Was bedeutet es für die Schule, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Grundriss
2.1 Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
2.2 Erinnerungskultur in Deutschland nach 1945
2.3 Erinnerungsorte und Gedenkstätten

3 „daß Auschwitz nicht noch einmal sei" - Adornos 'Erziehung nach Auschwitz'
3.1 Soziologische Bedeutung
3.2 Der Holocaust im Unterricht
3.3 Der Holocaust in der Schulrealität

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Am 8. Mai 1985, dem 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, hielt der damalige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Richard von Weizsäcker1 eine bemerkenswerte Rede im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Er definierte diesen Tag für die Deutschen als Tag des Erinnerns an die Gräueltaten und Verbrechen des Nazi-Regimes und zugleich als Tag des Nachdenkens über den Verlauf der Geschichte bis heute. „Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird.“2 Diese zentrale Forderung betont er weiter damit, dass, wenn man die Augen vor der Vergangenheit schließt, blind in der Gegenwart lebt und somit die Gefahr besteht, dass sich solche Verbrechen wiederholen könnten. Er nimmt hier insbesondere die jüngere Generation, die Schülerinnen und Schüler jeder Altersklasse, in die Pflicht und argumentiert mit deren politischer Verantwortung. „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“3 Die Lehrer, Erzieher und Eltern fordert er auf, der Jungend die Bedeutung der Geschichte mit allem Eifer bewusst zu machen.4

Diese Rede erhielt sehr viel Aufmerksamkeit und das deutsche Schulsystem sah es nun verstärkt als ihre Aufgabe an, die Bedeutung des Erinnerns und speziell des ‚Nicht-Vergessen‘ verstärkt in den Schulalltag zu integrieren. In dieser Arbeit sollen die Bemühungen durch die Soziologie analysiert werden, wie eine ‚Erziehung nach Auschwitz‘ umgesetzt werden könnte. Dazu wird neben den theoretischen Vorschlägen von Theodor von Adorno auch der Lehrplan des Faches Geschichte analysiert, in wie weit heute erinnerungspolitische Inhalte aufgenommen wurden und mit welchem Einsatz und Umfang diese heute auf den Schulen Anwendung finden.

2 Historischer Grundriss

2.1 Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau

Mit dem Beschluss der Nationalsozialisten in Deutschland vom Juli 1941 begann die verheerende Deportation und Vernichtung der Juden in Europa, heute bekannt als die „Endlösung der Judenfrage“5. Die Juden wurden dazu in spezielle Lager in Ostereuropa und speziell in Polen gebracht. Diese waren als Zwangsarbeitslager, aber auch als reine Vernichtungslager konzipiert worden. Als weltweites Symbol der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gilt heute insbesondere das nahe Krakau gelegene Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Bis Ende 1944 wurden an diesem und weiteren Orten mindestens eine Millionen Juden, Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefangene in den Gaskammern umgebracht, eine genaue Anzahl kann bis heute nicht getroffen werden. Die deutsche Bevölkerung hatte in großen Teilen überhaupt keine Ahnung von der Existenz dieser Lager. Nur wenige Zivilisten, wie Bahn- und Industriemitarbeiter sowie direkte Anwohner an den Konzentrationslagern kannten deren wahre Bedeutung. Die Angst vor der eigenen Gefangennahme sowie die vom Staat verbreitete Anti-Juden Propaganda ließen sie schweigen. Ebenfalls gab es viele Menschen, die auf freiwilliger Basis an den systematischen Morden teilgenommen oder die Täter unterstütz haben.6

2.2 Erinnerungskultur in Deutschland nach 1945

Mit dem Ende der Nazi-Herrschaft in Deutschland und die neu geförderten Ideologien der Alliierten, entwickelte sich auch ein neues Denken in der breiten Öffentlichkeit und in der Forschung. Neue Ansätze, über Geschichte nachzudenken verbreiteten sich und auch die für die Deutschen belastenden Themen aus der nationalsozialistischen Zeit wurden anders bewertet. Die Menschen sahen sich als Opfer einer tyrannischen Diktatur. Zeitgleich wurde den Deutschen aber auch die Rolle des Täters zugesprochen.7

Diese beiden Sichtweisen legen sich wie eine „Last, der man sich nicht entziehen kann“8 auf die deutsche Vergangenheit. Erklären lässt sich dies zuerst durch die oben erwähnte Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Völkermord und die auf diese bezogenen Schuldzuweisungen. Besonders immer neue Details zu Verbrechen und Grausamkeit brachten das nationale Gedächtnis der Deutschen immer weiter in Gefahr. Im Laufe der Jahrzehnte wurden immer wieder neue Erinnerungsorte errichtet, die den Schrecken des Nationalsozialismus in jedermanns Gedächtnis bringen sollten. Auch diese Aktionen förderten die eigene Identitätsbildung, neben Parteien, Medien und Berufen, weiter.9 Von öffentlicher Seite bestand die Forderung nach und die Bildung eines „kollektive[n] Gedächtnis[ses] und Bewusstsein[s]“10. Denn je weiter wir uns zeitlich von dem Ereignis ‚Auschwitz‘ wegbewegen, desto abstrakter und unglaublicher wird es für uns. Dies liegt vor allem an den bald fehlenden Opfern, Tätern und Zeitzeugen, die in den nächsten Jahren nicht mehr unter uns weilen werden, aber auch an einer fortschreitenden Trivialisierung des Geschehens in der breiten Öffentlichkeit.11

In den späteren Jahren bildete sich in der Soziologie und der Geschichtswissenschaft der Begriff der „Geschichtskultur“12 heraus. Dies bezeichnet einen gesamtübergreifenden und gemeinsamen Umgang mit der Vergangenheit. Besonders in Schulen, Universitäten und Museen wird dieser Zusammenschluss von kollektiven Erinnerungen besonders mit den Funktionen „der Belehrung, der Unterhaltung, der Legitimation, der Kritik, der Ablenkung, der Aufklärung und anderen Erinnerungsmodi“13 verbunden. Die Geschichtskultur ist Teil der Lebenswelt eines Menschen. Durch diese kann das Individuum sein ganz eigenes unverkennbares Handeln und seinen eigenen Weg definieren. Es hilft bei der Orientierung und der Selbsthervorbringung. Durch den kritischen und deutenden Umgang mit historischen Erinnerungen, wird dem Menschen die Möglichkeit gegeben, die Vergangenheit zu verstehen und für sich nutzbar zu machen.14

[...]


1 Richard von Weizsäcker: 6. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland von 1984-1994 (*15. April 1920; †31. Januar 2015)

2 Weizsäcker, Richard von: Rede zur Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa. Bonn 8. Mai 1985, S. 2.

3 Ebenda, S. 13.

4 Vgl. Ebenda.

5 Zolling, Peter: Deutsche Geschichte von 1871 bis zur Gegenwart. Bonn 2005. (Schriftenreihe - Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 523), S. 212.

6 Vgl. Ebenda, S. 210–218.

7 Vgl. Cornelißen, Christoph (2012): Erinnerungskulturen. URL: http://docupedia.de/zg/Erinnerungskulturen_Version_2.0_Christoph_Corneli.C3.9Fen?oldid=129375 (Abgerufen: 17. September 2018).

8 Francois, Etienne/ Schulze, Hagen: Einleitung. In: Deutsche Erinnerungsorte I. Hrsg. v. Etienne Francois/ Hagen Schulze. München 2009 (Beck'sche Reihe, Bd. 1813), S. 9–24.

9 Vgl. Ebenda.

10 Ebenda, S. 12.

11 Vgl. Peukert, Helmut: Erziehung nach Auschwitz - eine überholte Situationsdefinition? Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Pädagogik. In: Neue Sammlung, Bd. 30 (1990), H. 3, S. 345–354, hier S. 346.

12 Rüsen, Jörn: Was ist Geschichtskultur? Überlegungen zu einer neuen Art, über Geschichte nachzudenken. In: Historische Faszination. Geschichtskultur heute. Hrsg. v. Klaus Füssmann [u.a.]. Köln 1994, S. 3–26, hier S. 3.

13 Ebenda, S. 4.

14 Vgl. Ebenda, S. 6f.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Was bedeutet es für die Schule, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Fachbereich 03: Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Demokratische Werte und Normen: Erziehung zur Mündigkeit
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
14
Katalognummer
V520793
ISBN (eBook)
9783346138187
ISBN (Buch)
9783346138194
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auschwitz, Erinnerungskultur, Adorno, Horkheimer, Unterricht
Arbeit zitieren
Marcus Kizina (Autor:in), 2018, Was bedeutet es für die Schule, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520793

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