffene Verfassungsform (später als Timokratie bezeichnet, in der politische Rechte vom Vermögen abhängig waren) von besonderer Bedeutung.

Hier teilte er die Bürger Athens in vier Vermögensklassen, gemessen an Ernteerträgen auf (1 Scheffeln, etwa 50 kg) und machte die politischen Rechte und militärischen Aufgaben des einzelnen Bürgers von diesen Erträgen abhängig. Die oberste Gruppe waren die Pentakosiomedimnoi (Fünfhundertscheffler). Dies waren in der Regel Großgrundbesitzer und Adlige. Sie trugen die Kosten für Flotte und ihnen blieb zunächst das Archonten Amt vorbehalten. Ihr Ernteertrag betrug mind. 500 Scheffel. Wer also genügend erntete konnte unabhängig ob adlig oder nicht in diese Gruppe aufsteigen bzw. absteigen. Die zweite Gruppe waren die Hippeis (Reiter im Herr). Diese waren reiche Kaufleute & Grundbesitzer mit einem Ernteertrag von mind. 300 Scheffel. Die dritte Bevölkerungsgruppe - in der Zeit Solons - waren die Zeugiten (Hopliten [bewaffnete Krieger]). Dies waren mittlere Bauern und Handwerker mit mind. 200 Scheffel Ertrag. Die vierte Gruppe - welche nach Aristoteles auf Solon zurück geht - waren die Theten (Leichtbewaffnete). Dies waren kleine Bauern, Handwerker und Lohnarbeiter mit Bürgerrecht.[4]

Darüber hinaus soll Solon, durch die Schaffung neuer politischer Institutionen, zur politischen Mitbestimmung eines jeden Bürgers beigetragen haben.

Politische Institutionen in der Zeit Solons waren u.a. die Volksversammlung (Ekklesía). Hier hatten alle Einkommensklassen (Männer über 20 Jahren) Stimmrecht. Sie beschlossen über Krieg und Frieden, wählten Beamte und beschlossen Gesetze, welche vom Rat der 400 (Boulé) vorbereitet wurden. Dadurch wurde die Bedeutung des Areopag (Adelsrat) nach und nach geringer. Die 9 Archonten (Herrscher), welche nur den ersten drei Klassen vorbehalten blieben, wurden für ein Jahr gewählt. Bedeutend in dieser Zeit war die Stärkung des Volksgerichts (Heliaia). Zu den Institutionen unter Punkt 3 mehr.[5]

Solons Reformen haben zur Konsolidierung der Polis Athen beigetragen, die gesellschaftlichen und politischen Strukturen jedoch nicht radikal verändert. Die Literatur vermeidet es, schon hier den Begriff demokratisch zu verwenden, da z.B. nicht alle attischen Bürger die gleichen Rechte und Pflichten hatten. Aber Solons Reformen waren ein wichtiger Schritt hin zur attischen Demokratie.[6]

Nachdem Solon seine Neuerungen gegen Kritik aus allen Reihen verteidigt hatte, verließ er Athen in der Hoffnung seine aufgestellte Ordnung würde von den Athener eingehalten und geschützt. Durch die ungleiche Behandlung der armen und reichen Bürger kam es nach Solons Weggang erneut zu Auseinadersetzungen. 561 wurde Peisistratos durch einen Staatsstreich zum Tyrann.[7]

Der Tyrann ließ die geltende Polisverfassung bestehen, die höchsten Ämter blieben seiner Familie und Adligen, die sich seiner Herrschaft unterordneten, vorbehalten. Seine bedeutendsten Leistungen waren: die offenbar gegen Reste der Adelsgerichtsbarkeit gezielte Einsetzung von lokalen Richtern, die großzügige Unterstützung der Kleinbauern durch Darlehen, die Gründung neuer Kolonien und eine umfangreiche Bautätigkeit. Auch wenn es sich hierbei um Maßnahmen zur Herrschaftssicherung gehandelt haben mag, so liegt dennoch die historische Bedeutung der Tyrannis des Peisistratos in der sozialen und ökonomischen Konsolidierung Athens, das in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blüte erlebte und eine rasche Entwicklung in Attika herbeiführte.[8]

Nach dem Tod des Peisistratos 528 oder 527 übernahmen seine tyrannischen Söhne Hipparchos und Hippias die Herrschaft. Hipparchos wurde 514 aus persönlichen Gründen, von den später als Tyrannenmördern verklärten Harmodios und Aristogeiton umgebracht, sein Bruder Hippias 510, mit Hilfe der Spartaner, die Einfluss auf Athen haben wollten, gestürzt.[9]

2.2. Begründung der Demokratie durch Kleisthenes

Nach dem Sturz der Tyranis 510 v.Chr. ging Kleisthenes - Angehöriger des recht einflussreichen attischen Adelshauses den Alkmaioniden - aus den Parteikämpfen rivalisierender Adelsgeschlechter mit Hilfe des Volkes als Sieger hervor. Ein Auseinanderbrechen der Polis durch einen Bürgerkrieg wurde so verhindert.[10] Nach seiner Rückkehr führte Kleisthenes grundlegende Reformen durch. Kernpunkt der kleisthenischen Ordnung war die Phylenreform aus dem Jahr 507 v. Chr.

Durch die neue Einteilung des attischen Volkes hat Kleisthenes die alten Geschlechterverbände auseinandergerissen und sie dadurch ihrer politischen Bedeutung beraubt. Lediglich als Kulturverbände blieben die alten Geschlechterphylen bestehen.[11] Das Ziel war die Schwächung der auf lokalen Gefolgschaften beruhenden politischen Macht des Adels und die Verhinderung von regionalen Parteibildungen. Kleisthenes organisierte zehn neue Phylen (Unterabteilungen; benannt nach Heroen), die auf der Einteilung Attikas in drei Regionen; die Stadt Athen (Asty), das Binnenland (Mesogeion) und die Küste (Paralia), beruhten. Jede dieser Regionen war in zehn Untereinheiten (Trittyen [Drittel]) gegliedert. Anschließend wurden zufällig – wahrscheinlich per Los - jeweils eine Trittye Athen, Binnenland und Küste zu einer Phyle zusammengeführt. In den 10 neuen Phylen fanden sich nun 139 Gemeinden (Demen), als lokale Selbstverwaltungskörperschaften, mit eigenem Vorsteher und Institutionen, wieder. Die Phylen waren nun auch verantwortlich für die Bereitstellung eines Kontingentes (Taxis) für den Militärdienst.[12] Diese Reformen lieferten den Grundstein für die Zusammensetzung der Verfassungsorgane, zu denen nun theoretisch jeder ordentliche attische Bürger Zutritt hatte. Kleisthenes gilt u.a. wegen diesen Reformen als der Begründer der Demokratie (Volksherrschaft).

Perikles der 462/1 an die Spitze des Demos von Athen trat, baute die demokratisch Strukturen weiter aus. Er entzog gemeinsam mit Ephialtes dem Areopag das Aufsichtsrecht über Verwaltung und Beamte und übertrug es dem Rat der Fünfhundert, der Volksversammlung (Ekklesía) und den Volksgerichten.

Im Folgendem soll die Verfassung und deren Institutionen, wie sie unter Kleisthenes begründet und schließlich unter Perikles zur vollen Blüte gelangten, näher betrachtet werden.

3. Die Institutionen der attischen Demokratie des 5. Jh.

3.1. Der Rat der 500, die Prytanten und der Epistates

Der Rat der 500 war die einzige ständig tagende Behörde und als solche Zentrum des Staates und Vermittler zwischen Souverän und Gegenständen der Politik,[13] aus heutiger Sicht könnte man ihn daher als „Regierungsersatz“ bezeichnen. Der Rat ist ausführende und vorbereitende Körperschaft für das Entscheidungen treffende Organ, die Volksversammlung. Nach Demosthenes zählt somit der Rat, neben Volksversammlung und Volksgericht, zu den wichtigsten Organen des attischen Staates.[14]

Die Zusammensetzung des Rates beruht auf den 139 Demen (Gemeinden). Die Meldung derer die für dieses Amt kandidieren geschah in den Demen, und wurden dann durch Losverfahren und Losapparate ermittelt.[15] Die Zahl der Bouleuten (Ratsherren) – Mindestalter 30 - war also nach der Größe der Demen bestimmt. Die genau Anzahl schwankte in etwa zwischen 1 – 22 Ratsherren, wobei jeweils die gleiche Anzahl an Ersatzratsherren benannt werden musste. Im gesamten stellte jede Phyle 50 Ratsherren, d.h. z.B. 17 Athen, 17 Küste und 16 Binnenland.[16] Jeder in den Demenlisten eingetragene Bürger konnte zweimal für jeweils ein Jahr Mitglied im Rat sein.[17]

Auch wenn der Rat der 500 sich im Vergleich zu den anderen Organen der attischen Polis grundlegend darin unterschied, dass dieser sich durch die Demen und nicht durch die Phylen rekrutierte, so waren die 10 Phylen dennoch von hoher Bedeutung als sie entscheidend für die Binnenstruktur der Boulé waren.

Denn die Koordination des Rates übernahm die Prytanie, sozusagen der geschäftsführende Ausschuss des Rates. Um eine gleichmäßige Präsenz der Bürgerschaft auch in dieser obersten Instanz zu gewährleisten, übernahm jede der 10 Phyleneinheiten bzw. deren 50 Ratsherren für ein Zehntel des Jahres – 35 bzw. 36 Tage (Jahr nach Mondkalender bestimmt) - diesen Ratsvorsitz. Wie Aristoteles bemerkt wurde gelost, wer als nächstes die Prytanie inne haben sollte.[18]

Der Vorsitzende der Prytanie und somit im Grunde auch das Staatsoberhaupt war der Epistates ton prytaneon. Dieser wurde jeden Abend von den 50 Prytanten neu ausgelost und war dann bis zum nächsten Abend Epistates. D.h. jeder konnte durch Los für genau einen Tag Staatsoberhaupt Attikas werden.[19] Nach Aristoteles kam ihm dabei folgende Aufgabe zu: „ Er verwahrt die Schlüssel zu den Heiligtümern, in denen die Gelder und die Urkunden der Polis lagern, und das Staatssiegel. Er muss auch im Tholos (Gebäude auf Agora) bleiben, zusammen mit einem Drittel der Prytanten, die er selbst bestimmt.“[20]

Die Prytanten sorgen für das funktionieren und die Arbeitsfähigkeit des Rates und saßen ebenfalls in einem Dienstgebäude an der Agora , wo sie z.B. Gesandte empfingen und gut mit ihnen speisten.

Nicht zuletzt wurde es durch das ständige Rotationsprinzip auf allen Ebenen des Rates verhindern, dass jemand besondere Macht erringen konnte, welche die Institution Rat der 500 zweifellos besaß.

Gemäß Aristoteles mussten die Prytanten den Rat täglich, außer an Feiertagen (ca. 75 Tage), einberufen. An den ca. 40 Tagen wo sich die Volksversammlung traf, trat der Rat nach Beendigung dieser zusammen.[21] In der Regel wurde im Buleuterion an der Agora getagt, gelegentlich aber auch in den Hafenstädten. Archelogischequellen gehen davon aus, dass die Ratsherren wie in den heutigen Parlamenten im Halbrund saßen, die Strategen und der Redner jeweils einen besonderen Platz einnahmen.

Die Strategen hatten als einzige, außer den Ratsherren, ein Rede- und Antragsrecht in der Boulé. Diese arbeitete eng mit anderen Magistraten (Institutionen) zusammen und tagte gelegentlich auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.[22]

Wie schon mehrfach erwähnt, waren die Aufgaben des Rates vielseitig. Ihm war die Staatsverwaltung anvertraut, er kontrollierte die Liegenschaften der Polis, überwachte die Beamten, das Heer (Militäraufsicht) und kontrollierte ständig die Finanzen der Polis. Der Rat der 500 bereitete die Tagesordnung der Volksversammlung vor; d.h. Entgegennehmen von Anträgen und deren Formulierung in Vorbeschlüsse. Ihm wurden alle zu ratifizierenden Beschlüsse (proboúleuma) vorgelegt, gestaltete maßgeblich die Außenpolitik / außenpolitischen Beziehungen und beobachtete strengstens andere Institutionen der Polis.[23]

Aus den neun Prytanien, die gerade nicht dem Rat vorstanden, wurde jeweils ein Prohedros (=Vorsteher) gelost. Diese neun Prohedroi bildeten den Vorsitz in der Volksversammlung.

Abgestimmt wurde im Rat mit Handheben und die Ratsherren wurden für ihre Beteiligung mit ca. 5 Obolen (ein guter Ausgleich) entschädigt. Trotzdem, so zeigt es auch Aristoteles, waren die Ratsherren aus der Stadt Athen meist überrepräsentiert. Wenn eine Phyle nicht gerade die Prytanie inne hatte, war es ein enormer Aufwand die oftmals über 40 km zurück zu legen. Nicht jede Demen war immer in der Lage genügend freiwillige Ratsherren zu stellen, deshalb mussten Nominierungen teils erzwungen werden.[24] Das heißt also, der Rat war nicht nur zusammengesetzt aus Freiwilligen, sondern auch teilweise aus „Zwangsverpflichteten“.

Die Boulé gewann noch mehr an Bedeutung, als 462/461 der Areopags (Adelsrat) durch das Bemühen von Ephialtes und dann von Perikles, zusehendst entmachtet wurde.[25]

[...]


[1] Vgl. Kinder, Hermann / Hilgemann, Werner: dtv – Atlas Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2000, S. 55.

[2] Vgl. Hansen, Mogens Herman: Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenses. Strukturen, Prinzipien und Selbstverständnis, Übersetz. Schuller, Wolfgang, Akademie Verlag, Berlin 1995, S. 28. & Plutarch: Solon 17,3.

[3] Vgl. Putarch: Solon 13, 14.

[4] Vgl. Welwei, Karl-Wilhelm: Das klassische Athen, Wiss. Buchgesellschaft, Stuttgart 1983, S. 148. & Aristoteles: Ath. Pol. 7,3.

[5] Vgl. Plutarch. Solon. 19, 1-2. & Weber, Georg: Griechische Geschichte, Emil Vollmer Verlag, Essen 1997, S. 173-176.

[6] Vgl. Welwei: Das klassische Athen, Stuttgart 1983, S. 152.

[7] Hansen: Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, Berlin 1995, S. 31 & Herodot 1,59,4-6.

[8] Vgl. Weber: Griechische Geschichte, Essen 1997, S. 185-187.

[9] Vgl. Hansen: Die Athenische Demokratie, Berlin 1995, S. 32. & Aristoteles: Ath. Pol. 19.

[10] Vgl. Welwei: Das klassische Athen, Stuttgart 1983, S. 157f.

[11] Bengtson, Hermann (Hrsg.): Griechen und Perser – Die Mittelmeerwelt im Altertum I, in: Weltgeschichte, Bd. 5, Weltbild Verlag, Augsburg 2000, S. 36f.

[12] Vgl. Hansen: Die Athenische Demokratie, Berlin 1995, S. 103-108. & Aristoteles: Pol. 1319b19-27. & Aristoteles: Ath. Pol. 21,2-4.

[13] Vgl. Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie, 2. überarb. Aufl., Schöningh Verlag, Paderborn u.a.1994, S. 190

[14] Demosthenes: 20,100.

[15] Vgl. Aristoteles: Ath. Pol. 62,1.

[16] Vgl. Hansen: Die Athenische Demokratie, Berlin 1995, S. 256f. & Welwei: Das klassische Athen, Stuttgart 1983, S. 191f.

[17] Vgl. Aristoteles: Ath. Pol. 62,3.

[18] Aristoteles: Ath. Pol. 42,2.

[19] Vgl. Bleicken: Die athenische Demokratie, Paderborn 1994, S. 196. & Demosthenes: 18, 169.

[20] Aristoteles: Ath. Pol. 44,1.

[21] Vgl. Hansen: Die Athenische Demokratie, Berlin 1995, S. 260. & Aristoteles: Ath. Pol. 43,3.

[22] Vgl. ebd., S. 261-263. & Welwei: Das klassische Athen, Stuttgart 1983, S. 192-194.

[23] Vgl. Bleicken: Die athenische Demokratie, Paderborn 1994, S. 199-203. & Aristoteles: Ath. Pol. 45,2 / 47,2-4.

[24] Vgl. Demosthenes: 57,9-14.

[25] Vgl. Hansen: Die Athenische Demokratie, Berlin 1995, S. 261.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Verfassungsordnung Athens im 5./4. Jh. v. Chr.
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Altertumswissenschaften)
Veranstaltung
Politik und Gesellschaft im klassischen Athen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V52638
ISBN (eBook)
9783638482967
ISBN (Buch)
9783638651226
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verfassungsordnung, Athens, Politik, Gesellschaft, Athen
Arbeit zitieren
Christian Tischner (Autor:in), 2005, Die Verfassungsordnung Athens im 5./4. Jh. v. Chr., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52638

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