Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlage
2.1 Herausforderungen für die individuelle Förderung an Grundschulen
2.2 Lautleseverfahren
2.3 Lautlesetandem
2.4 Lautleseprotokoll
3. Potentielle Planung und Durchführung
3.1 Forschungsdesign
3.2 Theoretische Chancen und Grenzen
3.3 Vorgehen
3.4 Erhebungsmethode
3.5 Auswertungsmethode
4. Reflexion
4.1 Beurteilung der Eignung anhand theoretischer Annahmen
4.2 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Es bestehen bereits viele Studien und Statistiken über die schwache Lesekompetenz und fehlende Motivation von Schülerinnen und Schülern im deutschen Bildungssystem. Zum Beispiel kamen die Untersuchungen des niedersächsischen Kultusministeriums (2015) zu dem Ergebnis, dass viele Grundschulkinder, welche auf die weiterführende Schule wechseln sollen, keine ausreichende Lesefähigkeit (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2015, S. 7) besitzen. Dafür spricht auch das Ergebnis der PISA-Studie im Jahr 2015, bei der es ca. 16% der in Deutschland lebenden Schülerinnen und Schüler nicht gelingt, im Bereich Lesekompetenz Kompetenzstufe II zu erreichen (vgl. Köller et al., 2015, S. 252), welche als die Stufe gilt, auf der sie „die Lesekompetenzen aufzuweisen beginnen, die es ihnen ermöglichen, effektiv und produktiv am Leben teilzuhaben“ (ebd.). Bekräftigt wird diese Erkenntnis durch die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU), welche im darauffolgenden Jahr nachweislich zeigen konnte, dass 18.9 Prozent der Grundschulkinder Leseleistungen erzielen, „die auf dem Niveau der Kompetenzstufen I und II, d.h. unterhalb dessen, was in Deutschland als Mindeststandard definiert wird“ (Hußmann et al., 2016, S. 14), liegen. Aufgrund dieser und weiterer Ergebnisse ist zu erwarten, „dass diese Schülergruppe in der Sekundarstufe I in vielen Fächern mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sein wird“ (ebd.). Grund dieser Annahme ist, dass Lesekompetenz letztendlich in allen Fächern benötigt wird, um Aufgaben und Problemstellungen verstehen und beurteilen zu können, sodass sie fächerübergreifend eine wesentliche Voraussetzung für generelles, erfolgreiches Lernen bildet (vgl. Artelt et al., 2007, S. 132). Zudem basiert die Prognose der IGLU auf den ähnlich schlecht ausgefallenen IGLU-Ergebnissen aus den Jahren 2001, 2006 und 2011 und deren Zusammenhang zu dem Befund, dass ca. ein Viertel aller Absolventinnen und Absolventen der weiterführenden Schulformen „am Ende der Pflichtschulzeit nicht über hinreichende Lesekompetenzen [verfügen], um den Anforderungen einer schriftbasierten Wissensgesellschaft gewachsen zu sein“ (Garbe, 2010, S. 21). Auf Basis dieser Befundlage und der im Rahmen von IGLU 2001, 2006, 2011 und 2016 erzielten Ergebnisse, fordert IGLU unter anderem eine „gezielte Unterstützung für leseschwache Schülerinnen und Schüler“ (Hußmann et al., 2016, S. 22). Vor dem Hintergrund, dass bisher nur knapp ein Drittel dieser Schülergruppe eine zusätzliche schulische Förderung im Lesen erhält (vgl. ebd.), wird der Forderung nach Förderangeboten eine zusätzliche Bedeutung sowie Notwendigkeit beigemessen.
Längere Zeit bestand die Vorstellung, die Grundschule sei eine „Vermittlungsinstanz zwischen Spielen und eigentlichem schulischen Lernen und lediglich eine Vorbereitung für die Bildungsprozesse ab der Mittelstufe“ (Einsiedler et al., 2014, S. 231). Demgegenüber besteht heute jedoch „breiter Konsens darüber, dass grundlegende Bildung in der Grundschule bereits der Anfang der Allgemeinbildung ist“ (ebd.). Demzufolge ist es eine allgemeingültige Wahrheit, dass eine solide Bildung die Grundlage eines nachhaltigen Erfolges ist, sodass gerade die Grundschule einen Anknüpfungspunkt für verstärkt implementierte Fördermaßnahmen hinsichtlich der Lesekompetenz bildet. Die Kultusministerkonferenz (KMK) unterstreicht ebenfalls, dass „Sprache [eine] grundlegende Bedeutung für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Kinder [hat]“ (KMK, 2004, S. 6). Die Aufgabe des Deutschunterrichts in der Grundschule ist es deshalb, „den Schülerinnen und Schülern eine grundlegende sprachliche Bildung zu vermitteln, damit sie in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen handlungsfähig sind“ (ebd.).
Mit diesem Verständnis von Grundschule und ihrer Bedeutung für den weiteren Bildungserfolg der Kinder soll in der vorliegenden Ausarbeitung an die Forderung der IGLU nach mehr implementierten Fördermaßnahmen für leseschwache Grundschülerinnen und Grundschüler angeknüpft werden. Konkret soll das zu den wirksamsten derzeit bekannten Methoden der Leseförderung gehörende Lautleseverfahren (vgl. u.a. Hurrelmann, 2002/Rosebrock et al., 2011/NICHD, 2000) auf seine Eignung zur Implementierung in der Grundschule untersucht werden. Empirische Forschungsergebnisse zeigen zwar, dass die Lesegenauigkeit und die Lesegeschwindigkeit durch Lautleseverfahren signifikant gesteigert werden können (vgl. Rosebrock/Nix, 2017, S. 42), doch gerade an eher ländlich gelegenen Grundschulen ist diese Art der Leseförderung noch recht unbekannt und wenig erprobt (vgl. Rosebrock et al., 2017, S. 53). Diese Ausarbeitung soll deshalb die theoretischen Chancen und Grenzen des zu den Lautleseverfahren gehörende Lautlesetandems ermitteln und eine potentielle Planung sowie Durchführung darlegen, anhand denen untersucht werden kann, ob eine Implementierung des Lautlesetandems an Grundschulen erstrebenswert ist.
Hierfür wird in Kapitel 2 zunächst die theoretische Grundlage für das Verstehen der Ausarbeitung geschafft. Dazu gehört die Erarbeitung der strukturellen Herausforderungen für die individuelle Förderung an Grundschulen, damit Kriterien entwickelt werden können, mit deren Hilfe die Implementierung von Förderverfahren bewertet werden. Die anschließende Erklärung des Lautleseverfahrens, Lautlesetandem s und Leseprotokoll s soll das genaue Vorgehen der Methode beschreiben und dient dazu, theoretische Chancen und Grenzen des Förderverfahrens zu ermitteln.
In Kapitel 3 werden dann die potentielle Planung und Durchführung einer an diese Ausarbeitung knüpfenden Studie vorgestellt. Unter anderem werden das Forschungsdesign und die Bedeutsamkeit der Vorarbeit für die abschließende Reflexion sowie wichtige Aspekte, die es bei der Wahl der Probandinnen und Probanden zu bedenken gibt, vorgelegt. Auch das leitfadengestützte Interview als potentielle Erhebungsmethode der Studie soll in diesem Kapitel näher erläutert werden. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Reflexionshausarbeit mit literaturdidaktischem Schwerpunkt handelt, sodass alle hier aufgeführten Unterkapitel und deren Inhalt mögliche Ansätze einer Interventionsstudie bieten und weder das Interview durchgeführt noch dessen Auswertung tatsächlich vorgenommen wurde.
Schließlich sollen in Kapitel 4 die theoretischen Chancen und Grenzen des Förderverfahrens gegenübergestellt werden, sodass anhand dieser theoretischen Annahmen die Eignung des Verfahrens bewertet werden kann. Außerdem beinhaltet das Kapitel einen Ausblick für die Weiterforschung.
2. Theoretische Grundlage
2.1 Herausforderungen für die individuelle Förderung an Grundschulen
Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern gehört zu dem Kernanliegen von Schule und Lehrkräften (vgl. Wischer/Trautmann, 2013). Dass diese Förderung aber im Idealfall individuell, also auf jeden Einzelnen zugeschnitten sein soll, steht im Widerspruch zu der jetzigen Konzeption von Schule. Lernen findet hier in der Regel in größeren Gruppen und nicht als Einzelunterricht statt und gerade die Grundschule als „gemeinsame Schule für (fast) alle Kinder der entsprechenden Altersgruppe“ (Einsiedler et al., 2014, S. 194) wird prinzipiell mit einer „unausgelesenen Schülerpopulation und damit mit der vollen Variabilität von Schülerleistungen, Lernvoraussetzungen und familialen Hintergrundmerkmalen“ (ebd.) konfrontiert. Vor dem Hintergrund, dass die Grundschule die Pflicht hat, dieser Variabilität angemessen zu begegnen, indem sie jedem einzelnen Kind grundlegende Schulbildung vermittelt und ihm dadurch grundsätzlich auch jede Form weiterführender Bildung eröffnet (vgl. Einsiedler et al., 2014, S. 32), steht die Grundschule vor einer zweifachen Aufgabe, die einer Antinomie gleicht. Die Grundschule muss „das notwendige Maß allgemeiner Bildung für alle Heranwachsenden so […] vermitteln, dass der Verschiedenheit der [Schülerinnen und] Schüler Rechnung getragen und zugleich die Bildung der Individualität ermöglicht wird (vgl. ebd.).
Hierdurch werden die zwei weitreichendsten Herausforderungen deutlich. Eine Herausforderung ergibt sich aus den Kapazitäten bzw. nicht vorhandenen Kapazitäten der Schulen. Einzelförderungen von Schülerinnen und Schülern mit einer Lehrerperson sind heutzutage nur selten zu leisten und dann auch nur für einige und nicht für alle förderbedürftigen Kinder. Gerade zu Zeiten des akuten Lehrermangels in Deutschland (vgl. Klemm/Zorn, 2018, S. 7) ist an vielen Grundschulen gar nicht erst an Einzelförderung zu denken. Die Studie der Bertelsmann Stiftung (2018) zeigt, dass bereits bis 2025 ca. 35.000 Lehrkräfte in Grundschulen fehlen. Diese Lehrkräfte werden in erster Linie benötigt, um den Unterricht bei steigenden Schülerzahlen aufzufangen (vgl. ebd.), sodass Förderangebote außerhalb des regulären Unterrichts kaum umzusetzen sind. Die Grundidee einer Förderung besteht schließlich darin, die Lern- und Unterstützungsangebote passgenau auf das individuelle Kind abzustimmen (vgl. Wischer/Trautmann, 2013). Dies setzt kontinuierliche Diagnosen voraus, die den jeweiligen Lernstand erfassen. Auch hierfür fehlt das Fachpersonal entweder vollständig oder aber ihm steht ein Einsatz mit nur jeweils wenigen Stunden in vielen Klassen zur Verfügung (vgl. Wischer/Trautmann, 2013).
Die zweite zentrale Herausforderung ergibt sich aus der Frage, wie sich Förderstrategien und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden miteinander in Einklang bringen lassen. Durch äußere Vorgaben bzw. Rahmenbedingungen wie bspw. der 45-Minuten-Takt, die Klassengröße und die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten wird der Handlungsspielraum für eine adäquate und effiziente Förderung nicht nur beeinflusst, sondern auch begrenzt und zwar bis weit in die Unterrichtsgestaltung hinein (vgl. Wischer/Trautmann, 2013). Der Schulstundentakt ist problematisch, weil er auch die Zeit der Förderung vorgibt, obwohl in Anbetracht der kurzen Konzentrationsfähigkeit von Kindern eine kürzere, dafür aber häufiger durchgeführte Förderung in vielen Fällen effizienter ist. Diese Problematik spricht für eine Implementierung in die Schulstunde selbst, doch durch die überwiegend hohe Klassengröße sind individuelle Förderungen schwer zu bewerkstelligen. Werden die Kinder nach ihrem individuellen Bedarf aufgeteilt, fehlen freie Räumlichkeiten sowie beaufsichtigende Lehrkräfte. Auch die Anzahl der Schülerinnen und Schüler selbst begrenzt die Auswahl an Sozialformen wie z.B. Partner- oder Gruppenarbeit, die innerhalb des Klassenraums für die Förderung angewendet werden können.
Zusammengefasst muss das Lautleseverfahren als ausgewählte Fördermaßnahme der vorliegenden Ausarbeitung im Unterricht selbst erfolgen können und dabei so wenig Lehreraufwand wie möglich erfordern bzw. in den Alltag der Lehrkräfte integrierbar sein sowie den individuellen Bedürfnissen bzw. dem individuellen Lernstand der Schülerinnen und Schüler gerecht werden, während es dazu verhilft, die Lesekompetenz der Kinder zu steigern.
2.2 Lautleseverfahren
Wie durch die Herausforderungen geschildert wurde, weisen Grundschulen nicht über ausreichende Ressourcen auf, um Einzelförderungen oder zusätzliche Förderangebote außerhalb des regulären Unterrichts leisten zu können. Aus diesem Grund muss sich auf eine Auswahl zu fördernden Kompetenzen beschränkt werden, vor allem dann, wenn es um eine unterrichtsinterne Förderung geht, welcher nur der jeweilige Klassenraum zur Verfügung steht. Als Konsequenz sollte eine Kompetenz zur Förderung gewählt werden, welche eine allgemeingültige Bedeutung für alle Schülerinnen und Schüler aufweist. Die stetig ansteigende Anzahl von Kindern mit unzureichender Lesekompetenz und dessen weitreichende Folgen wurden bereits in der Einleitung (s. Kapitel 1) wissenschaftlich belegt. Nun gilt es zu erörtern, weshalb das Lautleseverfahren als Forschungsgegenstand dieser Ausarbeitung theoretisch dafür geeignet ist, Lesefertigkeiten zu steigern.
Es handelt sich bei Lautleseverfahren um Übungsroutinen, die den Ausbau und die Weiterentwicklung des Sichtwortschatzes bei Schülerinnen und Schülern insbesondere von der zweiten bis zur achten Klassenstufe wirksam unterstützen (vgl. Rosebrock/Nix, 2010, S. 12). Lautleseverfahren fördern das angemessen schnelle, fehlerfreie und intonierte Lesen, „das seinerseits eine Voraussetzung des Lernens aus Texten ist“ (Beck et al., 2016, S. 26). Unter Lautleseverfahren werden demnach „explizite Trainingsformen und –routinen, bei denen die Schüler(innen) durch das laute Vorlesen von kurzen Texten oder Textabschnitten gezielt ihre Lesefähigkeit im hierarchieniedrigen Bereich verbessern können“ (Rosebrock/Nix, 2010, S. 39), verstanden. Durch die geführte Wiederholung erweitert das Kind seinen Sichtwortschatz und lernt, die Wörter akkurat zu dekodieren, Textsignale wie z.B. Satzzeichen und Schlüsselwörter zu beachten und so die Texte angemessen betont vorzulesen (vgl. ebd.). Auch das National Reading Panel stützt seine Empfehlung zur Nutzung von Lautleseverfahren durch die „zahlreiche[n] empirische[n] Belege für ihre positiven Wirkungen in Bezug auf Worterkennung, Leseflüssigkeit und Leseverständnis“ (Lenhard, 2013, S. 129), sodass das Lautleseverfahren als eine effektive und wissenschaftlich fundierte Maßnahme zur Förderung von Lesekompetenz gilt.
2.3 Lautlesetandem
Das Lautlesetandem nach Rosebrock und Nix (2011) gehört zu den Lautleseverfahren und ist ein Instrument zur Förderung der Leseflüssigkeit. Es wird im Unterricht umgesetzt und kann sowohl in der Primarstufe ab der zweiten Klassenstufe als auch durchgehend in der Sekundarstufe angewendet werden (vgl. Beck et al., 2016, S. 26).
Das Verfahren fußt auf den Prinzipien des Repeated Reading nach Samuels (1997) (vgl. Munser-Kiefer, 2014, S. 171), welche durch wiederholtes Lesen auf die vier Komponenten Akkuratheit des Dekodierungsprozesses, Automatisierung des Dekodierungsprozesses, Lesegeschwindigkeit und Fähigkeit zum sinnbetonten Lesen abzielen (vgl. Munser-Kiefer, 2014, S. 168). Darüber hinaus vereint das Lautlesetandem Aspekte des von Topping (1995) entwickelten Paired Reading (vgl. Lenhard, 2013, S. 129). Dieser Ansatz kombiniert das wiederholte und begleitete laute Lesen, indem ein zu förderndes Kind einem Lesemodell zugeteilt wird, „das als positives Vorbild agiert“ (ebd.) und gemeinsam mit dem Kind laut einen Text liest. Die Grundidee des Lautlesetandems besteht demnach darin, Kinder gemeinsam einen Text laut lesen zu lassen und anschließend für jedes zu fördernde Kind „eine individuelle Basisrate an korrekt gelesenen Wörtern pro Minute festzulegen“ (Munser-Kiefer, 2014, S. 149). Daraufhin liest das Kind den Text noch einmal laut vor, während es von einem „Tutor gecoacht [wird], indem dieser auf Lesefehler hinweist und die einzelnen Wörter bzw. Textpassagen erneut lesen lässt“ (ebd.). Auf diesem Weg wird das Ziel verfolgt, die jeweilige Basisrate nach und nach zu steigern.
Da ein Tandem immer aus zwei Kindern bzw. Jugendlichen besteht, stellt das Lautlesetandem eine Methode des kooperativen Lernens dar (Beck et al., 2016, S. 26). Das kooperative Lernen wird durch die von Rosebrock und Nix (2008) entwickelte Rahmenhandlung unterstützt, welche auf einer Analogie zwischen sportlichem Wettkampf und Lesen beruht (vgl. Beck et al., 2016, S. 26). Aus diesem Grund findet die Förderung im Rahmen einer Lesemeisterschaft statt, für welche die Tandems jeweils gemeinsam trainieren. Dabei erfolgt die Zusammenstellung der Tandems so, dass jeweils lesekompetentere Schülerinnen und Schüler zusammen mit schwächer lesenden Schülerinnen und Schülern trainieren (vgl. Rosebrock et al., 2011, S. 11). Durch die Konzentration auf den sportlichen Charakter des Lesetrainings sollen die Schülerinnen und Schüler motiviert werden und einen gemeinsamen Teamgeist entwickeln (vgl. Rosebrock et al., 2017, S. 102).
Während der Förderung sitzt das Tandem nebeneinander und liest einen Text chorisch halblaut vor. Dabei fungieren die lesekompetenteren Teammitglieder jeweils als Lesemodell bzw. Trainer, indem sie sich an die Lesegeschwindigkeit der zu fördernden Schülerinnen und Schüler anpassen und beim Lesen zur Orientierung den Finger am Text mitführen (vgl. Beck et al., 2016, S. 26). Sollte das schwächer lesende Kind bzw. der Sportler einen Lesefehler machen, so hat er die Möglichkeit zur Selbstkorrektur. Sofern nach ca. vier Sekunden keine Korrektur erfolgt, hilft der Trainer weiter und markiert das Fehlerwort. Beide setzen nach jedem Lesefehler neu am Satzanfang an und fahren gemeinsam im Text fort. Wenn sich der Sportler sicher genug fühlt, den Text alleine zu lesen, so gibt er ein Allein-Lesezeichen, das zuvor individuell festgelegt werden kann (vgl. Rosebrock et al., 2011, S. 98). Der Trainer führt dann weiterhin den Finger mit, liest jedoch nur noch leise für sich. Sobald der Sportler währenddessen einen Lesefehler macht, korrigiert der Trainer das Wort und gemeinsam beginnen sie am Satzanfang wieder halbaut im Chor zu lesen. Bemerkt der Sportler den Lesefehler jedoch selbst und beginnt eigenständig erneut am Satzanfang, so darf er weiterhin alleine lesen. Der Text sollte insgesamt mindestens viermal gelesen werden. Hat das Leseteam die vorgeschriebene Mindestanzahl erreicht, sollte es den Text einer Lehrkraft vorlesen, damit diese darüber urteilen kann, ob der Text „tatsächlich flüssig, aber auch sinnverstehend gelesen werden kann“ (ebd., S. 100). Wenn das nicht der Fall ist, müssen die Schülerinnen und Schüler weiter an dem Text üben. Fällt das Ergebnis aber zufriedenstellend aus, so können sie mit einem anderen Text fortfahren. Um ein synchronisiertes Vorgehen zu gewährleisten, „bei dem die ganze Klasse während einer Übungseinheit mit ein und demselben Text arbeitet“ (ebd.), können die Kinder auch andere zuvor abgesprochene Aufgaben erledigen (vgl. ebd.).
2.4 Lautleseprotokoll
Inwiefern das Lautlesetandem als Förderverfahren dazu imstande ist, die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, kann mithilfe eines Lautleseprotokolls nach Rosebrock und Nix (2008) ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um ein Screening zur Erfassung der Lesegeschwindigkeit und Lesegenauigkeit, das zur Diagnostik eines Förderbedarfs, aber auch zur Dokumentation der Lesefortschritte genutzt werden kann.1
Das Lautleseprotokoll soll innerhalb einer Minute und während des Unterrichts durchgeführt werden können (Beck et al., 2016, S. 22), indem eine Schülerin oder ein Schüler eine Minute lang einen Text vorliest, während die „Lehrkraft nicht korrigierte Lesefehler sowie stockend gelesene Wörter“ (ebd.) auf einer Textvorlage markiert. Anschließend kann die Anzahl an korrekt gelesenen Worten pro Minute gezählt werden, um Aufschluss über die Lesegeschwindigkeit des Kindes zu erhalten. Als Richtwert, welcher den Beginn des flüssigen Lesens darstellt, wird eine Geschwindigkeit von 100 Worten pro Minute angegeben. Um die Lesegenauigkeit herzuleiten, werden schließlich die markierten Lesefehler gezählt (vgl. ebd.).
[...]
1 An dieser Stelle soll darauf hingewiesen sein, dass vorrangig die Eignung des Lautlesetandems für die Implementierung an Grundschulen untersucht werden soll. Die Wirksamkeit des Verfahrens wird durch die Kapitel 1, 2.2 und 2.3 als verifiziert betrachtet. Das Lautleseprotokoll gehört allerdings zur Methode, sodass auch der Umgang mit diesem wichtig für die Bewertung der Praktikabilität des Lautlesetandems ist.
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- Anonym, 2019, Das Lautlesetandem Lesekompetenzförderung in Grundschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520423
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