Sprache in der Politik: Schlagwörter in der DDR


Hausarbeit, 2006

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Bemerkungen zur Auswahl der Korpustexte

3. Was sind Schlagwörter?

4. Textanalyse
4.1. Otto Grotewohl: Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der DDR auf der gemeinsamen Tagung der Provisorischen Volks- und Länderkammer
4.2. Walter Ulbricht: Rundfunk- und Fernsehansprache zu den Maßnahmen am 13. August
4.3. Erich Honecker: Rede auf der 8. Tagung des Zentralkomitees der SED
4.4. Erich Honecker: Bericht des ZK der SED an den X. Parteitag der SED

5. Besonderheiten des Schlagwortgebrauchs in der politischen Sprache der DDR

6. Fazit

1. Einleitung

In der Politik ist die Sprache nicht nur ein harmloses Mittel zur Kommunikation. Sie kann in den Händen der Herrschenden zu einem gefährlichen Werkzeug zur Manipulation der Bevölkerung werden. In der neueren Geschichte Deutschlands stellt neben dem gezielten Missbrauch von Sprache durch die Nationalsozialisten der politische Sprachgebrauch in der DDR ein typisches Beispiel für den Versuch einer Steuerung der Meinungen von Menschen durch Sprache dar. Innerhalb der politischen Sprache wird hierbei einigen zentralen Wörtern eine besondere Bedeutung zugemessen: Den Schlagwörtern.

Diese Begriffe, welche in der Regel prägnant den Standpunkt einer Gruppe ausdrücken, waren gerade in den politischen Texten der DDR ein häufig angewandtes Mittel der Propaganda. Aufgrund der großen Bedeutung der Schlagwörter in der politischen Sprache der DDR scheint eine systematische Untersuchung des Gebrauchs dieser Wörter anhand zentraler Texte interessant und notwendig.

Dabei soll die Frage beantwortet werden, wann Schlagwörter in politischen Texten eingesetzt werden, welcher Art diese Schlagwörter sind und welcher Zweck damit verfolgt werden soll. Entsprechend dieser Fragestellung erhebt die Analyse nicht den Anspruch einer vollständigen Auflistung aller verwendeten Schlagwörter und deren Einteilung in Untergruppen. Eine solche Absicht verbietet sich ohnehin durch die große Zahl der verwendeten Begriffe mit Schlagwortcharakter. Vielmehr sollen Gesetzmäßigkeiten im Einsatz von Schlagwörtern aufgedeckt werden, welche Aufschluss über die Taktik der DDR-Führung zur Meinungslenkung durch Sprache geben.

Dazu werde ich nach einer Beschreibung des Korpus, der die Grundlage meiner Analyse bildet, eine Einführung darüber geben, wie das Schlagwort definiert ist und die Unterteilung in Schlagwortgruppen vorstellen, welche die Wissenschaft zur präziseren Klassifizierung von Schlagwörtern bereitstellt. Auf Grundlage der darauf folgenden Analyse der vier Korpustexte sollen anschließend in einer vergleichenden Betrachtung die bei der Analyse hervorgetretenen Besonderheiten des Schlagwortgebrauchs der DDR beschrieben werden. Schließlich werden die Ergebnisse der Arbeit in einem abschließenden Fazit zusammengefasst.

2. Bemerkungen zur Auswahl der Korpustexte

Wie schon in der Einleitung erwähnt, stützt sich meine Analyse der Schlagwörter auf einen Korpus von vier ausgewählten Texten aus dem politischen Sprachgebrauch der DDR.

Bevor ich mit der Analyse beginne, ist es notwendig diese Dokumente näher zu beschreiben und zu erläutern, warum gerade sie ausgewählt wurden.

Zuerst fällt auf, dass es sich ausschließlich um politische Reden handelt. Dies schien deshalb sinnvoll, weil nur hier ein Publikum, meist das Volk selbst, direkt angesprochen wird, also ein direkter Bezug zwischen Sprecher und Empfängern besteht, der es dem Redner eher ermöglicht sein Publikum beispielsweise durch gezielten Einsatz bestimmter Schlagwörter zu beeinflussen. Des Weiteren stellte die politische Rede in der DDR ein Kerninstrument der Beeinflussung des Volkes durch den Staat dar und spiegelt somit die politische Sprache der Regierung konkret wider.

Die Auswahl der Texte erfolgte außerdem nach den Kriterien der Beispielhaftigkeit und der Repräsentativität. Mit Beispielhaftigkeit ist hier gemeint, dass typische Schlagwörter der DDR-Zeit enthalten sind, an denen sich eine Analyse festmachen lässt. Weiterhin sollen die Texte aber auch repräsentativ den politischen Sprachgebrauch von vier Jahrzehnten DDR-Geschichte widerspiegeln, weshalb vier Texte ausgewählt wurden, die - möglichst breit gestreut - die Periode der sozialistischen Herrschaft abdecken. Auch die Tatsache, dass die gewählten Texte in Bezug auf Redner, Publikum, Gegenstand und zeitgeschichtlichen Kontext variieren, ist beabsichtigt und soll eine möglichst breite Sicht auf den Analysegegenstand ermöglichen.

3. Was sind Schlagwörter?

Um eine Untersuchung der Texte in Bezug auf Schlagwörter durchführen zu können, muss zunächst geklärt werden, was in der Forschung unter diesem Begriff verstanden wird, wobei auch die Subklassifikationen zu berücksichtigen sind, mit denen Schlagwörter im allgemeinen unterteilt werden.

Die erste und bis heute am weitesten verbreitete Definition des Schlagwortes gab Otto Ladendorf im Jahre 1900 in seinem Historischen Schlagwörterbuch, mit dem er die moderne Schlagwortforschung im Wesentlichen begründete. Unter Schlagwörtern versteht er „Ausdrücke und Wendungen […], denen sowohl eine prägnante Form wie auch ein gesteigerter Gefühlswert eigentümlich ist, insofern sie nämlich entweder einen bestimmten Standpunkt für oder wider ein Streben, eine Einrichtung, ein Geschehnis nachdrücklich betonen oder doch wenigstens gewisse Untertöne des Scherzes, der Satire, des Hohnes und dergleichen deutlich mit erklingen lassen“[1]

Später wurde in Anlehnung an Ladendorf betont, im Schlagwort müsse sich ein Programm einer bestimmten Gruppe kondensieren, es müsse das Komplizierte auf das Typische reduzieren.[2]

Weiterhin ist sich die Wissenschaft darin einig, dass Schlagwörter im Gegensatz zu geflügelten Worten keine vollständigen Wendungen sein können, sondern meist nur aus einem oder zwei Wörtern bestehen.[3]

Schließlich wird noch eine persuasive, propagandistische Absicht betont, die den Schlagwörtern innewohnt sowie die Appellfunktion solcher Wörter, die, weil sie ideologische Differenzen ausdrücken, parteiisch sind und entweder Zustimmung oder Ablehnung beim Adressaten hervorrufen sollen.

Aufgrund dieser „lexikalischen Bipolaritität“[4] teilt Hermanns die Schlagwörter in zwei entgegengesetzte Gruppen, nämlich in Fahnen- und Stigmawörter. Während Fahnenwörter dazu dienen, eine Zugehörigkeit des Sprechers zu einer bestimmten Partei auszudrücken, d.h. im positiven Sinne als Erkennungszeichen einer Gruppierung fungieren[5], macht das Stigmawort ebenfalls „einen Parteistandpunkt in plakativer Weise kenntlich“[6], zielt jedoch darauf ab, die gegnerische Partei bzw. deren Programm zu diskreditieren. Hierbei kann es vorkommen, dass ein und dasselbe Wort von gegnerischen Gruppierungen ideologisch gegensätzlich gedeutet wird und so gleichzeitig als Stigmawort und als Fahnenwort Verwendung findet. Hier liegt dann eine Bedeutungskonkurrenz[7] vor, das heißt zwei Gruppen verwenden den gleichen Begriff mit unterschiedlicher Bedeutung. Dieses Phänomen, das in der Forschung „ideologische Polysemie“[8] genannt wird, kann gerade im politischen Sprachgebrauch der DDR in ihrer Gegnerschaft zum Westen beobachtet werden.

Die grobe Einteilung der Schlagwörter in Fahnen- und Stigmawörter reicht jedoch nicht aus, um eine andere Klasse der positiven Schlagwörter zu erfassen. Neben den an eine Partei gebundenen Fahnenwörtern existieren nämlich Wendungen, die abseits abgegrenzter Gruppen von allen als positiv anerkannt werden, wie beispielsweise Frieden, Freiheit, Einheit etc. Diese Wörter werden als Hochwertwörter bezeichnet und man stellt ihnen die parteiübergreifend negativ bewerteten Unwertwörter entgegen.[9]

Ferner wird neben der Kategorie der Fahnenwörter die Gruppe der Programmwörter eingeführt, die kurz- bis mittelfristige Handlungskonzepte beschreiben und im parteiischen, negativierenden Bereich gesellt sich das Schelt- und das Gegenschlagswort zur Kategorie der Stigmawörter.

Als neutrale, weder positiv noch negativ wertende Wortgruppe wird das an eine Partei gebundene Themawort genannt, das nur wenige Aspekte des Bezeichneten hervorhebt. Sein überparteiliches Pendant ist das Zeitgeistwort.

Die Unterteilung der Schlagworte in Untergruppen, wie ich sie hier skizziert habe, werde ich auch meiner Analyse zugrunde legen, zumal gerade die Häufigkeit einzelner Schlagworttypen im politischen Sprachgebrauch der DDR ins Auge fällt, was eine genauere Betrachtung der Untergruppen für die Analyse unerlässlich macht.

4. Textanalyse

4.1. Otto Grotewohl: Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der DDR auf der gemeinsamen Tagung der Provisorischen Volks- und Länderkammer.

Als ersten Text habe ich die Regierungserklärung des gerade bestätigten Ministerpräsidenten Otto Grotewohl ausgesucht, die dieser fünf Tage nach der offiziellen Gründung der DDR 1949 hielt. Die Rede richtete sich zwar in erster Linie an Parteigenossen, wurde aber auch im Rundfunk übertragen.

Betrachtet man den eher zeremoniellen ersten Abschnitt der Rede Grotewohls, fällt zunächst die Häufigkeit der Nennung von Eigennamen ins Auge. Die Begriffe „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ und „Deutsche Demokratische Republik“ (in ihrer unabgekürzten Form) bezeichnen als zentrale Fahnenwörter des sozialistischen Regimes nicht nur den Staat bzw. die Partei, sondern stehen auch für die politischen Programme und Ziele der Sozialisten. Die Betonung dieser Termini durch Wiederholung und Verwendung der Langform scheint darauf abzuzielen, die Begriffe in die Köpfe der Hörer einzuprägen.

[...]


[1] Ladendorf, Otto, Historisches Schlagwörterbuch. Ein Versuch. Straßburg/Berlin 1906. [Nachdr. Hildesheim 1968], S. XIX.

[2] Vgl. Dieckmann, Walther, Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache. 2. Aufl. Heidelberg 1975, S. 103.

[3] Vgl. Kaempfert, Manfred, Das Schlagwörterbuch. In: Hausmann, Franz Josef/ Reichmann, Oskar/ Wiegand, Herbert Ernst/ Zgusta, Ladislav (Hrsg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin/New York 1990, S. 1200.

[4] Burkhardt, Armin, Deutsche Sprachgeschichte und politische Geschichte. In: Besch, Werner/ Betten, Anne/ Reichmann, Oskar/ Sonderegger, Stefan , Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der dt. Sprache und ihrer Erforschung. 2. Aufl. Berlin 1998, S. 101.

[5] Vgl. Hermanns, Fritz, Schlüssel-, Schlag- und Fahnenwörter. Zu Begrifflichkeit und Theorie der lexikalischen „politischen Semantik“. In: Arbeiten aus dem Sonderforschungsbereich 245 „Sprache und Situation“. Heidelberg/Mannheim 1994. Bericht 81, S. 16.

[6] Hermanns, Fritz, Brisante Wörter. Zur lexikographischen Behandlung parteisprachlicher Wörter und Wendungen in Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache. In: Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.), Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie II. Hildesheim/ New York 1982, S. 92.

[7] Vgl. Hermanns, Schlüssel-, Schlag- und Fahnenwörter, S. 33.

[8] Dieckmann, Sprache in der Politik, S.70ff.

[9] Vgl. Hermanns, Schlüssel-, Schlag- und Fahnenwörter, S. 18f.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Sprache in der Politik: Schlagwörter in der DDR
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich II - Germanistik)
Veranstaltung
Germanistische Linguistik-Proseminar III: Einführung in die gegenwartsbezogene Sprachwissenschaft: Sprachgeschichte des Deutschen: Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V52406
ISBN (eBook)
9783638481298
ISBN (Buch)
9783638724609
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprache, Politik, Schlagwörter, Germanistische, Linguistik-Proseminar, Einführung, Sprachwissenschaft, Sprachgeschichte, Deutschen, Spätmittelalter, Gegenwart
Arbeit zitieren
Julia Rauland (Autor:in), 2006, Sprache in der Politik: Schlagwörter in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52406

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