Russischer Slang und seine Entwicklung


Hausarbeit, 2013

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einordnung und Begriffsdefinition: Slang
2.1 Substandard und seine Varietäten
2.1.1 Prostorečie
2.1.2 Argot und Jargon
2.2 Begriffsdefinition: Slang
2.2.1 Entstehung und Entwicklung des Slangs
2.2.2 Die postsowjetische Periode

3 Quellen des Slangs
3.1 Soziale und professionelle Jargons und Argotismen
3.1.1 Jugendjargon
3.1.2 Jargons professioneller Gruppe
3.1.3 Argotismen
3.2 Einfluss aus Prostorečie
3.3 Einfluss aus anderen Sprachen
3.4 Semantische und wortbildende Prozesse

4 Lexik und Entwicklung des Slangs
4.1 Lexik und thematische Gruppen des Slangs
4.2 Entwicklung des Slangs: Aktuelle Tendenzen

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beleuchtet den russischen Slang als eine substandardsprachliche Varietät der russischen Standardsprache. Die Fülle an in diesem Zusammenhang entstandener Wörterbücher und die Verbreitung des Slangs in Massenmedien zeugen von einer Umbruchstimmung in der russischen Sprache, die mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergeht. Daher rührt auch das Interesse diesem Phänomen genauer auf die Spur zu kommen.

Zwar gibt es eine große Menge an Forschungen zu den substandardsprachlichen Varietäten des Russischen. Dadurch jedoch, dass die Terminologie nicht ganz festgelegt scheint, ist es schwierig den Überblick zu behalten. Was Slang als soziolinguistisches Untersuchungsobjekt der russischen Muttersprachler und als eigenständige Varietät betrifft, fehlt leider der Zugang zu aktuellen Ergebnissen.

Das erste Anliegen dieser Arbeit ist, eine Definition des untersuchten Objektes zu geben. Daher schenkt die Arbeit der Schwierigkeit der Terminologie eine besondere Aufmerksamkeit. Es erweist sich als unumgänglich auch die anderen Varietäten des Substandards wie Prostorečie, Jargon und Argot zu beschreiben und sie in Verhältnis zu einander zu stellen. Zudem ist auch die Untersuchung zur Entstehung und Entwicklung des Slangs für diese Arbeit relevant. Mit diesen Aspekten setzt sich der erste Teil dieser Untersuchungen auseinander.

Im dritten Kapitel werden die Quellen des Slangs genauer betrachtet. Es soll gezeigt werden, aus welchen Quellen sich der russische Slang zusammensetzt. Dadurch wird auch endgültig die Begrifflichkeit des Slangs in Abgrenzung zu anderen Varietäten anhand von Auflistung der Beispiele1 verstärkt herausgearbeitet. Anhand der Quellen lässt sich auch ein Bild über die Entstehung des Slangs machen.

Das letzte Kapitel befasst sich mit der Lexik und der aktuellen Entwicklung des Slangs. Dabei werden zunächst die thematischen Gruppen des Slangs nach Ermakova (1999) zusammenfassend dargestellt, um so eine Verbindung bezüglich gesellschaftlicher Interessen, Einstellungen und Anliegen besser zu demonstrieren. Ebenso wird auch ein Ausblick auf die aktuellen Tendenzen des Slangs geworfen.

2 Einordnung und Begriffsdefinition: Slang

Um die Erscheinung Slang als eine Varietät der Sprache zu begreifen, muss zunächst präzisiert werden wie Slang im Verhältnis zu anderen substandardsprachlichen Varietäten steht, um somit eine klarere Definition des Terminus, soweit es möglich ist, festlegen zu können. Daher wird an dieser Stelle nicht im Einzelnen auf den Begriff der Standardsprache eingegangen. Als Standardsprache bzw. Literaturnyj jazyk 2 sei hier die Definition von Krysin gut für einen Überblick geeignet.

Literaturnyj jazyk – ėto takaja raznovidnost‘ obščenarodnogo jazyka, kotoraja otličaetsja ot vsech drugich raznovidnostej dvumja važnejšimi svojstvami – obščeponjatnost’ju i normirovanost’ju. (Krysin 2007, S. 7).

Die russische Literatursprache, die auch Standard- oder Normsprache genannt wird (vgl. u.a. Marszk 1999, Krysin 2007), zeichnet sich durch ihre Normierung und das allgemeine Verstehen aus. Ferner betont Krysin (ebd.), dass die bewusst gepflegte Norm und das Verständnis aller Mitglieder der Gesellschaft die grundsätzlichen Forderungen der Literatursprache sind (vgl. S. 8).

Vor dem Hintergrund der obigen Definition der Norm- bzw. Standardsprache, lässt sich der Begriff des Substandard besser nachvollziehen, auf den folgend eingegangen wird

2.1 Substandard und seine Varietäten

Die Postsowjetische Zeit war die Blütezeit der substandardsprachlichen Forschung. Es ist auch die Zeit, in der die meisten Jargon- und Argot-Wörterbücher in Russland entstehen. Dennoch oder vielleicht gerade durch diese blitzartige Reaktion der Forschung auf den zu dieser Zeit enormen Einfluss der nichtstandardsprachlichen Varietäten auf die Standardsprache, ist die Einteilung, sowie die Terminologie nicht einheitlich festgelegt (vgl. Romanov 2004, S. 9, vgl. a. Bierich 2000, S. 13).

Daher soll an dieser Stelle zunächst die Terminologie, die für die weitere Untersuchung von großer Bedeutung ist, geklärt werden. Wichtig hierbei ist es, die Grenzen zwischen dem Standardsprachlichem und Nichtstandardsprachlichem zunächst ganz allgemein und anschließend zwischen den einzelnen Varietäten zu ziehen. Dabei kann im Rahmen dieser Arbeit nicht auf jede sprachliche Erscheinung (wie Dialekte, Stil etc.)3 eingegangen werden, sondern nur auf die für diese Arbeit relevanten.

Zunächst gilt das Augenmerk dem Begriff des Substandards. Nach Marszk (1999) ist der Substandard demzufolge alles, was eine Sprache an Abweichungen, Normverletzungen, Obszönitäten, Chiffrierungen und Tabuisierungen zu bieten hat. Es geht also um das Falsche, das Respektlose, das Schamlose, das Geheime, das Verbotene in einer Sprache. Dabei kann es sich um einzelne Wörter handeln, um Redewendungen oder um Satzkonstruktionen (S. 614).

Diese Aussage sollte jedoch durchaus kritisch betrachtet werden, denn vor Allem in Begriffen wie das Falsche, das Respektlose, das Schamlose, das Geheime, das Verbotene in einer Sprache, stecken subjektive Wertungen . Ferner definiert sie in ihrem Beitrag den Substandard als Oberbegriff zu Varietät. Dieser Begriff habe den Vorteil, dass negative Wertungen, die normalerweise im Zusammenhang mit Substandard eihergehen, vermieden werden können (ebd. S. 615).

Koester-Thoma (1993) geht einen Schritt weiter und unterteilt die russische Ethnosprache nicht nur in Standard und Substandard, sondern fügt dieser noch den Nonstandard, für eine bessere Unterteilung der sprachlichen Vielfalt des Russischen, hinzu (vgl. S. 15).

Einen Mittelweg geht Bierich (2000), indem er die nichtstandardsprachlichen Varietäten in diatopische (Dialekte, Halbdialekte) und diastratische (Prostorečie, Jorgons und Argots) einteilt, wobei Mat eine Sonderstellung einnimmt (vgl. S. 16).

Als substandardsprachlichen Varietäten des Russischen beschränkt sich diese Arbeit demzufolge auf die Abgrenzung zwischen Prostorečie, Jargon, Argot und Slang, ohne sich auf eine endgültige Einordnung festzulegen.4 Es ist jedoch sinnvoll davon auszugehen und sich der Meinung von Gladrow (1995) anzuschließen, der die russische Umgangssprache, wobei er darunter alle Normabweichungen von der Literatursprache mit einbezieht, als eine selbstständige Varietät der russischen Ethnosprache klassifiziert und dass es sich nicht um stilistische Markierungen handelt (vgl. S. 71).

Diese Arbeit knüpft an diese Ergebnisse der Forschung an und ordnet unter dem Begriff des Substandards als eine Varietät der Standardsprache, die anderen Varietäten des Substandards selbst ein.

Es soll hier eine kurze Definition dieser jeweiligen Varietäten gegeben werden, da Prostorečie, Argot und Jargon eine entscheidende Rolle bei der Bildung des Slangs einnehmen. Außerdem sollte die synonyme Verwendung dieser Begriffe aufgehoben werden, da es durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Varietäten gibt.

2.1.1 Prostorečie

Man findet im Englischen die Übersetzung „ russian Urban popular language “ (vgl. Egeberg 2011) oder „ urban substandard speech “ (vgl. Potton 1990). Im Deutschen findet man meist die Bezeichnung städtische Umgangssprache. Diese Begriffe umfassen zwar das russische „ городское просторечие “, sollten jedoch nicht dem russischen Begriff eins zu eins gleichgesetzt werden (vgl. Timroth 1983, S. 97).

Es wird nicht im Einzelnen auf die Aspekte des Prostorečie eingegangen.5 Betont werden sollte jedoch, dass es sich dabei um „ eine Sprache von Menschen, die keinen Dialekt mehr sprechen, die aber andrerseits die Standardsprache nicht vollständig erworben haben “ handelt (Marszk 1999, S. 630). Die Abweichungen von der Norm findet man auf allen sprachlichen Ebenen, in der Phonetik, Morphologie, Lexik und in der Syntax. Die bekanntesten sind beispielsweise in der Bildung des Genetivs Plural mit der Endung -ов (z.B. местов, делов, зеркалов) und in der Bildung des Komparativs mit –шe (длиньше, тяжелше, здоровше) (vgl. ebd.). An dieser Stelle eröffnet die Prostorečie-Forschung eine große Diskussion, in wie weit die Verwendung des Prostorečie tatsächlich vom Bildungsstand und anderen soziolinguistischen Hintergründen abhängt. Diese Problematik der soziolinguistischen Zuordnung scheinen jedoch bis heute nicht ganz geklärt zu sein (vgl. Egeberg 2011, S. 18f.).

Es soll in dieser Arbeit jedoch betont werden, dass Prostorečie auf keinen Fall mit Slang gleichzusetzen ist, so wie es beispielsweise Patton (1990) tut, indem er Slang als „ ėkspressivnoe prostorečie “ umschreibt (S. 147).

2.1.2 Argot und Jargon

Dem Argot (блатной язык) als eine weitere Varietät des russischen Substandards kommen in der russischen Sprachwissenschaft vier Bedeutungen zu, die Bierich (2000) wie folgt zusammenfasst: (1) abgestorbene Sprache der Hausierer und Wanderhandwerker („Ofenen“), (2) Sprache bestimmter sozialer Gruppen (z.B. Seeleute, Soldaten, Jäger, Schauspieler u.a.), (3) Sprache deklassierter Gruppen (Bettler, Drogensüchtiger, Krimineller u.a.) mit der näheren Bezeichnung Gaunersprache und (4) Argot als lässige Stadtsprache in der Bedeutung des französischen Begriffs (vgl. Bierich 2000, S. 13f.).

Umfangreicher beschreibt Gračev die verschiedenen Formen des russischen Argots unter der Betrachtung als Sprache der deklassierten Gruppen (s.o.) (vgl. Gračev 2004). Im Wesentlichen sind für die vorliegende Arbeit auch eben diese zwei Betrachtungen des Argots.

Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen Argot und Jargon nicht einfach, da sie auch oft synonym gebraucht werden (vgl. Marszk 1999, S. 622). Als grobe Unterscheidung lässt sich die von den meisten Autoren (vgl. u.a. Bierich 2000, Marszk 1999, Timroth 1983) vertretene Differenzierungskriterien wie folgt darstellen. Der Begriff Argot taucht jeweils im Zusammenhang mit den deklassierten Gruppen auf (s.o.), während Jargon meist mit dem Begriff Jugend- und Berufsjargon konnotiert ist. Wobei das Argot schon seit der Revolution einen enormen Einfluss auf den Jugendjargon nimmt (vgl. Bierich 2000, S. 23).

Die Erläuterung dieser Termini ist insofern wichtig in dieser Arbeit, als dass man so den Begriff Slang und seine Entstehung besser nachvollziehen kann. Obwohl die Definitionen nicht vollständig sind, reichen sie für eine grobe Abgrenzung, um ihr Verhältnis untereinander hervorzuheben.

Wie sich Jargon gegenüber Slang verhält wird nach der Definition des Terminus Slang noch präzisiert. Darüber hinaus listet Romanov (2004) noch weitere Termini auf, u.a. социолект, субъязык, интержаргон, die mit den Varietäten der russischen Sprache zusammenhängen (S. 16f.). Diese werden jedoch für die vorliegenden Untersuchungen außer Acht gelassen.

2.2 Begriffsdefinition: Slang

Unumstritten ist, dass Slang im Russischen immer noch keine endgültige Definition erfuhr. Nicht zuletzt hängt es auch damit zusammen, dass noch in der Sowjetunion sogar die Existenz dieses Phänomens abgestritten wurde, was die Forschung selbstverständlich behinderte6 (vgl. Timroth 1983, S. 102). Auch werden die Begriffe Argot, Jargon und Slang unter den Forschern individuell benutzt und die Abgrenzung wird dadurch erschwert.

Diese terminologische Verwirrung lässt sich beispielsweise an der Benennung der Wörterbücher demonstrieren. So erscheint von Elistratov (2000) das Wörterbuch unter dem Titel „ Slovar‘ russkogo argo “, wobei er darunter eigentlich alle substandardsprachliche Varietäten sieht. Auch bei Gračev/Mokienko (1999) unter dem Titel „ Slovar‘ vorovskogo žargona “ und im Vorwort ist die Rede von „ Russkij argo “. Auch im „ Bol’šoj slovar‘ russkogo žargona “ von Mokienko (2000) findet man keine konkrete Differenzierung zwischen Jargon und Slang. In seiner Auffassung ist der Jargon durch die enorme Verbreitung allgemein geworden, womit hier eigentlich Slang gemeint sein sollte (vgl. S. 4). Er benutzt diesen Begriff jedoch nicht. Ebenfalls findet sich in „ Lingvističeskij ėnciklopedičeskij slovar' “ von Jarceva (2002) eine Gleichsetzung von Jargon und Slang.

Man findet auch in Monographien, so wie beispielsweise Romanov (2004) in seiner Arbeit „ Soveremennyj russkij molodežnyj sleng “, in dem er Jargon und Slang zwar einzeln definiert, die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen jedoch nicht deutlich zum Vorschein tritt. Im Titel ist zwar der Begriff molodežnyj sleng enthalten, in der Arbeit benutzt er jedoch oft den Begriff molodežnyj žargon. Zudem benutzt er Slangismen und Jargonismen synonym. Dabei untersucht er den sog. obščemolodežnyj žargon, der aus den gleichen Quellen entsteht wie Slang. Der einzige Unterschied sei dabei nur das Alter der Sprecher (vgl. S. 16).

In der Forschung zu Slang im anglo-amerikanischen Raum in den letzten fünfzig Jahren, wird der Begriff Slang auch in der russischen Sprachwissenschaft benutzt, allerdings hat er noch keine endgültige Definition erhalten (vgl. Romanov 2004, S. 15f.). Das Anliegen dieser Arbeit soll nun sein, die Bedeutung des Slangs genauer zu beleuchten. Da die Bezeichnung Slang selbst aus dem Englischen kommt, lohnt es sich ein Blick zunächst auf die Definition des englischen Ausdrucks zu werfen. So findet man in Oxford Dictionary die folgende Umschreibung für Slang:

a type of language that consists of words and phrases that are regarded as very informal, are more common in speech than writing, and are typically restricted to a particular context or group of people: grass is slang for marijuana, army slang.7

Diese Beschreibung kommt dem russischen Verständnis von Slang zwar ziemlich nah, doch es fehlt noch die Ergänzung, die die Frage nach der Abgrenzung zum Jargon und Argot verdeutlicht.

Timroth (1983) sieht den sprachlichen Spieltrieb der Menschen als wichtiges Element bei der Entstehung neuer Slang-Wörter. Im Zusammenhang mit Slang treffen solche Stichwörter „ wie Witz, Ironie, Protest, Verachtung, Vulgarität, bewußter [sic!] Verstoß gegen Normen und andere zu.“ (S. 101). Die Abgrenzung zu Argot und Jargon bestünde darin, dass er nicht für eine bestimmte Gruppe charakteristisch sei (vgl. ebd.).

Im Dictionary of American slang von Wentworth/Flexner (1967) beschreibt Flexner (ebd.) Slang als einen Korpus der Wörter und Ausdrücke, die oft gebraucht werden, von einem großen Teil der amerikanischen Bevölkerung verstanden, die aber nicht als guter Sprachgebrauch anerkannt werden. Ferner beschreibt er den amerikanischen Slang als eine schnelle, einfache und personalisierte Art zu sprechen. Er setze sich aus Cant (englische Gaunersprache), Jargon und Argot-Wörtern vieler Unter-Gruppen zusammen, die sich im Slang alle überschneiden (vgl. Flexner 1967, S. vif.).

Mit dieser Ausweitung des Begriffs, kommt man auch der russischen Definition des allgemeinen Jargons schon näher. Die wichtigsten Charakteristika des Slangs lassen sich also folgend zusammenfassen: 1) informell, 2) verstärkt in der gesprochenen Sprache, 3) taucht im bestimmten Kontext auf (Witz, Ironie etc.) 4) setzt sich aus dem Jargon und Argot bestimmter sozialer Gruppen zusammen, 5) nimmt eine Mittlerstellung zwischen Standardsprache und informeller Sprache ein, 6) die von der Allgemeinheit akzeptiert wird.

So könnte man Slang bildlich gesehen als ein Auffangbecken der unterschiedlichen Varietäten der nicht standardsprachlichen Sprache verstehen, zu dem die breite Bevölkerung Zugang hat.

Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass man den Englischen Slang-Begriff und den russischen nicht eins zu eins gleichsetzen kann. Es bestehen zwar Ähnlichkeiten in der Definition, es lassen sich dennoch Unterschiede in der Verbreitung und dem Gebrauch beobachten.

In der russischen Sprachforschung ist die Verwendung des Begriffs Slang in der Tat nicht ganz eindeutig geklärt. Das Problem der Definition von Slang besteht auch oft darin, dass er synonym zum Jargon verwendet (vgl. Bierich 2002, S. 56).

In der Tat ist es irreführend Jargon und Slang gleichzusetzen, da es viele unterschiedliche Jargons gibt. Die Bezeichnung allgemeiner Jargon (общий жаргон), der aus dem Englischen General Slang abgeleitet wurde, eignet sich ebenfalls die Bedeutung des Begriffs Slang zu erfassen (vgl. Bierich 2002, S. 56)8. In der Russistik ist noch der Begriff Interjargon verbreitet (vgl. Bierich 2000, S.25). Somit wird deutlich, dass sich Slang nämlich aus Jargons verschiedener sozialer Gruppen (z.B. Jugendjargon, Jargon der Geschäftsleute und Händler etc.) zusammensetzt.

Auch gelangen viele Argotismen durch die Vermittlung der Jugendsprache in den Slang, oft mit Bedeutungserweiterung. Es handelt sich dabei um Wörter, die in das Allgemeinverständnis einer größeren Bevölkerungsschicht eingedrungen sind (vgl. ebd., S.57). Die bekanntesten Wörter sind: бабки, рыло, выступать, кабак, беспредел, прикид, стрелка, возникать etc. (vgl. ebd.).

Nach dem Slang nun von anderen Varietäten wie Jargon und Argot abgegrenzt werden konnte, stellt sich nun die Frage auf welche Art und Weise er in das Bewusstsein einer breiteren Sprachgemeinschaft gelangt. Dafür ist ein Blick auf die Entstehung und Entwicklung des Slangs unabdingbar.

2.2.1 Entstehung und Entwicklung des Slangs

Zu Sowjetzeiten waren alle Normabweichungen in der Sprache nicht gern gesehen und von Massenmedien gemieden. Ausdrücke, die vom Standard abwichen, wurden als Erscheinungen der Jugendsprache (молодежный жаргон) deklassiert (vgl. Timroth 1983, S. 101f.).

Die Sowjetischen Lexikographen versuchten den Terminus Slang zu umgehen. Es finden sich in Wörterbüchern bei Wörtern, die im Englischen als Slang markiert sind, Vermerke wie, разговорное, просторечuе, вульгаризм, жаргонизм, профессионализм, диалектизм, неологизм (vgl. ebd., S. 103). Erst in der postsowjetischen Ära bediente man sich offiziell des Begriffs Slang zur Beschreibung nicht normativer Sprache. Forschung zu Slang, aus dem anglo-amerikanischen Raum in den letzten fünfzig Jahren wird der Begriff Slang auch in der russischen Sprachwissenschaft benutzt, allerdings hat er noch keine endgültige Definition erhalten (vgl. Romanov 2004, S. 16).

In einem wesentlichen Zug unterscheidet sich der russische vom amerikanischen Slang-Begriff jedoch deutlich, nämlich in seiner Art der Verbreitung. Flexner (1967) pointiert vor Allem die Beweglichkeit der US-Amerikaner in ihrem eigenen Land, die dazu führt, dass sich Begriffe spezifischer Regionen oder Gruppen vermischen konnten. Denn im Laufe seines Lebens wechselt der Amerikaner nicht nur seinen Job, sondern oft damit einhergehend auch den Wohnort. Diese ständige Rastlosigkeit kreiert neue Situationen, die neuer Wörter bedarf (vgl. S. ix).

Diese Art der Verbreitung lässt sich jedoch nicht auf die Ausgangssituation in der Sowjetunion übertragen, da sowohl die berufliche als auch die private Beweglichkeit der Menschen sogar in ihrem eigenen Land streng kontrolliert wurden. Über die aktuelle Verbreitung und Entwicklung des Slangs wird später noch zu lesen sein.

Marszk (1999) macht noch auf ein weiteres Unterscheidungskriterium aufmerksam und zwar, dass die Varietät Mat im Russischen eine eigenständige ist, während sie im englischen Slang miterfasst wird (vgl. S. 626).

[...]


1 Es werden in dieser Arbeit nicht alle russischen Slangausdrücke übersetzt, oder näher erklärt, sondern nur da, wo eine nähere Umschreibung oder Übersetzung relevant erscheint.

2 Hier wird die deutsche Übersetzung Literatursprache gebraucht (vgl. bspw. Fleischmann 2007).

3 S. dazu u.a. Timroth 1983

4 Auf soziale Dialekte, sowie Umgangssprache als weitere Varietäten des Russischen wird hier nicht näher eingegangen (s. dazu u.a. Timroth 1983).

5 eingegangen (s. dazu u.a. Timroth 1983).

6 mehr dazu unter Kapitel 2.3.

7 http://oxforddictionaries.com/definition/american_english/slang (08.03.13), Unterstreichungen von mir vorgenommen (L.L.).

8 Nichtsdestotrotz wird in dieser Arbeit auf die Bezeichnung „allgemeiner Jargon“ verzichtet, um Miss- verständnisse in der Terminologie zu vermeiden.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Russischer Slang und seine Entwicklung
Hochschule
Universität Trier
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
26
Katalognummer
V520069
ISBN (eBook)
9783346128454
ISBN (Buch)
9783346128461
Sprache
Deutsch
Schlagworte
russischer, slang, entwicklung
Arbeit zitieren
Luba Litau (Autor:in), 2013, Russischer Slang und seine Entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520069

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