Die Türkei und die EU


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Türkei auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft

2. Die Republik Türkei
2.1 Geographische Lage
2.2 Bevölkerung
2.3 Religion
2.4 Politik
2.5 Wirtschaft

3. Der lange Weg zum Verhandlungsbeginn
3.1 Das Osmanische Reich
3.2 Anpassung an Europa unter Mustafa Kemal Atatürk seit 1923
3.3 Mitgliedschaft in westlichen Organisationen nach dem Zweiten Weltkrieg
3.4 Assoziierungsabkommen 1963
3.5 Reaktivierung der Beziehungen in den 80er Jahren
3.6 Zollunion 1995
3.7 Status eines Kandidaten für die Vollmitgliedschaft 1999
3.8 EU-Beitrittspartnerschaft 2001
3.9 Zypernfrage
3.10 Verhandlungsbeginn 2005

4. Pro- und Contradebatte
4.1 Grenzziehung
4.2 Menschenrechtsverletzungen
4.3 Kurdenproblematik
4.4 Völkermord an den Armeniern
4.5 Kulturelle Andersartigkeit und Integration
4.6 Bevölkerungswachstum
4.7 Politische Überlastung der EU
4.8 Wirtschaftliche Überforderung der EU

5. Ausblick

6. Literaturverzeichnis

Die Türkei und die EU

1. Die Türkei auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft

Die Debatte um einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union spielt in der politischen Diskussion auf nationaler Ebene in den einzelnen Mitgliedsstaaten und auf europäischer Ebene in den Organen der Europäischen Union eine wichtige Rolle. Das Thema spaltet die EU-Bevölkerung und politische Machtträger in Befürworter und Gegner einer Aufnahme der Türkei. Diese Diskussion ist aber keinesfalls so neu wie sie vielleicht erscheinen mag. Seit über 40 Jahren besteht ein konkretes Interesse von Seiten der Türkei, in die Union aufgenommen zu werden. 1963 wurde ein Assoziationsvertrag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Türkei geschlossen, in dem die Perspektive auf eine spätere Vollmitgliedschaft beinhaltet war. Seit diesem Ereignis vor knapp einem halben Jahrhundert arbeiten türkische Politiker an einer Annäherung ihres Landes an die EU. Zum ersten Mal wurde 1987 ein Antrag auf eine Vollmitgliedschaft gestellt, der zwei Jahre später von der EU abgelehnt wurde, ohne dabei eine spätere Mitgliedschaft prinzipiell auszuschließen. So kam es 1999 dazu, dass die EU der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannte. Ein möglicher Beitritt war jedoch an die Erfüllung der 1993 formulierten Kopenhagener Kriterien[1] gebunden, die jedes potentielle neue Mitglied vor einem Beitritt erfüllen muss. Für die Türkei stellte die Aufstellung der Kriterien einerseits konkrete objektive Anhaltspunkte dar, an denen man sich bei der Annäherung an die EU orientieren konnte und deren Erfüllung einen Beitritt zur EU gewissermaßen unvermeidlich machen würde.[2] „Denn die Kriterien sollten für alle Länder gleichermaßen gelten, die an einem Beitritt interessiert waren - deshalb würde es höchst schwierig, anderen Ländern bei der Erfüllung den Beitritt zu gestatten, der Türkei das gleiche aber zu verwehren.“[3] Andrerseits war die Türkei 1993 noch weit von einer möglichen Erreichung der EU Standards entfernt und die Hoffnungen auf einen schnellen Beitritt mussten begraben werden. Mit dieser Ausgangslage konnte die Türkei ab Mitte der 90er Jahre an einer Angleichung der nationalen Verhältnisse an europäische Richtmaße arbeiten. Begleitet wurde und wird der Reformierungs- und Europäisierungsprozess der Türkei von einer allgemeinen Diskussion über Auswirkungen, Vorteile und Nachteile eines möglichen Beitritts. Es stellt sich die Frage, ob sowohl die Türkei als auch die EU grundsätzlich reif dafür sind, einen Beitritt zu bewältigen. Am 03. Oktober 2005 sollen die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union beginnen.

2. Die Republik Türkei

2.1. Geographische Lage

Die Türkei ist eine Republik, deren Staatsgebiet (ca. 780 000 km2) größtenteils in Vorderasien liegt; nur rund drei Prozent der Gesamtfläche liegen in Südosteuropa. Europa und Asien werden durch die Meerengen der Dardanellen, des Bosporus und das dazwischen liegende Marmarameer getrennt. Die Hauptstadt der Türkei ist Ankara. Nachbarländer sind Bulgarien, Griechenland, Georgien, Armenien, Iran, Irak und Syrien. Die geographische Lage des Landes spielt bei der Diskussion um die Aufnahme der Türkei in die EU insofern eine Rolle, dass die Randlage in Europa und die Ausdehnung des Landes bis zum Nahen Osten eine deutliche Veränderung für die lokale Reichweite der Union bringen würde. Die Verlagerung der EU-Außengrenze nach Osten, die Beziehungen zu den neuen Nachbarländern und das Überschreiten der Kontinentsgrenze zwischen Asien und Europa sind Bestandteile gegenwärtiger Auseinandersetzungen (siehe Kapitel 4.1).

2.2. Bevölkerung

Mit ca. 68 Millionen Einwohnern wäre die Türkei nach Deutschland das Bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union. Das hohe Bevölkerungswachstum in der Türkei verbunden mit rückläufigen Zahlen in der BRD könnte dazu führen, dass die Türkei auf absehbare Zeit an die Spitze dieser Statistik rückt. Langfristig könnte die Türkei zur stärksten Kraft in den EU-Gremien werden und die Politik Europas entscheidend beeinflussen (siehe Kapitel 4.6).

Mit rund 70 Prozent bilden Türken den größten Anteil an der türkischen Bevölkerung. Dahinter folgen mit etwa 20 Prozent die kurdischen Bürger. Die restlichen 10 Prozent bestehen aus Angehörigen zahlreicher kleinerer ethnischer Gruppen. Die multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung hat besonders bei den Beziehungen zwischen Türken und Kurden zu erheblichen Schwierigkeiten geführt (siehe Kapitel 4.3). Die friedliche Lösung der Kurdenfrage stellt für die Türkei eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu einem möglichen EU-Beitritt dar. Ein weiteres bevölkerungsspezifisches Problem stellt die hohe Urbanisierung dar. Über zwei Drittel der Bevölkerung lebt in den Städten. Die Landflucht der Bevölkerung hat in den letzten Jahrzehnten verstärkt zugenommen, was zu einer Verarmung der ländlichen Regionen geführt hat.[4] Damit hätte ein Großteil dieser Gebiete Anspruch auf strukturpolitische Förderung aus dem EU-Kohäsionsfond. Eine Reformierung der Fördermaßnahmen der EU wäre notwendig, um bisherige Empfänger dieser finanziellen Unterstützungen nicht zu benachteiligen. Gegner einer Türkei Mitgliedschaft befürchten nach einem Beitritt weitere Migrationsbewegungen sowohl innerhalb der Türkei als auch einen Abwanderungswelle in andere EU-Länder. Gegner und Befürworter streiten sich über die Auswirkungen, welche diese Wanderbewegungen nach sich ziehen könnten (siehe Kapitel 4.8).

2.3. Religion

Die Türkei ist fast ausnahmslos islamisch. 99 Prozent der Bevölkerung gehören zu dieser Glaubensgemeinschaft. Bis 1928 war der Islam offizielle Staatsreligion der Türkei. Während der Präsidentschaft von Mustafa Kemal Atatürk (1923-1938) versuchte die Regierung eine Trennung zwischen Kirche und Staat zu erreichen. Die Religion sollte in die Sphäre des persönlichen verdrängt werden.[5] Dieser Bruch mit dem Islam konnte sich nur einige Jahre lang halten. Statt Laizismus wurde der Einfluss des Islams nach dem Ende der Regierungszeit von Atatürk wieder stärker. In Bezug auf den Islam ist die Türkei heute in eine laizistische und eine religiöse Gruppe gespalten: „Ihren sichtbaren Ausdruck findet die Auseinandersetzung um die Rolle des Islams (…) in der Diskussion um das Tragen des Kopftuches.“[6] So ist es in der Türkei heute verboten, an staatlichen Plätzen und Einrichtungen das Kopftuch zu tragen. Die staatliche Überwachung von islamischen Institutionen soll die Entwicklung einer parallel zum Staat entstehenden Gegenmachtbildung verhindern: „Durch dieses System soll sichergestellt werden, daß sich die Religionsvertreter nicht zu einem eigenen Machtfaktor wie in anderen islamischen Staaten entwickeln.“[7] Mit der Annäherung an Europa hat auch eine Liberalisierung des Islams stattgefunden. So wurden alte Interpretationen des Korans als falsch erklärt und neu ausgelegt. Diese Berichtigungen sollten insbesondere die Rolle der Frau stärken und zu einer Gleichstellung von Mann und Frau führen. Schwierigkeiten in der Praxis ergeben sich dadurch, dass diese liberale Ausrichtung des Islams nicht bei allen Gesellschaftsschichten angenommen wird. Die bestehenden Probleme führen in der Auseinandersetzunge zwischen der Türkei und Europa zu kulturellen Konflikten. Es kursiert die Frage, ob die islamische Religion mit der christlich-abendländischen Wertorientierung der bisherigen EU Mitgliedsstaaten zusammengeführt werden kann (siehe Kapitel 4.5)

2.4. Politik

Die Gründung der Türkischen Republik war am 29. Oktober 1923. Ihr ging ein Unabhängigkeitskrieg voraus, der nach Ende des ersten Weltkriegs und den Plänen der Alliierten und Griechenlands, das Land aufzuteilen, entfachte.[8] Erster Präsident des Landes war Mustafa Kemal Atatürk, der das Land einem Reformierungs- und Modernisierungsprozess unterwarf. „Damit demonstrierte Kemal, dass die Türkei sich nicht länger einem auf dem Islam beruhenden Staatsgedanken verbunden fühlte“[9] Zentrale Neuordnungen während seiner Regierungszeit waren die Einführung der europäischen Gesetzgebung, der internationalen Jahreszählung, des Frauenstimmrechts und der Einehe, des Familiennamens und des Sonntags als wöchentlichen Feiertag sowie des passiven Frauenwahlrechts. Des Weiteren die Abschaffung des Islams als Staatsreligion, die Einführung des lateinischen Alphabets und das Verbot des Fes als Kopfbedeckung.[10] Atatürk erkannte die Überlegenheit der westlichen Zivilisation und unterzog sein Land einem unbeirrten Anpassungsprozess. 1945 setzte ein Demokratisierungsprozess in der Türkei ein, der unter anderem die Einführung eines Mehrparteiensystems brachte. Nach 15 Jahren Demokratie bestimmten immer wieder Militärregierungen die Politik des Landes. Turgut Özal schaffte als türkischer Ministerpräsident ab 1983 eine Rückorientierung zur Demokratie, eine marktwirtschaftliche Orientierung der Wirtschaft und eine Zurückdrängung des militärischen Einflusses in der Politik.[11] Nach dem Ende seiner Regierungszeit musste die Chance auf eine politische Lösung der Kurdenfrage begraben werden. Auseinandersetzungen mit der kurdischen Bevölkerung wurden wieder mit militärischen Mitteln begegnet: „Bis Ende 1994 wurden über 2000 Dörfer `evakuiert´, die Bewohner mit Waffengewalt zum Verlassen ihrer Häuser gezwungen und diese niedergebrannt und zerstört.“[12] Die Annäherung der Türkei an die EU durch die Zollunion zwang die Türkei dazu, wieder demokratischer zu werden. Eine ernsthafte Rückkehr zu einer europaorientierten Politik gab es erst wieder ab 1999 unter Bülent Ecevit. Seine Regierung ermöglichte notwendige Reformen, welche die Demokratie im Lande stärken und Hindernisse auf dem Weg zum EU-Beitritt beseitigen sollten. Die aktuelle politische Führung der Türkei - geführt von Recep Tayyip Erdogan -, führte diesen europaorientierten Kurs der Türkei weiter. Dennoch bestehen Befürchtungen von Seiten der Beitrittsgegner, die Demokratie in der Türkei sei noch nicht widerstandsfähig genug, um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu rechtfertigen (siehe Kapitel 4.7).

2.5. Wirtschaft

Auf dem Weg zu einer funktionsfähigen Marktwirtschaft hat die Türkei bereits Höhen und Tiefen erlebt. Anfängliche Erfolge brachte ab Anfang der 80er Jahre der tief greifende Wechsel von staatlicher Planwirtschaft zur exportorientierten Marktwirtschaft. „Turgut Özals radikale Reformen haben die Türkei in wenigen Jahren von einem Agrarland in eine Volkswirtschaft mit einer rasch wachsenden Industrie transformiert, von einem Entwicklungs- in ein Schwellenland.“[13] Politische Veränderungen führten in den 90er Jahren zu wirtschaftlicher Umorientierung und einem Stillstand bei der Weiterentwicklung der Marktwirtschaft. Erst das in Kraft treten der Zollunion zwischen der Türkei und der EU im Januar 1996 brachte der türkischen Wirtschaft einen neuen Aufschwung und eine Anpassung an europäische Standards.[14] Auf die Wirtschaftskrise 2001/2002 folgte eine schärfere Trennung von Politik und Wirtschaft. Strukturelle Probleme innerhalb der Türkei ergeben sich durch ein auffälliges West-Ost-Gefälle zwischen dem industriell geprägten Westteil und dem mehr auf Landwirtschaft ausgerichteten Ostteil. So leben viele Menschen in strukturschwachen Regionen und müssen mit sehr einfachen Verhältnissen auskommen. Etwa Zweidrittel der Staatsfläche werden landwirtschaftlich als Ackerland und Weideflächen genutzt. Einer relativ großen Zahl von Beschäftigten in der Landwirtschaft steht ein verhältnismäßig kleiner Anteil des primären Sektors am Bruttoinlandsprodukt gegenüber. Obwohl die Zahl stetig abnimmt, waren 2002 noch über 35 Prozent der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei beschäftigt[15] (2001: 43,4 Prozent)[16]. Gegner einer Türkeiaufnahme in die EU betonen die Schwächen der türkischen Wirtschaft und warnen vor den Gefahren, die auf die EU zukommen würden (siehe Kapitel 4.8).

[...]


[1] Vgl. http://www.europarl.de/index.php?rei=8&dok=385&vers=norm#out

[2] Vgl.http://www.bpb.de/themen/WUDJZT,0,0,Der_umstrittene_Beitritt%3A_Soll_die_T%FCrkei_Mitgli

ed_d er_Europ%E4ischen_Union_werden.html

[3] http://www.bpb.de/themen/WUDJZT,0,0,Der_umstrittene_Beitritt%3A_Soll_die_T%FCrkei_Mitglied_

er_Europ%E4ischen_Union_werden.html

[4] Vgl. Hütteroth 2000: 7

[5] Vgl. Rohan 2004: 100

[6] Steinbach 2002c: 27

[7] Rohan 2004: 100

[8] Vgl. Steinbach 2002a: 9

[9] Steinbach 2002a: 10

[10] Vgl. Steinbach 2002a: 10

[11] Vgl. Steinbach 2002b: 15

[12] Steinbach 2002b: 15

[13] Steinbach 2002f: 50

[14] Vgl. Wulf 2000: 45

[15] Statistisches Bundesamt 2004: 438

[16] Statistisches Bundesamt 2004: 433

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Details

Titel
Die Türkei und die EU
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Proseminar: Basiswissen Sozialkunde
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V52271
ISBN (eBook)
9783638480284
ISBN (Buch)
9783656639701
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Türkei, Proseminar, Basiswissen, Sozialkunde
Arbeit zitieren
Klaus Schönberger (Autor:in), 2005, Die Türkei und die EU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52271

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