Operative Führung von Non-Profit-Organisationen. Besonderheiten und Aspekte eines erfolgsorientierten Managements


Fachbuch, 2020

101 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Hinführung zum Thema
1.1 Ausgangssituation und Gegenstand der Arbeit
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Thematische Abgrenzung
1.4 Methodische Vorgehensweise

2 Theoretische Betrachtungen
2.1 Der NPO-Sektor in Deutschland
2.2 Das Ehrenamt – eine tragende Säule der Gesellschaft
2.3 Zum Begriff der Führung
2.4 Widerspruch und Dilemma in der Führung von Non-Profit-Organisationen
2.5 Ausschlaggebende Aspekte einer erfolgreichen Führung im Non-Profit-Bereich

3 Empirische Erhebung bei Führungskräften in Non-Profit-Organisationen – Methodik und Vorgehensweise
3.1 Begründung eines qualitativen Forschungsansatzes
3.2 Methodik des leitfadengestützten Experteninterviews
3.3 Vorgehensweise bei der empirischen Erhebung

4 Empirische Erhebung bei Führungskräften in Non-Profit-Organisationen – Ergebnisse der Befragungen
4.1 Zur Führungsperson
4.2 Zur Führung von Mitarbeitern und Ehrenamtlichen
4.3 Zur Gesamtführung einer Non-Profit-Organisation

5 Handlungsempfehlungen

6 Schlussbetrachtungen

7 Anhang: Interviewleitfaden

Literatur- und Quellenverzeichnis nach DIN ISO 690

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Abstract

Die vorliegende Bachelorarbeit gibt einen Einblick in die Besonderheiten der operativen Führungsarbeit in basisnahen Non-Profit-Organisationen im Bereich der Wohlfahrtspflege. Die Arbeit richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaft, welche sich mit den eigentümlichen Charakteristika der Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen im Vergleich zur Führungsarbeit in freien Wirtschaftsunternehmen näher auseinandersetzen möchten. Ebenso richtet sich die Arbeit an angehende und bereits etablierte Führungskräfte im Non-Profit-Bereich, welche ihr Wissen bezüglich der besonderen Eigenheiten der operativen Führungsarbeit in dieser Branche weiter vertiefen möchten. Für den Zweck dieser Arbeit wurden mit erfahrenen Führungskräften in Non-Profit-Organisationen Experteninterviews durchgeführt, um von deren Erfahrungen und Empfehlungen zu lernen. Die vorliegende Arbeit richtet hierbei den Fokus explizit auf die Führungsperson selbst, sowie den direkten zwischenmenschlichen Führungstätigkeiten im Alltag einer NPO-Führungskraft. Ziel dieser Arbeit ist es der Frage auf den Grund zu gehen, welche weitreichenden Unterschiede es zwischen der Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen und der Führungsarbeit in profitorientierten Unternehmen gibt, welche Unterschiede dabei von erfahrenen Führungskräften aus Non-Profit-Organisationen wahrgenommen werden, und welche Auswirkungen diese Unterschiede auf die tägliche Führungsarbeit der Führungskräfte in Non-Profit-Organisationen haben. Es werden hierbei Erkenntnisse gewonnen, von denen sowohl Studierende, als auch angehende Führungskräfte, wie auch erfahrene Führende in Non-Profit-Organisationen profitieren können. Wichtige Erkenntnisse sind die systemimmanente Existenz von Widersprüchen und Dilemmata in NPOs, mit denen eine Führungskraft lernen muss umzugehen. Ebenso spielt das Ehrenamt eine existentielle Rolle in jeder Form einer NPO. Das gleichzeitige Führen von Haupt- und Ehrenamt ist eine weitere besondere Herausforderung, der sich eine Führungskraft in einer Non-Profit-Organisation stellen muss.

Abkürzungsverzeichnis

AWO: Arbeiterwohlfahrt e. V.

BAGfW: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V.

BMFSFJ: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

DAV: Deutscher Alpenverein e. V.

DCV: Deutscher Caritasverband e.V.

DOSB: Deutscher Olympischer Sportbund

DPWV: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V.

DRK: Deutsches Rotes Kreuz e. V.

e.V.: eingetragener Verein

ICNPO: The International Classification of Nonprofit Organizations

IHK: Industrie- und Handelskammer

MAs: Mitarbeiter

NPO: Non-Profit-Organisation; Nonprofit-Organisation

SROI: Social Return on Investment

ZWST: Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Non-Profit-Sektor als Teilsystem der Gesellschaft

Abbildung 2: Einteilung in wirtschaftsnahe, verwaltungsnahe und basisnahe NPOs

Abbildung 3: Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege

Abbildung 4: Beschäftigung und Ausgaben im deutschen Non-Profit-Sektor

Abbildung 5: Motive für das freiwillige Engagement, 2014, nach Alter

Abbildung 6: Personalstruktur-Modell in Non-Profit-Organisationen

Abbildung 7: Die sieben Aufgaben der Führung in NPOs– Das Führungs-Puzzle

Abbildung 8: Dauer der Führungstätigkeit der Befragten in ihrer Organisation

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Internationale Klassifizierung von NPOs nach ökonomischer Aktivität

Tabelle 2: Dreizehn idealtypische Führungsdilemmata

Tabelle 3: Häufige Widerspruchslagen in NPOs

Tabelle 4: Die SPSS-Methode nach Helferrich

Tabelle 5: Gliederung des Interviewleitfadens zur Bachelorarbeit. (eigene Darstellung)

Tabelle 6: Termine der Telefoninterviews und Eingang der Fragebögen. (eigene Darstellung)

1 Hinführung zum Thema

1.1 Ausgangssituation und Gegenstand der Arbeit

Der Typus der Non-Profit-Organisation ist schwer zu fassen. Zu unterschiedlich sind die zahlreichen Leistungen und Beiträge dieser Gruppierungen für die Gesellschaft im Ganzen und dem Einzelnen im Speziellen. Einigkeit scheint nur darüber zu bestehen, was sie nicht sind: nämlich von Gewinnerzielungs- und Ausschüttungsabsichten getriebene kapitalistische Unternehmungen.

Der Non-Profit-Sektor ist auch heute in einer Phase allgemeiner wirtschaftlicher Stagnation insgesamt eine Wachstumsbranche. Jedoch hat auch in diesem Bereich die Ökonomisierung in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zugenommen. Der innersektorale Wettbewerb und der Wettbewerb mit Organisationen aus anderen Sektoren nehmen zu. Viele Non-Profit-Organisationen sind mit Veränderungsprozessen befasst, um sich an die erhöhten Anforderungen an Produktivität und Qualität der Leistungserbringung anzupassen. Die Leistungserbringer sollen nachweisen können, dass die von Staat, von gemeinnützigen Stiftungen oder von Privatpersonen zur Verfügung gestellten Mittel effizient und effektiv eingesetzt werden. Dabei wird immer mehr auf betriebswirtschaftliche Mittel zurückgegriffen. Einstige, teils ideologisch motivierte Barrieren gegenüber Management-Techniken werden langsam abgebaut und Führungs-Knowhow findet in Non-Profit-Organisationen Einzug in unterschiedlichster Form. Angesichts der Tatsache, dass NPOs zu einem sehr großen Teil Dienstleistungen erbringen, und dass diese Dienstleistungen ein hohes Maß an Personalintensität mit sich bringen, kommt der Führungsarbeit in diesen Organisationen somit eine besondere Bedeutung zu.

Die vorliegende Arbeit entstand aus dem persönlichen Bezug und Interesse des Verfassers heraus zu erfahren, was es bedeutet, eine am Allgemeinwohl orientierte Non-Profit-Organisation, im Vergleich zu einem Unternehmen in der freien Wirtschaft zu führen und zu leiten. Fachkräfte aus Non-Profit-Organisationen, welche in ihren Betrieben Leitungsfunktionen übernehmen, bleiben nämlich auch als Führungskräfte stets durch ihre Berufsidentität als Sozialarbeiter, Psychologe, Lehrer, Pfarrer oder Pflegefachkraft geprägt.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Die Beschäftigung mit dem theoretischen Wissen über Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen erweckt den Eindruck, dass das Wissen zu dieser Thematik bis dato noch nicht über das Verfassen gutgemeinter persönlicher Ratgeber hinausgeht. Eine allgemeingültige Form der Führungs-Lehre in NPOs ist noch nicht vorhanden. Zu zahlreich sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ausprägungen dieser Organisationsformen. Des Weiteren herrscht ein systemimmanenter Widerspruch hinsichtlich der definitorischen Abgrenzung der Organisationen von Wirtschaftsunternehmen, bei gleichzeitiger Übernahme betriebswirtschaftlicher Prinzipien von selbigen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es deshalb der Frage auf den Grund zu gehen, welche weitreichenden Unterschiede es zwischen der Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen und der Führungsarbeit in profitorientierten Unternehmen gibt, welche Unterschiede dabei von erfahrenen Führungskräften aus Non-Profit-Organisationen wahrgenommen werden, und welche Auswirkungen diese Unterschiede auf die tägliche Führungsarbeit der Führungskräfte in Non-Profit-Organisationen haben.

1.3 Thematische Abgrenzung

Aufgrund der nahezu unüberschaubaren Vielzahl an Non-Profit-Organisationen in Deutschland und auf der ganzen Welt, werden für die Beantwortung der Forschungsfragen nur Non-Profit-Organisationen aus Deutschland herangezogen, welche als „basisnah“ näher kategorisiert werden, und welche dem Bereich der „Wohlfahrtspflege“ zugeschrieben werden. Diese weisen die nötige Größe und die nötige wirtschaftliche Relevanz auf, um sicherzustellen, dass in diesen auch professionelle Führungsarbeit betrieben wird. Ebenso werden für die empirische Erhebung der vorliegenden Arbeit nur Organisationen herangezogen, bei denen das Ehrenamt, neben den hauptamtlichen Tätigkeiten, eine existentielle Rolle spielt. Der Faktor Ehrenamt macht damit die Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen umso herausfordernder und interessanter, wie sich in dieser Arbeit zeigen wird. Des Weiteren liegt der Fokus dieser Arbeit wohlbedacht auf der „operativen“ Ebene der Führungsarbeit, also den tagtäglichen direkten Führungsaufgaben, welchen sich eine Führungskraft in einer Non-Profit-Organisation zu stellen hat.

1.4 Methodische Vorgehensweise

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird, als Grundlage für die weiteren Ausführungen des Themas, eine Typisierung des Begriffes „Non-Profit-Organi-sation“ vorgenommen. Es wird auf die grundsätzlichen charakterlichen Eigenschaften aller Non-Profit-Organisationen eingegangen, sowie eine Spezifizierung dieser für den Zweck der folgenden Ausführungen getätigt. Das nächste Kapitel geht auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Non-Profit-Sektors für die deutsche Volkswirtschaft ein, um die Relevanz des Themas der Bachelorarbeit noch mehr zu untermauern. Ebenso werden gesellschaftliche Entwicklungen und deren Folgen für die Führung in NPOs aufgeführt. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Frage, inwiefern Non-Profit-Organisationen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht überhaupt für die Anwendung betriebswirtschaftlicher Prinzipien eignen.

Ein zentrales Kapitel der Arbeit bildet das Thema „Ehrenamt“, ohne die jegliche Form einer Non-Profit-Organisation nicht existieren kann. Es wird aufgeführt, welche Motive der Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit zugrunde liegen, und wie sich diese Motive auf die Arbeit von Führungskräften auswirken und hierfür berücksichtigt werden sollen.

Folgend richtet sich das Augenmerk auf die inhärenten und unauflösbaren Widersprüche und Dilemmata in Non-Profit-Organisationen. Einer Besonderheit und einer Tatsache, der keiner NPO-Führungskraft entkommen kann, wenn sie erfolgreich in einer Non-Profit-Organisation führen möchte. Im letzten Abschnitt wird der Begriff der „Führung“ näher betrachtet. Führung soll darin als „Leadership“ und nicht als „Management“ verstanden werden. Näheres wird hierzu in Kapitel 2.5 aufgeführt.

Der empirische Teil der Arbeit widmet sich zunächst der Methodik und Vorgehensweise der empirischen Untersuchungen für diese Ausführungen. Es werden sowohl die Vorzüge eines qualitativen Forschungsansatzes für die Bachelorarbeit aufgeführt, als auch Charakteristika eines leitfadengestützten Experteninterviews vorgestellt. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der Expertenbefragungen aufgeführt. Im Zuge dieser Arbeit wurden hierfür mehrere aktive Führungskräfte der in Kapitel 2 eingegrenzten Non-Profit-Organisationen befragt. Sie äußerten sich zu ihrem Wissen und ihren Erfahrungen als Führungspersönlichkeit in einer NPO. Dieses Wissen bietet einen wertvollen und unverzichtbaren Mehrwert für die Ausführungen in der vorliegenden Arbeit.

Die Ausführungen zu den Ergebnissen gliedern sich hierbei zu Aspekten der Führungsperson an sich, zu Aspekten der Führung von Mitarbeiten und Ehrenamtlichen, sowie zu Aspekten der operativen Gesamtführung einer Non-Profit-Organisation. Die Ausführungen schließen mit einigen Handlungsempfehlungen und einem Resümee über die gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchungen. Ebenso erfolgen einige Vorschläge zur weiteren und tieferen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik dieser Bachelorarbeit.

Bezüglich der Nomenklatur wird, aus Gründen der Einfachheit und Einheitlichkeit, in dieser Arbeit durchgehend die maskuline Form der Substantive, sowohl im Singular als auch im Plural, verwendet. Es sind jedoch grundsätzlich männliche und weibliche Personen damit angesprochen, sowie jene, die dem dritten Geschlecht angehören.

2 Theoretische Betrachtungen

Zu Beginn der Arbeit wird zunächst auf den Begriff der „Non-Profit-Organisation“ näher eingegangen. Es wird eine Klassifizierung unterschiedlicher Arten und Formen dieser Organisationen vorgenommen. Dies geschieht in dem Sinne, wie es für diese Arbeit sinnvoll und möglich erscheint. Im Bereich der Non-Profit-Organisationen handelt es sich um einen verhältnismäßig dynamischen Sektor, dessen Grenzen nicht immer klar zu ziehen sind. Es wird jedoch für die empirischen Untersuchungen dieser Arbeit bewusst ein etablierter Teilbereich dieser Organisationen heran gezogen, welcher sich relativ genau definieren lässt.

2.1 Der NPO-Sektor in Deutschland

2.1.1 Der Versuch einer Typisierung von NPOs

Bei der ersten Betrachtung des Begriffes „ Non-Profit-Organisation “ lässt sich feststellen, dass es sich bei dem Begriff um eine Negativ-Abgrenzung zu anderen Organisationen handelt. Im etymologischen Sinne „herrscht geteilte Auffassung weniger darüber, was NPOs sind, als viel mehr darüber, was sie nicht sind: nämlich “not for profit “.“1 „Der an sich negative Begriff der Nonprofit-Organisationen wurde von der Betriebswirtschaftslehre (Führungs- oder Management-Lehre) geprägt.“2 Der Begriff legt eine erste Vermutung nahe, dass NPOs keine Gewinne erzielen. Mit anderen Worten: „Der aus dem Englischen stammende Ausdruck »nonprofit«, der eigentlich »not for profit« meint, wird als »no profit« missverstanden.“3 Wie sich noch zeigen wird, widerspricht dieses Verständnis der Auffassung dieser Arbeit, als auch der Praxis vieler NPOs.

Um sich dem Gegenstand der vorliegenden Abhandlung schrittweise zu nähern bedarf es ebenfalls zu definieren, was eigentlich eine Organisation ist. „Definition lies at the heart of all social analysis.“4

Kühl nennt für eine minimale Definition einer Organisation drei Elemente: Mitgliedschaft, Zweck und Hierarchie.5 Organisationen entscheiden demnach selbstständig darüber, wer eintreten darf und wer wieder austreten muss. Ebenso setzen Organisationen sich selbst einen Zweck. Sie legen zudem fest, wie sie sich strukturieren, welchen Mitgliedern Weisungsbefugnis zukommt, und in welchem Umfang dies grundsätzlich formalisiert wird.6 „Die Autonomie der Entscheide bezüglich Mitgliedschaft, Zweck und Hierarchie wird dabei durch die bestehende Rechtsordnung, die politischen Verhältnisse, sowie durch wirtschaftliche Gegebenheiten begrenzt. In diesem Rahmen und über die drei zentralen Bestimmungsmerkale hinaus können Organisationen die vielfältigsten Formen annehmen und sehr unterschiedliche Ziele verfolgen.“7 Diese erste Annäherung bietet ein sehr weit umfasstes Verständnis des Begriffes einer „Organisation“, welche als „Non-Profit“ bezeichnet werden kann.

Eine etwas enger gefasste Einordnung unternimmt die synonyme Bezeichnung von Non-Profit-Organisationen als „ Dritter Sektor, tertiären Sektor, Unabhängiger Sektor“.8 So ist der tertiäre Sektor weder Markt noch Staat bzw. weder öffentlicher noch privater Bereich, „sondern etwas Anderes, etwas Drittes. Die klassischen Gegensatz-Pole Staat und Markt decken nicht unsere ganze gesellschaftliche Wirklichkeit ab: Eine Fülle an Organisationen gehört nicht zur unmittelbaren Staatsverwaltung, aber auch nicht zu den markt- und gewinnorientierten Privatunternehmen.“9 „Unter dem Dritten Sektor wird im Kontext der Nonprofit-Organisationen also nicht der Dienstleistungssektor (neben dem Agrar- und Produktionssektor) verstanden, sondern vielmehr der Bereich der in privater Trägerschaft befindlichen Nonprofit-Organisationen.“10

Grenzt man zu den gesellschaftlichen Teilsystemen Staat und Markt noch den Bereich des „informellen Sektors“ (private Haushalte) ab, so operieren Non-Profit-Organisationen als eigenes gesellschaftliches Teilsystem, wie in Abbildung 01 dargestellt ist. „Anzumerken ist in diesem Konnex, dass der Nonprofit-Sektor zur Erfüllung seiner gesellschaftlichen Versorgungsfunktion im Gegensatz zu den anderen Sektoren – der Markt steuert sich über den Preis, der Staat über die legitimierte Macht und der informelle Sektor über die Solidarität – nicht auf einen eigenen Steuerungsmechanismus zurückgreifen kann; er bedient sich deshalb der Steuerungsmechanismen der anderen drei Sektoren.11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Non-Profit-Sektor als Teilsystem der Gesellschaft.

(siehe Kaltenbrunner: Integriertes Freiwilligenmanagement in großen, fremdleistungsorientierten Nonprofit-Organisationen. S. 52.)

Ausgehend von diesem dreipoligen Feld und der in der Realität stattfindenden meist eindeutigen Annäherung einer Non-Profit-Organisation an eines dieser drei Pole, wird in einem weiteren Schritt zwischen wirtschaftsnahen, verwaltungsnahen und basisnahen NPOs nach Zauner unterschieden (siehe Abbildung 02).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einteilung in wirtschaftsnahe, verwaltungsnahe und basisnahe NPOs.

(siehe Zauner: Von Solidarität zu Wissen? Was bewegt NPOs? S. 157.)

Wirtschaftsnahe NPOs folgen in hohem Maße den Gesetzen und der Logik der Ökonomie. „Sie bedienen sich geldbasierter Steuerungselemente und sind so in ihrem organisatorischen Handeln oft kaum von Profit-Organisationen zu unterscheiden.“12 Im Extremfall unterscheiden Sie sich von gewinnorientierten Unternehmen lediglich durch ihre Rechtsform. Im Hinblick auf die Führungsfrage von Non-Profit-Organisationen lässt sich sagen, dass sich hier tendenziell klarere Strukturen finden lassen. „Werte haben eher geringere Bedeutung als in anders orientierten NPOs, Entscheidungen sind deutlich an der Ökonomie orientiert, die Mitarbeiterorientierung ist oft schwächer ausgeprägt und ehrenamtliche Arbeit spielt eine geringere Rolle.“13

Zu den verwaltungsnahen NPOs zählen Organisationen, welche durch wiederkehrende Leistungsverträge eng an eine staatliche oder kommunale Stelle gekoppelt sind und die ihr Leistungsangebot mit diesen Auftraggebern abstimmen.14 „Verwaltungsnahe NPOs erfüllen unter meist weitgehender Finanzierung durch die öffentliche Hand Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und sind dieser oft in zentralen Kulturmustern und Entscheidungslogiken ähnlich.15 Die Nähe zur öffentlichen Verwaltung bietet in Bezug auf die Führungstätigkeit in diesen Organisationen mehr Sicherheit, dafür aber auch weniger Freiheit. Ein großer Teil der Tätigkeit ist durch Gesetze und Verordnungen geregelt, gleichzeitig sind auch der Markt und der Kreis an Anspruchsgruppen relativ stabil, demnach aber auch nicht veränderbar. Es gelten andere Spielregeln als in der Wirtschaft.16

Die für diese Arbeit relevante Zielgruppe von Non-Profit-Organisationen ist im Bereich der basisnahen NPOs angesiedelt. NPOs dieser Art sind eng an soziale Bewegungen oder Interessensgruppen gekoppelt, aus denen sie hervorgegangen sind. Sie fördern die Werthaltungen und Überzeugungen ihrer Mitglieder.17 „Die Logik von Macht oder von Geld zählt in ihnen vergleichsweise wenig, Solidarität mit ihrer Basis und ideologische Orientierungen bestimmen den Organisationsalltag.“18 In basisnahen Organisationen zeigen sich die besonderen Charakteristika von NPOs am deutlichsten ausgeprägt: „Eine wertgeladene Organisationskultur, eine inspirierende, oft aber auch anstrengende Buntheit, Mitarbeiterinnenorientierung, diffuse Strukturen, viel Elan, häufig aber wenig Stabilität.“19 Dies hängt in vielen Fällen mit dem Entstehungshintergrund und dem Entwicklungsstadium der Organisation zusammen. NPOs entstehen bspw. aus sozialen Bewegungen heraus und werden zu Beginn von wenigen Personen gegründet, weshalb es anfangs weniger ausgeprägte formale Strukturen bedarf. Diese können sich jedoch mit wachsender Größe, Reife und je nach eingeschlagener Richtung der Organisation noch entwickeln.20 In Bezug auf die spezifischen Aspekte der operativen Organisationsführung von basisnahen Non-Profit-Organisationen lässt sich sagen, dass diese Art von NPOs am ehesten all jene Merkmale der Führung vereinigt, die in den folgenden Ausführungen beschrieben werden, und deren Konsequenzen für eine erfolgreiche Führung in dieser Arbeit diskutiert werden.

Als Zwischenergebnis lässt sich nach den bis hier aufgeführten Aussagen eine zunächst eine sehr allgemeine und breit gefasste Definition von Non-Profit-Organisationen vornehmen: NPOs sind demnach „Organisationen, die [...] einem gesellschaftlich als sinnvoll und notwendig anerkannten Leistungsauftrag folgen und dabei nicht in erster Linie vom Ziel der Gewinngenerierung geleitet werden.“21 Genauere Versuche die Eigenschaften von NPOs im Vergleich zu anderen Organisationen zu definieren scheinen so zahlreich zu sein wie die unzähligen, sich unterscheidenden Arten von NPOs. Für den Zweck dieser Arbeit werden deshalb Begriffsbestimmungen herangezogen, welche dem Ziel dieser Ausarbeitung am Meisten entsprechen.

Einer der gängigsten international geltenden Definitionen, welche auch von vielen NPO-Forschern herangezogen wird, ist jene von Salamon und Anheier, die im Rahmen des „John Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project“ im Jahr 1992 entwickelt wurde. Diese schreibt Non-Profit-Organisationen folgende Eigenschaften zu:

- Ein Mindestmaß an formaler Organisation: Dies meint die Etablierung eines gewissen Grades an formalen Strukturen und Mitgliedschaftsregeln. NPOs sind juristisch registriert bzw. rechtlich selbstständig. Soziale Bewegungen oder Selbsthilfegruppen fallen damit nicht unter den Begriff „Non-Profit-Organisation“.
- Verbot der Gewinnausschüttung: NPOs dürfen keine Gewinne bzw. Überschüsse an Eigentümer oder Mitglieder ausschütten. Gewinne dürfen (oder sollen) zwar erzielt werden, was Non-Profit-Organisationen aber charakterisiert, ist die Form der Gewinnverwendung. Erträge müssen demnach in der Organisation verbleiben und im Sinne des Unternehmenszwecks - der „Mission“ - verwendet werden.
- Private Trägerschaft / Nicht-Staatlichkeit: NPOs müssen institutionell vom Staat getrennt sein. Sie dürfen weder einen Teil des Regierungsapparates darstellen, noch von Gremien, die staatlicher Kontrolle unterliegen, geleitet werden. Allerdings ist es möglich, das Regierungsmitglieder Gremienmitglieder sind, bzw. das Non-Profit-Organisationen in finanzieller Hinsicht teils existentiell vom Staat abhängig sind.
- Ein Minimum an Selbstverwaltung im juristischen Sinn: NPOs verfügen über Entscheidungsautonomie und gestalten ihre formalen Strukturen selbst. Eine externe Beaufsichtigung bzw. Außenkontrolle ist ausgeschlossen.
- Ein Mindestmaß an Freiwilligkeit: Eine NPO muss sich durch ein erkennbares Maß an freiwilliger Beteiligung auszeichnen. Dies kann sich durch ehrenamtliche Arbeit (ugs. auch als „Freiwilligenarbeit“ bezeichnet), Spenden oder freiwilliger Mitgliedschaft ausdrücken. Dies schließt Zwangskorporationen oder Pflichtmitgliedschaften aus.22

Es sei darauf hingewiesen, dass keines der genannten Kriterien als absolut trennscharf angesehen werden kann. „Obwohl dies im Hinblick auf terminologische Klarheit wünschenswert wäre, entspricht die Unschärfe der Grenzen sehr gut den auch in der Realität unscharfen Trennlinien zwischen NPOs und anderen Organisationen.“23

Besonders im deutschsprachigen Raum ist das „Freiburger Management- Modell für Nonprofit-Organisationen“, welches seit dem Jahr 1995 kontinuierlich weiterentwickelt wird, von herausragender Bedeutung. Dies führt folgende acht Charakteristika der privaten Non-Profit-Organisationen auf, welche einige Parallelen zur Definition von Salamon und Anheier aufweisen, aber auch signifikante Unterschiede:

„Als Nonprofit-Organisationen (NPO) bezeichnen wir all jene «zwischen» dem Staat und den privaten Unternehmungen (erwerbswirtschaftliche, auf Märkten agierende Organisationen) angesiedelten Gebiete, welche:

- grundsätzlich von Privaten (Personen, Betriebe, andere NPO) getragen werden, die in der juristischen Form des Vereins oder der Stiftung (seltener der Genossenschaft) konstituiert sind oder durch Gesetz als Selbstverwaltungskörperschaften (meist mit Pflichtmitgliedschaft bzw. gesetzlicher Mitgliedschaft) geschaffen werden;
- als Gebilde/Systeme selber keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke verfolgen, sondern als Auftrag (Mission) die Erbringung spezifischer Leistungen zur Deckung eines bestimmten Bedarfes abgrenzbarer Leistungsempfänger haben und deshalb als Bedarfswirtschaften und/oder Förderwirtschaften bezeichnet werden. Dieser Auftrag ist von der NPO selbstbestimmt oder wird ihr – mindestens teilweise – vom Staat übertragen bzw. überlassen;
- entweder mitgliedschaftlich strukturiert sind und als Zweck die «Bearbeitung» der Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder haben (Selbsthilfe-Organisationen); oder
- Leistungen an Dritte abgeben (Drittleistungs-NPO) im Sinne von Hilfe, Unterstützung, Förderung aufgrund eines ethisch, religiös oder ideologisch begründeten Auftrages (z.B. Wohlfahrtseinrichtungen/Karitativorganisationen) oder zwecks Verbreitung einer Idee bzw. Beeinflussung des Verhaltens anderer. Auch hier ist eine mitgliedschaftliche Trägerschaft möglich, wobei aber nicht die Mitglieder Adressaten der Leistungen der Organisation sind, sondern Dritte (Klienten, externe Zielgruppen);
- die Interessen ihrer Mitglieder oder Klienten gegenüber dem Staat und anderen Organisationen vertreten (Interessenvereinigung, Lobbying);
- sowohl Dienstleistungen an einzelne Personen erbringen (sog. Individualgüter) wie auch Wirkungen, Vorteile für ganze Bevölkerungsgruppen erzeugen (sog. Kollektivgüter);
- alle durch ehrenamtliche Mitarbeit von Mitgliedern oder engagierten Personen in den oberen Organen (z.B. Vorstände, Stiftungsräte) gekennzeichnet sind. Diese ehrenamtliche Tätigkeit von Mitgliedern oder Dritten in Entscheidungs- und Beratungsgremien ist eines der Hauptmerkmale von NPO [...];
- in vielen Fällen Mitglieder oder Dritte als freiwillige Helfer rekrutieren, die meist unentgeltlich in der Erbringung der NPO-Leistungen mitwirken (z.B. Transportdienst für Menschen mit Behinderung).24

Die für das Führungsverständnis dieser Arbeit als existentiell geltenden Merkmale einer Non-Profit-Organisation führen Simsa und Patak in ihren Schriften zu „Leadership in Non-Profit-Organisationen auf“, um auf die Besonderheiten der Führung speziell in NPOs einzugehen. Diese sind nicht als wissenschaftliche Typologie zu verstehen, sondern als illustrative Verdeutlichung der aus der Organisation heraus entstandenen Eigenheiten:

- „Große Bedeutung von Werten und Ideologien: In den meisten NPOs prägen diese den Alltag der Organisation. Die Mission, der Organisationszweck, soziale oder ideologische Anliegen sind in der Regel präsent und handlungsleitend.
- Hohe Emotionalisierung: Die internen Beziehungen, die Einstellungen zum Organisationszweck, aber auch die Einschätzung von externen Stakeholdern sind häufig von einem hohen Grad an Emotionalität geprägt. Konfliktmanagement und die saubere Klärung organisationaler Strukturen werden damit besonders wichtig.
- Hoher Grad an Widersprüchlichkeit: NPOs agieren häufig an der Schnittstelle gesellschaftlicher Subsysteme, oft auch in Konfrontation mit herrschenden Verhältnissen. Geld ist zwar wichtig, allerdings nicht das letzte Entscheidungskriterium. Die Führung muss sich also stärker als in anderen Organisationen um die Balance verschiedener Logiken bemühen.
- Organisationsabwehr: NPOs neigen dazu, formale Strukturen und Abläufe zu unterwandern, informellen Prozessen kommt oft zu große Bedeutung zu. Damit erfordert ein adäquates Wahrnehmen von Autorität und Macht großes Fingerspitzengefühl und die Balance zwischen Formalität und Lebendigkeit wird zur Herausforderung.
- Unerreichbare oder schwer messbare Ziele: NPOs nehmen sich oft jener Probleme an, die die Gesellschaft nicht lösen kann. Meist sind diese von ihrer Natur her nicht vollständig lösbar – es ist nie genug. Zudem ist Erfolgsmessung häufig vielschichtig.“25

Nach der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Eigenschaften von nicht-gewinnorientierten Organisationen wird nun auch noch eine formale Kategorisierung dieser Organisationen nach ihren Tätigkeitsfeldern vorgenommen. Basierend auf den Kriterien von Salamon und Anheier „wurde die International Classification of NPO (ICNPO) erarbeitet, welche NPO aufgrund ihrer ökonomischen Aktivitäten kategorisiert, also entsprechend der Dienstleistungen die sie erbringen, oder der Güter die sie produzieren [...]. Es werden zwölf Gruppen von Organisationen mit jeweils mehreren Untergruppen unterschieden:26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Internationale Klassifizierung von NPOs nach ökonomischer Aktivität.

(siehe Herzka: Führung im Widerspruch: Management in Sozialen Organisationen. S. 17.)

Im Rahmen der weiteren Ausführungen dieser Arbeit erfolgt im Hinblick auf die eben genannte Kategorisierung eine Konzentration auf jene private Non-Profit-Organisationen, welche den Bereichen „Gesundheitswesen“ und „soziale Dienste“ zugeordnet werden können. Diese werden im Folgenden unter dem Begriff der Wohlfahrtspflege zusammengefasst. Das deutsche Steuerrecht bietet hierfür in § 66 Absatz 2 Abgabenordnung (AO) folgende Legaldefinition:

„Wohlfahrtspflege ist die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen. Die Sorge kann sich auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken.“27

Der Bereich der Wohlfahrtspflege kann idealtypisch in zwei bedeutsame Ausprägungen strukturiert werden: Öffentliche und Freie Wohlfahrtspflege. Im Hinblick auf die oben genannten Kriterien von Non-Profit-Organisationen kommen für die weitere Bearbeitung der Thematik nur Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege in Kraft. Die Konzentration in dieser Arbeit auf Non-Profit-Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege ist zum einen konzeptionell und zum anderen quantitativ begründet. Konzeptionell insofern, als dass Organisationen, die den Kriterien einer privaten Non-Profit-Organisation entsprechen, größtenteils diesem Bereich entstammen. Zum anderen handelt es sich hierbei um einen tendenziell homogenen und daher für analytische Zwecke gut abgrenzbaren Bereich.28 Quantitativ deshalb, weil der Anteil der Organisationen sowohl was deren Anzahl angeht, als auch was die Anzahl der Beschäftigten anbetrifft die empirisch ausschlaggebendste Relevanz für diese Arbeit zeigt.29

In Deutschland findet sich die Freie Wohlfahrtspflege organisiert in den „Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege“ wieder. Diese haben sich wiederum bundesweit zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen (siehe Abbildung 03).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege.

(siehe: BAGfW: Soziale Innovationen in den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. S. 1.)

Bei den Spitzenverbänden handelt es sich um gemeinnützige Organisationen, die entweder aufgrund politischer Orientierungen (AWO = Arbeiterwohlfahrt), religiös geprägter Überzeugungen (DCV = Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, ZWST = Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) oder allgemein humanitären Gedanken (DRK = Deutsches Rotes Kreuz, DPWV = Deutscher paritätischer Wohlfahrtsverband) tätig sind. Als Spitzenverbände stehen diese Institutionen jeweils für sich genommen für eine große Anzahl von meist rechtlich selbstständigen Organisationen.30

2.1.2 Die ökonomische Bedeutung des NPO-Sektors in Deutschland

Non-Profit-Organisationen leisten nicht nur einen unverzichtbaren sozialen, politischen, ökologischen und kulturellen Beitrag für die Gesellschaft, sie sind auch in Bezug auf ihr ökonomisches Potential nicht zu unterschätzen. Gemäß des in Kapitel 2.1.1 bereits genannten „John Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project“ lässt sich der Non-Profit-Sektor „als Wirtschaftssektor ausmachen, der in seiner ökonomischen Relevanz und insbesondere in seiner arbeitsmarktpolitischen Bedeutung um ein Vielfaches größer ist als bisher angenommen wurde.“31

Immer noch werden wirtschaftlich relevante Daten im Non-Profit-Sektor statistisch nur unzulänglich erfasst. „Sie sind verschiedenen Meldepflichten nicht unterworfen und werden von der amtlichen Statistik nicht gesondert erfasst.“32 Alle Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass der NPO-Sektor seit den 1970er Jahren eine sich kontinuierlich entwickelnde Wachstumsbranche darstellt. „Kein anderer Wirtschaftsbereich kann über so lange Zeit kontinuierliches Wachstum ohne größere Einbußen oder Diskontinuitäten aufweisen.“33 Sowohl die Anzahl an Non-Profit-Organisationen als auch das ökonomische Gewicht des Sektors nehmen stetig zu.

Will man das Gewicht des deutschen NPO-Sektors in Arbeitsplätzen ausdrücken, so beschäftigte der Sektor 1995 bereits rund 2,1 Millionen Personen. Die Gesamtzahl der Beschäftigten entsprach 1,441 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen und einem Anteil von 4,93% an der volkswirtschaftlichen Gesamtbeschäftigung (siehe Abbildung 04).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Beschäftigung und Ausgaben im deutschen Non-Profit-Sektor.

(siehe Rosenski: Die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors. S. 214.)

Zwischen 1995 und 2007 stieg der Anteil der Beschäftigung von 2,1 Millionen Personen auf 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtige und rund 300.000 geringfügig entlohnt Beschäftigte. Die Gesamtzahl der Arbeitsplätze belief sich damit auf 2,6 Millionen.34 Für das Jahr 2007 wird die Bruttowertschöpfung des NPO-Sektors auf Grundlage von methodischen Berechnungen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit 89 Milliarden Euro angegeben. „Gemessen an der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland waren dies 4,1 %, was jener des Fahrzeugbaus oder des Baugewerbes entsprach.35 Dabei enthalten diese Angaben noch nicht den Wert der freiwilligen oder ehrenamtlichen Arbeit. Die Zahl an ehrenamtlich Tätigen wurde hierbei für das Jahr 2007 in Deutschland mit ca. 1,25 Millionen Menschen beziffert. Wird das freiwillige Engagement der ehrenamtlich Tätigen hierbei auf Vollzeitarbeitsplätze umgerechnet so hat der Non-Profit-Sektor in Deutschland einen Anteil von deutlich über zehn Prozent an der Gesamtbeschäftigung.

In Bezug auf die Verteilung nach Branchen wird der deutsche Non-Profit-Sektor durch die Bereiche Gesundheitswesen und Soziale Dienste dominiert (vgl. hierzu den Begriff „Freie Wohlfahrtspflege“ in Kapitel 2.1.1). Im Jahr 2007 waren rund 42 % der Beschäftigten des NPO-Sektors im Bereich der Sozialen Dienste (einschließlich von Heimen, aber ohne Erholungs- und Ferienheimen) und 20 % im Gesundheitswesen tätig. Im Bereich der Erziehung und Unterricht lag der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2007 bei knapp 14 %. Auf Grund historischer Entwicklungen und dem sozialen Auftrag der Kirchen weist der Anteil der Beschäftigten des Non-Profit-Bereichs in kirchlichen und sonstigen religiösen Vereinigungen ebenfalls einen signifikanten Anteil von 18 % am Gesamtbeschäftigungsvolumen auf.36

Hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur weist der deutsche Non-Profit-Sektor ebenfalls eindeutige Charakteristika auf. „Einerseits hat er einen höheren Anteil an weiblichen Beschäftigten als jeder andere Sektor und jede andere Branche. Frauen stellen [...] im Jahr 2008 76 % der Arbeitskräfte im Nonprofit-Sektor gegenüber 45 % in der Gesamtwirtschaft. Außerdem ist er generell durch einen hohen Prozentsatz an Teilzeitarbeitsplätzen gekennzeichnet. [...] Bis zum Jahr 2007 ist der Anteil der Teilzeitarbeitsplätze [...] angestiegen und erreichte im Nonprofit-Sektor einen Wert von 40 %, während er bei allen Beschäftigungsverhältnissen nur 17 % betrug.“37

Festzuhalten bleibt: Alleine aufgrund seiner Größe und seiner arbeitsmarktpolitischen Relevanz ist es unerlässlich Non-Profit-Organisationen auch aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise zu betrachten. Des Weiteren machen die bis hierhin bereits aufgeführten systemimmanenten Besonderheiten eines deutlich: Es genügt nicht, betriebswirtschaftliche Konzepte nur unreflektiert auf Non-Profit-Organisationen zu übertragen. Man muss sich auch der grundlegenden Unterschiede von NPOs zu profitorientierten Unternehmen bewusst sein, um in diesen erfolgreich operative Führungsarbeit leisten zu können.

2.1.3 Gesellschaftliche Entwicklungen und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Führung von NPOs

„Dass der Wandel die einzige Konstante ist, und dass das Tempo der Veränderung in der Gesellschaft und in allen Organisationen ständig zulegt, ist mittlerweile eine Binsenweisheit.“38 Hoffmann kennzeichnet die aktuelle Entwicklung in Deutschland und Mitteleuropa „als eine strukturelle Transformation, bei der sich sechs unterschiedliche Strukturbrüche überlagern und wechselseitig verstärken:

- der politische Gestaltwandel Europas,
- die krisenhafte Rationalisierung von Wirtschaft und Verwaltung,
- die Schaffung eines integrierten Weltwirtschaftssystems (Globalisierung),
- der demografische Strukturwandel,
- die Krise der Arbeitsgesellschaft,
- und schließlich der Strukturwandel der gesellschaftlichen Institutionen.“39

Dabei summiert sich die Vielzahl dieser Veränderungen nicht zu einer Umwälzung aller gesellschaftlichen Bereiche im Sinne einer kulturellen oder wirtschaftlichen Revolution. „Vielmehr entsteht eine unübersichtliche und komplexe Gemengelage des Wandels, die von Widersprüchen und Ungleichzeitigkeiten geprägt ist.40 Das Erkennen von Trends und Entwicklungslinien entspricht hierbei zum einen dem Bedürfnis, beobachtbare Ereignisse vergleichbar zu machen und damit das Unüberschaubare zu ordnen. Zum anderen zwingt uns unsere lineare Zeitvorstellung gepaart mit dem Glauben, dass die Wissenschaft stets Neues und Überraschendes liefert, zum permanenten „Fort-Schritt“ von Bewährtem.41 Es droht letztendlich eine Ansammlung vielfältigster Denk- und Handlungsmöglichkeiten, die neben einer neuen Freiheit einen Zwang zur permanenten Entscheidung provoziert.42

Einem Großteil der Veränderungen, denen sich Non-Profit-Organisationen hierbei zu stellen haben kann unter einer zunehmenden Tendenz der zwanghaften Ökonomisierung von NPOs zusammengefasst werden. „Auswirkungen dieser Ökonomisierungstrends werden sowohl hinsichtlich organisationsstruktureller Veränderungen, in Bezug auf die Arbeitsweise der Organisationen, als auch auf die inhaltlichen Zielstellungen erwartet. Der Umfang, die Konsequenzen und die Anforderungen dieser Entwicklungen sind bislang allerdings kaum bekannt.“43 Gleichwohl dominiert die Logik der Wirtschaft den Sektor zunehmend.

Es lässt sich dabei zwischen einer externen und einer internen Ökonomisierung unterscheiden, welche allerdings zusammenhängen. „Externe Ökonomisierung meint zunehmende Marktstrukturen im Umfeld der Organisation sowie verstärkte Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsbedingungen. Interne Ökonomisierung bedeutet die stärkere Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden und Verfahren und deren Folgen für NPOs.“44

Im Finanzierungsmix der einzelnen Organisationen ist der Anteil öffentlicher Gelder insgesamt gesunken und selbsterwirtschaftete Mittel haben an Bedeutung gewonnen. „Der Non-Profit-Sektor bekommt die Folgen der Sparpolitik, der schrumpfenden öffentlichen Kassen und einer Ideologie, die Markt und Eigennutz über Gemeinwohl und Solidarität stellt, zu spüren. [...] Die Finanzierung durch die öffentliche Hand wird tendenziell unsicherer, im Verhältnis zu den geforderten Leistungen geringer und für die Organisationen aufwändiger.“45 Gleichzeitig hat sich im Zuge der Ökonomisierung der Legitimationsdruck auf NPOs deutlich erhöht. Es gibt eine starke Ausweitung der Qualitäts- und Transparenzanforderungen. „Wenige Themen wurden in Wissenschaft und Praxis diesbezüglich derart intensiv diskutiert wie die »accountability« von NPOs“46. Glaubwürdigkeit scheint man dabei generell mehr durch die Einführung betriebswirtschaftlicher Prinzipien als durch die Erfüllung des eigenen sozialen Auftrages zu gewinnen. „Es reicht seit langem nicht mehr Gutes zu tun, es gilt viel mehr den »Impact« der Aktivitäten zu belegen.“47. Es steigt also die Notwendigkeit, soziales Verhalten ökonomisch darzustellen und zu begründen. Damit wird sozialer Impact zum „Mantra“ von Fördergebern, NPO-Managern und Sozialunternehmern. Ihre gemeinnützigen Aktivitäten begreifen Sie dabei als Investitionen in die Gesellschaft, die eine soziale Rendite erbringen soll.48 Ein Verfahren zur Wirkungsmessung, welches hierbei in der Praxis große Aufmerksamkeit genießt, ist die Darstellung von Impact in Form eines “Social Return on Investment“ (SROI). Insgesamt bringen diese Trends der „Verbetriebswirtschaftlichung“ und Rationalisierung von NPOs sowie der Ökonomisierung des Sektors eine Reihe von Chancen und Risiken: „Zu den Chancen zählt vor allem, dass NPOs durch den gekonnten Einsatz betriebswirtschaftlicher Konzepte und Methoden ihre Effizienz und Effektivität stärken können, und diese auch besser kommunizieren können. [...] Zu den Risiken zählt der oft beschworene »Mission Drift« [...] also ein schleichender Wandel der Organisationsziele durch die zunehmende Konzentration auf jene, die sich leicht messen und monetarisieren lassen.“49

Im Hinblick auf die demographische Entwicklung ist absehbar, dass die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung zunimmt, und somit prozentual der ältere Anteil der Bevölkerung steigt. Demnach ist ein steigender Bedarf nach Dienstleistungen in den meisten Bereichen der freien Wohlfahrtspflege zu erwarten. Ebenso wird die Pflege von älteren Menschen zunehmend in professionalisierten Einrichtungen stattfinden.50 Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Leistungen vieler NPOs höher werden. „[...] Klientinnen oder ihre Angehörigen werden informierter und anspruchsvoller, sie erwarten hochprofessionelle, maßgeschneiderte und moderne Angebote.“51 Dies wird zur Spezialisierung von NPOs beitragen aber auch einen erhöhten Zugang von privaten Anbietern in den Non-Profit-Bereich bedeuten – ein Effekt europäischer Liberalisierungsbemühungen auf politischer Ebene.“52

In Bezug auf die Freiwilligenarbeit lässt sich in quantitativer Hinsicht tendenziell ein Rückgang ehrenamtlichen Engagements feststellen. „Gravierender als dessen quantitative Entwicklungen sind vermutlich aber qualitative Verän-derungen. Freiwilliges Engagement ist bereits vielfältiger geworden, projektförmiger, weniger stabil und wird verstärkt in Zusammenhang mit persönlichen Entwicklungszielen oder beruflichen Zielen gesehen.“53 Auf die existentielle Bedeutung ehrenamtlichen Engagements in Non-Profit-Organisationen wird noch genauer in Kapitel 2.2 eingegangen. Für die operative Führungsarbeit in Non-Profit-Organisationen bedeuten die genannten gesellschaftlichen Entwicklungen ein permanentes Austarieren unterschiedlicher Ansprüche. Führungskräfte müssen mit den Gegebenheiten umgehen und möglichst passend darauf reagieren.

2.1.4 NPOs aus betriebswirtschaftlicher Sicht

In den vorigen Kapiteln wurde bereits auf einige definitorische Charakteristika von Non-Profit-Organisationen eingegangen. Diese legen die Vermutung nahe, dass sich betriebswirtschaftliche Prinzipien, welche sich in der freien Wirtschaft vielfach etabliert haben, nicht einfach auf Non-Profit-Organisationen anwenden lassen. Bevor allerdings auf eine gesonderte Führungslehre für Non-Profit-Organisationen eingegangen werden kann, gilt es ein grundlegendes Verständnis des „Wirtschaftens“ zu vermitteln, welches die Merkmale von Non-Profit-Organisationen berücksichtigt. In Anlehnung an Schwarz, können NPOs im Allgemeinen, und Organisationen in der Freien Wohlfahrtspflege im Besonderen, folgende Merkmale aus der Betriebswirtschafts- bzw. Führungslehre zugeschrieben werden:

- NPOs sind zweck- und zielgerichtet. Auf die Ziele hin sind ihre Strukturen und Tätigkeiten konsequent auszurichten. „Das Oberziel besteht in der Sachzielerfüllung, in der Leistungserbringung.“54
- NPOs sind offene, umfeldabhängige Systeme, welche mit ihrer Umwelt in Austauschbeziehungen stehen. „Sie «leben» von ihren Außenbeziehungen, beschaffen ihre Mittel auf Märkten, geben ihre Leistungen nach außen ab, orientieren sich an den Gegebenheiten und Entwicklungen der für sie relevanten Umfelder, haben aber gleichzeitig die Aufgabe, sich gegen das Umfeld abzugrenzen, sich eine eigene Identität zu schaffen und zu bewahren.“55
- NPOs sind produktive Systeme als Produzenten von Dienstleistungen. „Die beschafften Güter [...] werden in arbeitsteiligen Prozessen zu Dienstleistungen kombiniert. Diese Leistungen bilden die Konkretisierung des Organisationszwecks, ihretwegen existiert die Organisation. Sie sind am Bedarf der Klienten ausgerichtet.“56
- Alle als Non-Profit-Organisation bezeichneten Gebilde sind soziale Systeme. „Sie werden von Menschen getragen, die menschliche Arbeit ist der zentrale Produktionsfaktor [...]. Menschen müssen geführt, motiviert, zur Zielübernahme und Arbeitsleistung «bewegt» werden. Dazu sind sie aber nur dann bereit, wenn die Organisation ihnen eine Befriedigung ihrer individuellen Bedürfnisse (etwa nach Ansehen, Kollegialität, Karriere) bietet.57
- NPOs haben eine Verfassung im Sinne eines Normenwerkes. Sie legt fest „was der Organisationszweck ist, wer Mitglied der Organisation ist, welche Rechte und Pflichten die Organisationsmitglieder haben und wie die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten auf die Funktionsträger verteilt sind.58
- „Der Organisationszweck wird im Zusammenwirken von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern verfolgt, wobei die höchste Führungsebene meist von ehrenamtlichen Kräften besetzt wird.
- Soziale Dienste bilden föderalistische Systeme. Einzelne lokale Einrichtungen sind Kreisverbänden angeschlossen. Diese wiederum sind in Regional- oder Landesverbänden zusammengefasst.
- Soziale Dienste stehen mit ihren Klienten überwiegend in nicht direkten Tauschverhältnissen. Die Dienstleistungen, die Sie am Klienten erbringen, werden nicht von dem Klienten direkt bezahlt. Leistungsentgelte werden in Form zuvor festgelegter Sätze von Versicherungen oder von öffentlichen Stellen entrichtet.59

Bezüglich der letzten drei Kriterien unterscheiden sich Non-Profit-Organisationen unmittelbar von Profit-Organisationen. Die Merkmale zwei bis fünf gelten sowohl bei Organisationen in der freien Wirtschaft als auch bei Non-Profit-Organisationen in vergleichbarer Form. Bezüglich des ersten Merkmals bestehen jedoch tiefgreifende Differenzen. Die oberste Priorität einer Non-Profit-Organisation ist niemals die Erzielung eines Ertrags auf das eingesetzte Kapital.60 „Vielmehr stellt die Verfolgung des vorgegebenen ideellen Ziels stets die oberste Handlungspriorität dar.“61 „Im Rahmen und zur Unterstützung dieser ethischen Oberziele sind wirtschaftliche Formalziele zu erfüllen. Die wirtschaftliche Vorgehensweise zur Zielerfüllung ist so auszugestalten, dass sie nicht mit ethischen Anforderungen in Konflikt kommt. Das bedeutet, dass ein Wirtschaftsverständnis zugrunde zu legen ist, dass [...] systematisch die Erfordernisse ethischer Zielsetzungen mitdenkt, bzw. diese als vorgeordnet denkt.62

Ein weiterer außerordentlich wichtiger Unterschied zwischen NPOs und Profit-Unternehmen ist die komplexere Personalstruktur von Non-Profit-Organisationen. Während Wirtschaftsunternehmen mit wenigen Ausnahmen ausschließlich bezahlte Mitarbeiter beschäftigen, können in einer NPO neben haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitern auch ehrenamtliche Mitarbeiter, Zivildienstleistende, Praktikanten oder Teilnehmer am freiwilligen sozialen Jahr beschäftigt sein.63 „Jede dieser Gruppen arbeitet auf grundsätzlich anderer vertraglicher Basis und stellt andere Anforderungen an Aus-, Fort- und Weiterbildung und an Führung, Einsatz und Anleitung.“64

Auch wenn Non-Profit-Organisationen als zielgerichtete, produktive, soziale und umfeldabhängige Systeme aufgefasst werden können, so sind der Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus der (Profit-)Management-Lehre auf NPOs offenbar Grenzen gesetzt. „Deshalb ist die Management-Lehre von Nonprofit-Organisationen als besondere Betriebswirtschaftslehre zu konzipieren, welche übernimmt, was auf die Nonprofits «passt» und in all jenen Problembereichen zusätzliche Erkenntnisse und Handlungsanweisungen erarbeitet, in denen die unternehmungsbestimmte Lehre keine zutreffenden Aussagen macht beziehungsweise machen kann.“65

2.2 Das Ehrenamt – eine tragende Säule der Gesellschaft

2.2.1 Die umfangreiche Auffassung des Begriffs Ehrenamt

„Ohne die vielen Frauen und Männer, die in Deutschland ein Ehrenamt ausüben... wäre unser Land um vieles ärmer und unser Gemeinwesen so nicht denkbar.“

Helmut Kohl

Für viele Menschen ist es selbstverständlich, neben ihrem Beruf und ihrem Familienleben, neben Erholung und Freizeitvergnügungen auch einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten. „Die Einsatzbereiche sind vielfältig und das Ausmaß des Engagements reicht von wenigen Stunden bis zum unbezahlten Vollzeitjob. Man engagiert sich im Sportverein, für die Umwelt oder die Kultur, übernimmt in Vereinen, in Kirchengemeinden oder Kommunen Verantwortung und hilft Schutzbedürftigen oder in Not geratene Menschen.“66 Diese Aktivitäten sind oft so selbstverständlich, dass vielen die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, welche auf diese Aktivitäten hinweisen, gar nicht bewusst sind. Im Deutschen gibt es einige allgemeine Begriffe, die aus unterschiedlichen Traditionen stammen und in bestimmten Bereichen bevorzugt werden. Theilengerdes nimmt hierfür folgende Einteilung vor:

- „Das Bürgerschaftliche Engagement als Sammelbegriff für die Gesamtheit von gemeinwohlorientierten Aktivitäten [...].
- Das Ehrenamt als längerfristige, organisatorische Funktionärs- und/ oder Führungsposition [...].
- Die Freiwilligenarbeit als meist projektbezogene und von eher kurzfristiger Organisationsbindung geprägter Tätigkeit. [...].
- Der Freiwilligendienst als eine Form des Engagements, bei der Dauer, Aufgaben, Zielsetzungen sowie Einsatzstellen und Trägerstrukturen vertraglich geregelt sind [...].67

Die Bezeichnung des „Bürgerschaftlichen Engagements“ findet sich in Publikationen des Deutschen Bundestages und der politischen Parteien wieder. In der Bevölkerung ist dieser Begriff jedoch kaum angekommen. „Dabeisein und Dagegensein gehören gleichermaßen zum Bürgerengagement in einem demokratischen Gemeinwesen und machen dessen Produktivität und Innovationskraft aus.“68 Diese Konkretisierung zielt somit dezidiert auf ein politisches Verständnis des Begriffes. „Einvernehmen besteht lediglich darüber, dass die Begriffe des Ehrenamtes und der Freiwilligenarbeit Teilaspekte des gesamten bürgerschaftlichen Engagements beschreiben.“69

„Freiwilliges Engagement“ oder „Freiwilligenarbeit“ hat sich auch in Deutschland seit einigen Jahren in Anlehnung an den englischen Begriff «volunteering» durchgesetzt. „Durch die Freiwilligenzentren und Freiwilligenagenturen, die es inzwischen [...] in vielen Städten und Gemeinden gibt, hat sich der Begriff freiwilliges Engagement inzwischen auch als Sammelbegriff für alle Formen freiwilliger unentgeltlicher und gemeinwohlorientierter Tätigkeiten entwickelt.“70

Diese Wortwahl betont, dass es in der freien Entscheidung des Einzelnen liegt, ob, wann und wie man sich für das Gemeinwohl einsetzen will.

Der Begriff „Ehrenamt“ hingegen betont den Entlohnungscharakter der Tätigkeit. Diese Art von Engagement wird grundsätzlich unentgeltlich erbracht. Die Belohnung für die eigenen Tätigkeiten ist lediglich die „Ehre“ der Mitmenschen, und somit immaterieller Natur. Mayerhofer bietet für den Begriff der „ehrenamtlichen Tätigkeit“ folgende Definition: Es „soll daher jene Arbeit bezeichnet werden, die

- ohne monetäre Gegenleistung,
- für Dritte, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, bzw. für die Gesellschaft und
- im Rahmen einer institutionellen Einbindung erbracht wird.“71

Diese Definition nimmt bereits Bezug auf jene Tätigkeiten, welche in Organisationen wie denen des Non-Profit-Bereiches stattfinden. Folgende Kriterien werden noch hinzugefügt, um das Verständnis der Begriffe „ehrenamtliches“ und „freiwilliges“ Engagement zu komplementieren, wie es für den Sinn und Zweck dieser Arbeit förderlich ist:

- „Die Entscheidung zur Aufnahme der Tätigkeit erfolgt aus freien Stücken.
- Es besteht eine Absicherung gegen Risiken (z.B. Unfall, Haftpflicht).
- Die Ausübung erfolgt kontinuierlich oder in Projekten.
- Der Aufgabekreis ist am Gemeinwohl orientiert.
- Die Tätigkeiten finden im sozialen, ökologischen, kulturellen, pastoralen, politischen, Frieden und Versöhnung stiftenden Bereich, im Bereich der Bildung, des Sports o.ä. statt.“72

Die Betrachtung der unterschiedlichen Charakteristika des Begriffs „freiwilliges Engagement“ wirft folgende Fragen auf: Wie gestaltet sich erfolgreiche Führungsarbeit mit Freiwilligen in einer Non-Profit-Organisation? Welche Unterschiede gibt es bei der Führung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern? Wie macht sich eine Führungskraft einer NPO die offensichtlich nicht monetär geleitete Motivation von Freiwilligen zu Nutze? Auf letztere Frage bietet das folgende Kapitel, in welchem auf die Motive Ehrenamtlicher für Freiwilliges Engagement eingegangen wird, nähere Informationen.

2.2.2 Die Motive Ehrenamtlicher für freiwilliges Engagement

Bereits die frühe Non-Profit-Management-Forschung legt einen Schwerpunkt auf die Bedürfnisse und Motive der sowohl hauptamtlichen, als auch ehrenamtlichen Mitarbeiter. „Frühe und wegweisende theoretische Arbeiten treffen die Annahme, dass Nonprofit-Organisationen primär intrinsisch motivierte Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte anziehen.“73 Der Begriff intrinsische Motivation bezeichnet „das Bestreben, etwas um seiner selbst willen zu tun (z.B. weil es Spaß macht, weil es die Neugier und/oder Interessen befriedigt oder weil es eine Herausforderung darstellt). Die intrinsische Motivation steigt mit der Übereinstimmung zwischen den Wünschen eines Individuums und dessen Aufgaben an.“74 Intrinsische Motivation gewinnen Menschen demnach direkt aus dem unmittelbaren Arbeitsinhalt.

Das Gegenstück zur intrinsischen Motivation ist die extrinsische Motivation. „Bei dieser steht der Wunsch im Vordergrund, bestimmte Leistungen zu erbringen, weil sich ein Individuum davon einen Vorteil (Belohnung) verspricht oder Nachteile (Bestrafung) vermeiden möchte.“75 „Extrinsische Motivation, die also nicht direkt mit dem Arbeitsinhalt verbunden ist, ergibt sich aus der Organisationspolitik, dem Führungsstil, den sozialen Beziehungen, den Arbeitsbedingungen, der Arbeitssicherheit, dem Gehalt, den persönlichen berufsbezogenen Lebensbedingungen und dem Status der Arbeit.“76 Intrinsische und extrinsische müssen sich dabei nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen.

Ferner wird extrinsische Motivation in psychologischer Hinsicht weiter unterteilt in der Befriedigung altruistischer und egoistischer Motive. „Altruistische Motive verfolgende unbezahlte Arbeitskräfte werden als Personen charakterisiert, die aus der Sorge um das Wohl von Mitmenschen oder ihrer Umwelt unbezahlt arbeiten und dann auch bereit sind, eine Gefahr für das eigene Wohlergehen auf sich zu nehmen. Der Nutzen für die Mitmenschen oder Allgemeinheit steht im Mittelpunkt ihres Handelns, Gegenleistungen irgendeiner Art erwarten sie nicht.“77 Egoistische Motive können verstanden werden als „Investition in die eigene persönliche Weiterentwicklung, die Verbesserung des Selbstwertgefühls [...] und der Selbstachtung [...] sowie die Bewältigung innerer Konflikte.“78

Besonders für Führungskräfte in Non-Profit-Organisationen ist es wichtig, mehr über die Motive der Freiwilligen oder potentiell Aktiven zu erfahren, „um die gewünschten Personen im „richtigen Ton“ anzusprechen und dann adäquat einzusetzen.“79 Abbildung 05 gibt eine erste Antwort bezüglich der Motive Freiwilliger für ihr Engagement. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus dem „vierten deutschen Freiwilligensurvey“, welches eine repräsentative Befragung darstellt, die seit 1999 in unregelmäßigen Abständen im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) durchgeführt wird. Die Ursachen die genannt werden enthalten sowohl intrinsische als auch extrinsische Beweggründe. „Häufig sind es unterschiedliche und durchaus widerstreitende Motive, die Menschen dazu bringen, sich freiwillig zu engagieren.“80 Als wichtigster Grund wird Spaß an der Tätigkeit genannt. Deutlich zu erkennen ist, dass Menschen älter als 50 Jahre hauptsächlich altruistische Motive verfolgen. Im Gegensatz dazu verfolgen jüngere Generationen eher egoistische Motive.

[...]


1 Kropik, 2014, S. 8.

2 Schwarz, 2005, S. 20.

3 Meyer/Simsa, 2013a, S. 6.

4 Salamon, 1997, S. 11.

5 Vgl. Kühl, 2011, S. 20.

6 Vgl. Herzka, 2013. S. 8.

7 ebd., 2013. S. 8.

8 Mroß, 2009. S. 13.

9 Reichard, 1988. S. 363.

10 Helmig, 2012, S.6.

11 Kaltenbrunner, 2010, S. 52.

12 Mayerhofer, 2003, S. 103.

13 Simsa/Patak, 2016, S.16.

14 Vgl. Mayerhofer, 2003, S. 103.

15 Simsa/Patak, 2016, S. 17.

16 Vgl. ebd., 2016, S. 17.

17 Vgl. Eckardstein, 2003. S. 18.

18 Simsa/Patak, 2016, S. 18.

19 Simsa/Patak, 2016, S. 18.

20 Vgl. Kropik, 2014, S. 10.

21 Helmig, 2012, S. 11.

22 Vgl. Salamon/Anheier, 1997, S. 33 f.

23 Meyer/Simsa, 2013a, S. 9.

24 Schwarz, 2005, S.19 f.

25 Simsa/Patak, 2016. S. 5.

26 Vgl. Herzka, 2013, S. 16.

27 Abgabenordnung (AO), 2009, § 66, Abs. 2.

28 Vgl. Mroß, 2009, S. 50.

29 Vgl. ebd., 2009, S. 50.

30 Vgl. Mroß, 2009, S. 52.

31 Zimmer, 2004, S. 3.

32 Simsa/Patak, 2016, S. 10.

33 Kropik, 2014, S. 12.

34 Vgl. Zimmer, 2013, S. 23.

35 Vgl. Rosenski, 2012, S. 217.

36 Vgl. Zimmer, 2013, S. 28.

37 Vgl. ebd., 2013, S. 29.

38 Meyer/Simsa, 2013, S. 509.

39 Hoffmann, 2012, S. 34.

40 Ebd., 2012, S, 34.

41 Vgl. Meyer/Simsa, 2013b, S. 509.

42 Vgl. Hoffmann, 2012, S. 34.

43 Dross/Priller, 2013, S. 368.

44 Simsa/Patak, 2016, S. 33.

45 Ebd., 2016. S. 32.

46 Meyer/Simsa, 2013b, S. 511.

47 Ebd., 2013b, S. 511.

48 Vgl., Simsa/Patak, 2016. S.35 f.

49 Meyer/Simsa, 2013b, S. 511.

50 Vgl., Ridder/Neumann, 2003, S. 120 f.

51 Simsa/Patak, 2016, S. 36.

52 Vgl., Ridder/Neumann, 2003, S. 119.

53 Meyer/Simsa, 2013b, S. 518.

54 Theis-Born, 1997, S. 55.

55 Schwarz, 2005, S. 31.

56 Theis-Born, 1997, S. 55.

57 Schwarz, 2005, S. 31.

58 Theis-Born, 1997, S. 55.

59 Ebd., 1997, S. 55.

60 Vgl., Strachwitz, 2000, S. 28.

61 Ebd., 2000, S. 28.

62 Theis-Born, 1997, S. 56.

63 Vgl., Strachwitz, 2000, S. 31.

64 Ebd., 2000, S. 31.

65 Schwarz, 2005, S. 33.

66 Hoffmann, 2012, S. 13.

67 Theilengerdes, 2012, S. 7.

68 Bundestag, 2002, S. 32.

69 Stricker, 2011, S. 163.

70 Hoffmann, 2012, S. 15.

71 Mayerhofer, 2003, S. 100.

72 Theilengerdes, 2012, S. 5.

73 Helmig/Boenigk, 2012. S. 110 f.

74 Ebd., 2012, S. 111.

75 Helmig/Boenigk, 2012, S. 111.

76 Theis-Born, 1997, S. 197.

77 Wehling, 1993, S. 43.

78 Helmig/Boenigk, 2012, S. 112.

79 Hoffmann, 2012, S. 21.

80 Ebd., 2012, S. 22.

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Operative Führung von Non-Profit-Organisationen. Besonderheiten und Aspekte eines erfolgsorientierten Managements
Autor
Jahr
2020
Seiten
101
Katalognummer
V520803
ISBN (eBook)
9783960958604
ISBN (Buch)
9783960958611
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leadership, Mitarbeitermotivation, Führungsstil, Personalmanagement, Ehrenamt
Arbeit zitieren
Thomas Pietsch (Autor:in), 2020, Operative Führung von Non-Profit-Organisationen. Besonderheiten und Aspekte eines erfolgsorientierten Managements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520803

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